Friedrich Albert Panse

Psychiater und T-4-Gutachter in der NS-Zeit (1899-1973)

Ralf Forsbach (Siegburg)

Friedrich Panse, Porträtfoto. (Universitätsarchiv Bonn)

Der wäh­rend der NS-Zeit in Bonn tä­ti­ge Psych­ia­ter Fried­rich Pan­se war T-4-Gut­ach­ter, der geis­tig Be­hin­der­te und psy­chisch Kran­ke in den To­d ­schick­te. Als Wehr­machts­ner­ven­arzt in (Köln-)Porz-En­sen ließ er hö­he­ren gal­va­ni­schen Strom ein­set­zen, um „Kriegs­neu­ro­ti­ker“ zu hei­len und „Si­mu­lan­ten“ zu ent­tar­nen. Als Na­tio­nal­so­zia­list war er ein en­ga­giert leh­ren­der Ras­sen­hy­gie­ni­ker. Den­noch fan­den sich nach dem En­de des NS-Re­gimes rasch Stim­men, die Pan­se ent­las­te­ten. Doch die nord­rhein-west­fä­li­sche Lan­des­re­gie­rung lehn­te es ab, Pan­se wei­ter­hin als au­ßer­plan­mä­ßi­gen Pro­fes­sor zu­zu­las­sen. Ge­gen die­se Ent­schei­dung klag­te Pan­se er­folg­reich: Er wur­de Di­rek­tor der An­stal­t Düs­sel­dorf-Gra­fen­berg, der Düs­sel­dor­fer Ner­ven­kli­nik, Mit­glied im Ärzt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­rat für Fra­gen der Kriegs­op­fer­ver­sor­gung des Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums so­wie Prä­si­dent der Deut­schen Ge­sell­schaft für Psych­ia­trie und Ner­ven­heil­kun­de.

 

1. Panses Weg nach Bonn

Fried­rich Al­bert Pan­se wur­de am 30.3.1899 als Sohn ei­nes Schlos­sers in Es­sen ge­bo­ren. Der Pro­tes­tant wur­de nach dem No­ta­b­itur 1917 ein­fa­cher ­Sol­dat bei der Ar­til­le­rie. Von 1919 bis 1923 stu­dier­te er in Müns­ter und Ber­lin Me­di­zin. 1924 wur­de er ap­pro­biert und pro­mo­viert. Am 1.5.1924 wech­sel­te er an die Wit­ten­au­er Heil­stät­ten der Stadt Ber­lin, zu­nächst als As­sis­tenz-, spä­ter als An­stalts- und Ober­arzt. Im Ja­nu­ar 1936 ha­bi­li­tier­te er sich, wo­bei ihm die Ha­bi­li­ta­ti­ons­schrift er­las­sen wur­de. Für sei­nen Le­bens­weg be­deut­sam wur­de sein sechs Jah­re äl­te­rer Kol­le­ge Kurt Pohlisch (1893-1955), der ihn als Or­di­na­ri­us für Psych­ia­trie und Neu­ro­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bonn an den Rhein hol­te. Pohlisch und Pan­se hat­ten sich Jah­re zu­vor in Ber­lin ken­nen­ge­lernt. Pan­se über­nahm zu­nächst die Lei­tung der Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­an­stalt für psych­ia­trisch-neu­ro­lo­gi­sche Erb­for­schung in Bonn. Im Mai 1937 wur­de er Do­zent für Psych­ia­trie und Neu­ro­lo­gie, im Ju­li 1937 er­hielt er ei­nen Lehr­auf­trag und im Ju­li 1942 wur­de er au­ßer­plan­mä­ßi­ger Pro­fes­sor.

Sieht man da­von ab, dass Pan­se 1924 ei­ne kon­fes­si­ons­ver­schie­de­ne Ehe ein­ging – er hei­ra­te­te die am 29.1.1899 ge­bo­re­ne Ka­tho­li­kin Lui­se Klap­dor –, stellt man im pri­va­ten Le­bens­lauf nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches fest. 1927 kam die Toch­ter Sig­rid zur Welt. Sei­ne Mi­li­tär­lauf­bahn scheint ihm wich­tig ge­we­sen zu sein. Nach­dem er am Ers­ten Welt­krieg nur als Ge­frei­ter teil­ge­nom­men hat­te, wur­de er von der Wehr­macht nach meh­re­ren Übun­gen als As­sis­tenz­arzt der Re­ser­ve über­nom­men. Zu­letzt war er Ober­feld­arzt der Re­ser­ve im Re­ser­ve­la­za­rett Porz-En­sen bei Köln. Er trug das Eh­ren­kreuz für Front­kämp­fer und das Ver­wun­de­ten­ab­zei­chen in Schwarz.

Ver­gleichs­wei­se durch­schnitt­lich ver­lief sei­ne Par­tei­kar­rie­re. In der End­pha­se der Wei­ma­rer Re­pu­blik na­tio­nal­kon­ser­va­tiv – er gab spä­ter an, DVP und DNVP ge­wählt zu ha­ben – war er we­der Na­tio­nal­so­zia­list der ers­ten Stun­de noch „März­ge­fal­le­ner“. Den­noch er­schien es ihm bald op­por­tun, Mit­glied der NS­DAP zu wer­den. Am 1.4.1937 wur­de er auf­ge­nom­men (Nr. 5616924). Er ge­hör­te dem NS-Do­zen­ten­bund, dem NS-Ärz­te­bund (seit 1.1.1936, Nr. 12810), dem Reichs­luft­schutz­bund (seit 1933), der NS-Volks­wohl­fahrt (seit 1933), dem Reichs­bund deut­scher Be­am­ter (seit 1.1.1936), dem Reichs­ko­lo­ni­al­bund (seit 1936), dem Volks­bund für das Deutsch­tum im Aus­land (seit 1.7.1938, Nr. 30280) und dem Deut­schen Ro­ten Kreuz (seit 6.9.1939) an. Dies war für ei­nen dem NS-Re­gime nicht op­po­si­tio­nell ge­gen­über ste­hen­den be­am­te­ten Arzt und Uni­ver­si­täts­an­ge­hö­ri­gen eben­so we­nig un­ge­wöhn­lich wie die fi­nan­zi­el­le För­de­rung ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on wie der SS, die für 1934/1935 be­legt ist.

