Johann Gottfried Rademacher

Arzt (1772-1850)

Hans-Joachim Koepp (Goch)

Johann Gottfried Rademacher, Lithographie von P. Tischbein.

Dr. Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher wirk­te 53 Jah­re als an­ge­se­he­ner Stadt­phy­si­kus, Ar­men­arzt und Fach­pu­bli­zist für Me­di­zin in Goch. Be­rühmt wur­de er durch sei­ne 1841 pu­bli­zier­te und viel­be­ach­te­te Er­fah­rungs­heil­leh­re, die auf Pa­ra­cel­sus’ Si­gna­tu­ren­leh­re fu­ß­te. Ra­de­ma­cher war sei­ner­zeit ei­ner der po­pu­lärs­ten Per­sön­lich­kei­ten zwi­schen Rhein und Maas. Die Be­völ­ke­rung lieb­te ihn we­gen sei­ner Un­ei­gen­nüt­zig­keit, Hilfs­be­reit­schaft so­wie Of­fen- und Be­schei­den­heit.

Dr. Ra­de­ma­cher wur­de am 6.8.1772 im west­fä­li­schen Hamm ge­bo­ren. Sein Va­ter war dort Ge­richts­di­rek­tor; sei­ne Mut­ter war ei­ne Toch­ter von H. Chr. Bran­de, der Heil­kunst stu­diert hat­te und Apo­the­ker des Kö­nigs von Eng­land war. Als Kind war Ra­de­ma­cher schwäch­lich und krän­kel­te oft, so dass die Fa­mi­lie für die­sen Kna­ben ei­ne un­ge­wis­se Zu­kunft vor­aus­sah. Den ers­ten Un­ter­richt er­hielt er in Goch und wech­sel­te spä­ter auf die La­tein­schu­le nach Schwelm. Mit 18 Jah­ren be­gann er in Je­na das Stu­di­um der Me­di­zin und be­en­de­te es nach vier Jah­ren mit der Pro­mo­ti­on zum „Doc­tor Me­di­ci­nae et Chir­ur­gia­e“. Sei­ne Dis­ser­ta­ti­on über den Un­ter­schied des Rheu­ma­tis­mus und der Gicht ver­tei­dig­te er er­folg­reich. Zur Voll­endung sei­ner Stu­di­en wech­sel­te er noch für ein Jahr nach Ber­lin, wo er am 28.8.1795 das Staats­ex­amen ab­leg­te.

Nach­dem er von 1795 bis 1797 in Kle­ve als Arzt ge­ar­bei­tet hat­te, ließ sich Ra­de­ma­cher am 19.4.1797 in Goch nie­der und er­öff­ne­te am Markt ei­ne Arzt­pra­xis. Im Jahr dar­auf hei­ra­te­te er die Wit­we sei­nes ein­zi­gen Bru­ders, der Rich­ter ge­we­sen und nach ein­jäh­ri­ger Ehe ge­stor­ben war. Die Wit­we war ei­ne ge­bo­re­ne von Man­ger aus Rin­gen­berg (heu­te Stadt Hammin­keln). Sie führ­ten bis zum Tod der Frau im Jah­re 1837 ei­ne glück­li­che Ehe, die durch den frü­hen Tod des ein­zi­gen Soh­nes, der durch Schar­lach hin­weg­ge­rafft wur­de, über­schat­tet war.

