Franz Pokorny

Sozialdemokratischer Politiker und Gewerkschafter (1874-1923)

Tobias Kühne (Bonn)

Franz Pokorny, Fotografie, vor 1919. (Büro des Reichstags (Hg.): Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung, Weimar 1919)

Franz Po­kor­ny ge­hört zu den zahl­rei­chen Funk­tio­nä­ren der So­zi­al­de­mo­kra­tie und der Ge­werk­schaf­ten, die nur we­nig Spu­ren hin­ter­las­sen ha­ben. Sein Wer­de­gang vom Volks­schü­ler zum Ar­bei­ter und spä­ter zum „Ar­bei­ter­be­am­ten“ und Ab­ge­ord­ne­ten zur Na­tio­nal­ver­samm­lung 1919 legt na­he, ihn als ei­nen ty­pi­schen Ver­tre­ter der mitt­le­ren so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen und ge­werk­schaft­li­chen Funk­tio­närs­schicht zu be­zeich­nen. 

Über die per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se des am 21.3.1874 in Schwelm ge­bo­re­nen Franz Po­kor­ny ist we­nig zu er­fah­ren. Es ist le­dig­lich be­kannt, dass er ver­hei­ra­tet war, drei Kin­der hat­te und sei­ne Ehe­frau am 23.3.1920 ver­starb. Wie vie­le an­de­re rhei­ni­sche So­zi­al­de­mo­kra­ten war er ka­tho­lisch ge­tauft, aber aus der Kir­che aus­ge­tre­ten und wur­de als „Dis­si­den­t“ ge­führt.

Mit 16 Jah­ren be­gann Po­kor­ny sei­ne Tä­tig­keit als Berg­mann im Ruhr­ge­biet und trat so­wohl der SPD als auch dem Berg­ar­bei­ter­ver­band bei. Von 1897 bis 1911 war er Se­kre­tär des Berg­ar­bei­ter­ver­bands und Re­dak­teur der „Berg­ar­bei­ter-Zei­tun­g“ und ih­rer Vor­gän­ger in Bo­chum. Die­se Tä­tig­keit war mit zahl­rei­chen Schi­ka­nen sei­tens der Be­hör­den ver­bun­den, die meh­re­re Geld- und Ge­fäng­nis­stra­fen nach sich zo­gen.

Po­li­tisch erst­mals öf­fent­lich in Er­schei­nung trat er zur Reichs­tags­wahl 1907, als er von der SPD für den Wahl­kreis Reck­ling­hau­sen, Bor­ken im Re­gie­rungs­be­zirk Müns­ter no­mi­niert wur­de. Ein Reichs­tags­man­dat konn­te er bei der für die SPD schwie­ri­gen „Hot­ten­tot­ten­wahl“ nicht er­rin­gen, je­doch war in die­ser Hoch­burg des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus für die So­zi­al­de­mo­kra­tie auch nichts zu ho­len: Von 1871 bis 1912 gin­gen al­le vier müns­ter­län­di­schen Reichs­tags­man­da­te stets an das Zen­trum, Zu­stim­mungs­ra­ten von bis zu 90 Pro­zent wa­ren da­bei durch­aus üb­lich. Po­kor­ny ver­lor schon in der ers­ten Wahl­run­de haus­hoch ge­gen Karl Mat­thi­as Schif­fer (1867-1930), den da­mals wohl wich­tigs­ten christ­li­chen Ge­werk­schaf­ter Deutsch­lands. Im Kai­ser­reich und bis in die 1950er Jah­re war das Ruhr­ge­biet, ent­ge­gen man­cher Le­gen­de, ge­ra­de nicht die „ro­te Herz­kam­mer“ des Rhein­lands oder West­fa­lens, im Rhein­land war dies ein­deu­tig das Ber­gi­sche Land.

