Laurenz Cantador

Chef der Düsseldorfer Bürgerwehr (1810-1883)

Astrid Küntzel (Düsseldorf)

Laurenz Cantador, Lithographie von Oswald Achenbach. (Landeshauptstadt Düsseldorf - Stadtmuseum)

Lau­renz (auch Lo­renz oder Laur­entz) Can­ta­dor war ein an­ge­se­he­ner Bür­ger der Stadt Düs­sel­dorf und wur­de we­gen sei­ner Ak­ti­vi­tä­ten in der Re­vo­lu­ti­on von 1848/1849 ver­haf­tet. Ei­ner er­neu­ten Ver­fol­gung durch die preu­ßi­schen Be­hör­den ent­ging er durch Flucht in die USA, wo er als Of­fi­zier an der Schlacht von Get­tysburg teil­nahm.

Franz Lau­renz Jo­seph Ma­ria Can­ta­dor (Schreib­wei­se der Na­men laut Ge­burts­re­gis­ter) wur­de am 1.6.1810 in ei­ne an­ge­se­he­ne Düs­sel­dor­fer Fa­mi­lie ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie stammt ur­sprüng­lich aus dem Ort To­ce­no im Pie­mont. Von dort war Can­ta­dors Ur­gro­ßva­ter An­ton Can­ta­do­re 1735 aus­ge­wan­dert und hat­te sich in Düs­sel­dorf nie­der­ge­las­sen. Der Händ­ler mit Sei­den­wa­ren brach­te es schnell zu Reich­tum und An­se­hen in der Stadt. Can­ta­dors Va­ter Jo­se­phus (ge­bo­ren 1772) führ­te den Tex­til­han­del sei­ner Vor­fah­ren fort und war ei­ni­ge Jah­re Mit­glied des Ma­gis­trats. Sei­ne Mut­ter Ka­tha­ri­na (1777-1817) war ei­ne Toch­ter des Bür­ger­meis­ters Franz Ret­tig. Lau­renz Can­ta­dor er­griff eben­falls den Be­ruf des Kauf­manns, um den el­ter­li­chen Be­trieb zu über­neh­men.

1844 wur­de Can­ta­dor zum Vor­sit­zen­den der St. Se­bas­tia­nus-Schüt­zen­bru­der­schaft ge­wählt und grün­de­te mit dem Jä­ger­corps 1844 das ers­te uni­for­mier­te Corps in­ner­halb der Schüt­zen­bru­der­schaft. Can­ta­dor führ­te al­so ein so­li­des bür­ger­li­ches Le­ben. Die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se des 19. Jahr­hun­derts soll­ten dies grund­le­gend än­dern. Can­ta­dors Na­me ist un­trenn­bar mit der Ge­schich­te der Düs­sel­dor­fer Bür­ger­wehr ver­bun­den.

Un­mit­tel­bar nach­dem die Re­vo­lu­ti­ons­er­eig­nis­se in Frank­reich 1848 ins Rhein­land ein­ge­drun­gen wa­ren, wur­den in fast al­len grö­ße­ren und klei­ne­ren Städ­ten Bür­ger­weh­ren ge­grün­det. Die Düs­sel­dor­fer Bür­ger­wehr wur­de be­reits am 18.3.1848 ins Le­ben ge­ru­fen, ei­nen Tag be­vor Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858) in Ber­lin die Auf­stel­lung von Bür­ger­gar­den ge­neh­mig­te. Am 19. März schenk­te Can­ta­dor dem St.-Se­bas­tia­nus-Schüt­zen­ver­ein ei­ne schwarz-rot-gol­de­ne Fah­ne, die nur ei­nen Tag spä­ter auf dem Düs­sel­dor­fer Rat­haus ge­hisst wur­de. Je­der voll­jäh­ri­ge und un­be­schol­te­ne männ­li­che Bür­ger Düs­sel­dorfs konn­te sich für die Bür­ger­gar­de re­kru­tie­ren las­sen. Ihr Zweck war der „Schutz der ge­setz­li­chen Frei­heit, Er­hal­tung der Ein­tracht und des Frie­dens un­ter al­len Mit­glie­dern der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft, Ab­wehr je­der Stö­rung der öf­fent­li­chen Ord­nun­g“. Die Waf­fen muss­ten die Bür­ger­gar­dis­ten selbst mit­brin­gen. Da vie­le von ih­nen aus den Rei­hen der Schüt­zen­bru­der­schaft ka­men, stell­te dies zu­nächst kein grö­ße­res Pro­blem dar. Für an­de­re, mit­tel­lo­se Bür­ger­gar­dis­ten wur­den Spen­den ge­sam­melt. Am 26. März wähl­te die Bür­ger­wehr, die be­reits 2.000 Mann zähl­te, Lau­renz Can­ta­dor mit 735 von 949 Stim­men zu ih­rem Chef. Stell­ver­tre­ter wur­de Can­ta­dors Vet­ter Lo­renz Cla­sen (1812-1899). Can­ta­dors Ziel war es, die Bür­ger­wehr zu ei­ner pro­fes­sio­nel­len und schlag­kräf­ti­gen Trup­pe zu for­men. Die Bür­ger­wehr war Aus­druck des de­mo­kra­ti­schen Auf­bruchs, der Über­nah­me der Macht durch das Volk.

