Bernhard Ernst

Journalist (1899-1957)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Bernhard Ernst, Porträtfoto, 1955. (© WDR im Bild, 1355023)

Bern­hard Ernst war Sport- und Zeit­funk­jour­na­list beim West­deut­schen Rund­funk, er kom­men­tier­te ma­ß­geb­li­che Er­eig­nis­se des Zeit- und Sport­ge­sche­hens von den 1920er bis zu den 1950er Jah­ren so­wohl für den West­deut­schen Rund­funk als auch für den Reichs­rund­funk oder die ARD. Ernst mach­te sich als "Rund­funk­pio­nier" ins­be­son­de­re um die Ent­wick­lung der frü­hen Sport­re­por­ta­ge im Hör­funk ver­dient.

Bernhard Ernst im Studio, undatierte Aufnahme. (© WDR im Bild, 1377531)

 

Als Sohn des Metz­ger­meis­ters Flo­renz Ernst und sei­ner Ehe­frau Ma­ria, ge­bo­re­ne Klu­te, kam Bern­hard Ernst am 8.7.1899 in Müns­ter in West­fa­len zur Welt. Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Ernst be­such­te die Lam­ber­ti­schu­le (1905-1909) und das Städ­ti­sche Gym­na­si­um (1909-1917) in sei­ner Hei­mat­stadt und leg­te dort das Kriegsa­b­itur ab, be­vor er im Al­ter von 17 Jah­ren beim Ar­til­le­rie-Re­kru­ten-De­pot in Müns­ter ein­ge­zo­gen wur­de, wo er sei­ne mi­li­tä­ri­sche Aus­bil­dung er­hielt. Ab März 1918 dien­te er im Feld­ar­til­le­rie-Re­gi­ment 86 an der West­front, im Ok­to­ber 1918 wur­de er zum Vi­ze­wacht­meis­ter be­för­dert. Mit dem Ei­ser­nen Kreuz Zwei­ter Klas­se de­ko­riert, wur­de Ernst im März 1919 de­mo­bi­li­siert.

Er kehr­te nach West­fa­len zu­rück und schrieb sich zum Stu­di­um der Na­tio­nal­öko­no­mie  an der Uni­ver­si­tät Müns­ter ein. Hier pro­mo­vier­te er im Jah­re 1922 zum Dr. rer. pol. mit der Dis­ser­ta­ti­on  „Sport­pres­se und Sport­be­richt­er­stat­tung mit der be­son­de­ren Be­rück­sich­ti­gung West­deutsch­lands. Ei­ne kri­ti­sche Stu­die zur Sport­pro­pa­gan­da“. Schon mit dem The­ma der Dok­tor­ar­beit ist Ernsts Le­bens­the­ma um­ris­sen: der Jour­na­lis­mus, und hier ins­be­son­de­re der Sport- und Zeit­funk­jour­na­lis­mus.

Bernhard Ernst (links) und Franz Peter Brückner mit neuen tragbaren Mikrofonen über den Dächern von Köln, 1929. (Deutsches Rundfunkarchiv)

 

Schon wäh­rend des Stu­di­ums er­warb sich Ernst ers­te Spo­ren als frei­er Mit­ar­bei­ter in den Sport­re­dak­tio­nen ver­schie­de­ner Ta­ges­zei­tun­gen und hos­pi­tier­te drei Mo­na­te in der Lo­kal­re­dak­ti­on der „All­ge­mei­nen Zei­tun­g“ in Coes­feld. Um sei­nen Le­bens­un­ter­halt zu be­strei­ten, ar­bei­te­te er zu­dem bei der Pro­vin­zi­al-Feu­er­ver­si­che­rung und der Länd­li­chen Zen­tral­kas­se in Müns­ter. 1925 hei­ra­te­te er Ger­trud Flei­ter (ge­bo­ren 1899). Aus der Ehe gin­gen die Kin­der Hel­ga, Ger­hard, Gün­ter und Ha­rald her­vor.

