Thomas Eßer

Vizepräsident des Deutschen Reichstags (1870-1948)

Martin Pesch (Bonn)

Thomas Eßer, 1917. (Stadtarchiv Euskirchen)

Tho­mas Eßer war ein füh­ren­der Po­li­ti­ker der Zen­trums­par­tei, Ge­nos­sen­schaft­ler, Zei­tungs­her­aus­ge­ber und Au­tor von Hei­mat­ro­ma­nen, der von 1926 bis 1933 das Amt des Vi­ze­prä­si­den­ten des Deut­schen Reichs­tags be­klei­de­te. Das Haupt­au­gen­merk sei­nes po­li­ti­schen Han­delns lag Zeit sei­nes Le­bens auf der Wah­rung und För­de­rung der wirt­schaft­li­chen und so­zia­len In­ter­es­sen des hand­werk­lich und ge­werb­lich aus­ge­rich­te­ten Mit­tel­stan­des. 

Hu­bert Tho­mas Eßer wur­de am 15.5.1870 als Sohn des Müh­len­bau­ers Ser­va­ti­us Eßer und des­sen Ehe­frau Eli­sa­beth Ja­co­bi­na Müns­ter in Schwer­fen (heu­te Stadt Zül­pich) ge­bo­ren. Eßers Gro­ß­el­tern vä­ter­li­cher­seits stamm­ten aus Ar­loff (heu­te Stadt Bad Müns­ter­ei­fel), wo der Gro­ßva­ter Ma­thi­as Eßer als Mau­rer tä­tig war. Die Gro­ß­el­tern müt­ter­li­cher­seits stamm­ten aus Eus­kir­chen. Eßers Ge­schwis­ter wa­ren Ja­cob (1869), Jo­hann Ja­cob (1872) und Pe­ter Jo­seph (1874).

Als Eßer fünf Jah­re alt war, zog die Fa­mi­lie in die wach­sen­de und am Be­ginn der In­dus­tria­li­sie­rung ste­hen­de Tex­til­stadt Eus­kir­chen, wo er auf der West­schu­le sei­ne Volks­schul­bil­dung er­hielt. Nach Ab­schluss sei­ner schu­li­schen Lauf­bahn ab­sol­vier­te er von 1884 bis 1888 beim „De­gen“-Ver­lag, der das re­gio­na­le In­tel­li­genz­blatt „Eus­kir­che­ner Zei­tun­g“ her­aus­gab, ei­ne Leh­re als Buch­dru­cker. An­schlie­ßend war er sie­ben Jah­re als Dru­cker­ge­hil­fe, un­ter an­de­rem bei der Zei­tung „Aa­che­ner Volks­freun­d“, tä­tig. Die hier­bei ge­won­ne­nen Er­fah­run­gen soll­ten ihm für sei­ne spä­te­ren ver­le­ge­ri­schen Tä­tig­kei­ten von Nut­zen sein. 1895 hei­ra­te­te er die aus Eus­kir­chen stam­men­de Bä­cker­s­toch­ter und Be­sit­ze­rin ei­nes Ma­nu­fak­tur­wa­ren-Ge­schäfts, Ma­ria Kreu­der (1861-1954), mit der er an­schlie­ßend de­ren Eus­kir­che­ner La­den ge­mein­sam führ­te. 

Eßers hand­werk­lich-klein­bür­ger­li­cher Fa­mi­li­en­hin­ter­grund, sei­ne streng ka­tho­li­sche Er­zie­hung so­wie die mit der lo­ka­len In­dus­tria­li­sie­rung ein­her­ge­hen­den so­zia­len Pro­ble­me der Eus­kir­che­ner Ar­bei­ter­schaft bil­de­ten zwei­fel­los den Grund­stein für sei­ne spä­te­ren wirt­schafts- und so­zi­al­po­li­ti­schen An­sich­ten. Be­reits in jun­gen Jah­ren schloss er sich dem ört­li­chen Kol­pingver­ein an, des­sen Pro­gramm der so­zia­len Für­sor­ge prä­gend auf Eßers po­li­ti­sche Idea­le wirk­te. 1898 ge­grün­de­te Eßer zur grö­ße­ren wirt­schaft­li­chen Durch­schlags­kraft des Eus­kir­che­ner Mit­tel­stan­des in ei­ner lo­kal­ge­werb­li­chen För­der­maß­nah­me den ge­nos­sen­schaft­lich or­ga­ni­sier­ten „Ver­ein selb­stän­di­ger Hand­wer­ker und Ge­wer­be­trei­ben­der“, der in der hand­werk­lich aus­ge­rich­te­ten Kreis­stadt Eus­kir­chen schnell Zu­wachs fand und des­sen Vor­sit­zen­der Eßer bis zur Um­wand­lung des Ver­eins in das „Mit­tel­stands­am­t“ im Jahr 1923 blieb. Das Prin­zip der ge­nos­sen­schaft­li­chen Zu­sam­men­schlüs­se be­trach­te­te er als wirt­schaft­li­che Not­wen­dig­keit des selbst­stän­di­gen Mit­tel­stan­des, um sich ge­gen Groß­fir­men be­haup­ten zu kön­nen.

