Wilhelm Semmelroth

Schauspieler, Hörfunk- und Fernsehspielregisseur (1914-1992)

Birgit Bernard (Heidelberg)

© WDR im Bild. (Westdeutscher Rundfunk, Historisches Archiv)

Wil­helm Sem­mel­roth war Hör­funk- und Fern­seh­spiel­re­gis­seur beim NW­DR und WDR.

Wil­helm Sem­mel­roth kam am 4.5.1914 als Sohn des Ehe­paa­res Pe­ter Ot­to und Mar­ga­re­the Sem­mel­roth in Bit­burg in der Ei­fel zur Welt, wo Sem­mel­roths Va­ter als Jus­tiz­ober­inspek­tor am Amts­ge­richt tä­tig war. Er be­such­te in Bit­burg die Volks­schu­le bis zum drit­ten Schul­jahr, dann zog die Fa­mi­lie nach Bonn.

Im Früh­jahr 1932 leg­te Sem­mel­roth am Bon­ner Beet­ho­ven-Gym­na­si­um das Ab­itur ab und im­ma­tri­ku­lier­te sich im An­schluss dar­an an der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät. Hier stu­dier­te er Ger­ma­nis­tik, Kunst­ge­schich­te, Fran­zö­sisch und Mu­sik­ge­schich­te und – par­al­lel da­zu – Thea­ter­wis­sen­schaft am Thea­ter­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut der Uni­ver­si­tät zu Köln. Zum Som­mer­se­mes­ter 1934 brach Sem­mel­roth sein Stu­di­um ab und be­warb sich an der Schau­spiel­schu­le der Städ­ti­schen Büh­nen in Köln. Nach Be­en­di­gung sei­ner Aus­bil­dungs­zeit (1934-1936) vo­lon­tier­te er in Köln und wur­de im An­schluss dar­an für ei­ne Spiel­zeit an das Nie­der­schle­si­sche Lan­des­thea­ter in Bres­lau en­ga­giert. 1937 ging Sem­mel­roth von Bres­lau nach Ber­lin. Sein In­ter­es­se galt nun vor al­lem der Re­gie. Als Re­gie­as­sis­tent sam­mel­te er un­ter an­de­rem un­ter Hanns Nie­deg­gen-Geb­hard (1889-1954) an der Diet­rich-Eck­hardt-Büh­ne so­wie beim Film ers­te Be­rufs­er­fah­run­gen.

Im No­vem­ber 1938 wur­de Sem­mel­roth zur Wehr­macht ein­ge­zo­gen. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges war er in der Trup­pen­be­treu­ung auf der Ka­nal­in­sel Jer­sey ein­ge­setzt. Hier lei­te­te er die Büh­ne des Ope­ra Hou­ses. Im Mai 1945 wur­de Sem­mel­roth vom P.I.D. (Po­li­ti­cal In­tel­li­gence De­part­ment) zum deutsch­spra­chi­gen Dienst der BBC nach Lon­don ge­holt. Hier er­lern­ten jun­ge, po­li­tisch un­be­las­te­te Kriegs­ge­fan­ge­ne wie Sem­mel­roth oder Karl-Edu­ard von Schnitz­ler (1918-2001), bei­spiels­wei­se durch ih­re Mit­wir­kung an Sen­dun­gen für deut­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne, das jour­na­lis­ti­sche Hand­werks­zeug für den Auf­bau ei­nes de­mo­kra­ti­schen Nach­kriegs­rund­funks in der Bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne nach dem Vor­bild der BBC.

 

Im Mai 1946 kehr­te Sem­mel­roth nach Köln zu­rück und über­nahm am 11. Ju­ni die Po­si­ti­on ei­nes „Spiel­lei­ter­s“ beim Nord­west­deut­schen Rund­funk (NW­DR). Hör­spie­le wur­den zu die­sem Zeit­punkt noch weit über­wie­gend in der Ham­bur­ger Zen­tra­le des NW­DR auf der ge­mein­sa­men Mit­tel­wel­le pro­du­ziert, ab 1947 dann in vier­zehn­täg­li­chem Wech­sel zwi­schen den bei­den Häu­sern. Als Hör­spiel­re­gis­seur wid­me­te sich Sem­mel­roth zu­nächst den deut­schen Klas­si­kern, dann in zu­neh­men­den Ma­ße auch zeit­ge­nös­si­schen fremd­spra­chi­gen Au­to­ren wie Ar­thur Mil­ler (1915-2005), Thorn­ton Wil­der (1897-1975), T. S. Eli­ot (1888-1965), Jean Anouilh (1910-1987) oder Jean Girau­doux (1882-1944). Sem­mel­roth in­sze­nier­te mit be­deu­ten­den Schau­spie­lern und Schau­spie­le­rin­nen sei­ner Zeit wie et­wa Will Quad­flieg (1914-2003), Bern­hard Mi­net­ti (1905-1998), Gus­taf Gründ­gens oder Ma­ria Be­cker (1887-1949).

