Bistum Essen

Essener Münster, Südansicht, 7.11.2011. (Gemeinfrei)

Das Bis­tum Es­sen wur­de am 1.1.1958 be­grün­det. Ers­te Plä­ne zur Er­rich­tung ei­ner Ruhr­diö­ze­se wa­ren be­reits in Ver­bin­dung mit den Ver­hand­lun­gen über ein Kon­kor­dat (Staats­kir­chen­ver­trag) des Hei­li­gen Stuhls mit dem da­ma­li­gen Frei­staat Preu­ßen 1927 for­mu­liert wor­den. Die Grö­ße des erst ge­gen En­de des 19. Jahr­hun­derts ent­stan­de­nen in­dus­tri­el­len Bal­lungs­rau­mes und sei­ne Auf­split­te­rung zwi­schen den (Erz-)Diö­ze­sen KölnMüns­ter un­d Pa­der­born so­wie die wei­te Ent­fer­nung von den Bi­schofs­sit­zen er­wie­sen sich hin­sicht­lich der Seel­sor­ge als un­vor­teil­haft. Un­stim­mig­kei­ten über die Zir­kumskrip­ti­on und die Fi­nan­zie­rung des Bis­tums ver­hin­der­ten je­doch die Um­set­zung des Vor­ha­bens. 

Nach der Er­rich­tung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len wur­de der Plan ei­ner Bis­tums­grün­dung an der Ruhr wie­der auf­ge­nom­men. In­fol­ge der Nie­der­las­sung von Flücht­lin­gen und Ver­trie­be­nen so­wie des „Wirt­schafts­wun­ders" war die Be­völ­ke­rungs­zahl im neu­en Bun­des­land und be­son­ders in die­ser Re­gi­on er­neut enorm an­ge­stie­gen. 1951 setz­ten kon­kre­te Pla­nun­gen in den be­tei­lig­ten (Erz)Bis­tü­mern Köln, Pa­der­born und Müns­ter ein. Wie be­reits im Jahr 1927 er­wies sich die Fra­ge der ter­ri­to­ria­len Ab­gren­zung als schwie­rig. Ein das ge­sam­te rhei­nisch-west­fä­li­sche In­dus­trie­ge­biet um­schlie­ßen­des Bis­tum hät­te über 2 Mil­lio­nen Ka­tho­li­ken um­fasst und er­heb­li­che fi­nan­zi­el­le Ein­bus­sen für die Mut­ter­bis­tü­mer mit sich ge­bracht. Ei­nig­keit be­stand des­halb dar­in, dass nicht das ge­sam­te In­dus­trie­ge­biet ei­nem neu­en Bis­tum zu­ge­teilt wer­den soll­te, son­dern nur der ei­gent­li­che Kern des Ruhr­ge­bie­tes mit Es­sen als Re­si­denz­stadt. 

Nach lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen, an de­nen ne­ben der Nun­tia­tur auch die Lan­des­re­gie­rung be­tei­ligt war, wur­den die fol­gen­den Städ­te und Land­krei­se dem neu­en Bis­tum zu­ge­teilt: Aus dem Erz­bis­tum Köln: Es­sen, Mül­heim, Ober­hau­sen (mit den Stadt­tei­len Sterk­ra­de, Sterk­ra­de Nord, Kö­nigs­hardt, Os­ter­feld, Al­sta­den, Busch­hau­sen, Als­feld und Hol­ten), Duis­burg-Süd und ein Teil de­s Krei­ses Mett­mann ; aus dem Erz­bis­tum Pa­der­born: Gel­sen­kir­chen, Bo­chum, Wat­ten­scheid und da­zu der En­ne­pe-Ruhr-Kreis, Al­te­na, Lü­den­scheid (au­ßer Her­de­cke und Wet­ter); aus dem Bis­tum Müns­ter: Duis­burg, Ober­hau­sen, Bot­trop, Glad­beck, Buer. Länd­li­che Re­gio­nen wie der En­ne­pe-Ruhr-Kreis, Al­te­na und Lü­den­scheid wur­den eben­so Teil des Bis­tums Es­sen, weil man ei­ne ein­sei­tig städ­ti­sche Struk­tur ver­mei­den woll­te. 