Den er­folg­rei­chen Be­mü­hun­gen auf lo­kal­po­li­ti­scher Ebe­ne folg­te 1899 die Er­nen­nung zum Ge­schäfts­füh­rer des Rhei­ni­schen Hand­wer­ker­bunds, zu des­sen Vor­sit­zen­der Eßer 1922 auf­stieg. Die Stär­kung der wirt­schaft­li­chen Ba­sis des Mit­tel­stan­des in sei­ner Hei­mat­stadt trieb er in­des­sen mit der 1900 auf sein Be­stre­ben ge­grün­de­ten und von ihm ge­führ­ten Eus­kir­che­ner „Spar­kas­sen- und Kre­dit­ge­nos­sen­schaf­t“ (ab 1914 Ge­wer­be­bank) wei­ter vor­an. 1902 in­iti­ier­te Eßer als Re­ak­ti­on auf Strei­tig­kei­ten über das be­ste­hen­de Drei­klas­sen­wahl­recht in Eus­kir­chen ei­ne „Freie Wäh­ler­ver­ei­ni­gun­g“, wel­che als Al­ter­na­ti­ve zur eta­blier­ten Zen­trums­par­tei die In­ter­es­sen des Drit­ten Wäh­ler­stan­des durch­zu­set­zen ver­such­te. Als pu­bli­zis­ti­sches Spra­ch­ohr ih­rer po­li­ti­schen Zie­le dien­te der Ver­ei­ni­gung die 1904 als un­ab­hän­gi­ge zen­trums­po­li­tisch ori­en­tier­te Zei­tung ge­grün­de­te „Eus­kir­che­ner Volks­zei­tun­g“, die ge­mäß ih­rem Na­men un­ter Eßers Lei­tung und Re­dak­ti­on die In­ter­es­sen­ver­tre­tung der Bür­ger be­trieb. In die­ser ver­öf­fent­lich­te Eßer ne­ben sei­nen po­li­ti­schen Bei­trä­gen in den fol­gen­den Jah­ren wie­der­holt hei­mat­kund­li­che Er­zäh­lun­gen und Fort­set­zungs­ro­ma­ne. Eben­falls 1904 wur­de Eßer Vor­stands­mit­glied der Rhei­ni­schen Ge­nos­sen­schafts­bank, in de­ren Auf­sichts­rat er 1908 ein­trat und de­ren Vor­sitz er 1930 über­nahm.

Wäh­rend die Volks­zei­tung noch bis ins Jahr 1944 er­schien, wur­de die Wäh­ler­ver­ei­ni­gung trotz an­fäng­li­cher Wahl­er­fol­ge über die lo­ka­le Zen­trums­par­tei be­reits 1906 wie­der auf­ge­löst. Eßer, der im glei­chen Jahr in die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ein­zog, trat dar­auf­hin dem Zen­trum bei, wel­ches ihm auch in über­re­gio­na­ler Hin­sicht ei­nen po­li­ti­schen Auf­stieg und die Um­set­zung sei­ner an der rhei­ni­schen ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re ori­en­tier­ten Mit­tel­stands­po­li­tik er­mög­lich­te. In der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung wur­de er schnell zur füh­ren­den Per­sön­lich­keit, die zur Durch­set­zung ih­rer po­li­ti­schen An­sich­ten kei­ne Kon­fron­ta­ti­on scheu­te. Sein an­griffs­lus­ti­ger, po­li­ti­scher Ta­ten­drang trug da­zu bei, dass er 1912 in den Reichs­par­tei­vor­stand der Zen­trums­par­tei ge­wählt wur­de. Im glei­chen Jahr er­folg­te sei­ne Er­nen­nung zum stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den des Auf­sichts­rats der Rhei­ni­schen Ge­nos­sen­schafts­ban­ken, wo­durch er sei­ne wirt­schafts­po­li­ti­schen Ein­fluss­mög­lich­kei­ten wei­ter kon­so­li­die­ren konn­te. Dar­über hin­aus si­cher­ten Eßers Be­zü­ge aus den Ban­käm­tern in den fol­gen­den Jah­ren die Aus­füh­rung sei­ner viel­fäl­ti­gen po­li­ti­schen Tä­tig­keits­fel­der. Gleich­zei­tig blieb Eßer auf lo­kal- und re­gio­nal­po­li­ti­scher Ebe­ne wei­ter­hin tä­tig. So wur­de er 1914 zum eh­ren­amt­li­chen Stadt­bei­ge­ord­ne­ten er­nannt. Dar­über hin­aus war er ab 1916 Mit­glied des Eus­kir­che­ner Kreis­tags.

