Beschreibung

Der Metallarbeiter Anton Gelhard (I) (geb. am 17.2.1899 in Gaan) und seine Frau Anna (geb. Theis, geb. am 7.3.1895 in Mühlhofen-Bendorf) wurden am 18.3.1935 in ihrer Wohnung verhaftet und der Vorbereitung des Hochverrats beschuldigt. Das Ehepaar Gelhard stand wegen der Korrespondenz mit dem ehemaligen Gewerkschaftssekretär Ernst Rebber (geb. am 19.7.1890, ursprünglich aus Bendorf), der nach der nationalen Erhebung zunächst in das Saargebiet und schließlich nach Frankreich geflüchtet war, seit längerem unter Beobachtung. Grund für die Observation war ein Brief, den Rebber am 18.8.1934 aufgab und der, adressiert an ""Fräulein Theis"" (dem Mädchennamen von Gelhards (I) Frau Anna) Anton Gelhard (I) am 21.8.1934 vom Briefträger zugestellt wurde. Der besagte Brief enthielt auch 40 marxistischen Klebetzettel und lautete wie folgt: „Ihr Lieben, Rezepte Nr. 3 gleich 12 zu 12 wird bei Erhalt diese Zeilen in Euren Händen sein. Einverstanden das Christel die Kur unternehmen will. Ich werde selbstverständlich die Anweisungen geben. Auch will ich ihn bestimmt erwarten. Wer ist Br. leider nicht erraten? Schreibet mir doch die Namen etwas deutlicher, doch so, dass ich begreife. Myrthenstöckchen tut das Ihrige. Das ihr Jungens treu bleibt, habe ich nicht bezweifelt. Auch in uns ist die Hoffnung besser. Die Verbindung ist geradezu glänzend geworden. Ein Ring umspannt die Herrschaften, und zur rechten Zeit wird er so eng geschmiedet, dass diese Burschen zerdrückt werden. Die hiesige Wackelfront ist in der grössten Verlegenheit. Sämtliche Akten sind in Nr. sicher und werden gesichtet. Auch unserer Zeitung 5 Tage verboten. Das schadet nichts, da haben die Buchdrucker einen ungewollten Urlaub. Die Strapazen waren doch etwas gross. Ich glaube, dass der Hieb den Max den Leuten der Wackelfront gegeben hat, gesessen hat. Was macht in den nächsten Tagen und Wochen Mussolini? Es stinkt an allen Enden und Ecken. Und wir, wir stehen auf der Wacht. Lasst nur, den grossen Volksbetrug vom 19.8.1934 glaubt ihn kein Mensch mehr. Sie mögen blasen und trompeten, die Stimme hören nur die Unheilbaren. Am 26.8.1934 veranstalten wir in Sulzbach eine antifaschistische Kundgebung, bei welcher 40 bis 50 Tausend Menschen erwartet werden. Eine Gegenkundgebung gegen Ehrenbreitstein. Schon reden die guten “Deutschen” von einigen hundert Menschen der Landesverräter, die sich in Sulzbach ein Stelldichein geben wollen. Soeben erfahre ich durch Luxemburg S., dass sich der Lamettehermann die Seiten, Kopf und Beine gequetscht hat. Wäre der Lump doch lieber verreckt. Auch sein Kopf holen wir uns noch zur rechten Zeit. Also ich schliesse und am 20.8.34 nachmittag – Auf Wiedersehn. EEE“ Da der Briefwechsel zwischen Gelhard (I) und Rebber nicht abriss, konnte durch die Observation Anfang Oktober 1934 ein weiterer, an Frau Gelhard adressierter Brief beschlagnahmt werden. Im Umschlag fand man auch drei Abschriften der Druckschrift „Sozialistische Aktion“, zwei mit der Überschrift „Pflegen Sie ihr Haar“ getarnte Druckschriften sowie drei Zeitungsausschnitte mit „staatsfeindlichen Inhalt[en]“. Im späteren Prozess wurden die Decknamen im Brief aufgelöst. Hinter „Christel“ verbar sich Christian Jakobi, hinter Br. Dr. Johann Bauer, und „Myrthenstöckchen war der Name, den Ernst Rebber seiner Frau zugedacht zu haben schien. Am 18.3.1935 fand man bei einer Hausdurchsuchung der Wohnung der Gelhards weiteres belastendes Material: ein illegales Flugblatt aus dem Jahr 1934 mit dem Titel „Jahresbilanz“, das marxistisches Gedankengut zum Inhalt hatte, einen Ausweis der Einheitsfront des Saargbiets mit Unterschriften von Matz Braun und Fritz Pfort, sechs Postkarten, von Rebber aus dem Saargebiet und aus Wien gesendet. Zudem fand man drei sozialdemokratische Flugblätter und 20 Klebezettel der Eisernen Front, wie auch das marxistische Buch „Die Befreiung der Menschheit“. Im Verhör leugnete Anton Gelhard (I) zunächst alles, muss aber im Verlauf Teilaspekte der Vorwürfe eingestehen. Durch die gefunden Beweise wurden nicht nur Gelhard (I) und seine Frau Anna belastet, sondern auch Anton Gelhard II (geb. am 17.6.1886), ein ehemaliger Gewerkschaftssekretär des Verbandes der Fabrikarbeiter, als auch Dr. Johann Bauer (geb. am 13.5.1888 in Lützelburg) und der Laborant Christian Jakobi (geb. am 22.2.1899 in Oberlahnstein) belastet. Gelhard (II) und Dr. Bauer wurden daraufhin (am 5.6.1935) auch in Haft genommen. Die Eheleute Gelhard wurden beschuldigt, die illegalen Ziele der SPD zu unterstützen und für die Partei propagandistisch als auch organisatorisch tätig zu sein. Die politische Vergangenheit Anton Gelhards (I), der bis 1933 Funktionär des Deutschen Metallarbeiterverbandes gewesen war, als auch die Korrespondenz mit Ernst Rebber, genau wie das „unglaubwürdig[e] Unwissen“ Anna Gelhards führten zur Anklage wegen Herstellung und Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen SPD sowie Beeinflussung der Massen durch Verbreitung von Druckschriften. Der Schuldspruch wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde am 18.12.1935 gesprochen und Anton Gelhard (I) zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus, und seine Frau zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, verurteilt. „Durch Lüge und Gräulhetze“ hätten sie „die staatliche Autorität zu untergraben [gesucht] und auf diese Weise den Boden für ein gewaltsames Vorgehen zu schaffen“. Beiden wurden 3 Monate der Untersuchungshaft auf ihr Urteil angerechnet. Was danach geschah, ist aus den Akten nicht ersichtlich.

Quellen

Generalstaatsanwaltschaft Hamm 1. Instanz 1933-1945, Nr. 6476 LHAK 441, Nr. 28239, p. 225 LHAK 441, Nr. 28239, p. 13

Sicherheit: belegt