Beschreibung

Das Presbyterium (der gewählte Kirchenvorstand) der evangelischen Kirchengemeinde in Wesel äußerte sich in den Jahren ab 1934 zunehmend kritischer über die politischen Maßnahmen, die das nationalsozialistische System gegen die Kirche in Deutschland einsetzte. Aus Sitzungsprotokollen des Presbyteriums der Jahre 1933-1945 geht hervor, dass die anfängliche Zustimmung des Gremiums zu den Maßnahmen der Nationalsozialisten nach der Machtübernahme sich wandelten, als die nationalsozialistischen Repressionen gegen die Kirche in den folgenden Jahren stärker wurden. So wurden beispielsweise im Protokoll vom 11.5.1933 noch die „[…] Vereinigung der evangelischen Landeskirchen zu einer Reichskirche [...]“ gefordert, oder am 30.7.1933 einstimmig 25 Mitglieder der „Glaubensbewegung Deutscher Christen“ ins Presbyterium gewählt, nachdem die Regierung Neuwahlen der Kirchenvorstände angeordnet hatte. Anfang Januar 1934 war noch beschlossen worden, „[…] den SA-, SS- und HJ-Formationen in der Kirche bei vorheriger Anmeldung besondere Plätze, die akustisch günstig liegen, freizuhalten, [...]“. Doch als die nationalsozialistische Politik repressiv auf die Kirche einzuwirken beginnt, tauchen die ersten kritischen Bemerkungen in den Protokollen auf, wie zum Beispiel am 4.9.1934: „Die christliche Öffentlichkeit war bereits aufgestört durch die Einführung der rassistischen Unterscheidungen in der allgemeinen Gemeinschaft der Christlichen Kirche“. Nachdem im Juli 1936 die Partei die Unvereinbarkeit von parteilichen und kirchlichen Ämtern erklärt und der regimetreue Teil des Presbyteriums zurückgetreten war, änderte sich die Stimmung unter den verbliebenen Presbytern. In einer am 9.2.1937 in der Gemeinde Wesel veröffentlichten Erklärung heißt es: „Umso weniger verstehen wir die gegenchristliche Propaganda, wie sie in Kundgebungen auch führender Amtsträger in Wort und Schrift immer unverhüllter hervortritt und die Kirchen und ihr Bekenntnis in verletzender Weise herabsetzt. Es ist nicht tragbar, wenn unverhohlen zum Austritt aus der Kirche aufgefordert wird.“ Zudem wird „[…] zur Abwehr jeder Christentumsfeindlichen Agitation und zur Treue gegen die Kirche unserer Väter [...]“ aufgerufen. Trotz dieser Aufrufe traten große Teile der Weseler Gemeinde aus der Kirche aus. Im Protokoll vom 19.3.1942 heißt es: „Seit Beginn der Austrittsbewegung (1936) sind 1.715 Personen unserer Gemeinde = 13,2% aus der Evangelischen Kirche ausgetreten.“ Das Presbyterium ging in den Jahren nach 1937 sogar soweit, Anweisungen durch die NSDAP zu missachten, wie beispielsweise die Anbringung einer Bekanntmachungstafel am Gemeindehaus im Februar 1938 oder das im September 1943 anbefohlene Läuten bei nicht-kirchlichen Beerdigungen ausgetretener Gemeindemitglieder. Mit Heinrich Schmitz, einem Weseler Pfarrer, wurde am 16.6.1944 das erste Mal ein Presbyteriumsmitglied verhaftet und „[…] wegen aller möglicher Äußerungen [...]“ ins KZ Dachau überwiesen. Er konnte im April 1945 nach Italien entkommen. Nach Ende des Krieges veröffentlichte das Presbyterium am 2.7.1945 eine Schulderklärung. „Wir haben geschwiegen, wo lauter Widerspruch unsere Pflicht gewesen wäre; [...] manche ungewarnt den Weg des Irrtums gehen lassen.“ Die Erklärung wurde am 8.7.1945 der Gemeinde im Gottesdienst verlesen.

Literatur

Stempel, Walter, Die evangelische Kirchengemeinde Wesel und das „Dritte Reich“ 1933-1945, in: Prieur, Jutta, Wesel 1933-1945, Köln 1983, S. 61-78.

Sicherheit: belegt