Im Mai 1848 leg­te Can­ta­dor neue Sta­tu­ten für die Bür­ger­wehr vor, in de­nen un­ter an­de­rem das Min­dest­al­ter auf 18 Jah­re ge­senkt wur­de, so dass die Bür­ger­wehr bald 3.500 Mann stark war. Zeit­wei­se kon­trol­lier­te die Bür­ger­wehr das öf­fent­li­che Le­ben in Düs­sel­dorf. So­gar der Bür­ger­meis­ter von Fuch­si­us (1793-1854) ver­wen­de­te in sei­nen Schrei­ben an Can­ta­dor die An­re­de „Herr Che­f“. Das neue Selbst­be­wusst­sein kommt auch in dem pom­pös ge­stal­te­ten Brief­kopf der Bür­ger­wehr zum Aus­druck. Can­ta­dor er­wies sich als Meis­ter der In­sze­nie­rung. Am 6.8.1848 wur­de in Düs­sel­dorf das Ein­heits­fest al­ler Deut­schen ge­fei­ert. Düs­sel­dor­fer Künst­ler hat­ten ei­ne gro­ße Ger­ma­niasta­tue er­rich­tet, vor der Can­ta­dor ei­ne Pa­ra­de der Bür­ger­weh­ren aus Düs­sel­dorf und Um­ge­bung ab­nahm.

Dass die Bür­ger­wehr ein Ga­rant für Si­cher­heit und Ord­nung war, stell­te sie an­läss­lich des Be­suchs von Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. in Düs­sel­dorf am 14.8.1848 un­ter Be­weis. Fried­rich Wil­helm war mit ei­nem Pfeif­kon­zert emp­fan­gen und bei sei­ner Kutsch­fahrt über die Kas­ta­ni­en­al­lee (heu­te Kö­nigs­al­lee) mit Pfer­de­äp­feln be­wor­fen wor­den. Die­ser Vor­fall sorg­te am Abend des­sel­ben Ta­ges für Un­ru­he un­ter den Sol­da­ten der preu­ßi­schen Gar­ni­son, die schlie­ß­lich mit ge­zo­ge­nen Sä­beln auf Düs­sel­dor­fer Bür­ger los­gin­gen. Can­ta­dor alar­mier­te die Bür­ger­wehr, der es ge­lang, die Sol­da­ten in die Ka­ser­nen zu­rück­zu­drän­gen. Als die Sol­da­ten am nächs­ten Tag er­neut an­fin­gen, Zi­vi­lis­ten zu be­läs­ti­gen, ließ Can­ta­dor die Un­ru­he­stif­ter um­zin­geln, so dass sie kei­nen an­de­ren Weg ein­schla­gen konn­ten, als zur Ka­ser­ne zu­rück­zu­keh­ren. Für sein be­son­ne­nes Ver­hal­ten ern­te­te Can­ta­dor viel Lob. Al­ler­dings bra­chen durch die Er­eig­nis­se um den preu­ßi­schen Kö­nig Kon­flik­te in­ner­halb der Bür­ger­wehr auf. Nicht al­le wa­ren mit dem Be­schluss der Of­fi­zie­re ein­ver­stan­den ge­we­sen, dem Emp­fang des Kö­nigs fern zu blei­ben. Can­ta­dor sah, dass er nicht mehr den un­an­ge­foch­te­nen Rück­halt der ge­sam­ten Bür­ger­wehr hat­te. Am 19.8.1848 er­klär­te er da­her sei­nen Rück­tritt als Chef der Bür­ger­wehr. Er be­ton­te, dass „nicht die letz­ten Er­eig­nis­se, nur Rück­sich­ten, die [die] per­sön­li­che Stel­lung mit dem Am­te als Chef der Bür­ger­wehr un­ver­ein­bar ma­chen“ die­sen Schritt er­for­der­lich mach­ten. In den fol­gen­den Mo­na­ten über­nahm Lo­renz Cla­sen das Ober­kom­man­do. Die „per­sön­li­che Stel­lun­g“, auf die Can­ta­dor Be­zug nahm, hängt mit sei­nem po­li­ti­schen En­ga­ge­ment au­ßer­halb der Bür­ger­wehr zu­sam­men.