Wäh­rend der fran­zö­si­schen Zeit war der Arzt von 1805 bis 1809 auch Be­zirks­arzt für den Kan­ton Kle­ve (heu­te das Ge­biet der Stadt Kle­ve und Hau) und war schon bald der be­lieb­tes­te Arzt zwi­schen Rhein und Maas; sein Amts­be­reich er­streck­te sich über 40 Mei­len im Um­kreis. Er wirk­te mit gro­ßer Men­schen­lie­be und oft völ­li­ger Un­ei­gen­nüt­zig­keit. Be­son­de­re Fä­hig­kei­ten er­warb er in der Pflan­zen­heil­kun­de. Der Arzt „war ein Feind al­les Prun­kes und äu­ße­ren Glan­zes, Ein­fach­heit und Mä­ßig­keit be­zeich­ne­ten sein gan­zes Le­ben […] , ein Mensch von ei­ser­ner Kon­se­quenz und Cha­rak­ter­fes­tig­keit“, so Dr. Berg­rath.[1] Der Arzt klei­de­te sich ein­fach, zu­wei­len trug er we­gen der Käl­te Holz­schu­he. Ra­de­ma­cher galt am Nie­der­rhein als ei­ne der po­pu­lärs­ten Per­sön­lich­kei­ten; man nann­te ihn „den al­ten Dok­tor von Goch“. Ra­de­ma­chers Je­na­er Leh­rer, der be­rühm­te Pro­fes­sor Chris­toph Wil­helm Hu­fe­land (1762-1836), schät­ze ihn sehr und rech­ne­te es sich zur Eh­re an, sein Leh­rer ge­we­sen zu sein, teil­te aber Ra­de­ma­chers me­di­zi­ni­schen An­sich­ten nicht. Den­noch nann­te er ihn „ei­nen den­ken­den, scharf­sin­ni­gen, viel er­fah­re­nen und viel be­le­se­nen Mann, sei­nen al­ten Freun­d“[2]. In dem Werk „Quell­schrif­ten zur Neu­en Deut­schen Heil­kun­de“ von 1943 fin­det sich ei­ne Aus­sa­ge über Dr. Ra­de­ma­cher von Dr. Ge­or­ge Dom­mes, Krei­s­phy­si­kus in Iser­lohn, der zwei Mo­na­te mit Dr. Ra­de­ma­cher in Goch zu­sam­men­ar­bei­te­te, die al­les über­trifft: „Ra­de­ma­cher war un­strei­tig der grö­ß­te Arzt, der je ge­lebt hat und viel­leicht wird nie ein grö­ße­res Ge­nie ge­bo­ren wer­den. Ihm war es ge­lun­gen, was seit Jahr­tau­sen­den von den aus­ge­zeich­nets­ten Köp­fen an­ge­strebt wur­de: er hat­te ei­ne Heil­leh­re ent­deckt, die mit der Er­fah­rung in Ein­klang steht; er hat­te ge­fun­den, was die Ho­möo­pa­then su­chen, spe­zi­fi­sche Heil­mit­tel; er hat­te ver­hü­ten ge­lehrt, was die Hy­dro­pa­then (d.h. Was­ser­heil­kun­di­gen) fürch­ten: Arz­neik­rank­hei­ten“[3].

1846 leg­te Dr. Ra­de­ma­cher die Stel­le als Ar­men­arzt nie­der und stell­te zwei Jah­re spä­ter auch sei­ne Tä­tig­kei­ten am Kran­ken- und Wai­sen­haus in Goch ein. 

Dr. Ra­de­ma­cher ver­öf­fent­lich­te zahl­rei­che me­di­zi­ni­sche Schrif­ten und Bü­cher. Be­rühmt ge­wor­den ist er durch die 1841 pu­bli­zier­te und viel­be­ach­te­te Er­fah­rungs­heil­leh­re, die auf Pa­ra­cel­sus’ Si­gna­tu­ren­leh­re fu­ß­te. Die­ses Haupt­werk in zwei Bän­den um­fass­te 1.600 Sei­ten. Der Go­cher Arzt führ­te ei­ne mo­der­ne, wis­sen­schaft­li­che und prak­ti­sche Me­di­zin auf Grund­la­ge der rei­nen ver­stan­des­recht­li­chen Em­pi­rie ein. 

 

In Goch emp­fand Dr. Ra­de­ma­cher den Man­gel an geis­ti­ger An­re­gung schmerz­haft: „Kein Schat­ten geis­ti­ger Kul­tur herrscht hier, al­le Küns­te und Wis­sen­schaf­ten sind Kon­ter­ban­de“. Zum 50-jäh­ri­gen Dok­tor­ju­bi­lä­um 1844 er­hielt er vom preu­ßi­schen Kö­nig den Ro­ten Ad­ler­or­den IV. Klas­se, den er je­doch nie­mals ge­tra­gen hat. Der Ver­ein Ber­li­ner Ärz­te ehr­te Ra­de­ma­cher durch die Über­sen­dung ei­nes Di­ploms zum au­ßer­or­dent­li­chen kor­re­spon­die­ren­den Mit­glied.

