Auguste von Sartorius

Gründerin des Kindermissionswerkes „Die Sternsinger“ und vierte Generaloberin der Gesellschaft der Ordensfrauen vom Heiligsten Herzen Jesu (Sacré-Cœur) (1830-1895)

Anja Ostrowitzki (Bonn)

Auguste von Sartorius, Porträtfoto. (RCSJ CEU Archiv Kloster Riedenburg)

Au­gus­te von Sar­t­ori­us grün­de­te als jun­ges Mäd­chen in Aa­chen das spä­te­re Kin­der­mis­si­ons­werk der ka­tho­li­schen Kir­che in Deutsch­land „Die Stern­sin­ger“, da­s welt­weit Hilfs­pro­jek­te für Kin­der und Ju­gend­li­che in Ar­mut fi­nan­ziert. Als Or­dens­frau lei­te­te sie ei­ne auf drei Kon­ti­nen­ten ver­tre­te­ne Frau­en­kon­gre­ga­ti­on mit schu­li­scher und er­zie­he­ri­scher Tä­tig­keit.

Au­gus­te von Sar­t­ori­us kam am 1.3.1830 in Aa­chen zur Welt, wo sie in St. Foil­lan ka­tho­lisch ge­tauft wur­de. Ihr Va­ter war der an­ge­se­he­ne Arzt Dr. med. Ge­org von Sar­t­ori­us (1787-1856). Die Mut­ter The­re­se von Sar­t­ori­us, ver­wit­we­te von Le­rodt, ge­bo­re­ne von Eynat­ten (1793-1881) hat­te aus ers­ter Ehe drei er­heb­lich äl­te­re Töch­ter. Bei­de El­tern zähl­ten zum Kreis ka­ri­ta­tiv und so­zi­al ein­ge­stell­ter ka­tho­li­scher Lai­en der Ober­schicht, die sich ge­gen die Not der un­te­ren Schich­ten en­ga­gier­ten. Da­mals leb­te in der früh­in­dus­tri­el­len Tex­til­stadt Aa­chen ein gro­ßer Teil der Be­völ­ke­rung in pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen. The­re­se von Sar­t­ori­us ar­bei­te­te im Vor­stand des Frau­en­ver­eins, der seit 1830 das „Ma­ri­an­nen-In­sti­tu­t“ un­ter­hielt, ein vom Arzt Vi­tus Ja­cob Metz (1792-1866) in pri­va­ter In­itia­ti­ve be­grün­de­tes Ent­bin­dungs­haus für mit­tel­lo­se Frau­en. Zwei ih­rer Töch­ter hei­ra­te­ten we­ni­ge Jah­re nach Au­gus­tes Ge­burt und zo­gen fort. Die Mitt­le­re blieb im müt­ter­li­chen Haus­halt. Nach dem frü­hen Tod der äl­tes­ten Stief­schwes­ter 1840 wuch­sen de­ren sechs Kin­der ge­mein­sam mit Au­gus­te von Sar­t­ori­us auf. Die­se er­hielt ih­re Aus­bil­dung durch Pri­vat­un­ter­richt, weil in ih­rer Schul­zeit ei­ne gu­te hö­he­re Mäd­chen­schu­le in Aa­chen fehl­te.