Für Pan­ses Lauf­bahn wich­tig wur­de die Be­zie­hung zu Kurt Pohlisch. 1934 ge­gen den Wi­der­stand der dor­ti­gen me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät nach Bonn be­ru­fen, such­te Pohlisch nach ei­nem Mit­ar­bei­ter, dem er ver­trau­en konn­te – und der mit ihm auf dem nach dem Nie­der­rei­ßen ethi­scher Be­schrän­kun­gen wei­ten Feld der Psych­ia­trie und Neu­ro­lo­gie for­schen konn­te. Als lei­ten­den Arzt des Rhei­ni­schen Pro­vin­zial­in­sti­tuts für psych­ia­trisch-neu­ro­lo­gi­sche Erb­for­schung konn­te Pohlisch Pan­se durch­set­zen. Die üb­li­che An­bin­dung an die Uni­ver­si­tät aber ver­lief schlep­pend. Nach der Er­tei­lung des Lehr­auf­trags 1937 be­an­trag­te Pohlisch ver­geb­lich ein per­sön­li­ches Or­di­na­ri­at für Pan­se. Das drei­ein­halb­sei­ti­ge An­trags­pa­pier be­tont im­mer wie­der die An­leh­nung von Pan­ses (und Pohlischs) For­schung und Leh­re an die Ma­ßga­ben des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staa­tes. Pan­ses spä­te Ha­bi­li­ta­ti­on wird mit von Ju­den be­setz­ten As­sis­ten­ten­stel­len in Zu­sam­men­hang ge­bracht. Wei­ter schreibt Pohlisch an­er­ken­nend über Pan­se: Mit­wir­kung an ras­sen­hy­gie­ni­schen Amts­arzt­kur­sen in Bonn, in Kreuz­nach, so­wie lau­fend am Uni­ver­si­täts-In­sti­tut für Erb­bio­lo­gie und Ras­sen­hy­gie­ne in Frank­furt (Frhr. v. Ver­schu­er). An­knüp­fung en­ger Zu­sam­men­ar­beit des Bon­ner In­sti­tuts mit dem Frank­fur­ter. Häu­fi­ge ras­sen­hy­gie­ni­sche Vor­trä­ge vor Hun­dert­schaf­ten der Or­dens­burg Vo­gel­sang, dem NS-Do­zen­ten­bund, der NSV, Lan­des­bau­ern­rat, NSLB; en­ge Zu­sam­men­ar­beit mit den ras­sen­po­li­ti­schen Äm­tern der Gaue in der Rhein­pro­vinz, vor al­le­m Gau Köln-Aa­chen. Lau­fen­de Mit­wir­kun­g an den Pflicht­fort­bil­dungs­kur­sen für Ärz­te, an den Aus­län­der­kur­sen der Uni­ver­si­tät, an der Mit­tel­rhei­ni­schen Ver­wal­tungs­aka­de­mie, bei den Re­fe­ren­dar­ar­beits­ge­mein­schaf­ten beim Land­ge­richt in Bonn, Vor­trä­ge vor Volks­pfle­ge­rin­nen. Lei­tung ei­ner Ar­beits­ge­mein­schaft der Fach­schaft Me­di­zin der Deut­schen Stu­den­ten­schaft in Bonn. Seit Som­mer 1938 wie­der be­ru­fen als Do­zent an die Staats­aka­de­mie des öf­fent­li­chen Ge­sund­heits­diens­tes in Ber­lin für Vor­trä­ge psych­ia­trisch-ras­sen­hy­gie­ni­schen In­hal­tes.

Soll­ten zu­nächst noch Res­te ei­ner Skep­sis ge­gen­über dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus bei Pan­se be­stan­den ha­ben, so hat­te er die­se spä­tes­tens 1935 voll­stän­dig ab­ge­legt. Noch in Ber­lin gab er sei­ne Zu­stim­mung zu dem seit 1934 be­ste­hen­den Sys­tem der Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen zu er­ken­nen. An­fang 1935 wur­de er ­Mit­glied des Erb­ge­sund­heits­ober­ge­richts in Ber­lin, das letzt­in­stanz­lich über Ein­wän­de ge­gen zu­vor ver­füg­te Un­frucht­bar­ma­chun­gen nach dem eu­phe­mis­tisch so ge­nann­ten „Ge­setz zur Ver­hü­tung erb­kran­ken Nach­wuch­ses“ ent­schied. 1936 wur­de er in glei­cher Funk­ti­on in Köln tä­tig. Pohlisch warb 1939 für Pan­se mit des­sen Er­fah­rung: Um­fang­rei­che Be­ra­tung von Amts­ärz­ten, Erb­ge­sund­heits­ge­rich­ten und Erb­ge­sund­heits­ober­ge­rich­ten der ge­sam­ten Rhein­pro­vinz in schwie­ri­gen erb­pfle­ge­ri­schen Fäl­len. Die betr. Per­so­nen bzw. Be­hör­den pfle­gen sich häu­fig mit der-ar­ti­gen Fäl­len an das […] In­sti­tut […] zu wen­den, was [sic] dann von Pan­se be­ar­bei­tet wird, wo­durch ei­ne ein­heit­li­che Recht­spre­chung in Erb­ge­sund­heits­fra­gen weit­ge­hend ge­währ­leis­tet wird. Das In­sti­tut be­ar­bei­tet sämt­li­che An­trä­ge auf Ver­lei­hung des Eh­ren­buchs für Kin­der­rei­che, wel­che die ras­sen­po­li­ti­schen Äm­ter der Gaue Köln-Aa­chen, Ko­blenz-Trier und Düs­sel­dorf-Es­sen durch­lau­fen. Auch die­se Ar­beit wird von Pan­se ge­leis­tet, so­daß in der Rhein­pro­vinz ei­ne be­son­ders vor­sich­ti­ge und den so­zia­len Ge­sichts­punk­ten Rech­nung tra­gen­de Aus­le­se der zu för­dern­den Fa­mi­li­en durch­ge­führt wird.