Nach En­de des Ers­ten Welt­kriegs be­gann Eßers end­gül­ti­ger Auf­stieg in die füh­ren­den Zir­kel der Lan­des- und Reichs­po­li­tik. So wur­de er 1919 Ab­ge­ord­ne­ter des Pro­vin­zi­al­land­tags der Rhein­pro­vinz, Mit­glied der ver­fas­sungs­ge­ben­den Preu­ßi­schen Lan­des­ver­samm­lung und des 60er-Aus­schus­ses für das be­setz­te Ge­biet. Bis zu sei­nem Aus­schei­den am 17.2.1922 ge­hör­te Eßer dem neu­ge­grün­de­ten Preu­ßi­schen Land­tag an. Im Sep­tem­ber 1921 über­nahm er im Deut­schen Reichs­tag den Ab­ge­ord­ne­ten­sitz des ver­stor­be­nen Vor­sit­zen­den der Zen­trums­par­tei, Karl Trim­born. Dort präg­te er in den fol­gen­den Jah­ren das so­zi­al­po­li­ti­sche Pro­gramm sei­ner Par­tei ent­schei­dend mit. So be­müh­te er sich nicht zu­letzt als 1923 ge­wähl­ter Vor­sit­zen­der des So­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schus­ses um ei­ne so­zia­le und ar­beits­recht­li­che Ge­setz­ge­bung so­wie um staat­li­che För­der­maß­nah­men zur Stär­kung des Mit­tel­stan­des und der So­zi­al­part­ner­schaft. Sei­ne Be­mü­hun­gen dien­ten wie zu­vor der Pro­tek­ti­on selbst­stän­di­ger, vor al­lem mit­tel­stän­di­ger Be­trie­be vor der Macht der zu Syn­di­ka­ten und Kar­tel­len zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Groß­fir­men. Gleich­falls setz­te sich Eßer lob­by­is­tisch durch öf­fent­li­che Hilfs­maß­nah­men für die För­de­rung der von ihm als Mo­tor der ge­samt­deut­schen Öko­no­mie be­trach­ten Wirt­schaft des be­setz­ten Rhein­lands ein.

 

1924 wur­de Eßer Bei­sit­zer im Frak­ti­ons­vor­stand des Zen­trums, zu des­sen stell­ver­tre­ten­den Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den er 1929 und ge­schäfts­füh­ren­den Vor­sit­zen­den er 1930 er­nannt wur­de. Die Aus­übung von Mi­nis­ter­pos­ten lehn­te er auf­grund fi­nan­zi­el­ler As­pek­te in die­ser Zeit je­doch ab. Eßers stei­gen­de Zahl po­li­ti­scher Äm­ter in der Reichs­po­li­tik führ­te da­zu, dass er 1924 sei­nen Eus­kir­che­ner Ab­ge­ord­ne­ten­sitz nie­der­leg­te. Im fol­gen­den Jahr wur­de er für sei­ne Ver­diens­te für die Kreis­stadt zu de­ren Eh­ren­bür­ger er­nannt, de­ren In­ter­es­sen er auch in Ber­lin wei­ter un­ter­stütz­te. 1926 wur­de Eßer erst­mals zum stell­ver­tre­ten­den Reichs­tags­prä­si­den­ten ge­wählt, des­sen Po­si­ti­on er bis zu sei­ner Ab­set­zung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1933 in­ne­hat­te.