1845 oder 1846 - wann ge­nau, ist nicht be­kannt - führ­te Au­gus­te von Sar­t­ori­us das 1843 in Nan­cy ent­stan­de­ne „Werk der hei­li­gen Kind­heit“ in ih­rer Hei­mat­stadt ein. Ob sie bei ei­nem Be­such der Gro­ß­el­tern im bel­gi­schen Lüt­tich oder aus der ka­tho­li­schen Pres­se auf das „Oeu­vre de la Sain­te En­fan­ce“ auf­merk­sam ge­wor­den war, lässt sich nicht mehr fest­stel­len. Es han­del­te sich um ei­nen Ge­bets- und Sam­mel­ver­ein für Kin­der. Des­sen Mit­glie­der för­der­ten mit ih­ren Bei­trä­gen und Geld­samm­lun­gen die christ­li­che Er­zie­hung von Kin­dern in Mis­si­ons­län­dern. Au­ßer­dem ver­pflich­te­ten sie sich, täg­lich für die „Hei­den­kin­der“ zu be­ten. Au­gus­te von Sar­t­ori­us’ Be­geis­te­rung für die Mis­si­on und ih­re In­itia­ti­ve wa­ren ty­pisch für die Epo­che: Im 19. Jahr­hun­dert ent­fal­te­te die Chris­ten­heit ei­ne neue mis­sio­na­ri­sche Dy­na­mik. Die Gel­der für die Mis­si­on be­schaff­te ein Netz kon­fes­sio­nel­ler Mis­si­ons­ver­ei­ne. So be­tä­tig­te sich im Rhein­land seit den 1840-er Jah­ren be­son­ders der ka­tho­li­sche „Fran­zis­kus-Xa­ve­ri­us-Ver­ein“, den der Aa­che­ner Arzt Hein­rich Hahn (1800-1882) ge­grün­det hat­te. Um ih­ren ei­ge­nen Ver­ein zu ver­brei­ten, such­te Au­gus­te von Sar­t­ori­us, nach­dem sie zu­nächst auf sich ge­stellt agiert hat­te, die Un­ter­stüt­zung des Aa­che­ner Kle­rus. 1847 ge­lang es ihr, den Pries­ter Wil­helm Sar­t­ori­us (1805-1880) - nur zu­fäl­lig ein Na­mens­vet­ter - zu ge­win­nen. In­dem die­ser und an­de­re Geist­li­che das An­lie­gen des Ver­eins im Re­li­gi­ons­un­ter­richt und in Pre­dig­ten auf­grif­fen, wur­de er be­kannt. Bei der Auf­nah­me er­hiel­ten die Mäd­chen und Jun­gen be­son­de­re An­dachts­bild­chen, die un­ter Kin­dern na­tür­lich be­gehrt wa­ren. Auf die­se Wei­se stieg die Mit­glie­der­zahl schnell. 1851 ver­an­lass­te der Pa­ri­ser Ge­ne­ral­rat des Ver­eins, dass in Aa­chen ein für die nord­deut­schen Bis­tü­mer zu­stän­di­ger Ver­wal­tungs­rat ein­ge­setzt wür­de. Als Prä­si­dent fun­gier­te Pfar­rer Sar­t­ori­us, wäh­rend Dr. Ge­org von Sar­t­ori­us das Amt  des Schatz­meis­ters über­nahm. Au­gus­te von Sar­t­ori­us selbst ge­hör­te dem männ­lich be­setz­ten Gre­mi­um nicht an. Sie führ­te im Hin­ter­grund je­doch die Ge­schäf­te, bis sie am 17.11.1855 im nie­der­län­di­schen Blu­men­thal ihr Or­dens­le­ben be­gann. Be­reits 1860 war der „Ver­ein der hei­li­gen Kind­heit“, oft auch „Kind­heit-Je­su-Ver­ein“ ge­nannt, in al­len deut­schen Bis­tü­mern ver­brei­tet. Im ka­tho­li­schen Mi­lieu bil­de­ten sei­ne Kol­lek­ten, Fröm­mig­keit und Fes­te bis ins 20. Jahr­hun­dert hin­ein ei­nen we­sent­li­chen Be­stand­teil der re­li­giö­sen Prä­gung von Kin­dern. Die 1959 ein­ge­führ­te „Ak­ti­on Drei­kö­nigs­sin­gen“ ist seit den 1980-er Jah­ren po­pu­lär. Da­bei zie­hen Kin­der als Stern­sin­ger mit Se­gens­wün­schen von Tür zu Tür und sam­meln Geld. Das Hilfs­werk führt die­se Spen­den Pro­jek­ten in Ent­wick­lungs­län­dern zur Ver­bes­se­rung der Le­bens­be­din­gun­gen von Kin­dern und Ju­gend­li­chen zu.

