Paul Laven

Print- und Hörfunkjournalist, Sportreporter (1902-1979)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Paul Laven (links) und Hugo Landgraf bei der Sprecherprobe im Olympiastadion Berlin, 1936, Foto: Horst G. Lehmann. (Deutsches Rundfunkarchiv/Horst G. Lehmann)

Paul La­ven war ei­ner der be­deu­tends­ten deutsch­spra­chi­gen Ra­dio­jour­na­lis­ten der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts. Als Sport­re­por­ter trug der we­sent­lich zur Ent­wick­lung der Sport­re­por­ta­ge im Hör­funk bei.

La­ven stamm­te aus ei­ner kin­der­rei­chen, streng ka­tho­li­schen Mön­chen­glad­ba­cher Fa­mi­lie. Am 11.2.1902 wur­de er dort als zweit­äl­tes­tes Kind des Volks­schul­leh­rers Jo­hann La­ven und sei­ner Frau An­na, ge­bo­re­ne Bosch, ge­bo­ren. Paul La­ven ab­sol­vier­te die Volks­schu­le und im An­schluss dar­an das Gym­na­si­um in Mön­chen­glad­bach, wo er im Jah­re 1921 das Ab­itur ab­leg­te. Schon früh ver­such­te er, der Be­engt­heit sei­ner klein­bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se zu ent­flie­hen, be­wahr­te je­doch, bei al­lem spä­te­ren Ruhm, ei­ne star­ke Sym­pa­thie für das Le­ben der „klei­nen Leu­te“.

Zum Som­mer­se­mes­ter 1921 im­ma­tri­ku­lier­te er sich an der Uni­ver­si­tät Bonn z­um Stu­di­um der Geis­tes­wis­sen­schaf­ten (Li­te­ra­tur, Ge­schich­te, Re­li­gi­ons­wis­sen­schaft) und der Na­tio­nal­öko­no­mie. Zum Win­ter­se­mes­ter 1922/1923 wech­sel­te er nach Frei­burg im Breis­gau. Sei­nen Le­bens­un­ter­halt be­stritt er als „Werks­stu­den­t“ in der nie­der­rhei­ni­schen Tex­til­in­dus­trie, dem Berg­bau und der Land­wirt­schaft, aber auch als Ba­de­meis­ter oder Nacht­wäch­ter. Am 6.8.1926 pro­mo­vier­te er in Frei­burg über den Theo­lo­gen Ignaz Hein­rich Frei­herr von Wes­sen­berg (1774-1860) zum Dr. phil.

 

Im Jah­re 1925 war La­ven nach Frank­furt am Main ge­zo­gen, wo er zu­nächst als Haus­leh­rer tä­tig war. Ers­te Spo­ren als Jour­na­list er­warb er als frei­er Mit­ar­bei­ter der „Frank­fur­ter Zei­tun­g“ und als Sport­re­por­ter bei der Frank­fur­ter Süd­west­deut­schen Rund­funk AG (SÜWRAG), in de­ren Auf­trag er am 28.6.1925 die Main­re­gat­ta kom­men­tier­te – ei­ne Pio­nier­leis­tung der SÜWRAG in Be­zug auf die Mög­lich­kei­ten der Au­ßen­über­tra­gung. Ver­mut­lich ein Jahr spä­ter ge­lang der Sprung in ei­ne Fest­an­stel­lung. Vom 1.11.1926 bis 1930 lei­te­te La­ven die Mor­gen­gym­nas­tik, 1927 wur­de er Lei­ter des Lo­kal­nach­rich­ten­diens­tes. Sei­ne Zu­stän­dig­keit er­streck­te sich auf den so­ge­nann­ten „Zeit­fun­k“ mit den Res­sorts Sport und Nach­rich­ten. Für die SÜWRAG ar­bei­te­te La­ven als Spre­cher, Re­por­ter und Sport­kom­men­ta­tor.

La­ven war rhe­to­risch bril­lant, ver­füg­te über jour­na­lis­ti­sches Ta­lent und ei­ne her­vor­ra­gen­de Kennt­nis der zu kom­men­tie­ren­den Sport­ar­ten. Sein Bei­trag zur Ent­wick­lung des Gen­res der Li­ve-Re­por­ta­ge ist nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen. Zu­sam­men mit Bern­hard Ernst (Köln) und dem Ber­li­ner Al­fred Braun (1888-1978) ge­hör­te er zu den be­lieb­tes­ten Sport­re­por­tern der Wei­ma­rer Re­pu­blik und – zu­sam­men mit Bern­hard Ernst und Rolf Wer­ni­cke (1903-1953) – der NS-Zeit.