Die ka­no­ni­sche Er­rich­tung voll­zog Papst Pi­us XII. (Pon­ti­fi­kat 1939-1958) am 23.2.1957 durch die Bul­le „Ger­ma­ni­cae gen­tis"; am 26.2.1957 trat die Er­rich­tung des Bis­tums Es­sen durch Lan­des­ge­setz in Kraft. Am 18.11.1957 er­folg­te die Er­nen­nung des Pa­der­bor­ner Weih­bi­schofs Franz Hengs­bach (1910-1991) zum ers­ten Bi­schof des neu­en Bis­tums. Das Bis­tum um­fass­te zum Zeit­punkt der Be­grün­dung 1848 Qua­drat­ki­lo­me­ter und 1.449.145 Ka­tho­li­ken in der Kern­re­gi­on des Ruhr­ge­biets mit ins­ge­samt rund 3,2 Mil­lio­nen Ein­woh­nern. 

Die Seel­sor­ge­struk­tu­ren des neu­en Bis­tums wa­ren – wie die Bis­tums­grün­dung selbst – dar­an aus­ge­rich­tet, den Men­schen „na­he zu sein", wie dies ins­be­son­de­re von Bi­schof Hengs­bach (1988 zum Kar­di­nal er­ho­ben) im­mer wie­der for­mu­liert wur­de. Ent­spre­chend wur­de ei­ne mög­lichst dich­te pas­to­ra­le In­fra­struk­tur auf­ge­baut, was sich am deut­lichs­ten in zahl­rei­chen neu­en Kir­chen­bau­ten und auch neu­en selb­stän­di­gen Seel­sor­ge­be­zir­ken nie­der­schlug. 1988 wur­de ein Höchst­stand mit 228 Pfar­rei­en, 93 Rek­to­rats­pfar­rei­en und sechs so ge­nann­ten Ex­po­si­tu­ren (von ei­ner Mut­ter­kir­che ab­hän­gi­gen Kir­chen) er­reicht, zu­sam­men al­so 327 Seel­sor­ge­be­zir­ke.

Frei­lich ist die Ge­schich­te des Bis­tums auch da­von be­stimmt ge­we­sen, dass prak­tisch gleich­zei­tig mit der Bis­tums­grün­dung (1.1.1958) mit dem Ab­schied von der in­dus­tri­el­len Mo­no­pol­stel­lung von Koh­le und Stahl (Ers­te Fei­er­schich­ten und Ze­chen­still­le­gun­gen seit dem 22.2. 1958) ein wirt­schaft­li­cher und so­zia­ler Struk­tur­wan­del des Ruhr­ge­bie­tes ein­setz­te, der bis heu­te nicht zum Ab­schluss ge­kom­men ist. Das En­ga­ge­ment der Bi­schö­fe Franz Hengs­bach (1958-1991), Hu­bert Lu­the (1992-2002) und Fe­lix Genn (seit 2003) so­wie der Weih­bi­schö­fe Ju­li­us An­ger­hau­sen (1959-1990), Wolf­gang Gro­ße (1968-2001), Franz Gra­ve (1988-2008) und sei­nes Nach­fol­gers Lud­ger Sche­pers (seit 2008) so­wie von Franz Vor­rath (seit 1995) hat des­halb auch stets in be­son­de­rer Wei­se so­zi­al-ca­ri­ta­ti­ven Ak­ti­vi­tä­ten des Bis­tums ge­gol­ten, wie ex­em­pla­risch – ge­mein­sam mit der Evan­ge­li­schen Kir­che – in der „Ge­mein­sa­men So­zi­al­ar­beit der Kon­fes­sio­nen im Berg­bau" oder dem „In­itia­tiv­kreis Ruhr­ge­biet" oder den viel­fäl­ti­gen For­men der Aus­län­der­seel­sor­ge. 