Aus der Fa­kul­tät kam mitt­ler­wei­le kein Wi­der­spruch mehr. Sie un­ter­stüt­ze ei­nen An­trag auf ein per­sön­li­ches Or­di­na­ri­at für Pan­se mit Nach­druck, eben­so der Bon­ner Do­zen­ten­bund­füh­rer Wil­helm Busch: Er ist ein auf­rech­ter Be­ja­her des Drit­ten Rei­ches.

Nach­dem man an der Bon­ner Fa­kul­tät von der grund­sätz­li­chen Ab­schaf­fung per­sön­li­cher Or­di­na­ria­te er­fah­ren hat­te, über ein plan­mä­ßi­ges Or­di­na­ri­at für Pan­se nach­ge­dacht wur­de und man er­folg­los ei­ne Ho­no­rar­pro­fes­sur für ihn be­an­tragt hat­te, teil­te der Ku­ra­tor als Ver­wal­tungs­chef der Uni­ver­si­tät am 18.12.1940 dem Rek­tor mit, dass die Er­rich­tung ei­nes plan­mäs­si­gen Lehr­stuhls für Erb- und Ras­sen­hy­gie­ne (für Do­zent Dr. Pan­se) […] mit Rück­sicht auf den Krieg zu­rück­ge­stellt wer­den müs­se. Zu­dem se­he der Mi­nis­ter die An­ge­le­gen­heit nicht als dring­lich an, weil Pan­se durch den Lehr­auf­trag an die Uni­ver­si­tät ge­bun­den sei. Das von De­kan Fried­rich Tie­mann (1899–1982) for­mu­lier­te Ziel, wie die Uni­ver­si­tät Köln ei­nen Lehr­stuhl für Ras­sen­hy­gie­ne zu er­hal­ten und kon­kur­renz­fä­hig zu sein, war einst­wei­len ge­schei­tert. Ei­ne Rol­le mag da­bei ge­spielt ha­ben, dass Pan­se ei­ne all­zu en­ge Ver­bin­dung sei­ner Per­son wie sei­nes In­sti­tuts mit dem Ras­sen­po­li­ti­schen Amt Köln-Aa­chen schroff ab­ge­lehnt hat­te, was meh­re­re Zeit­zeu­gen im Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren be­stä­tigt ha­ben. Dies hat­te wohl we­ni­ger po­li­ti­sche als wis­sen­schaft­li­che Grün­de. Pan­se ging es bei al­ler ideo­lo­gi­scher Bin­dung um For­schung, nicht um die vor­be­halts­lo­se Be­stä­ti­gung in NS-Krei­sen herr­schen­der Über­zeu­gun­gen.

Pan­se ist ei­ner der we­ni­gen Wis­sen­schaft­ler, de­ren Na­me auch in Ver­b­form be­rühmt und be­rüch­tigt ge­wor­den ist. Im Re­ser­ve­la­za­rett Porz-En­sen ent­wi­ckel­te er wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs ei­ne Elek­tro­schock­me­tho­de zur Be­hand­lung trau­ma­ti­sier­ter Sol­da­ten, die bald als „Pan­sen“ be­kannt wur­de. Pan­ses zeit­wei­li­ger Mit­ar­bei­ter Gün­ter El­sä­ßer (ge­bo­ren 1907) be­schrieb die Me­tho­de als Be­sei­ti­gung psy­cho­ge­ner Stö­run­gen durch den Ein­satz von hö­he­rem gal­va­ni­schem Strom un­ter Sug­ges­tiv­be­ein­flus­sun­gen. Auf die­se höchst frag­wür­di­ge Wei­se soll­ten un­ter den als trau­ma­ti­siert ein­ge­lie­fer­ten Sol­da­ten die­je­ni­gen ge­fun­den wer­den, die sich dem Kriegs­dienst ent­zie­hen woll­ten und zu­gleich tat­säch­li­che „Kriegs­neu­ro­ti­ker“ ge­heilt wer­den. Pan­se war als Chef des Re­ser­ve­la­za­retts fe­der­füh­rend, doch zähl­ten auch sei­ne Bon­ner Kol­le­gen Pohlisch als be­auf­sich­ti­gen­der be­ra­ten­der Psych­ia­ter des Wehr­krei­ses VI mit Sitz in Müns­ter und El­sä­ßer als As­sis­tenz­arzt zu den an den For­schun­gen Be­tei­lig­ten.

