Ernst Friedrich Zwirner

Kölner Dombaumeister (1802-1861)

Ansgar S. Klein (Bonn)

Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner, Gemälde von Erich Correns aus dem Jahr 1861. (Rheinisches Bildarchiv, rba_c001913)

Ernst Fried­rich Zwir­ner war im 19. Jahr­hun­dert der ers­te Dom­bau­meis­ter nach der Un­ter­bre­chung der Ar­bei­ten am Köl­ner Dom im Jah­re 1560. Sei­ne als frei­er Ar­chi­tekt er­rich­te­ten Bau­ten zei­gen ihn als Ver­tre­ter ei­nes neu­go­ti­schen His­to­ris­mus.

Der am 28.9.1802 in Ja­cobs­wal­de im ober­schle­si­schen Land­kreis Co­sel ge­bo­re­ne Ernst Fried­rich Zwir­ner war das vier­te von zwölf Kin­dern des Ernst Fried­rich Trau­gott Zwir­ner (1770-1841), ei­nes evan­ge­li­schen Hüt­ten­be­am­ten des Fürs­ten von Ho­hen­lo­he, und sei­ner Frau Eleo­no­re He­le­ne Ma­ri­an­ne Au­gus­ti­ni (1777-1839). Nach dem Be­such des Gym­na­si­ums in Brieg von 1816 bis 1819 und der Bau­schu­le in Bres­lau leis­te­te er 1821 sei­nen Wehr­dienst als Ein­jäh­rig-Frei­wil­li­ger. Sei­ne ers­te An­stel­lung er­hielt er 1822 als Ver­mes­sungs­kon­duk­teur bei der Re­gie­rung in Bres­lau, so­dass es wahr­schein­lich ist, dass er be­reits zu­vor die Prü­fung als Feld­mes­ser ab­ge­legt hat­te. Wohl zwi­schen 1823 und 1828 stu­dier­te er an der kö­nig­li­chen Bau­aka­de­mie und an der Uni­ver­si­tät in Ber­lin.

Be­schäf­ti­gung fand er nach 1828 bei der Ber­li­ner Ober­bau­de­pu­ta­ti­on. Hier ar­bei­te­te er zu­nächst als Hilfs­ar­bei­ter und Schü­ler Karl Fried­rich Schin­kels (1781-1841), der 1830 zum Lei­ter der Ober­bau­de­pu­ta­ti­on auf­stieg. Zwir­ner hat­te zu­nächst die von der Kon­troll­be­hör­de ver­ord­ne­ten Kor­rek­tu­ren an den ihr vor­ge­leg­ten Plä­nen aus­zu­ar­bei­ten. Rasch je­doch zog ihn Schin­kel zu an­de­ren Ar­bei­ten her­an. Nach Schin­kels Ent­wür­fen er­bau­te Zwir­ner zwi­schen 1829 und 1831 das Rat­haus in Kol­berg. Er selbst ent­warf die dor­ti­ge re­for­mier­te Kir­che, die 1834 voll­endet wur­de, und die eben­falls 1834 er­rich­te­te Bör­se in Stet­tin. Nach­dem Zwir­ner 1830 sein Stu­di­um mit dem Ex­amen zum Land­bau­meis­ter ab­ge­schlos­sen hat­te, wur­de er zum stän­di­gen Mit­ar­bei­ter bei der Ober­bau­de­pu­ta­ti­on er­nannt. Zwi­schen 1832 und 1834 ent­stand nach Plä­nen Zwir­ners und Wil­helm Hein­rich Mat­thi­as‘ (ge­stor­ben 1846) das Haupt­ge­bäu­de der Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg in Hal­le.

Der Kölner Dom während des Baus, Stahlstich, 1851. (Dombauarchiv Köln)

 

Als in Köln der preu­ßi­sche Bau­in­spek­tor Fried­rich Adolf Ah­lert (1788-1833) starb, der für die Re­stau­rie­rungs­ar­bei­ten am un­voll­ende­ten mit­tel­al­ter­li­chen Köl­ner Dom zu­stän­dig ge­we­sen war, er­hielt Zwir­ner des­sen Stel­le. Im Mai 1833 zog er nach Köln und über­nahm am 14.8.1833 die Lei­tung der Ar­bei­ten am Dom. Die­se be­stan­den vor­nehm­lich in der Or­ga­ni­sa­ti­on der Dom­hüt­te, der bild­ne­ri­sche Aus­schmü­ckung des Doms und der Wie­der­her­stel­lung des Cho­res.