Im Jah­re 1925 bot sich ei­ne neue Chan­ce für Bern­hard Ernst, die in ei­ner gro­ßen Kar­rie­re mün­den soll­te. Im Ok­to­ber 1924 war die West­deut­sche Funk­stun­de AG (WE­FAG) zur Ver­brei­tung von Rund­funk­dar­bie­tun­gen in West­deutsch­land in Müns­ter ge­grün­det wor­den. Frei­lich nicht als Sän­ger, wie Stoff­re­gen-Bül­ler kol­por­tiert, son­dern als Sport- und Nach­rich­ten­re­dak­teur. Die Fest­an­stel­lung er­folg­te zum 1.3.1925. Bei der Ver­le­gung des Ge­schäfts­sit­zes nach Köln im Herbst 1926 wur­de Bern­hard Ernst Lei­ter der Nach­rich­ten­ab­tei­lung (spä­te­re Be­zeich­nung: Zeit­ge­sche­hen) bei der West­deut­schen Rund­funk AG (WER­AG), wo­zu auch das Sport­res­sort ge­hör­te. Ab­ge­se­hen von ei­ner kriegs­be­ding­ten Un­ter­bre­chung und sei­ner Ein­zie­hung zu ei­ner Pro­pa­gan­da­kom­pa­gnie der Wehr­macht ab April 1940 soll­te Ernst bis zu sei­nem Tod im Jah­re 1957 als Sport- und Zeit­funk­re­dak­teur beim West­deut­schen Rund­funk (WDR) tä­tig sein.

Bernhard Ernst (Mitte) und Paul Laven (rechts) bei der Reportage eines Fußballspiels, 1930. (© WDR im Bild)

 

Schon bei der WE­FAG mach­te sich Ernst ei­nen Na­men als Sport­re­por­ter. So kom­men­tier­te er im Jah­re 1925 zum Bei­spiel die ers­te Live­über­tra­gung ei­nes Fuß­ball­spiels im deut­schen Rund­funk, die Ober­li­ga­par­tie Preu­ßen Müns­ter ge­gen Ar­mi­nia Bie­le­feld, über ei­ne ins Funk­haus ge­schal­te­te Te­le­fon­lei­tung. Ernsts Bei­trag zur Ent­wick­lung von Re­por­ta­ge­for­men des Sport­funks ist nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Er sprach oh­ne Ma­nu­skript, be­zog Ex­per­ten als Ge­sprächs­part­ner in das Ge­sche­hen mit ein, ex­pe­ri­men­tier­te mit ei­ner Staf­fel­re­por­ta­ge am Nür­burg­ring, bei der ver­schie­de­ne Re­por­ter das Ren­nen (man­gels Luft­bil­dern) nach­ein­an­der kom­men­tier­ten, so­wie mit ei­nem Brust­tra­ge­stell für das Mi­kro­fon, das bei­de Hän­de frei ließ. Dicht am Ge­sche­hen plat­zier­te Mi­kro­fo­ne er­laub­ten es, den sound der je­wei­li­gen Sport­art zu über­tra­gen.

„Die Spon­ta­nei­tät, die Bern­hard Ernst hier be­wies, und sei­ne Ex­pe­ri­men­tier­freu­de mach­ten den west­deut­schen Sen­der zu ei­nem Sport­sen­der par ex­ce­lence. Wäh­rend in an­de­ren Sen­de­ge­sell­schaf­ten noch über­legt wur­de, wel­che Sport­art für das Mi­kro­phon am bes­ten ge­eig­net sei, pro­bier­te Ernst es ein­fach aus, Fuß­ball, Sechs­ta­ge­ren­nen, Au­to­ren­nen, Bo­xen, Rei­ten und vie­les mehr – kei­ne Sport­art war aus­ge­schlos­sen.“[1] Zu Ernsts Tä­tig­keit als Zeit­funk­re­dak­teur ge­hör­ten Be­rich­te aus der Re­gi­on und die Re­dak­ti­on der Re­gio­nal­nach­rich­ten, kurz­um: „Ak­tua­li­tät“.