Be­reits am 3. März hat­te Can­ta­dor in ei­ner Kom­mis­si­on un­ter der Lei­tung von Hu­go We­sen­donck (1817-1900) die Pe­ti­ti­on an den preu­ßi­schen Kö­nig ver­fasst, in der um ei­ne „wahr­haf­te Volks­ver­te­tun­g“ ge­be­ten wur­de. Zu­sam­men mit We­sen­donck, An­ton Jo­seph Blo­em (1814-1884) und Carl Quen­tin (1810-1862) zähl­te Can­ta­dor zur Füh­rungs­rie­ge des Ver­eins für de­mo­kra­ti­sche Mon­ar­chie, der für ei­ne par­la­men­ta­ri­sche Mon­ar­chie ein­trat. 

Can­ta­dor ar­bei­te­te al­ler­dings auch  eng mit den füh­ren­den Köp­fen des Düs­sel­dor­fer Volks­klubs zu­sam­men, zu de­nen Fer­di­nand Las­sal­le (1825-1864), Ju­li­us Wul­ff (1822-1904)  und Graf Paul von Hatz­feldt (1831-1901), Sohn der Grä­fin So­phie von Hatz­feldt  ­zähl­ten. Der Volks­klub stand eher für die Ab­schaf­fun­g ­der Mon­ar­chie und trat für so­zia­le Be­lan­ge ein. Ins­be­son­de­re die Zeit nach sei­nem Rück­tritt als Chef der Bür­ger­wehr nutz­te Can­ta­dor, um die de­mo­kra­ti­sche Be­we­gung vor­an zu brin­gen. Er sprach auf gro­ßen Ver­samm­lun­gen und ver­stand es, die Mas­sen zu be­geis­tern. So sprach er im Sep­tem­ber 1848 vor cir­ca 10.000 Men­schen in Neuss.

 

