Beschreibung

Ernst Moritz Roth (31.1.1902-12.3.1945) versuchte als Vikar der Pfarrgemeinde St. Laurentius in Windeck-Dattenfeld (Rhein-Sieg-Kreis), die katholischen Jugendlichen und ihre Eltern über die Gefahren des Nationalsozialismus aufzuklären, da er seine katholische Überzeugung nicht mit der NS-Ideologie vereinbaren konnte. Zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Roth und den neuen Machthabern in Gestalt des Amtsbürgermeisters, des HJ-Gebietsführers Albert Wallwey, und einiger Lehrer und NSDAP-Zellenleiter kam es bereits ab 1933 mit Beginn der Gleichschaltung der Jugendbünde und der Überführung ihrer Mitglieder in die Hitlerjugend. Immer wieder kam es in der Folgezeit zu kleineren Auseinandersetzungen mit örtlichen Vertretern des Regimes. So beschwerte sich unter anderem der Dreiseler Volksschullehrer, Roth hetze die katholischen Kinder gegen ihn als NSDAP-Zellenleiter auf und halte sie von Treffen der Hitlerjugend fern. Regelmäßig verweigerte der Vikar zudem seine Teilnahme an Propagandaveranstaltungen der NSDAP und erwiderte auch nicht den Hitlergruß. Der Versuch der örtlichen Nationalsozialisten, Roth bei der Bevölkerung durch Propagandavorträge und Flugblätter der HJ mit Anschuldigungen, wie zum Beispiel, dass er unangebrachte sexuelle Aufklärung und Lügen über den Nationalsozialismus verbreite, zu diskreditieren, scheiterte. Die Verächtlichmachung des "schwarzen Hetzkaplans" blieb bei der katholischen und ihrem Vikar äußerst zugeneigten Dattenfelder Bevölkerung ohne Wirkung. Weitere Vorfälle zwischen der HJ und katholischen Jugendlichen führten in den Folgemonaten dazu, dass sich der Konflikt weiter zuspitzte. War es zunächst nur zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen, so gab es nach Provokationen durch die HJ nun auch vermehrt öffentliche Prügeleien mit Angehörigen des Jungmännervereins. Roths Versammlungen wurden durch Mitglieder der HJ und wenige Anhänger des neuen Regimes regelmäßig gestört. Immer häufiger wurde vom Amtsbürgermeister an das Siegburger Landratsamt und die Kölner Gestapo berichtet, dass Roth Gehässigkeiten verbreite, gegen den Nationalsozialismus Sturm laufe und die Bevölkerung zum Boykott aufrufe. Die Vorfälle in Dattenfeld mit dem "Querulanten" fanden auch in der Presse vermehrt Beachtung. Aber auch im Generalvikariat war man über das Vorgehen des Vikars besorgt und beobachtete die Situation genau. Im Mai 1934 ließ Roth zahlreiche Flugblätter mit dem Titel "Vom guten Recht der katholischen Jugend" verbreiten, öffentlich bezeichnete er Hitler und seine Anhänger als "Hohlköpfe" und alle, die nach dem 5.3.1933 in die NSDAP eingetreten seien, als "Hampelmänner". Als Gegenreaktion verteilte die HJ Propagandaschriften, in denen Roth als "schwarzer Hetzkaplan", "schwarzes Schwein" und "schwarzer Schuft", der "an den Galgen" gehöre, bezeichnet wurde. Verfügungen der Staatspolizei zur Unterbindung der Verteilung katholischer Flugblätter sowie Vorladungen zum Verhör bei Amtsgericht und Gestapo wegen "bestimmter Äußerungen während der Predigt" erhöhten den Druck auf Roth. Während seine Predigten nun mitstenographiert wurden, blieb Roth seiner Überzeugung treu und ließ sich nicht einschüchtern. Unterstützung erhielt er lediglich von Seiten der katholischen Bevölkerung, sein direkter Vorgesetzter Dechant Menghius sowie das bischöfliche Generalvikariat hielten sich entweder zurück oder versuchten, das Vorgehen des Vikars zu maßregeln. Endgültig eskalierte die ohnehin äußerst angespannte Situation im "Pulverfass" Dattenfeld im Jahr 1935. Da Roth auch weiterhin den Beitritt und die Teilnahme der katholischen Jugend an Veranstaltungen der HJ verhinderte, musste er sich erneut Verhören bei Gestapo und Amtsgericht unterziehen. Am 14.6.1935 wurde ihm durch das Schulamt Siegburg die Unterrichtserlaubnis entzogen. Nachdem Roth im selben Jahr die Eltern aus Windeck-Dreisel bei der Abfassung eines Beschwerdebriefes, in welchem diese eine katholische Schulbildung für ihre Kinder forderten, unterstützt haben sollte, wurde er neben Dechant Menghius und einigen der Dreiseler Eltern zu 30 RM Geldstrafe, ersatzweise sechs Tage Gefängnis, verurteilt. Roth musste daraufhin Dattenfeld verlassen und wurde zunächst nach Bonn an das St. Elisabeth-Krankenhaus, dann nach Schwarzrheindorf versetzt. Obwohl unter ständiger Beobachtung, hielt er weiterhin verdeckt Kontakt nach Dreisel und Dattenfeld. Wahrscheinlich aufgrund einer drohenden Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei, floh er Anfang März 1945 nach Dreisel, wo er sich im Hause seines Freundes Willi Weber versteckt hielt. Durch eine verirrte Fliegerbombe, die von einem alliierten Bomber am 12.3.1945 über Dreisel abgeworfen worden war, wurde das Haus, in dem sich Roth zu diesem Zeitpunkt aufhielt, getroffen. Der Vikar kam dadurch ums Leben und wurde auf dem Dattenfelder Friedhof nahe der Kirche St. Laurentius beerdigt.

Literatur

Floer, Bernd, Kollektiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus dörflich-katholischem Milieu im Erzbistum Köln: Ein Fallbeispiel aus dem Jahre 1935, München 2008. Hundhausen, Emil, Ernst Moritz Roth als Vikar und Gegner des Dritten Reichs, Windeck 1979. Moll, Helmut (Hrsg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Paderborn 1999. Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung, bearb. von Ulrich von Hehl und Christoph Kösters, 4. durchgesehene und ergänzte Auflage, Paderborn u.a. 1998, S. 781. Siering Theo/ Hans Steger, Ernst Moritz Roth 1902-1945, Bonn 1978. Zimmermann, Rainer: Die Kunst der verschollenen Generation: deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925 bis 1975, Düsseldorf/Wien 1980.

Sicherheit: belegt