Das „Pan­sen“ war ei­ne Mo­di­fi­zie­rung des schon wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs zu ähn­li­chen Zwe­cken ein­ge­setz­ten „Kauf­mann­schen Ver­fah­ren­s“, das mit Fa­ra­day­schem Strom ge­ar­bei­tet und im­mer wie­der zum Tod von Sol­da­ten ge­führt hat­te. Doch vom Pan­sen als Akt der Hu­man­sie­rung zu spre­chen, ver­bie­tet sich. Für Karl Heinz Roth ent­wi­ckel­te sich En­sen un­ter Pan­se zu ei­nem „Zen­trum des neu­ro­psych­ia­tri­schen Ex­pe­ri­men­tie­rens mit mo­di­fi­zier­ten Tech­ni­ken der alt­be­währ­ten Aver­si­ons­fol­ter“, das nur mit ei­nem „Schein wis­sen­schaft­lich-sach­li­chen Hei­len­s“ ver­se­hen war. Pan­se hat­te das The­ma der ver­meint­li­chen Er­schlei­cher staat­li­cher Leis­tun­gen durch das Vor­spie­geln psych­ia­tri­scher Er­kran­kun­gen schon wäh­rend der Wei­ma­rer Re­pu­blik be­schäf­tigt. 1925 ver­brei­te­te er, 23 Pro­zent der Kriegs­neu­ro­ti­ker sei­en in ein kri­mi­nel­les Mi­lieu ab­ge­glit­ten. In wis­sen­schaft­li­chen Auf­sät­zen für die „Deut­sche Zeit­schrift für Ner­ven­heil­kun­de“ und das „Ar­chiv für Psych­ia­trie­ge­schich­te“ schil­der­te er plas­tisch Ein­zel­fäl­le, die grund­sätz­lich ei­nen Zu­sam­men­hang von Kriegs­neu­ro­ti­kern, Be­trü­gern und dem Vor­han­den­sein ei­nes ent­spre­chen­den Ren­ten­sys­tems her­stell­ten.

Al­les das ge­schah kei­nes­falls auf Drän­gen der Wehr­macht. Die­se er­laub­te das „Pan­sen“ zwar in en­gen Gren­zen, nahm es aber nicht in ei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Be­hand­lungs­lis­te auf. Vie­le der Wehr­machts­psych­ia­ter über­sa­hen die vor­sich­ti­ge Zu­rück­hal­tung der Wehr­macht­spit­ze. Kurt Pohlisch setz­te sich für die An­wen­dung der Elek­tro­schocks ein und be­merk­te in ei­nem Schrei­ben En­de Ju­li 1941 an Ober­starzt Ot­to Wuth, dem rang­höchs­ten Mi­li­tär­psych­ia­ter: He­roi­sche Zei­ten er­for­dern m.E. he­roi­sche oder doch dras­ti­sche Maß­nah­men. Es be­durf­te ei­ner sich dra­ma­tisch ver­schlech­tern­den Kriegs­la­ge, da­mit sich die Scharf­ma­cher um Pohlisch und Pan­se durch­set­zen konn­ten. Am 12 12.1942 wur­de das „Pan­sen“ grund­sätz­lich er­laubt, nach­dem es zu­vor an die Zu­stim­mung der Be­trof­fe­nen ge­bun­den ge­we­sen war. Wie schon frü­her pro­pa­gier­te Pan­se auch auf der „Drit­ten Ar­beits­ta­gung der Be­ra­ten­den Ärz­te“ im Mai 1943 sei­ne Tech­nik, de­ren „Er­fol­g“ er in der Ni­vel­lie­rung, das hei­ßt dem Nicht­un­ter­schei­den zwi­schen or­ga­nisch Kran­ken, Si­mu­lan­ten und Neu­ro­ti­kern sah. In Pan­ses Vor­trag hei­ßt es un­ter an­de­rem: _Sie [_die „Psy­cho­ge­nen“] wer­den von uns be­han­delt wie Or­ga­ni­ker und zwi­schen sie ge­legt. Ver­bit­te­rung und Miss­trau­en, die nur die The­ra­pie be­hin­dern und kei­nen sons­ti­gen Nut­zen brin­gen, wer­den so ver­mie­den. […] Die Gren­zen man­cher hys­te­ri­scher Re­ak­ti­on zur be­wu­ß­ten Si­mu­la­ti­on sind flie­ßend, der ex­ak­te Nach­weis der letz­te­ren meist schwie­rig. Wir küm­mern uns des­halb – von sel­te­nen dras­ti­schen Fäl­len ab­ge­se­hen – nicht um ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung, son­dern be­han­deln in je­dem Fal­le en­er­gisch. Der Er­folg ist der glei­che.

Trotz Wi­der­stän­den in Tei­len der Wehr­macht und auch in der NS-Spit­ze, die der Psy­cho­the­ra­pie brei­te­ren Raum gab, fand die An­wen­dung gal­va­ni­schen Stroms nach Pan­ses Kon­zept bald wei­te Ver­brei­tung. Le­dig­lich die Luft­waf­fen­la­za­ret­te ver­zich­te­ten dar­auf. So­gar ein Do­ku­men­ta­ti­ons­film wur­de ge­dreht, um Zweif­ler, mög­li­cher­wei­se auch Hit­ler, zu über­zeu­gen.

Dass der Ein­satz von Elek­tro­schocks auch an der Bon­ner Pro­vin­zi­al-Heil- und Pfle­ge­an­stalt nicht un­üb­lich war, gab am 8.6.1945 de­ren zeit­wei­li­ger Lei­ter Jo­sef Gel­ler zu Pro­to­koll: Bei kri­mi­nel­len Psy­cho­pa­then wen­den wir wohl hin und wie­der en­er­gi­sche elek­tri­sche oder an­de­re Be­hand­lungs­me­tho­den an, aber stets nach rein ärzt­li­cher In­di­ca­ti­on.