Lang­fris­tig mach­te aber der Struk­tur­wan­del auch vor der nach 1958 aus­ge­bau­ten pas­to­ra­len In­fra­struk­tur des Bis­tums kei­nen Halt: Die Zahl der Ka­tho­li­ken im Bis­tum Es­sen ging be­son­ders durch de­mo­gra­phi­schen Wan­del und Mi­gra­ti­on von 1958 bis 2000 um gut ein Drit­tel von 1,5 Mil­lio­nen auf knapp un­ter 1 Mil­li­on zu­rück, der sonn­täg­li­che Kirch­gang noch viel stär­ker von cir­ca 500.000 Got­tes­dienst­be­su­chern um 1960 auf cir­ca 100.000 in 2005. Zu­gleich fiel die Zahl der Diö­ze­san­pries­ter von 766 (1963) auf 526 (2005). Die da­mit nicht zu­letzt ver­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Pro­ble­me ver­an­lass­ten die Bis­tums­lei­tung des­halb seit 2004 zu ei­nem in Deutsch­land bei­spiel­lo­sen Re­struk­tu­rie­rungs­pro­zess: 259 Pfarr­ge­mein­den wer­den zu 43 Pfarr­ge­mein­den mit Kir­chen­vor­stand und Pfarr­ge­mein­de­rat zu­sam­men­ge­fasst, zu de­nen meh­re­re (al­te) Pfar­rei­en ge­hö­ren, die die­sen Sta­tus nicht mehr hal­ten und fort­an als „Ge­mein­de" be­zeich­net wer­den. Ein Pries­ter soll dort, oh­ne den Ti­tel des Pfar­rers zu tra­gen, die seel­sorg­li­chen Grund­diens­te im Ver­bund mit ei­nem „Ge­mein­de­rat" und dem Seel­sor­ge­team der ge­sam­ten Pfar­rei wahr­neh­men. 96 Pfarr- und Fi­li­al­kir­chen und Ka­pel­len wer­den auf die­se Wei­se fak­tisch auf­ge­ho­ben. 

Als neu­es Leit­bild zeich­net sich die „Ver­net­zung" der lo­ka­len, un­ter Um­stän­den hin­sicht­lich ih­rer Ak­ti­vi­tä­ten auch spe­zia­li­sier­ten Ge­mein­den ab. Das Bis­tum Es­sen hat so im Kon­text des so­zia­len und re­li­giö­sen Struk­tur­wan­dels ei­nen kirch­li­chen Struk­tur­wan­del ein­ge­lei­tet, der früh­zei­tig auf Ver­än­de­run­gen im Ge­fü­ge von Kir­che und Ge­sell­schaft re­agie­ren will, die sich zwei­fel­los be­reits schon jetzt auch in an­de­ren Tei­len Deutsch­lands be­merk­bar ma­chen.

Literatur

Dam­berg, Wil­helm/Mei­er, Jo­han­nes, Das Bis­tum Es­sen 1958-2008. Ei­ne il­lus­trier­te Kir­chen­ge­schich­te der Re­gi­on von den An­fän­gen des Chris­ten­tums bis zur Ge­gen­wart, Müns­ter i.W. 2008.

Online

Ei­ne Kurz­ge­schich­te des Bis­tums Es­sen (Web­site des Bis­tums Es­sen). [On­line]

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Die goldene Madonna, bedeutender Kunstschatz des Domschatzes Essen, Vollplastik, um 980. (CC BY-SA 3.0 / Domschatzkammer Essen)

 
Zitationshinweis

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Damberg, Wilhelm, Bistum Essen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/bistum-essen-/DE-2086/lido/57d11a2956b0d5.82956995 (abgerufen am 19.04.2024)

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