Bernhard Ernst im Gespräch mit der Regisseurin Leni Riefenstahl, 1932. (© WDR im Bild, 1390468)

 

Dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus stand Bern­hard Ernst dis­tan­ziert ge­gen­über. An­ders als die meis­ten sei­ner Ab­tei­lungs­lei­ter­kol­le­gen beim Reichs­sen­der Köln trat er nicht in die NS­DAP ein und tat der Form durch sei­ne Mit­glied­schaft in der für Jour­na­lis­ten ob­li­ga­to­ri­schen Reichs­kul­tur­kam­mer (RKK), der Deut­schen Ar­beits­front (DAF), der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Volks­wohl­fahrt (NSV) und dem Reichs­luft­schutz­bund (RLB) Ge­nü­ge. Sei­nen po­li­ti­schen Stand­punkt ex­ak­ter zu be­stim­men, fällt an­ge­sichts des Feh­lens ei­ner Ana­ly­se von Selbst­zeug­nis­sen schwer. Wäh­rend ihm ei­ne deut­li­che in­ne­re Be­wegt­heit bei sei­ner Re­por­ta­ge aus Trier an­läss­lich der Räu­mung der letz­ten be­set­zen Rhein­land­zo­ne durch die Fran­zo­sen im Som­mer 1930 an­zu­mer­ken ist, zieht er sich in sei­nem Re­por­ta­ge­part bei der Amts­ein­füh­rung des NS-Rund­funk­in­ten­dan­ten Hein­rich Glas­mei­er durch Pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Go­eb­bels am 24.4.1933 im Funk­haus in Köln auf ei­ne strik­te Sach­lich­keit der Be­richt­er­stat­tung zu­rück.

Reportage des Fußball-Länderspiels Deutschland-Spanien am 12. Mai 1935 in Köln, Bernhard Ernst (rechts) und Paul Laven am Mikrofon. (© WDR im Bild/RUFU)

 

Bern­hard Ernst ge­hör­te ne­ben Paul La­ven (1902-1979) in Frank­furt und Al­fred Braun (1888-1978) in Ber­lin zu den be­lieb­tes­ten und be­kann­tes­ten Sport­re­por­tern des frü­hen deut­schen Rund­funks. Sei­ne mo­du­la­ti­ons­fä­hi­ge Stim­me wird im „Buch der An­sa­ger“ von 1932 als hell, schnell und en­er­gisch cha­rak­te­ri­siert.

Bern­hard Ernst be­rich­te­te im Lau­fe sei­ner über 30jäh­ri­gen Kar­rie­re von un­ge­zähl­ten Er­eig­nis­sen im rhei­nisch-west­fä­li­schen Sen­de­ge­biet des West­deut­schen Rund­funks. Er wur­de als fach­lich ver­sier­ter und rou­ti­nier­ter Sport- und Zeit­funk­re­por­tern auch bei der Über­tra­gung von na­tio­nal oder in­ter­na­tio­nal be­deut­sa­men Er­eig­nis­sen der Zeit­ge­schich­te oder sport­li­chen Gro­ß­ver­an­stal­tun­gen ein­ge­setzt.

Großer Preis von Tripolis, Bernhard Ernst (rechts) bei der Übertragung, 15. Mai 1938. (© WDR im Bild, 1446094)

 