Im April 1947 wur­de er zum Ober­spiel­lei­ter und Lei­ter des Hör­spiels be­för­dert, zum 27.11.1947 zum Dra­ma­tur­gen und am 1.9.1949 zum Chef­dra­ma­tur­gen. Mit der Ein­rich­tung des UKW-Funks im Jah­re 1950 er­wei­ter­te sich Sem­mel­roths Spiel­raum ma­ß­geb­lich. Der NW­DR ver­füg­te nun mit der Ul­tra­kurz­wel­le („UKW-Wes­t“) über ein zwei­tes Pro­gramm. Wäh­rend Sem­mel­roth im 1. Pro­gramm wei­ter­hin Hör­spiel­ad­ap­tio­nen von Büh­nen­wer­ken in­sze­nier­te, er­öff­ne­te er dem ge­nu­in als Hör­spiel kon­zi­pier­ten Kunst­werk jetzt auf UKW ein Fo­rum. Dar­über hin­aus gab es Hör­spie­le in rhei­ni­scher und west­fä­li­scher Mund­art, die äu­ßerst be­lieb­ten Kurz­hör­spie­le – und last but not least das Kri­mi­nal­hör­spiel. „Pa­ter Brown“ er­mit­tel­te be­reits im Jah­re 1948 und mit der Hör­spiel­fol­ge „Paul Temp­le“ von Fran­cis Durbridge (1912-1998) mit Re­né Deltgen in der Haupt­rol­le ge­lang ein le­gen­dä­rer „Stra­ßen­fe­ger“ des Nach­kriegs­ra­di­os.

Wilhelm Semmelroth, 1948. (© WDR im Bild/Fischer Foto)

 

Als sich der NW­DR am 1.1.1956 in die selbst­stän­di­gen Rund­funk­an­stal­ten NDR und WDR trenn­te, er­hielt Sem­mel­roth die Po­si­ti­on des Lei­ters der WDR-Hör­spiel­ab­tei­lung. Ab dem 3.2.1960 über­nahm er in Per­so­nal­uni­on auch die Lei­tung des neu­en Gen­res Fern­seh­spiel.

Sem­mel­roth voll­zog den Me­di­en­wech­sel hin zum Fern­se­hen naht­los. Er re­üs­sier­te als Re­gis­seur nicht nur im Thea­ter­be­reich – so in­sze­nier­te er et­wa an den Ham­bur­ger Kam­mer­spie­len und dem Ham­bur­ger Tha­lia Thea­ter, dem Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­haus und den Büh­nen in Es­sen oder Aa­chen -, son­dern war ein bun­des­weit ge­frag­ter und hoch ge­schätz­ter Hör­spiel­re­gis­seur, der ne­ben dem WDR als Gast­re­gis­seur an fast al­len deut­schen Rund­funk­an­stal­ten wirk­te. 

Ab­ge­se­hen da­von be­treu­te Sem­mel­roth beim West­deut­schen Rund­funk zahl­rei­che Fern­seh­spie­le re­dak­tio­nell, u.a. den Zwei­tei­ler „So weit die Fü­ße tra­gen“ (25.11.1962 und 2.12.1962), die Pro­duk­tio­nen „Der Etap­pen­ha­se“ mit Wil­ly Mil­lo­witsch (17.2.1969) und „Schnei­der Wib­bel“ von Hans Mül­ler-Schlös­ser (29.11.1964) so­wie, last but not least, den Sechs­tei­ler „Das Hals­tuch“ nach Fran­cis Durbridge (3.1.1962-17.1.1962) mit Heinz Dra­che, Horst Tap­pert und Mar­got Troo­ger.