Ne­ben sei­ner Tä­tig­keit im Staats­dienst über­nahm Zwir­ner ger­ne und oft Ar­bei­ten für pri­va­te Bau­her­ren. Ei­nes der be­deu­tends­ten Pro­jek­te war der Ent­wurf und die Er­rich­tung der Apol­li­na­ris­kir­che bei Re­ma­gen zwi­schen 1839 und 1843 im Auf­trag von Franz Egon von Fürs­ten­berg-Stamm­heim (1797-1859). An­stel­le der Kir­che aus dem 14. Jahr­hun­dert ent­stand ein neu­go­ti­scher Bau, des­sen zahl­rei­che Wand­flä­chen von Ver­tre­tern des Na­za­re­ner-Stils aus­ge­malt wur­den.

Ein klei­ner, aber in­ter­es­san­ter Auf­trag war die Wie­der­her­stel­lung des im De­zem­ber 1839 ein­ge­stürz­ten Ro­lands­bo­gens bei Re­ma­gen. Der zu die­ser Zeit in Un­kel woh­nen­de Dich­ter Fer­di­nand Frei­li­grath hat­te im Ja­nu­ar 1840 ei­nen Spen­den­auf­ruf in Vers­form ver­öf­fent­licht, der ei­ne gro­ße Re­so­nanz her­vor­rief. Wohl auf Ver­mitt­lung von Sy­bil­le Mer­tens-Schaaff­hau­sen (1797-1857) en­ga­gier­te sich Zwir­ner bei die­sem Pro­jekt und sorg­te für ei­ne um­fas­sen­de Re­stau­rie­rung des ro­man­ti­schen Denk­mals.

DE-2086, LVR_ILR_0000148543.

 

Als ein na­tio­na­les Denk­mal wur­de in­des in der vom Mit­tel­al­ter be­geis­ter­ten Zeit der Ro­man­tik der Köl­ner Dom ge­se­hen. Die Fer­tig­stel­lung des un­voll­ende­ten Kir­chen­baus er­hielt im 19. Jahr­hun­dert gar ei­ne neue Be­deu­tung als Sym­bol für die na­tio­na­le Ein­heit Deutsch­lands. Der Fund der Ori­gi­nal­bau­plä­ne des Mit­tel­al­ters 1814/1816 hat­te das Be­stre­ben nach der Voll­endung des Dom­baus be­flü­gelt und lös­te ein lang­jäh­ri­ges, be­harr­li­ches Wer­ben da­für aus. Auf In­itia­ti­ve köl­ni­scher und rhei­ni­scher Per­sön­lich­kei­ten, dar­un­ter Sy­bil­le Mer­tens-Schaaff­hau­sen, Sul­piz Bo­is­se­rée (1783-1854), Jo­seph Gör­resJo­hann Ma­ria Fa­ri­na, un­d Au­gust Rei­chen­sper­ger, ging die Grün­dung des „Dom­bau-Ver­ein­s“ in Köln 1840/1841 zu­rück, des­sen Ziel die Mit­wir­kung an der Er­hal­tung und dem Fort­bau des un­voll­ende­ten Kir­chen­baus „nach dem ur­sprüng­li­chen Pla­ne“ war. Am 12.1.1842 ord­ne­te der preu­ßi­sche Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858) die Voll­endung des Doms an. Dem Ge­hei­men Re­gie­rungs­rat Jo­seph von Ei­chen­dorff (1788-1857) wur­de zu­nächst das De­zer­nat „Bau und Re­pa­ra­tu­ren am Dom zu Köln“ über­tra­gen. Auch Zwir­ner selbst war für das Pro­jekt ein­ge­tre­ten und hat­te an der öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on mit ei­ner Pu­bli­ka­ti­on un­ter dem Ti­tel „Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft des Cöl­ner Dom­bau­es“ (1842) teil­ge­nom­men. Mit sei­ner Er­nen­nung zum Re­gie­rungs- und Bau­rat bei der Re­gie­rung Köln im Mai 1842 un­ter­stand er di­rekt der Ober­bau­de­pu­ta­ti­on, nach de­ren Auf­lö­sung 1849 di­rekt dem Mi­nis­te­ri­um in Ber­lin. Auf Grund der ge­wal­ti­gen Auf­ga­be wur­de Zwir­ner bald von al­len an­de­ren Tä­tig­kei­ten frei­ge­stellt.

Nach der Ent­schei­dung für den Wei­ter­bau be­gan­nen noch im glei­chen Jahr die Ar­bei­ten. Be­reits am 4.9.1842 leg­ten der pro­tes­tan­ti­sche preu­ßi­sche Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. und der Ko­ad­ju­tor und spä­te­re Erz­bi­schof Jo­han­nes von Geis­sel den Grund­stein zum Süd­por­tal und da­mit für den Wei­ter­bau des Doms.