2. Panse als Lehrer

Im Ju­li 1933 be­an­trag­te die Me­di­zi­ni­sche Fa­kul­tät, ei­nen un­be­sol­de­ten Lehr­auf­trag für „Volks­ge­sund­heit und an­ge­wand­te Eu­ge­ni­k“ an den nicht­be­am­te­ten au­ßer­or­dent­li­chen Pro­fes­sor Dr. Wal­ter Blu­men­berg (1895–1968) zu ver­ge­ben, den Schü­ler des Di­rek­tors des Hy­gie­ni­schen In­sti­tuts Hu­go Sel­ter (1878–1952). Erst zum Win­ter­se­mes­ter 1937/1938 wur­de ein Lehr­auf­trag für Ras­sen­hy­gie­ne er­teilt, den Pan­se er­hielt, nach­dem Kurt Pohlisch am 2.4.1937 beim De­kan für ihn ei­nen be­sol­de­ten Lehr­auf­trag für Ras­sen­hy­gie­ne be­an­tragt hat­te und auf Zu­stim­mung ge­sto­ßen war. Mit ras­sen­hy­gie­ni­schen Ver­an­stal­tun­gen war Pan­se bis 1945 fort­an in den Vor­le­sungs­ver­zeich­nis­sen ver­tre­ten.

Das nicht zu den Pflicht­ver­an­stal­tun­gen zäh­len­de Kol­leg „Mensch­li­che Er­b­leh­re als Grund­la­ge der Ras­sen­hy­gie­ne“, das Pan­se im Som­mer­se­mes­ter 1939 erst­mals las, galt mit 40 Hö­rern als er­folg­reich. Das Kol­leg „Ras­sen­hy­gie­ne“ be­such­ten 30-40 Hö­rer, vor­wie­gend Nicht­me­di­zi­ner. An die­ser um 30 schwan­ken­den Hö­rer­zahl än­der­te sich in den fol­gen­den Kriegs­jah­ren of­fen­bar we­nig. Im Ju­ni 1943 wies der Phy­sio­lo­ge Ul­rich Eb­be­cke den De­kan dar­auf hin, dass den et­wa 200 Hö­rern des bo­ta­ni­schen oder zoo­lo­gi­schen Kol­legs über Ver­er­bungs­leh­re nur 20–30 Hö­rer bei Pro­fes­sor Pan­se ge­gen­über­stün­den. Pan­se selbst hat­te zu­vor vor­ge­schla­gen, be­stimm­te Vor­le­sun­gen in den Aus­bil­dungs­gang für Erb­bio­lo­gisch-tech­ni­sche An­ge­stell­te zu in­te­grie­ren.

Nach dem En­de des NS-Re­gimes wid­me­te Pan­se in ei­ner Selbst­er­klä­rung ei­nen Ab­satz der Leh­re und be­ton­te de­ren Wis­sen­schaft­lich­keit: Daß ich im Un­ter­richt die Er­b­leh­re und Ras­sen­hy­gie­ne auf Grund ei­nes Lehr­auf­trags ver­trat, war bei dem vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Ap­pa­rat des In­sti­tuts und bei dem vor­han­de­nen rei­chen kli­nisch-erb­bio­lo­gi­schen Kran­ken­gut so­zu­sa­gen na­tür­lich. Ich konn­te die Menschl. Er­b­leh­re und Ras­sen­hy­gie­ne völ­lig kli­nisch aus­ge­rich­tet le­sen. An­thro­po­lo­gi­sche Fra­gen ha­be ich nicht be­han­delt (ab­ge­se­hen von kur­zen Er­wäh­nun­gen meist in der letz­ten Stun­de des Se­mes­ters), da ich nicht als An­thro­po­lo­ge di­let­tie­ren woll­te und den nat.-soz. Rasse­theo­ri­en in­ner­lich fern stand. Ein­zel­ne Hö­rer be­stä­tig­ten spä­ter den streng sach­lich ob­jek­ti­ven Cha­rak­ter der Kol­legs, in de­nen frei­lich der grund­sätz­lich un­mensch­li­che Cha­rak­ter der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Er­b­leh­re un­er­wähnt blieb.

Ein bes­se­res Bild ver­mit­teln mög­li­cher­wei­se die nach Vor­trä­gen an der Staats­me­di­zi­ni­schen Aka­de­mie Ber­lin ent­stan­de­nen Auf­zeich­nun­gen „Erb­fra­gen bei Geis­tes­kran­ken“, in de­nen Pan­se die Vor­läu­fig­keit der For­schun­gen im­mer wie­der be­tont. Frei­lich stell­te er die „Aus­mer­ze“ nicht gänz­lich in Fra­ge, son­dern schränk­te sie im Fal­le von „Psy­cho­pa­thien“ auf ein­deu­tig ne­ga­ti­ve Per­sön­lich­keits- und Cha­rak­ter­ty­pen ein. Ent­schie­den trat er für Zwangs­ste­ri­li­sie­run­gen ein. Bei trunk­süch­ti­gen Frau­en sei fast im­mer die In­di­ka­ti­on zur Ste­ri­li­sie­rung als ge­ge­ben an­zu­neh­men sei. Auch bei Cho­rea Hun­ting­ton (erb­li­che Be­we­gungs­stö­rung, „Veits­tan­z“) for­der­te Pan­se ein här­te­res Durch­grei­fen der Erb­ge­sund­heits­ge­rich­te.

Im Früh­jahr 1940 setz­te sich Pan­se für die Be­rück­sich­ti­gung der „Ras­sen­hy­gie­ne“ als Prü­fungs­fach ein, wie das in Köln und Frank­furt be­reits der Fall war. Sei­ne eins­ti­ge Zu­rück­hal­tung mit Rück­sicht auf das Kon­kur­renz­fach Hy­gie­ne gab Pan­se nun auf: Auch dann, wenn die Al­te Ord­nung noch bei­be­hal­ten blei­ben soll­te, glau­be ich – we­nigs­tens auf Dau­er – mei­nen Lehr­auf­trag nur un­voll­kom­men zu er­fül­len, wenn das Fach nicht ge­prüft wird. Als es 1944 um die Neu­be­set­zung der ras­sen­bio­lo­gi­schen Lehr­stüh­le in Mün­chen und Kö­nigs­berg ging, no­tier­te man im Reich­ser­zie­hungs­mi­nis­te­ri­um aber, Pan­se sei vor­nehm­lich Psych­ia­ter und kom­me für ei­nen ras­sen­bio­lo­gi­schen Lehr­stuhl wohl nicht in Fra­ge.