Can­ta­dors Be­liebt­heit bei den Düs­sel­dor­fer Bür­gern stieg durch sein En­ga­ge­ment im­mer mehr. Lo­renz Cla­sen be­saß nicht die­ses Cha­ris­ma. So war es nur ei­ne Fra­ge der Zeit, wann Can­ta­dor er­neut die Po­si­ti­on des Chefs der Bür­ger­wehr an­ge­tra­gen wur­de. Im No­vem­ber 1848 über­schlu­gen sich die Er­eig­nis­se. Die La­ge der Re­vo­lu­tio­nä­re wur­de im­mer pre­kä­rer. Die preu­ßi­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung wur­de aus Ber­lin hin­aus ins Um­land ver­legt und der ul­tra­kon­ser­va­ti­ve Ge­ne­ral Fried­rich Wil­helm Bran­den­burg (1792-1850) über­nahm die Re­gie­rungs­ge­schäf­te. Dar­auf­hin er­klär­te sich die Ber­li­ner Na­tio­nal­ver­samm­lung für per­ma­nent. Mit die­ser Nach­richt aus Ber­lin platz­te Can­ta­dor am 12.11.1848 in die gro­ße Ver­samm­lung des Volks­klubs in der Düs­sel­dor­fer Bock­hal­le und er­klär­te, dass es viel­leicht bald zum Kampf kom­me. Dar­auf­hin wur­de be­schlos­sen, ei­ne Kom­mis­si­on zu wäh­len, die den Bar­ri­ka­den­bau ko­or­di­nie­ren soll­te. Can­ta­dor wur­de zu ih­rem Chef ge­wählt. Am 17.11.1848 wur­de er zu­dem wie­der der Chef der Bür­ger­wehr. Am 18. No­vem­ber such­te er zu­sam­men mit Las­sal­le und ei­ni­gen an­de­ren De­le­gier­ten die Düs­sel­dor­fer Be­hör­den auf und setz­te durch, dass ei­ni­ge Steu­ern nicht mehr be­zahlt wer­den muss­ten. Die­ser Schritt war Teil der Steu­er­ver­wei­ge­rungs­kam­pa­gne, die als Pro­test ge­gen die Vor­gän­ge in Ber­lin pro­pa­giert wur­de. In die­ser auf­ge­heiz­ten Stim­mung er­klär­te Can­ta­dor die Düs­sel­dor­fer Bür­ger­wehr am 19.11.1848 für per­ma­nent un­ter Waf­fen ste­hend. Zwei Ta­ge spä­ter, am 21. No­vem­ber, fand in Düs­sel­dorf ei­ne gro­ße Pa­ra­de der Bür­ger­weh­ren von Düs­sel­dorf, Ger­res­heim, Ra­tin­gen, Bilk, Hamm und Neuss statt. In je­nen Ta­gen spra­chen Fer­di­nand Las­sal­le und Can­ta­dor auf meh­re­ren Ver­samm­lun­gen. Bei­de rie­fen zur Ver­tei­di­gung der Frei­heit, zum Wi­der­stand ge­gen die preu­ßi­sche Re­ak­ti­on und zur Steu­er­ver­wei­ge­rung auf. Noch am sel­ben Tag durch­such­ten Of­fi­zie­re der Bür­ger­wehr das Post­amt nach Steu­er­gel­dern. Am 22. No­vem­ber wur­de über Düs­sel­dorf der Be­la­ge­rungs­zu­stand ver­hängt und die Bür­ger­wehr am 25. No­vem­ber schlie­ß­lich ver­bo­ten. Can­ta­dor ge­riet ins Vi­sier der Jus­tiz.

Be­reits am 28. No­vem­ber wur­de Can­ta­dor vom Staats­pro­ku­ra­tor zu der An­schul­di­gung be­fragt, er ha­be mit der Er­klä­rung der Bür­ger­wehr für per­ma­nent sei­ne Amts­be­fug­nis­se über­schrit­ten, da hier­für ein Be­schluss des Ge­mein­de­rats er­for­der­lich ge­we­sen sei. Die­sen Punkt konn­te Can­ta­dor noch über­zeu­gend ent­kräf­ten. Doch nur we­ni­ge Ta­ge spä­ter, am 9.12.1848 wur­de er – wie be­reits zu­vor Las­sal­le und Wil­helm Wey­ers, der An­füh­rer der Steu­er­ver­wei­ge­rungs­kam­pa­gne in Düs­sel­dorf – ver­haf­tet. Nun warf man ihm Auf­ruf zum Wi­der­stand ge­gen die preu­ßi­sche Re­gie­rung und Auf­het­zen zum Bür­ger­krieg vor. Au­ßer­dem ver­mu­te­te man, dass Can­ta­dor ei­ne heim­li­che Kor­re­spon­denz mit Ber­lin un­ter­hielt. Zu den An­schul­di­gun­gen wur­den et­li­che Zeu­gen be­fragt, die al­ler­dings mehr­heit­lich an­ga­ben, ent­we­der nicht bei den ent­schei­den­den Re­den Can­ta­dors an­we­send ge­we­sen zu sein oder sei­ne Wor­te nicht rich­tig ver­stan­den zu ha­ben. Can­ta­dors Ver­haf­tung war ein Po­li­ti­kum in Düs­sel­dorf. Be­reits ei­ne Wo­che nach der Ver­haf­tung konn­te dem Staats­pro­ku­ra­tor ei­ne Bitt­schrift zur Frei­las­sung Can­ta­dors mit 1.500 Un­ter­schrif­ten, das wa­ren cir­ca 5 Pro­zent der da­ma­li­gen Be­völ­ke­rung Düs­sel­dorfs, über­reicht wer­den. Er­folg hat­te die­se Ak­ti­on zu­nächst nicht. Can­ta­dor blieb noch bis zum März 1849 in Haft. An Un­ter­stüt­zung man­gel­te es ihm den­noch nicht. Am 28.2.1849 schrieb der An­walt und ehe­ma­li­ge Weg­ge­fähr­te Can­ta­dors im Ver­ein für de­mo­kra­ti­sche Mon­ar­chie, An­ton Jo­seph Blo­em, an den An­kla­ge­se­nat des Ap­pel­la­ti­ons­ge­richts­ho­fes in Köln. Blo­em war Ab­ge­ord­ne­ter der preu­ßi­schen Na­tio­nal­ver­samm­lung ge­we­sen und kan­di­dier­te bei den Wah­len im Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 1849 er­neut für die rhei­ni­schen De­mo­kra­ten, dies­mal je­doch oh­ne Er­folg. Blo­em be­tont in sei­nem Schrei­ben, dass Can­ta­dor als Chef der Bür­ger­wehr ge­spro­chen ha­be und kei­nes­falls zum An­griff, son­dern nur zur Ver­tei­di­gung der recht­li­chen Ord­nung auf­ge­ru­fen ha­be. Au­ßer­dem plä­diert er für die Tren­nung des Ver­fah­rens von dem­je­ni­gen ge­gen Las­sal­le, da bei­de nichts mit­ein­an­der zu tun hät­ten.