Au­gus­te von Sar­t­ori­us schloss sich ei­nem jun­gen Or­den an. Die Ge­sell­schaft der Or­dens­frau­en vom Hei­ligs­ten Her­zen Je­su (Sa­cré-Cœur) war 1800 in Pa­ris von Ma­de­lei­ne-So­phie Ba­rat (1779-1865) ge­grün­det wor­den und ex­pan­dier­te seit­dem welt­weit. Die Or­dens­frau­en wid­me­ten sich auf der Grund­la­ge igna­tia­ni­scher Spi­ri­tua­li­tät und be­son­de­rer Herz-Je­su De­vo­ti­on der Mäd­chen­bil­dung. Sie be­trie­ben par­al­lel ex­klu­si­ve In­ter­na­te für Töch­ter gut ge­stell­ter Fa­mi­li­en und Ar­men­schu­len. Die Nie­der­las­sung in Blu­men­thal bei Vaals wur­de 1848 er­rich­tet, nach­dem es nicht ge­glückt war, die her­un­ter­ge­kom­me­ne Aa­che­ner Mäd­chen­schu­le St. Leon­hard zu über­neh­men. In Aa­chen hät­te ein Pro­vin­zialat als Ba­sis für Grün­dun­gen in den preu­ßi­schen West­pro­vin­zen ent­ste­hen sol­len. In­des hat­ten die staat­li­chen Be­hör­den der Stadt­ver­wal­tung nicht ge­stat­tet, die Schu­le ei­nem Or­den mit Mut­ter­haus in Frank­reich zu über­tra­gen.

Am 1.3.1856 er­hielt Au­gus­te von Sar­t­ori­us in Blu­men­thal das Or­dens­kleid. Das zwei­te Jahr ih­res No­vi­zi­ats ver­brach­te sie in Con­flans bei Pa­ris, wo sie die Stif­te­rin und ers­te Ge­ne­ral­obe­rin per­sön­lich er­leb­te. Wie­der in Blu­men­thal leg­te sie am 5.3.1858 ih­re ers­ten Ge­lüb­de ab. Mit Füh­rungs­qua­li­tä­ten aus­ge­stat­tet, muss­te sie bald da­nach die No­vi­zen­meis­te­rin bei der An­lei­tung der No­vi­zin­nen ent­las­ten. 1861 über­nahm Au­gus­te von Sar­t­ori­us die Lei­tung des In­ter­nats. Am 20.10.1863 fei­er­te sie im Mut­ter­haus in Pa­ris Ewi­ge Pro­fess. Ihr Ein­satz­ort blieb wei­ter­hin Blu­men­thal, wo sie am 14.5.1864 Haus­obe­rin wur­de. 1872 er­hielt sie den Auf­trag, im Klos­ter Ma­ri­en­thal, im Nor­den von Müns­ter, ein deut­sches No­vi­zi­at auf­zu­bau­en. Der po­li­ti­sche Kon­flikt zwi­schen Staat und ka­tho­li­scher Kir­che ver­ei­tel­te die­ses Vor­ha­ben: Mit Ge­setz vom 4.7.1872 wur­den im Kul­tur­kampf  die Ge­sell­schaft Je­su und ihr ver­wand­te Or­den und Kon­gre­ga­tio­nen aus dem Deut­schen Reich aus­ge­wie­sen. Da der Bun­des­rats­aus­schuss für das Jus­tiz­we­sen die Kon­gre­ga­ti­on vom Sa­cré-Cœur am 23.5.1873 als „je­sui­ten­ähn­li­ch“ ein­stuf­te, muss­te Klos­ter Ma­ri­en­thal bin­nen Frist ge­schlos­sen wer­den. Au­gus­te von Sar­t­ori­us, die beim west­fä­li­schen Ober­prä­si­den­ten von Kühl­wet­ter (1809-1882) ge­gen die Auf­he­bung pro­tes­tiert hat­te, kehr­te nach Blu­men­thal zu­rück. Dort wirk­te sie für ei­ni­ge Jah­re ein zwei­tes Mal als Haus­obe­rin. Ih­re nächs­te Auf­ga­be führ­te sie 1881 bis 1884 als Haus­obe­rin nach Bo­is l’Évêque na­he Lüt­tich, wo sie sich auch in der Ka­te­che­se für Berg­ar­bei­ter­fa­mi­li­en be­tä­tig­te.