3. Gutachten als Urteile über Leben und Tod

Pan­se war vom 14.5.-16.12.1940 Gut­ach­ter im Rah­men der T 4-Ak­ti­on zur Tö­tung psy­chisch Kran­ker, sein Men­tor Kurt Pohlisch vom 30.4.1940-6.1.1941. In die­ser Zeit be­ar­bei­te­ten bei­de nach ei­ge­nen An­ga­ben et­wa 1.000 Mel­de­bö­gen aus schle­si­schen und ös­ter­rei­chi­schen An­stal­ten, Pan­se et­wa 600, Pohlisch bis zu 400. Pohlisch ge­lang­te nach ei­ge­nen An­ga­ben in 1- 2 Pro­zent der Fäl­le zu Tö­tungs­ent­schei­dun­gen. Tat­säch­lich lag die Quo­te hö­her. Selbst das Land­ge­richt Düs­sel­dorf ging trotz deut­lich skep­ti­sche­rer Schät­zun­gen der Staats­an­walt­schaft von zehn Tö­tungs­ent­schei­dun­gen Pohlischs und 15 Tö­tungs­ent­schei­dun­gen Pan­ses aus. Gleich­wohl ent­sprach die Gut­ach­ter­tä­tig­keit Pan­ses und Pohlischs nicht den Er­war­tun­gen der Ber­li­ner T 4-Zen­tra­le. Wahr­schein­lich des­halb wur­den bei­de zur Jah­res­wen­de 1940/1941 aus dem Kreis der 40 au­ßer­halb der sechs Tö­tungs­an­stal­ten tä­ti­gen T 4-Gut­ach­ter aus­ge­schlos­sen.

4. Etablierung im Nachkriegsdeutschland

Fried­rich Pan­se ge­lang es nach dem En­de des NS-Re­gimes, sei­ne Hoch­schul­lauf­bahn fort­zu­set­zen. Ob­wohl T 4-Gut­ach­ter, Na­tio­nal­so­zia­list und en­ga­giert leh­ren­der Ras­sen­hy­gie­ni­ker fan­den sich rasch Stim­men, die Pan­se zu ent­las­ten be­reit wa­ren. Äu­ße­run­gen wie die des NS-Geg­ners und Chir­ur­gen Ernst Der­ra (1901–1979) blie­ben die Aus­nah­me: Sei­ne An­schau­ung über eu­ge­ni­sche und ras­sen­hy­gie­ni­sche Pro­ble­me schei­nen sich weit­ge­hend mit de­nen des Sys­tems ge­deckt zu ha­ben. In­wie­weit er den Fra­gen­kom­plex der Eu­tha­na­sie be­jah­te, konn­te ich von kei­ner Sei­te trotz ver­schie­dent­li­cher Er­kun­di­gun­gen er­fah­ren. In Ge­sprä­chen ist er für den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und den da­mit ver­bun­de­nen Mi­li­ta­ris­mus mir ge­gen­über noch vor et­wa 2 Jah­ren ein­ge­tre­ten. Er soll al­ler­dings nicht ei­ne kri­tik­lo­se Ein­stel­lung ge­habt ha­ben.

Die­se Kri­tik war al­ler­dings recht harm­los, wie die „Per­sil­schei­ne“ do­ku­men­tie­ren: Be­dau­ern an­ge­sichts des Schick­sals von jü­di­schen Kol­le­gen und Freun­den; Ab­leh­nung der Me­tho­den der Zi­vil­ver­wal­tung in Lu­xem­burg; Nicht­aus­tritt aus der Kir­che und Nicht­be­hin­de­rung ih­rer Ar­beit. Zum The­ma wird nun auch ein zu Be­ginn der NS-Zeit ge­gen Pan­se an­ge­streng­tes Ver­fah­ren, in dem man ihm ei­ne Ver­sün­di­gung am deut­schen Blut vor­warf, weil er Blut von ei­nem jü­di­schen Kran­ken auf ei­nen Deut­schen [sic] zur Ma­la­ria­the­ra­pie über­impft hat­te. Pan­se selbst er­wähnt zwei wei­te­re Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren we­gen der Teil­nah­me an der Be­er­di­gung sei­nes am 14.4.1934 ver­stor­be­nen lang­jäh­ri­gen jü­di­schen Chefs Emil Bratz (1868-1934) und ei­nes eh­ren­den Nach­rufs auf ihn. Tat­säch­lich stell­te Pan­se den zu Wür­di­gen­den in die Rei­he der­je­ni­gen, die in Sor­ge um ge­eig­ne­ten psych­ia­tri­schen Nach­wuchs wa­ren, der ja be­son­ders zur Durch­set­zung der eu­ge­ni­schen For­de­run­gen des Staa­tes so un­be­dingt not­wen­dig ist.