Paul Laven kommentiert die Radio-Übertragung der Frankfurter Ruderregatta, 1926, Foto: Otto Schwerin. (Deutsches Rundfunkarchiv/Otto Schwerin)

 

Ei­nen Na­men er­warb sich La­ven als Fuß­ball­re­por­ter und als Haupt­kom­men­ta­tor von Mo­tor­ren­nen am Nür­burg­ring, bei de­nen er vie­le Jah­re lang die pro­mi­nen­te Start-Ziel-Po­si­ti­on in­ne hat­te. Gro­ße Re­por­ta­gen von sport­li­chen Er­eig­nis­sen führ­ten ihn bis zu Be­ginn des Zwei­ten Welt­krie­ges in ver­schie­de­ne eu­ro­päi­sche Län­der und bis nach Nord­afri­ka. So be­rich­te­te er et­wa am 28.4.1929 vom Fuß­ball­län­der­spiel Ita­li­en ge­gen Deutsch­land aus Tu­rin, am 6.10.1929 von der Ga­lopp­renn­bahn im Bo­is de Bou­lo­gne vom Ren­nen um den „Arc de Triom­phe“, am 8.9.1935 vom Grand Prix aus Mon­za und am 7.5.1939 vom Gro­ßen Au­to­mo­bil­preis aus Tri­po­lis. Den Ze­nit sei­ner Kar­rie­re er­reich­te La­ven als Re­por­ter bei den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len in Gar­misch-Par­ten­kir­chen und den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len 1936 in Ber­lin, wo er un­ter an­de­rem die Er­öff­nungs­fei­ern kom­men­tier­te.

Par­al­lel da­zu ar­bei­te­te La­ven stets auch als Zeit­funk­re­por­ter, in­dem er von ta­ges­ak­tu­el­len Er­eig­nis­sen be­rich­te­te, an­ge­fan­gen von ei­nem Gast­spiel des Zir­kus Sar­ra­sa­ni in Frank­furt, über den Ro­sen­mon­tags­zug in Mainz, Aus­stel­lungs­er­öff­nun­gen oder Re­por­ta­gen aus In­dus­trie­be­trie­ben und der Land­wirt­schaft, vom Frank­fur­ter Dom bis hin zu ra­dio­pho­nen Ex­pe­ri­men­ten wie der Über­tra­gung aus ei­ner Tau­cher­glo­cke. Aus­lands­rei­sen La­vens als Sport­be­richt­er­stat­ter ver­band der Frank­fur­ter Sen­der häu­fig mit Auf­trä­gen zu Städ­te- oder Land­schafts­fea­tures. So be­rich­te­te La­ven et­wa in der Kar­wo­che des Jah­res 1930 zu­sam­men mit sei­nem Kol­le­gen Carl Stu­e­ber (1893-1984) aus Rom, Nea­pel, Pom­pe­ji oder vom Ve­suv.

Be­liebt war La­ven auch als Steg­rei­fer­zäh­ler. Die Idee zur Sen­de­rei­he „Ein rhei­ni­scher We­be­jun­ge er­zähl­t“ stamm­te von dem Schrift­stel­ler Al­fons Paquet (1881-1944), mit dem La­ven, wie auch mit Ru­dolf G. Bin­ding (1867-1938) und Her­mann Kes­ser (1880-1952), pri­va­te Kon­tak­te pfleg­te.

Zu Be­ginn der 1930er Jah­re war La­ven un­be­strit­ten ein Star. Ab­ge­se­hen vom Rund­funk ver­wer­te­te er sei­ne Ar­beit stets mul­ti­me­di­al, zum Bei­spiel als Vor­trags­rei­sen­der, als Print­jour­na­list oder Buch­au­tor oder als Spre­cher oder Klein­dar­stel­ler beim Film. So ar­bei­te­te er un­ter an­derm zu­sam­men mit Rolf Wer­ni­cke als Spre­cher und Text­au­tor für Le­ni Rie­fen­stahls (1902-2003) Olym­pia-Film von 1938.