Das Schrei­ben ver­fehl­te sei­ne Wir­kung nicht. Am 17.3.1849 er­ging die Ver­fü­gung, dass die An­kla­ge ge­gen Can­ta­dor „au­ßer Ver­fol­g“ ge­setzt wür­de. Be­reits am nächs­ten Tag, dem Jah­res­tag der Re­vo­lu­ti­on, wur­de er frei­ge­las­sen und vor dem Ge­fäng­nis von ei­ner ju­beln­den Men­schen­men­ge über­schwäng­lich be­grü­ßt. Die Frei­las­sung Can­ta­dors ge­riet zu ei­ner po­li­ti­schen De­mons­tra­ti­on, wäh­rend der es zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Po­li­zei kam. Die Bi­lanz wa­ren 20 bis 24 Ver­letz­te. Las­sal­le be­klag­te die Frei­las­sung in sei­ner be­rühm­ten "As­si­sen-Re­de" vom 3.5.1849, wäh­rend er selbst we­gen der glei­chen Ver­ge­hen wei­ter­hin in Haft blei­ben müs­se.

Can­ta­dor rück­te noch ein­mal bei den so­ge­nann­ten Mai­un­ru­hen in Düs­sel­dorf am 9./10.5.1849 ins Blick­feld der Öf­fent­lich­keit. Da­mals re­agier­ten Düs­sel­dor­fer Bür­ger aus Pro­test ge­gen die Nie­der­schla­gung des El­ber­fel­der Auf­stands mit dem Bau von Bar­ri­ka­den in der Alt­stadt. Bei ih­rem Pro­test­zug ge­lang­ten sie auch vor das Haus von Can­ta­dor am Markt. Von die­sem Haus sprach der Ger­res­hei­mer Arzt Dr. Jo­seph Neun­zig zu der Men­ge über den Kampf für die Frei­heit und er­mahn­te zur Ei­nig­keit und Aus­dau­er. Can­ta­dor je­doch merk­te, dass die La­ge sich zu­spitz­te und zog Neun­zig vom Fens­ter weg, be­vor die­ser sei­ne Re­de be­en­den konn­te. Im dar­auf­fol­gen­den Stra­ßen­kampf lie­ßen ins­ge­samt 16 Düs­sel­dor­fer ihr Le­ben. Über Düs­sel­dorf wur­de er­neut der Be­la­ge­rungs­zu­stand ver­hängt.