Wert­voll war die Er­klä­rung ei­nes ehe­ma­li­gen In­sas­sen des KZ Bu­chen­wald, Pan­se ha­be ihm als von der To­des­stra­fe be­droh­ten Wehr­machts­an­ge­hö­ri­gen Un­zu­rech­nungs­fä­hig­keit zu­ge­bil­ligt, ob­wohl Pan­se ihn als Si­mu­lan­ten ei­ner psy­chi­schen Er­kran­kung er­kannt hat­te. Pan­se sei die Ent­schei­dung frei­lich schwer ge­fal­len. Auch ei­ni­ge wei­te­re Zeug­nis­se spre­chen von Pan­ses Be­reit­schaft, un­ter Skru­peln ei­ne fal­sche Dia­gno­se zu Guns­ten von NS-Geg­nern zu stel­len. Er soll so­gar da­für ge­sorgt ha­ben, dass als psy­chisch krank dia­gnos­ti­zier­te Sol­da­ten nicht von „Eu­tha­na­sie“ be­droht wur­den: Ihm ver­trau­ens­wür­dig er­schei­nen­de Ärz­te hat er of­fen­bar dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass ei­ne all­zu ne­ga­ti­ve Be­ur­tei­lung von Wehr­machts­an­ge­hö­ri­gen, die bei­spiels­wei­se nach § 42 RStGB zur Un­ter­brin­gung von Rechts­bre­chern in Heil­an­stal­ten ge­führt hät­te, ei­nem To­des­ur­teil na­he kam.

Pan­se ge­hör­te nach dem Un­ter­gang des NS-Re­gimes nicht zu den­je­ni­gen, die em­pört jeg­li­chen Kon­takt zur NS­DAP be­strit­ten. Ne­ben der be­ton­ten Ab­leh­nung des Syn­ago­gen­sturm[s] vom 9.11.1938 und der NS-Au­ßen­po­li­tik steht das Ein­ge­ständ­nis, die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen erb- und volks­pfle­ge­ri­schen Maß­nah­men of­fen be­grü­ßt zu ha­ben. Spä­ter ha­be er Kri­tik nur im ver­trau­ten Krei­se äu­ßern kön­nen, weil er im Krie­ge an den Fah­nen­eid ge­bun­den ge­we­sen sei.

Vor al­lem be­las­te­te Pan­se sei­ne Be­tei­li­gung an der T 4-Ak­ti­on. An der ers­ten Ber­li­ner Sit­zung der Reichs­ar­beits­ge­mein­schaft für die Heil- und Pfle­ge­an­stal­ten (RAG) zur Pla­nung der Eu­tha­na­sie im April 1940 nahm auch er teil. Der Bon­ner Arzt Curt Schmidt (ge­bo­ren 1906), der fälsch­li­cher­wei­se zu den Be­ra­tun­gen über die „Eu­tha­na­sie“ ein­ge­la­den wor­den war und sich bald dar­aus zu­rück­zog, be­rich­te­te spä­ter von ab­leh­nen­den Äu­ße­run­gen Pan­ses wäh­rend der of­fi­zi­el­len Zu­sam­men­kunft. Pan­se wuss­te 1945 sei­ne vor­geb­li­chen oder tat­säch­li­chen Ge­wis­sens­nö­te ein­dring­lich zu schil­dern: Ich ha­be un­ter der gan­zen Be­las­tung un­sag­bar ge­lit­ten und mich im­mer wie­der mit der Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt, ob es rich­tig war, sich als Sach­ver­stän­di­ger ein­schal­ten zu las­sen. Oder ob es rich­ti­ger ge­we­sen wä­re, völ­lig zu op­po­nie­ren und den Din­gen un­be­tei­ligt ih­ren Lauf zu las­sen. Daß man das ethisch gar nicht zu recht­fer­ti­gen­de bru­ta­le Vor­ge­hen in­ner­lich ver­ab­scheu­en mu­ß­te, war oh­ne­hin klar. Pan­se frag­te sich da­mals, ob es rich­tig ge­we­sen sei, das kal­te Aus­schal­ten sei­ner Per­son als T 4-Gut­ach­ter hin­zu­neh­men, hät­te er doch als Gut­ach­ter noch wei­ter­hin Kran­ke ret­ten kön­nen. Sei­ne fünf­sei­ti­ge Be­trach­tung zur „Eu­tha­na­sie“ im „Drit­ten Reich“ schlie­ßt Pan­se mit ei­nem ein­deu­ti­gen Ur­teil: Je­den­falls han­del­te es sich um das trübs­te Ka­pi­tel in der Ge­schich­te der deut­schen Psych­ia­trie, de­ren An­se­hen un­ge­heu­er ge­lit­ten hat, das ärzt­li­che Ethos ist schwer er­schüt­tert. Dar­über war ich mir von der 1. Mi­nu­te der Kennt­nis von die­sen Din­gen klar. Ich bin heu­te der Über­zeu­gung, in der ge­ge­be­nen Si­tua­ti­on al­les ge­tan zu ha­ben, was mög­lich war, um so vie­le Kran­ke zu ret­ten, wie die Ge­ge­ben­hei­ten es über­haupt zu­lie­ßen. […] Mein Ge­wis­sen ist in die­ser so schwie­ri­gen An­ge­le­gen­heit völ­lig rein.