Be­reits seit 1930 trat Eßer für ein mög­li­ches par­la­men­ta­ri­sches Ko­ali­ti­ons­bünd­nis mit der NS­DAP un­ter Vor­aus­set­zung ei­ner Wah­rung ih­rer­seits der Ver­fas­sungs­rech­te ein, da er hoff­te, den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf die­se Wei­se schwä­chen zu kön­nen. Bei den ab Au­gust 1932 ge­führ­ten, letzt­lich er­folg­los ver­lau­fen­den Ko­ali­ti­ons­ge­sprä­chen mit der NS­DAP war er füh­ren­der Un­ter­händ­ler. Auch nach der Macht­er­grei­fung un­ter­schätz­te Eßer nicht zu­letzt auf­grund der wie­der­hol­ten Be­schwich­ti­gungs­ver­su­che der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten die von ih­nen aus­ge­hen­de po­li­ti­sche Ge­fahr, so­dass er, wie der Rest des Zen­trums, am 23.3.1933 sei­ne Zu­stim­mung zum Er­mäch­ti­gungs­ge­setz gab. 

Sei­ne Fehl­ein­schät­zung der po­li­ti­schen La­ge be­kam Eßer im April 1933 am ei­ge­nen Leib zu spü­ren, als er nach ei­ner kurz­zei­ti­gen In­haf­tie­rung am 3./4. des Mo­nats er­neut am 6. April durch den Köl­ner Re­gie­rungs­prä­si­den­ten in Eus­kir­chen in „Schutz­haf­t“ ge­nom­men wur­de. Eßer, dem als ehe­ma­li­gem Vor­stands­mit­glied der Köl­ner Hand­werks­kam­mer Ver­un­treu­ung vor­ge­wor­fen wur­de, blieb bis zum 16. Mai des Jah­res im Köl­ner Ge­fäng­nis Klin­gel­pütz in­haf­tiert. Die ge­gen ihn ge­rich­te­te me­dia­le Hetz­kam­pa­gne führ­te im dar­auf­fol­gen­den Mo­nat so­weit, dass die Stadt Eus­kir­chen des­sen Eh­ren­bür­ger­schaft ab­er­kann­te (nach Kriegs­en­de 1945 wie­der zu­er­kannt). Eßer bat Adolf Hit­ler (1889-1945) schlie­ß­lich En­de Ju­li schrift­lich um Schutz vor der Ver­fol­gung, je­doch blieb ei­ne Re­ak­ti­on aus. Im Sep­tem­ber des glei­chen Jah­res ent­hob die NS­DAP Eßer von der Lei­tung der von ihm ge­grün­de­ten Eus­kir­che­ner Ge­wer­be­bank. Am 10.10.1933 wur­de der ge­sund­heit­lich und wirt­schaft­lich an­ge­schla­ge­ne Po­li­ti­ker vor dem Land­ge­richt Köln we­gen Un­treue, der ge­nos­sen­schaft­li­chen Un­treue und Bei­hil­fe zur Un­treue an­ge­klagt. Der Hand­werks­kam­mer­pro­zess be­gann am 20.21934 und en­de­te am 5. März mit Eßers Ver­ur­tei­lung zu ei­ner sie­ben­mo­na­ti­gen Ge­fäng­nis­stra­fe und ei­ner Geld­zah­lung von 200 RM. Trotz ei­nes ers­ten er­folg­rei­chen Be­ru­fungs­ver­fah­rens vor dem Reichs­ge­richt, be­hielt das Köl­ner Land­ge­richt das Straf­maß bis zu Eßers mit ei­ner drei­jäh­ri­gen Be­wäh­rungs­frist ver­bun­de­nen Am­nes­tie im Jahr 1938 fast un­ver­än­dert bei. Eben­falls 1933 wur­de ein wei­te­rer Pro­zess ge­gen Eßer we­gen an­geb­li­chen Mein­eids in ei­nem vor­he­ri­gen von ihm an­ge­streb­ten Be­lei­di­gungs­ver­fah­ren ge­gen ei­nen Schrift­lei­ter an­ge­strebt. Die An­kla­ge wur­de je­doch am 14.5.1934 ab­ge­wie­sen. 