Dr. Ra­de­ma­cher starb am 9.2.1850. Sein Grab­mal be­fin­det sich auf dem ehe­ma­li­gen Go­cher Fried­hof an der Ecke Kalka­rer/Pfalz­dor­fer Stra­ße. Zur Er­in­ne­rung an die­se Per­sön­lich­keit hat die Stadt Goch ihm ein Denk­mal er­rich­tet. Die Büs­te steht heu­te vor dem Wil­helm-An­ton-Hos­pi­tal. Au­ßer­dem ist ei­ne Stra­ße in Goch nach ihm be­nannt. Trotz­dem ist der Ruhm des Man­nes im Lau­fe der Zeit in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Stu­den­ten der Me­di­zin bleibt der Na­me al­ler­dings wei­ter­hin prä­sent. 

Werke (Auswahl)

Der Arzt Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher pu­bli­zier­te zahl­rei­che Ab­hand­lun­gen über die Me­di­zin, die zu­meist im Jour­nal sei­nes Je­na­er Lehr­meis­ters Hu­fe­land von 1796 bis 1827 (18 Jour­nal-Auf­sät­ze) ver­öf­fent­licht wur­den. Zu sei­nen grö­ße­ren Wer­ken zäh­len:
Be­schrei­bung ei­ner neu­en Heil­art der Ner­ven­fie­ber, 1803.
Brie­fe für Ärz­te und Nicht­ärz­te über die Af­ter­me­di­zin und de­ren Not­wen­dig­kei­ten im Staa­te, 1804.
Li­bel­lus de dys­en­te­ria, Köln 1808. [Ein Büch­lein über die Ruhr].
Recht­fer­ti­gung der von den Ge­lehr­ten miss­kann­ten ver­stan­des­rech­ten Er­fah­rungs­heil­leh­re der al­ten schei­de­küns­ti­gen Ge­hei­m­ärz­te und treue Mit­tei­lung des Er­geb­nis­ses ei­ner 25jäh­ri­gen Er­pro­bung die­ser Leh­re am Kran­ken­bet­te. Ber­lin, 1841, 1.309 Sei­ten. [Die 4. Auf­la­ge im Jah­re 1853 um­fasst zwei­bän­dig 1.670 Sei­ten. Das Buch ist als Re­print­aus­ga­be von 1848 noch im­mer im Buch­han­del er­hält­lich.]

Literatur

An­te, Jür­gen, Dr. Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher. Arzt in Goch von 1797 bis 1850, in: An Niers und Ken­del 36 (2000), S. 1-7.
Berg­rath, Dr. Pe­ter Bern­hard, Dr. Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher, Arzt in Goch. Ei­ne bio­gra­phi­sche Skiz­ze, Ber­lin 1850.
Krack, Dr. med. Niels, Dr. Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher. Sein Le­ben, sei­ne Leh­re, sei­ne Heil­mit­tel und wir, 1984.
Oeh­men, Dr. Franz, Joh. Gott­fried Ra­de­ma­cher, sei­ne Er­fah­rungs­leh­re und ih­re Ge­schich­te, 1900.
Paal, Dr. Her­mann, Jo­hann Gott­fried Ra­de­ma­cher (1772-1850). Arzt in Goch und sei­ne Er­fah­rungs­heil­leh­re, 1932.

Grabstätte Johann Gottfried Rademachers in Goch, 2002, Foto: Hans-Joachim Koepp.

 
Zitationshinweis

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Koepp, Hans-Joachim, Johann Gottfried Rademacher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-gottfried-rademacher/DE-2086/lido/57c95a9f9beee6.41231429 (abgerufen am 18.04.2024)