 Der uni­ver­si­täts­in­ter­ne Prü­fungs­aus­schuss nahm sämt­li­che Ar­gu­men­te zur Kennt­nis, sprach von Pan­ses ge­wis­sen­haf­ter Ab­wä­gung im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Be­tei­li­gung an der NS-„Eu­tha­na­sie“, hielt ihn aber doch in sei­ner Stel­lung als Leh­rer an der Uni­ver­si­tät für nicht trag­bar. Die Nach­kriegs­jus­tiz aber folg­te Pan­ses Ar­gu­men­ta­ti­on und sprach von ei­ner Pflich­ten­kol­li­si­on. Vom Vor­wurf, Ver­bre­chen ge­gen die Mensch­lich­keit ver­übt zu ha­ben, sprach ihn das Schwur­ge­richt Düs­sel­dorf am 24.11.1948 frei. Die­ses Ur­teil wur­de in ei­nem Köl­ner Re­vi­si­ons­ver­fah­ren am 23.7.1949 be­stä­tigt. Trotz­dem lehn­te es das Düs­sel­dor­fer Lan­des­ka­bi­nett in sei­ner Sit­zung vom 12.2.1952 ab, Pan­se wei­ter­hin als au­ßer­plan­mä­ßi­gen Pro­fes­sor zu­zu­las­sen. Ge­gen die­se Ent­schei­dung klag­te Pan­se er­folg­reich vor dem Düs­sel­dor­fer Lan­des­ver­wal­tungs­ge­richt. Die Nach­kriegs­jus­tiz aber folg­te Pan­ses Ar­gu­men­ta­ti­on und sprach von ei­ner Pflich­ten­kol­li­si­on. Vom Vor­wurf, Ver­bre­chen ge­gen die Mensch­lich­keit ver­übt zu ha­ben, sprach ihn das Schwur­ge­richt Düs­sel­dorf am 24.11.1948 frei. Die­ses Ur­teil wur­de in ei­nem Köl­ner Re­vi­si­ons­ver­fah­ren am 23.7.1949 be­stä­tigt. Trotz­dem lehn­te es das Düs­sel­dor­fer Lan­des­ka­bi­nett in sei­ner Sit­zung vom 12.2.1952 ab, Pan­se wei­ter­hin als au­ßer­plan­mä­ßi­gen Pro­fes­sor zu­zu­las­sen. Ge­gen die­se Ent­schei­dung klag­te Pan­se er­folg­reich vor dem Düs­sel­dor­fer Lan­des­ver­wal­tungs­ge­richt.

Schon 1950 war Pan­se Lei­ter der Rhei­ni­schen Lan­des­kli­nik für Hirn­ver­letz­te in Lan­gen­berg ge­wor­den. Jetzt stand auch der Fort­set­zung sei­ner Uni­ver­si­täts­kar­rie­re nichts mehr im We­ge. Ge­gen den Wil­len der Lan­des­re­gie­rung war er von 1954 bis 1967 Lei­ter des Rhei­ni­schen Lan­des­kran­ken­hau­ses Düs­sel­dorf-Gra­fen­berg und In­ha­ber des Lehr­stuh­les für Psych­ia­trie an der Düs­sel­dor­fer Hoch­schu­le. Der bald als re­nom­miert gel­ten­de Or­di­na­ri­us stand 1965/1966 als Prä­si­dent der Deut­schen Ge­sell­schaft für Psych­ia­trie und Ner­ven­heil­kun­de vor. Auch die Po­li­tik ver­gaß oder ver­gab sei­ne Ver­gan­gen­heit: Er wur­de Mit­glied im Ärzt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­rat für Fra­gen der Kriegs­op­fer­ver­sor­gung des Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­ums. 1967 trat Pan­se in den Ru­he­stand und starb am 6.12.1973 in Bo­chum.

Werke (Auswahl)

Das Schick­sal von Ren­ten- und Kriegs­neu­ro­ti­kern in sei­ner Ab­hän­gig­keit von Be­gut­ach­tung und Um­welt­ein­flüs­sen, in: Deut­sche Zeit­schrift für Ner­ven­heil­kun­de 88 (1925), S. 232–237.
Das Schick­sal von Ren­ten- und Kriegs­neu­ro­ti­kern nach Er­lan­gung ih­rer An­sprü­che, in: Ar­chiv für Psych­ia­trie 77 (1926), S. 61–92.
Ne­kro­log Bratz, in: All­ge­mei­ne Zeit­schrift für Psych­ia­trie und psy­chisch-ge­richt­li­che Me­di­zin 102 (1934), S. 370–374.
Erb­fra­gen bei Geis­tes­krank­hei­ten, Nach Vor­trä­gen an der Staats­me­di­zi­ni­schen Aka­de­mie Ber­lin, Leip­zig 1936.

Literatur

Fors­bach, Ralf, Die Me­di­zi­ni­sche Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn im „Drit­ten Reich“, Mün­chen 2006.
Ho­fer, Ge­org, „Ner­vö­se Zit­te­rer“, Psych­ia­trie und Krieg, in: Hel­mut, Kon­rad (Hg.), Krieg, Me­di­zin und Po­li­tik, Der Ers­te Welt­krieg und die ös­ter­rei­chi­sche Mo­der­ne, Wien 2000, S. 15–134.
Ler­ner, Paul, Hys­te­ri­cal Men. War, Psych­ia­try, and the Po­li­tics of Trau­ma in Ger­ma­ny, 1890–1930, It­ha­ca/Lon­don 2003.
Neu­ner, Ste­pha­nie, Po­li­tik und Psych­ia­trie. Die staat­li­che Ver­sor­gung psy­chisch Kriegs­be­schä­dig­ter in Deutsch­land 1920–1939, Göt­tin­gen 2011.
Rie­des­ser, Pe­ter/Ver­der­ber, Axel, „Ma­schi­nen­ge­weh­re hin­ter der Fron­t“. Zur Ge­schich­te der deut­schen Mi­li­tär­psych­ia­trie, Frank­furt am Main 1996.
Roth, Karl Heinz, Die Mo­der­ni­sie­rung der Fol­ter in den bei­den Welt­krie­gen. Der Kon­flikt der Psy­cho­the­ra­peu­ten und Schul­psych­ia­ter und die deut­schen ‚Kriegs­neu­ro­ti­ker‘ 1915–1919, in: 1999. Zeit­schrift für So­zi­al­ge­schich­te des 20. und 21. Jahr­hun­derts, Heft 3/1987, S. 8-75. 

Friedrich Albert Panse, Porträtfoto, 1940. (Archiv Arbeitskreis Psychiatriegeschichte Bonn, APG-Bonn/L. Orth)

 
Zitationshinweis

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Forsbach, Ralf, Friedrich Albert Panse, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-albert-panse/DE-2086/lido/57c9580a31d439.44969002 (abgerufen am 29.03.2024)