Ab 1934 kon­zen­trier­te sich Eßer ver­mehrt auf das Ver­fas­sen von hei­mat­li­chen Ro­ma­nen und Er­zäh­lun­gen, die er un­ter ver­schie­de­nen Pseud­ony­men im Eus­kir­che­ner Volks­blatt ver­öf­fent­lich­te. Von ro­man­ti­sier­tem, pa­trio­ti­schem Ge­dan­ken­gut ge­prägt, tru­gen die­se Ge­schich­ten zwar auch re­gime­kri­ti­sche An­spie­lun­gen, doch lässt sich Eßers Werk kei­nes­falls der Wi­der­stands­li­te­ra­tur zu­rech­nen. 

Die Dif­fa­mie­run­gen von Eßers Per­son so­wie die in der Auf­lö­sung be­find­li­che Zen­trums­par­tei brach­ten sei­ne po­li­ti­sche Lauf­bahn zum Still­stand. Seit sei­ner Köl­ner In­haf­tie­rung im Jahr 1933 hielt sich der Po­li­ti­ker wie­der­holt im ka­tho­li­schen Er­ho­lungs­heim „Pax-Heim“ in Un­kel auf, wo er Kon­takt zu füh­ren­den Geist­li­chen und ehe­ma­li­gen Par­tei­mit­glie­dern, wie Kon­rad Ade­nau­er, pfleg­te. Gleich­zei­tig stand er in den fol­gen­den Jah­ren über den Um­gang mit der ak­tu­el­len deut­schen La­ge in en­gem po­li­ti­schem Ge­dan­ken­aus­tausch mit ehe­ma­li­gen Par­tei­freun­den, wie der Wi­der­stands­kämp­fe­rin Chris­ti­ne Teusch. Eßer blieb in der NS-Zeit in sei­ner Ge­sin­nung pa­trio­ti­scher De­mo­krat und treu­er Christ, was sich in sei­ner Ver­tei­di­gung der Wei­ma­rer Re­pu­blik und der Hal­tung der rö­misch-ka­tho­li­schen Kir­che im NS-Staat zeigt. Den­noch war er in ver­ein­zel­ten po­li­ti­schen As­pek­ten auch zu ei­ner ein­ge­schränk­ten Ak­zep­tanz des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus be­reit.

In­fol­ge des Hit­ler-At­ten­tats vom 20. Ju­li 1944 wur­de Eßer am 23. Au­gust des Jah­res im Rah­men der zur Ver­haf­tung von ehe­ma­li­gen Par­tei­funk­tio­nä­ren der Wei­ma­rer Re­pu­blik durch­ge­führ­ten Ak­ti­on „Ge­wit­ter“ 74-jäh­rig im Ar­beits­la­ger Köln-Mes­se­hof in­ter­niert. Nach ei­ner zwi­schen­zeit­li­chen Ver­le­gung am 15. Ok­to­ber ins La­ger Mün­gers­dorf, wur­de er am 20.10.1944 wie­der ent­las­sen. Sein Eus­kir­che­ner Wohn­haus war in­zwi­schen im Sep­tem­ber bei ei­nem Bom­ben­an­griff zer­stört wor­den.

Mit dem Be­ginn der al­li­ier­ten Be­sat­zungs­zeit im Nach­kriegs­deutsch­land be­gann für Eßer als ehe­ma­li­gem Re­gime­geg­ner in Eus­kir­chen ein lo­kal­po­li­ti­scher Wie­der­auf­stieg un­ter Auf­sicht der ame­ri­ka­ni­schen Mi­li­tär­ver­wal­tung. So wur­de er nach Ein­zug der ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen in Eus­kir­chen Vor­sit­zen­der des ab dem 5.4.1945 ta­gen­den Be­ra­tungs­aus­schus­ses, der sich dem de­mo­kra­ti­schen Wie­der­auf­bau der Stadt- und Kreis­re­gie­rung wid­me­te. Der schlie­ß­lich wie­der­ein­ge­setz­ten Ver­wal­tung stand Eßer als ers­ter Bei­ge­ord­ne­ter der Stadt vor. Gleich­zei­tig trieb er in Ab­leh­nung ei­ner Neu­grün­dung der Zen­trums­par­tei mit der Grün­dung ei­ner Kreis­grup­pe am 3.10.1945 die re­gio­na­le Durch­set­zung der sich for­mie­ren­den über­kon­fes­sio­nel­len bür­ger­li­chen CDU als Nach­fol­ge­rin der ehe­ma­li­gen Par­tei des po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus vor­an.

Am 29.11.1948 starb Tho­mas Eßer in sei­ner Hei­mat­stadt Eus­kir­chen. Die Grab­re­de hielt Kon­rad Ade­nau­er.