Seit 1818 wa­ren die Or­dens­frau­en vom Sa­cré-Co­eur in den USA ver­tre­ten. Mit der Mas­sen­im­mi­gra­ti­on aus Eu­ro­pa konn­ten sie sich dort im 19. Jahr­hun­dert weit ver­brei­ten. Als die zen­tra­le Or­dens­lei­tung 1884 ei­ne füh­rungs­er­fah­re­ne und der eng­li­schen Spra­che kun­di­ge Or­dens­frau be­nö­tig­te, die das Vi­ka­ri­at von Loui­sia­na neu or­ga­ni­sie­ren soll­te, fiel die Wahl auf Au­gus­te von Sar­t­ori­us. Es galt, das Ge­biet von Me­xi­ko, das bis da­hin zu die­sem Ver­wal­tungs­be­zirk ge­hört hat­te, zu ver­selbst­stän­di­gen. Nach zwei Jah­ren als Vi­ka­r­o­be­rin rief man sie nach Pa­ris zu­rück, da­mit sie als Ge­ne­ral­as­sis­ten­tin von der Zen­tra­le aus die ame­ri­ka­ni­schen Nie­der­las­sun­gen be­treu­te. Au­ßer­dem wur­de sie zur Ge­ne­ral­vi­ka­rin, al­so Stell­ver­tre­te­rin der Ge­ne­ral­obe­rin er­nannt. In die­sem Amt re­prä­sen­tier­te sie ih­ren Or­den 1888 in Rom bei den Fei­er­lich­kei­ten zum Gol­de­nen Pries­ter­ju­bi­lä­um Papst Le­os XIII. (Pon­ti­fi­kat 1878-1903). Nach dem Tod der Ge­ne­ral­obe­rin am 28.3.1894 wähl­te das Ge­ne­ral­ka­pi­tel Au­gus­te von Sar­t­ori­us im ers­ten Wahl­gang zur Nach­fol­ge­rin. Ih­re Amts­zeit währ­te nur zehn Mo­na­te. In die­ser Zeit ließ sie im Ge­burts­haus der Or­dens­stif­te­rin in Joi­gny ei­ne Ge­denk­stät­te ein­rich­ten. Am 8.5.1895 starb Au­gus­te von Sar­t­ori­us in Pa­ris nach ei­nem Schlag­an­fall. Sie wur­de der Kryp­ta des Klos­ters von Con­flans be­gra­ben.

Literatur

Jan­sen, Wil­helm, Das päpst­li­che Mis­si­ons­werk der Kin­der in Deutsch­land, Sei­ne Ent­ste­hung und sei­ne Ge­schich­te bis 1945, Mön­chen­glad­bach 1970.
Lui­rard, Mo­ni­que, La so­cié­té du Sa­cré-Cœur dans le mon­de de son temps, 1865-2000, Vil­le­neuve d’Ascq 2009.
Ver­meh­ren, Isa, Au­gus­te von Sar­t­ori­us (1830-1895), in: Fi­scher-Holz, Eli­sa­beth (Hg.), An­ruf und Ant­wort, Be­deu­ten­de Frau­en aus dem Drei­län­der­eck, Band 2, Aa­chen 1991, S. 89-117.
Vie de la très ré­vé­ren­de mè­re Ma­rie-Au­gus­ta de Sar­t­ori­us, qua­triè­me su­pé­ri­eu­re gé­né­ra­le de la So­cié­té du Sa­cré Cœur de Jé­sus, Pri­vat­druck des Or­dens 1899.

 
Zitationshinweis

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Ostrowitzki, Anja, Auguste von Sartorius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/auguste-von-sartorius/DE-2086/lido/57c942994c6f79.15772854 (abgerufen am 24.04.2024)