Der an­schlie­ßen­den Ver­haf­tungs­wel­le ent­ging Can­ta­dor durch die Flucht zu­nächst nach Frank­reich und an­schlie­ßend in die USA. Dort­hin flüch­te­ten vie­le po­li­tisch Ver­folg­te aus Deutsch­land, un­ter ih­nen auch Carl Schurz, Hu­go We­sen­donck, Fried­rich An­ne­cke (1818-1872) und Fried­rich He­cker (1811-1881). In Ame­ri­ka wur­den sie be­kannt als "Forty-eigh­ters". Can­ta­dor be­fand sich zum Zeit­punkt sei­ner Aus­wan­de­rung in ei­ner schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen La­ge. Sein Ver­mö­gen hat­te er grö­ß­ten­teils in sei­ne re­vo­lu­tio­nä­ren Ak­ti­vi­tä­ten ge­steckt und sein Tuch­ge­schäft hat­te wäh­rend sei­ner Haft völ­lig brach ge­le­gen. Um über die Run­den zu kom­men, hat­te er bei ei­ner Pa­ri­ser Fir­ma an­ge­heu­ert, für die er Ge­schäf­te in den USA ma­chen woll­te. Die­se Ge­schäf­te ka­men je­doch nicht zu­stan­de, so dass er sich an­der­wei­tig durch­schla­gen muss­te. Viel ist über sein Le­ben in den USA nicht be­kannt. In ei­nem Brief an Las­sal­le vom 30.4.1851 schreibt er, dass er ab­wech­selnd in New York, Bos­ton und Bal­ti­more ge­lebt ha­be und sich ak­tu­ell in Phil­adel­phia auf­hal­te. Dort hat er ver­mut­lich ei­nen Le­bens­mit­tel­la­den be­ses­sen. Er scheint sich au­ßer­dem min­des­tens ein­mal in Frank­reich auf­ge­hal­ten zu ha­ben.

Das Le­ben hielt für Can­ta­dor je­doch noch ei­nen Hö­he­punkt be­reit: Fünf Mo­na­te nach Aus­bruch des Bür­ger­kriegs zwi­schen den Nord- und den Süd­staa­ten trat Can­ta­dor am 7.9.1861 als Ma­jor in das 27. Penn­syl­va­niare­gi­ment ein. Ei­nen Mo­nat spä­ter wur­de er zum Oberst­leut­nant be­för­dert. Der Be­fehls­ha­ber des Re­gi­ments war An­ge­hö­ri­ger der preu­ßi­schen Gar­ni­son in Düs­sel­dorf ge­we­sen und eben­falls aus po­li­ti­schen Grün­den in die USA emi­griert. In den ers­ten Jah­ren muss­ten die Nord­staa­ten meh­re­re schwe­re Nie­der­la­gen hin­neh­men. Bei den Schlach­ten, an de­nen das 27. Penn­syl­va­niare­gi­ment teil­nahm, er­litt auch Can­ta­dor schwe­re Ver­wun­dun­gen. In der zwei­ten Schlacht von Bull Run (28.-30.8.1862) be­feh­lig­te er so­gar das Re­gi­ment und wur­de da­nach vom Bri­ga­de­ge­ne­ral we­gen sei­ner Tap­fer­keit lo­bend er­wähnt. Am 26.10.1862 er­hielt er end­gül­tig das Kom­man­do über das Re­gi­ment. Den Wen­de­punkt im ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg zu­guns­ten der Nord­staa­ten mar­kiert die Schlacht von Get­tysburg. Dort be­zog das 27. Penn­syl­va­niare­gi­ment auf dem ört­li­chen Fried­hof Stel­lung, wo es den An­grif­fen der Süd­staa­ten­ar­mee hart­nä­ckig die Stirn bot und da­her zum Sieg der Nord­staa­ten ent­schei­dend bei­trug. Nach der Schlacht muss­te Can­ta­dor auf­grund sei­ner frü­he­ren Ver­let­zun­gen, die wie­der auf­bra­chen, das Kom­man­do auf­ge­ben. Au­ßer­dem hat­te er sich ei­ne Herz­beu­tel- und ei­ne Brust­fell­ent­zün­dung zu­ge­zo­gen. Er bat um sei­ne Ent­las­sung aus der Ar­mee, die ihm am 16.11.1863 eh­ren­voll ge­währt wur­de. Da er je­doch ei­nem Re­gi­ment von Frei­wil­li­gen an­ge­hör­te, die sich nur für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum ver­pflich­tet hat­ten, stan­den ihm kei­ne Ver­sor­gungs­be­zü­ge zu. Er ar­bei­te­te für die Ein­wan­de­rungs­be­hör­de von Cast­le Gar­dens in New York so­wie für die Nort­hern Pa­ci­fic-Ei­sen­bahn. Er leb­te in der Stadt und im Staat New York so­wie in Port­land, Ore­gon. Zu­letzt war er bei deut­schen Freun­den in New York un­ter­ge­kom­men. Erst am 10.1.1883 be­an­trag­te Can­ta­dor ei­ne staat­li­che In­va­li­den­ren­te, die ihm im Ja­nu­ar 1884 - ei­nen Mo­nat nach sei­nem Tod am 1.12.1883 - be­wil­ligt wur­de. Da Can­ta­dor nie ge­hei­ra­tet hat­te, starb er, oh­ne ei­ne Fa­mi­lie zu hin­ter­las­sen.