In Eus­kir­chen ist ei­ne der Kreis­be­rufs­schu­len und ei­ne Stra­ße nach ihm be­nannt, in sei­nem Ge­burts­ort Schwer­fen der Dorf­platz.

Werke (Auswahl)

Po­li­ti­sche Schrif­ten
Christ­li­che Ge­werk­schaf­ten und Un­ter­neh­mer­tum, in: Eus­kir­che­ner Volks­zei­tung 11.5.1912.
Wie wahrt das Hand­werk sei­ne In­ter­es­sen in der Öf­fent­lich­keit? Mön­chen­glad­bach 1914.
[Zu­sam­men mit] Hein­rich Hoff­mann, Reichs­tags-Zen­trum und be­setz­tes Ge­biet wäh­rend des Ruhr­kamp­fes, Ber­lin 1924.
Zen­trum und Mit­tel­stand, Ber­lin 1924.
Mit­tel­stands­für­sor­ge: dar­ge­stellt an der Po­li­tik der deut­schen Zen­trums­par­tei, Mön­chen­glad­bach 1928.

_ Bel­le­tris­ti­sche Schrif­ten [un­ter Pseud­ony­men]_
Hu­bert Th., Der Mar­quis de Spi­no­za. Ei­ne Er­zäh­lung aus Eus­kir­chens Ver­gan­gen­heit, in: Eus­kir­che­ner Volks­zei­tung. Blät­ter für Hei­mat­kun­de, Wo­chen­bei­la­ge 6.4.1912ff.
Hu­bert Th., Der Klos­ter­mül­ler von Stotz­heim. Ge­schicht­li­che Er­zäh­lung aus der Hei­mat, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1934.
M. Ka­mann, Ein Spiel um Steu­ern und Her­zen. Ein Ro­man aus Alt-Eus­kir­chen, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1934.
[oh­ne Ver­fas­ser], Die Ge­äch­te­ten. Ein Ro­man aus Eus­kir­chens Ver­gan­gen­heit, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 2.11.1934ff.
M. Ka­mann, Der Hüt­ten­meis­ter Ste­jn­mans. Ro­man aus der Zeit der Ei­sen­in­dus­trie in der Nord­ei­fel um 1837, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1937.
T. von Schwer­fen, Das Dom­bau-Los. Ei­ne hei­te­re Er­zäh­lung, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1937.
M. Ka­mann, Der Al­te stürzt. Ro­man in zwei Bü­chern, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1938.
T. Axen­ma­cher, Die Ko­lo­nis­ten von Gehn. Hei­mat­ge­schicht­li­che Er­zäh­lung, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1942.
H. Uthes, Wie­der­se­hen am West­wall. Ei­ne Er­in­ne­rung an den ers­ten Kriegs­win­ter, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1942.
M. Ka­mann, Wenn al­te Scheu­nen bren­nen. Ein Aus­schnitt aus dem Le­ben in Alt-Eus­kir­chen, in: Eus­kir­che­ner Volks­blatt 1943. 

Literatur

Neft , Ma­ria-Re­gi­na, Tho­mas Eßer - Ein Eus­kir­che­ner Schrift­stel­ler der Kai­ser­zeit und im Drit­ten Reich, in: 700 Jah­re Stadt Eus­kir­chen 1302-2002. Eus­kir­chen im 20. Jahr­hun­dert, Wei­ler­s­wist 2002, S. 177-206.
Weitz, Rein­hold, Tho­mas Es­ser als So­zi­al- und Wirt­schafts­po­li­ti­ker, in: Jahr­buch des Krei­ses Eus­kir­chen 2006, S. 56-61.
Weitz, Rein­hold, Tho­mas Eßer - ein Zen­trums­po­li­ti­ker und das Drit­te Reich, in: As­pek­te des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, in: Ge­schich­te im Kreis Eus­kir­chen 1 (1987), S. 5-68. 

Online

Bio­gra­phie auf der Home­page der Stadt Eus­kir­chen. [on­line]

Thomas Eßer, vor 1933. (Büro des Reichstags (Hg.): Reichstags-Handbuch 1933, VII. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1933)

 
Zitationshinweis

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Pesch, Martin, Thomas Eßer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/thomas-esser/DE-2086/lido/5e1c713156ecc4.00453811 (abgerufen am 25.04.2024)