Am 16.11.1933 hei­ra­te­te La­ven die 1907 in Mainz ge­bo­re­ne Tän­ze­rin und Bal­lett­meis­te­rin Eli­nor von Obst­fel­der, ei­ne Schü­le­rin der Aus­druck­s­tän­ze­rin Ma­ry Wig­man (1886-1973). Aus den reich­lich spru­deln­den Fi­nanz­quel­len hat­te La­ven im Jah­re 1932 ei­nen Guts­hof in Bad Salz­hau­sen in der Wet­terau er­stan­den, den das Ehe­paar in den fol­gen­den Jah­re als Kur­be­trieb führ­te. Aus der Ehe gin­gen zwei Kin­der her­vor.

Zwi­schen 1933 und 1935 wur­de La­ven recht häu­fig auch zu Staats­fei­ern oder Ver­an­stal­tun­gen der NS­DAP her­an­ge­zo­gen wie et­wa dem Reichs­par­tei­tag in Nürn­berg 1933, bei der Trau­er­fei­er für Reichs­prä­si­dent Hin­den­burg am Tan­nen­berg­denk­mal am 7.8.1934 oder im Vor­feld des Saar­re­fe­ren­dums vom Ja­nu­ar 1935.

Bernhard Ernst (Mitte) und Paul Laven (rechts) bei der Reportage eines Fußballspiels, 1930. (© WDR im Bild)

 

La­ven galt als „Li­be­ra­lis­t“ und In­di­vi­dua­list, der die ge­for­der­te Min­destan­pas­sung ans Re­gime er­brach­te und auf­grund sei­ner „Star­al­lü­ren“ kri­ti­siert wur­de, sich an­de­rer­seits aber gro­ßer Be­liebt­heit im Pu­bli­kum er­freu­te und für Qua­li­tät und Kon­ti­nui­tät der Rund­funk­be­richt­er­stat­tung bürg­te. Im Reichs­sen­der Frank­furt bei NS-In­ten­dant Hanns-Ot­to Fri­cke (1896-1945) und in der Gau­lei­tung Hes­sen-Nas­sau galt La­ven als per­so­na non gra­ta. Zum 1.6.1936 wur­de er da­her an den Reichs­sen­der Leip­zig ver­setzt, wo Carl Stu­e­ber in der Zwi­schen­zeit In­ten­dant ge­wor­den war. 1939 er­hielt er den Ti­tel ei­nes Chef­spre­chers bei der Reichs­sen­de­lei­tung in Ber­lin. Bei Kriegs­aus­bruch wur­de La­ven Kriegs­be­richt­er­stat­ter bei der Pro­pa­gan­da-Er­satz-Ab­tei­lung in Pots­dam. In die­ser Ei­gen­schaft be­rich­te­te er am 3.10.1939 von der Ab­nah­me der Sie­ges­pa­ra­de durch Adolf Hit­ler (1889-1945) in War­schau.

Auf dem Rück­weg nach Ber­lin er­eig­ne­te sich am 7.10.1939 ein fol­gen­schwe­rer Un­fall, als der Dienst­wa­gen des Pro­pa­gan­da­mi­nis­te­ri­ums mit La­ven und Wer­ni­cke an Bord mit ei­nem Pfer­de­fuhr­werk zu­sam­men­stieß. La­ven er­litt schwe­re Ver­let­zun­gen an den Bei­nen und am Kopf. Zu 60 Pro­zent In­va­li­de, wur­de er aus der Pro­pa­gan­da­kom­pa­gnie aus­ge­mus­tert und war im „Gro­ß­deut­schen Rund­fun­k“ nur mehr spo­ra­disch zu hö­ren, et­wa am 8.3.1941 beim Fuß­ball­län­der­spiel Deutsch­land-Schweiz aus Stutt­gart. In der Haupt­sa­che wid­me­te sich La­ven jetzt in Bad Salz­hau­sen feuille­to­nis­ti­schen Ar­bei­ten.