1911-1916 war Franz Po­kor­ny als Res­sort­lei­ter im Düs­sel­dor­fer Pres­se­bü­ro der SPD be­schäf­tigt. In die­ser Funk­ti­on wur­de er in die har­ten in­ner­par­tei­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen hin­ein­ge­zo­gen, die schlie­ß­lich zur Spal­tung der So­zi­al­de­mo­kra­tie führ­ten. In die­sem Macht­kampf un­ter­stütz­te Po­kor­ny die Hal­tung des Par­tei­vor­stands und war an der Über­nah­me der „Nie­der­rhei­ni­schen Ar­bei­ter-Zei­tun­g“ sei­tens der vor­stands­loya­len So­zi­al­de­mo­kra­ten be­tei­ligt, de­ren Re­dak­ti­on vom Par­tei­vor­stand um Ot­to Braun ab­ge­setzt wur­de. Den­noch setz­te sich in Düs­sel­dorf letzt­lich die Op­po­si­ti­on durch wur­de schluss­end­lich ei­ne der Hoch­bur­gen der USPD, spä­ter auch der KPD.

Nach­dem die SPD das Pres­se­bü­ro in Düs­sel­dorf kurz dar­auf auf­ge­löst hat­te, wur­de Po­kor­ny wie­der für den Berg­ar­bei­ter­ver­band ak­tiv und in das Saar­ge­biet be­or­dert. Im Sep­tem­ber 1917 or­ga­ni­sier­te er Mas­sen­streiks im Raum Neun­kir­chen und Sulz­bach mit bis zu 20.000 Strei­ken­den, die sich vor al­lem ge­gen die Ver­teue­rung der Kar­tof­fel­prei­se rich­te­te. Zur Dis­zi­pli­nie­rung wur­de Po­kor­ny schlie­ß­lich zum Mi­li­tär ein­ge­zo­gen, auch wenn die Ein­be­ru­fung spä­ter wie­der zu­rück­ge­zo­gen wer­den muss­te.

Bei der Wahl zur Na­tio­nal­ver­samm­lung wur­de Franz Po­kor­ny schlie­ß­lich als ei­ner von zwei so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Kan­di­da­ten für den Wahl­kreis Ko­blenz-Trier ge­wählt, der 1919 ins­ge­samt zwölf Ab­ge­ord­ne­te nach Wei­mar ent­sand­te. Auch hier kan­di­dier­te er wie­der­um in ei­ner Hoch­burg des Zen­trums, setz­te in der Na­tio­nal­ver­samm­lung selbst aber kei­ne ei­ge­nen Ak­zen­te. Kurz nach sei­ner Wahl sie­del­te er ver­mut­lich aus fa­mi­liä­ren und ge­sund­heit­li­chen Grün­den wie­der nach West­fa­len über. Er starb am 17.4.1923 nach lan­ger Krank­heit in Ap­ler­beck (heu­te Stadt Dort­mund). Ob­wohl sein Tod in der deut­schen Öf­fent­lich­keit kei­ne grö­ße­re Re­so­nanz her­vor­rief, ge­dach­ten sei­ne ehe­ma­li­gen Kol­le­gen von der Berg­ar­bei­ter-Zei­tung sei­ner mit ei­nem lan­gen Ar­ti­kel auf der ers­ten Sei­te: „Was gab ihm Weg und Ziel? Sei­ne un­mit­tel­bar quel­len­de Mensch­lich­keit und so­zia­lis­ti­sche Ue­ber­zeu­gung, die Er­kennt­nis, daß die Be­frei­ung der Ar­beit vom Jo­che des Ka­pi­tals nur das Werk der Ar­bei­ter selbst sein kann. Ein Sohn des Vol­kes wollt er sein und blei­ben!“[1]

Literatur

Franz Po­kor­ny †, in Berg­ar­bei­ter-Zei­tung vom 23.4.1923. [on­line

Online

Po­kor­ny, Franz, in: So­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­la­men­ta­ri­er in den deut­schen Reichs– und Land­ta­gen 1867–1933, BIO­SOP-On­line. [on­line]  
Po­kor­ny, Franz, in: Da­ten­bank der deut­schen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten. [on­line]  
Po­kor­ny, Franz, in: R­hein­land-Pfäl­zi­sche Per­so­nen­da­ten­bank. [on­line

 
Zitationshinweis

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Kühne, Tobias, Franz Pokorny, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-pokorny/DE-2086/lido/5dd2a576c3d273.81748553 (abgerufen am 23.04.2024)