Literatur

Nie­mann, Die­ter, Die Re­vo­lu­ti­on von 1848/49 in Düs­sel­dorf. Ge­burts­stun­de po­li­ti­scher Par­tei­en und Bür­ger­initia­ti­ven, Düs­sel­dorf 1993.
Rei­ni­cke, Chris­ti­an, Laur­entz Can­ta­dor (1810-1883), in: Pe­ti­tio­nen und Bar­ri­ka­den. Rhei­ni­sche Re­vo­lu­tio­nen 1848/49, be­arb. v. In­ge­borg Schnel­ling-Rei­ni­cke, Müns­ter 1998, S. 129-131.
Rei­ni­cke, Chris­ti­an, „Leib­gar­den der Frei­heit“ – Die Bür­ger­weh­ren, in: Pe­ti­tio­nen und Bar­ri­ka­den. Rhei­ni­sche Re­vo­lu­tio­nen 1848/49, be­arb. v. In­ge­borg Schnel­ling-Rei­ni­cke, Müns­ter 1998, S. 125-129.
Sol­dat der Frei­heit. Das Le­ben des Bür­ger­wehr­ge­ne­rals Lo­renz Can­ta­dor (1810-1883), er­zählt von Win­fried Lie­ren­feld, Es­sen 2009.

Online

Las­sal­le, Fer­di­nand: Mei­ne As­si­sen-Re­de ge­hal­ten vor den Ge­schwor­nen zu Düs­sel­dorf am 3. Mai 1849 ge­gen die An­kla­ge die Bür­ger zur Be­waff­nung ge­gen die Kö­nigl. Ge­walt auf­ge­reizt zu ha­ben, Düs­sel­dorf o.J. [On­line]
May­er, Gus­tav (Hg.), Fer­di­nand Las­sal­le. Nach­ge­las­se­ne Brie­fe und Schrif­ten, Band 2: Las­sal­les Brief­wech­sel von der Re­vo­lu­ti­on von 1848 bis zum Be­ginn sei­ner Ar­bei­ter­agi­ta­ti­on (Di­gi­ta­li­sier­te Aus­ga­be der Brie­fe und Schrif­ten Fer­di­nand Las­sal­les durch die His­to­ri­sche Kom­mis­si­on bei der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten). [On­line]
Stu­ben­hö­fer, Eri­ka (Be­arb.): „Frei­heit, Gleich­heit, Re­pu­blik! Wär'n wir doch die Preu­ßen quitt!“ Ra­tin­gen in den Re­vo­lu­ti­ons­jah­ren 1848/49. Ein Quel­len- und Le­se­buch, Ra­tin­gen 1998. [On­line]
Ge­schich­te des 27. Penn­syl­va­niare­gi­ments. [On­line]

Schreiben der Bürgergarde Düsseldorf mit Briefkopf und Unterschrift Cantadors. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland, Gerichte Rep. 4 Nr. 128 Div. Corresp., Bl. 7)

 
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Küntzel, Astrid, Laurenz Cantador, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/laurenz-cantador-/DE-2086/lido/57c6881802bdb0.09279098 (abgerufen am 19.03.2024)