Et­li­che Pro­duk­tio­nen, bei de­nen er selbst Re­gie führ­te, wur­den zu „Klas­si­kern“, die Fern­seh­ge­schich­te ge­schrie­ben ha­ben wie z.B. der Drei­tei­ler „Die Frau in Wei­ß“ (16.5.1971-30.5.1971) nach Wil­kie Col­lins mit Pin­kas Braun und Hei­de­lin­de Weis oder „Der Vet­ter Ba­si­lio“ nach Eça de Quei­roz mit Hans von Bor­so­dy, Gün­ter Lam­brecht und Dia­na Kör­ner (3.7.1969 und 6.7.1969).

Wie der be­rühm­te Re­gis­seur Al­fred Hitch­cock be­hielt sich auch Sem­mel­roth häu­fig klei­ne Ne­ben­rol­len in sei­nen Pro­duk­tio­nen vor, in de­nen er selbst als Schau­spie­ler auf­trat.

Ein Aus­flug ins Opern­fach führ­te ihn im Jah­re 1966 an die Mai­län­der Sca­la. Hier führ­te er Re­gie bei ei­ner ei­gens für das Fern­se­hen in­sze­nier­ten frü­hen Farb­pro­duk­ti­on. Da­bei han­del­te es sich um ei­ne am 10.4.1966 aus­ge­strahl­te Auf­füh­rung der Oper „La Bohè­me“ von Gi­a­co­mo Puc­ci­ni un­ter Her­bert von Ka­ra­jan. Wie­der­um für den WDR hat­te er be­reits am 24.4.1959 das mu­si­ka­li­sche Schau­spiel „Die Ge­schich­te vom Sol­da­ten“ von Charles Fer­di­nand Ra­muz und der Mu­sik von Igor Stra­wins­ky mit Sieg­fried Wi­sch­new­sky, Ru­dolf Geske, Jür­gen Feindt und Ma­thi­as Wie­mann in­sze­niert.

Wil­helm Sem­mel­roth er­wies sich als ein viel­sei­ti­ger Re­gis­seur, der er­folg­reich mit ver­schie­de­nen Me­di­en ar­bei­te­te. Über das Ge­heim­nis sei­nes Er­fol­ges sag­te  er an­läss­lich ei­nes Vor­tra­ges im Hans-Bre­dow-In­sti­tut in Ham­burg: „Denn auf der Büh­ne mu­ß­te ich mit den Au­gen des Zu­schau­ers se­hen und mit den Oh­ren hö­ren. Im Hör­spiel mu­ß­te ich die Au­gen schlie­ßen und mit dem Mi­kro­phon hö­ren. Im Fern­se­hen mu­ß­te ich mit dem Au­ge der Ka­me­ra se­hen und dem Mi­kro­phon hö­ren. Mein Ma­te­ri­al war der glei­che Schau­spie­ler – mein Me­di­um war et­was gänz­lich Ver­schie­de­nes.“

Friedhelm Ortmann und Wilhelm Semmelroth bei der Arbeit an 'Die Nibelungen', 1954. (© WDR im Bild)

 

Am 31.8.1979 trat Wil­helm Sem­mel­roth in den Ru­he­stand, blieb dem WDR aber über die Pen­si­ons­gren­ze hin­weg als Re­gis­seur ver­bun­den. Sei­ne letz­ten Le­bens­jah­re ver­brach­te er in der Nä­he von Mün­chen. Am 13.11.1980 er­hielt er das Ver­dienst­kreuz am Ban­de durch den Baye­ri­schen Kul­tur­mi­nis­ter. Wil­helm Sem­mel­roth starb am 1.6.1992 in Ebers­berg.

Literatur

Ber­nard, Bir­git, „Die Frau in Wei­ß“. Zur Vi­ta des Hör­spiel- und Fern­seh­spiel­re­gis­seurs Wil­helm Sem­mel­roth (1914-1992), in: Ge­schich­te in Köln 42 (1997), S. 119-128.

Wilhelm Semmelroth, 1979. (© WDR im Bild)

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Wilhelm Semmelroth, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-semmelroth/DE-2086/lido/5d78e3d45d5689.01819898 (abgerufen am 19.03.2024)