Das gro­ße come­back als Rund­funk­re­por­ter blieb La­ven nach 1945 ver­wehrt. Die Grün­de da­für sind viel­schich­tig. So war La­ven mehr­fach durch An­ge­hö­ri­ge der US-Ar­my ver­hört und am 21.6.1947 im Rah­men sei­nes Spruch­kam­mer­ver­fah­rens in Bü­din­gen mit ei­nem „Frei­spruch ers­ter Klas­se“[1] ent­na­zi­fi­ziert wor­den, doch stan­den ihm die Kon­troll­of­fi­zie­re von „Ra­dio Frank­fur­t“ nach wie vor ab­leh­nend ge­gen­über. Selbst nach der Grün­dung des Hes­si­schen Rund­funks teil­te die Con­trol Branch dem In­ten­dan­ten Eber­hard Beck­mann (1905-1962) 1949 mit, La­ven sei „aus de­mo­kra­ti­schen Grün­den nicht er­wünsch­t“[2]. Auch wur­de La­vens em­pha­ti­scher Re­por­ta­ges­til, sein Pa­thos, nun als über­holt und zu sehr mit der NS-Zeit iden­ti­fi­ziert ab­ge­lehnt. Zwar ver­moch­te Bern­hard Ernst in Köln sei­nen Platz zu be­haup­ten, doch ge­hör­te die Zu­kunft jun­gen Sport­re­por­tern wie et­wa Har­ry Valé­ri­en (1923-2012). Hin­zu ka­men Frik­tio­nen mit HR-In­ten­dant Beck­mann, der sich schlie­ß­lich – La­ven hat­te sei­nen er­bit­ter­ten „Kampf“ um sei­ne Wie­der­ein­stel­lung un­ter Rü­cken­de­ckung durch die Zeit­schrift „Hör Zu“ mit Un­ter­schrif­ten­kam­pa­gnen be­feu­ert – wei­ger­te, La­ven wie­der­ein­zu­stel­len. Die „cau­sa La­ven“ wur­de im HR end­gül­tig ad ac­ta ge­legt; auch ei­ne Lan­cie­rung an den Nord­west­deut­schen Rund­funk in Ham­burg schei­ter­te.

So be­stritt La­ven sei­nen Le­bens­un­ter­halt durch pu­bli­zis­ti­sche Ar­bei­ten, mit Vor­trä­gen, als Au­tor von Sport­bü­chern oder als Sport­be­richt­er­stat­ter im Auf­trag von Sport­ver­bän­den. Im Rund­funk war er nur ge­le­gent­lich beim SWF in den Lan­des­stu­di­os Mainz und Frei­burg zu hö­ren oder beim ZDF.

Paul La­ven starb am 19.10.1979 in Bad Salz­hau­sen an ei­nem Krebs­lei­den. Für sei­ne Ver­diens­te um die Ent­wick­lung des Hör­funks in Deutsch­land wur­de er 1973 mit der Hans-Bre­dow-Me­dail­le ge­ehrt.

Werke (Auswahl)

Ignaz Hein­rich Frei­herr von Wes­sen­berg. Ein Bei­trag zum Kul­tur­pro­blem des Ka­tho­li­zis­mus in der deut­schen Auf­klä­rung und Ro­man­tik, Diss. phil. (Masch.), Frei­burg (Br.) 1925.
Der Weg zum Rund­funk­werk, Hei­del­berg 1941.
Fair play, Stutt­gart 1950 [spä­ter wei­te­re Auf­la­gen].
Fuß­ball-Me­lo­die, Er­leb­tes und Er­lausch­tes, 1953.
Bun­te er­re­gen­de Welt, Tü­bin­gen 1964/Frank­furt/M. 1965.
Aus dem Er­in­ne­rungs­bre­vier ei­nes Rund­funk­pio­niers, Bad Salz­hau­sen 1973. 

Literatur

Bier­mann, Frank, Paul La­ven, Müns­ter 1989.
Dil­ler, Ans­gar, Die ers­te Sport­über­tra­gung im deut­schen Rund­funk, in: Pu­bli­zis­tik 17 (1972), Heft 3-4, S. 320-325. 

Online

"La­ven, Paul", in: Deut­sches Rund­funk­ar­chiv. [on­line]
Lerg, Win­fried B., „La­ven, Pau­l“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 13 (1982), S. 751-752. [on­line]

Reportage des Fußball-Länderspiels Deutschland-Spanien am 12. Mai 1935 in Köln, Bernhard Ernst (rechts) und Paul Laven (Mitte) am Mikrofon. (© WDR im Bild)

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Paul Laven, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-laven/DE-2086/lido/5bbb1cc6cd4058.65351015 (abgerufen am 19.03.2024)