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Nach­dem über den Wei­ter­bau selbst ent­schie­den wor­den war, gab es je­doch noch Un­stim­mig­kei­ten über die Aus­füh­rung der Bau­ar­bei­ten. Sie be­stan­den zu­nächst in der Fra­ge, ob die not­wen­di­gen Mit­tel für das Stre­be­werk auf­ge­bracht wer­den konn­ten. Über die von Zwir­ner ent­wor­fe­ne kos­ten­spa­ren­de Va­ri­an­te der Quer­haus­fas­sa­den brach ein Kon­flikt aus. Der Dom­bau­ver­ein be­stand auf der ge­nau­en Um­set­zung des mit­tel­al­ter­li­chen Ori­gi­nal­plans und schaff­te es, die da­für er­for­der­li­chen Geld­sum­men be­reit­zu­stel­len. Zur Sechs­hun­dert­jahr­fei­er der Grund­stein­le­gung des Doms 1848 war das Längs­haus bis zur Hö­he der Ein­wöl­bung fer­tig­ge­stellt, die Be­da­chung des gan­zen Ge­bäu­des und die Fer­tig­stel­lung des Vie­rungs­turms er­folg­te 1860.

Ne­ben sei­ner Ar­beit für den Dom­bau war Zwir­ner wei­ter­hin als frei­er Ar­chi­tekt tä­tig, haupt­säch­lich im Rhein­land. So er­bau­te er un­ter an­de­rem für Franz Egon Graf von Fürs­ten­berg-Her­drin­gen (1818-1902) zwi­schen 1844 und 1853 das neue Schloss Her­drin­gen. In Bad Hön­nin­gen er­rich­te er 1845 Burg Ari­en­dorf und lei­te­te von 1849 bis 1855 den Um­bau von Schloss Aren­fels. 1854 führ­te er die neu­go­ti­sche Um­man­te­lung von Schloss Mo­y­land durch. 1859-1861 er­rich­te­te er die 1938 zer­stör­te Syn­ago­ge in der Köl­ner Glo­cken­gas­se. Klei­ne­re Ar­bei­ten wa­ren die Plä­ne für den Mäu­se­turm bei Bin­gen 1856-1858 und das Land­sturm­denk­mal auf dem Dra­chen­fels 1857.

Zwir­ner starb vor Voll­endung des Doms am 22.9.1861 in Köln. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Me­la­ten-Fried­hof. Sein Stell­ver­tre­ter und Nach­fol­ger als Dom­bau­meis­ter, Karl Edu­ard Ri­chard Voig­tel (1829-1902), lei­te­te die Bau­tä­tig­keit und den Auf­bau der Tür­me bis zur Voll­endung im Jahr 1880.

Zu Le­ben und Werk Zwir­ners ist bis­her we­der ei­ne wis­sen­schaft­li­che Bio­gra­phie er­schie­nen noch exis­tiert ein Ge­samt­ver­zeich­nis sei­ner Bau­tä­tig­keit. In­wie­weit die For­schun­gen durch den Ein­sturz des Köl­ner Stadt­ar­chivs am 3.3.2009 be­ein­träch­tigt wor­den sind, lässt sich kaum ab­schät­zen.

Quellen

Das His­to­ri­sche Ar­chiv der Stadt Köln ver­wahr­te un­ter sei­nen Nach­läs­sen und Samm­lun­gen ei­nen un­er­schlos­se­nen Be­stand Zwir­ner (Be­stand 1113); Ak­ten aus der Tä­tig­keit Zwir­ners als Dom­bau­meis­ter sind im Dom­bau­ar­chiv zu fin­den.

Literatur

Beu­ckers, Klaus Ge­re­on, Der Köl­ner Dom, Darm­stadt 2004.
Cus­to­dis, Paul-Ge­org/Pau­ly, Ste­phan, Apol­li­na­ris­kir­che Re­ma­gen, Neuss 2008.
Klein, Ans­gar S., Fer­di­nand Frei­li­grath, Ernst Fried­rich Zwir­ner und der Wie­der­auf­bau des Ro­lands­bo­gens, in: Köl­ner Dom­blatt 75 (2010), S. 226-259.
Wey­res, Wil­ly, Ernst Fried­rich Zwir­ner (1802-1861), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 3 (1968), S. 173-189.

Online

Lier, Her­mann Ar­thur, Zwir­ner, Ernst Fried­rich, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 55 (1910), S. 426-427. [On­line]

DE-2086, LVR_ILR_0000148557.

 
Zitationshinweis

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Klein, Ansgar S., Ernst Friedrich Zwirner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-friedrich-zwirner-/DE-2086/lido/57c82c37bc2d38.61041883 (abgerufen am 19.03.2024)