So be­rich­te­te er et­wa im Ju­ni 1927 vom ers­ten Ren­nen auf dem Nür­burg­ring, im April 1930 vom Da­vis-Cup-Spiel Eng­land ge­gen Deutsch­land aus Lon­don, am 7.8.1934 von den Trau­er­fei­er­lich­kei­ten am Tan­nen­berg-Denk­mal für den ver­stor­be­nen Reichs­prä­si­den­ten Paul von Hin­den­burg (1847-1934, Reichs­prä­si­dent 1925-1934), am 13.1.1935 vom Saar­re­fe­ren­dum aus Saar­brü­cken, im Mai 1935 von der Er­öff­nung der Reichs­au­to­bahn Frank­furt/M – Darm­stadt, selbst­ver­ständ­lich von den Olym­pi­schen Spie­len 1936, am 30.3.1938 vom Emp­fang Adolf Hit­lers (1889-1945) im Köl­ner Gür­ze­nich oder am 19.7.1952 von der Er­öff­nung der Olym­pi­schen Som­mer­spie­le in Hel­sin­ki, um nur ei­ni­ge Bei­spie­le aus dem brei­ten Spek­trum sei­ner Tä­tig­keit aus drei Jahr­zehn­ten zu nen­nen.

En­de 1944 wur­de Bern­hard Ernsts Köl­ner Woh­nung aus­ge­bombt. Er zog mit sei­ner Fa­mi­lie über Sieg­burg ins Ber­gi­sche Land in die Nä­he von Gum­mers­bach.

Propagandakompanie bei einer Reportage von den Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich im Wald von Compiègne, Ernst Bernhard in Wehrmachtsuniform am Mikrofon (links), Juni 1940. (© WDR im Bild/Ernst, 1445446)

 

Als der Rund­funk­be­trieb im Köl­ner Funk­haus Da­go­bert­stra­ße im Herbst 1945 wie­der­auf­ge­nom­men wur­de, war Bern­hard Ernst ei­ner der Mit­ar­bei­ter der ers­ten Stun­de. Am 26. Sep­tem­ber um 19.00 Uhr war es Bern­hard Ernst, der den Pro­gramm­be­ginn des West­deut­schen Rund­funks über den Sen­der Lan­gen­berg ein­läu­te­te. Als po­li­tisch un­be­las­tet er­hielt er die Po­si­ti­on des Lei­ters des „Ac­tua­li­ty De­part­ment­s“ in dem jetzt un­ter bri­ti­scher Kon­trol­le ste­hen­den Nord­west­deut­schen Rund­funk (NW­DR). 1946 wur­de er Lei­ter der Ab­tei­lung „Ak­tu­el­les Wort“ und stell­ver­tre­ten­der In­ten­dant. Von 1950 bis 1957 war Ernst Chef­re­por­ter und Lei­ter der Ab­tei­lung „Re­por­ta­ge.“

Propagandakompanie an der Ostfront, Bernhard Ernst am Mikrofon, 1941. (© WDR im Bild/Ernst, 1390536)

 

Ab 1953 ar­bei­te­te Bern­hard Ernst beim NW­DR auch für das neue Me­di­um Fern­se­hen als Fern­seh­re­por­ter. In die­ser Ei­gen­schaft kom­men­tier­te er un­ter an­de­rem die Fern­seh­über­tra­gung des End­spiels der Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft vom  4.7.1954 in Bern, in dem Deutsch­land mit 3:2 über Un­garn sieg­te. Die Ton­spur zur Fern­seh­über­tra­gung ist al­ler­dings nicht er­hal­ten, der spiel­ent­schei­den­de Tref­fer wird des­halb heu­te für ge­wöhn­lich mit dem O-Ton der Hör­funk­re­por­ta­ge un­ter­legt. Die le­gen­dä­re Se­quenz Aus dem Hin­ter­grund müss­te Rahn schie­ßen – Rahn schie­ßt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! stammt von dem NW­DR-Re­por­ter Her­bert Zim­mer­mann.

Bern­hard Ernst starb am 17.10.1957 in Köln. Er wur­de auf dem Me­la­ten-Fried­hof bei­ge­setzt.

Werke

Sport­pres­se und Sport­be­richt­er­stat­tung mit der be­son­de­ren Be­rück­sich­ti­gung West­deutsch­lands, Diss. 1922.
Rund um das Mi­kro­phon. Ge­dan­ken ei­nes Rund­funk­man­nes, Len­ge­rich 1948.

Literatur

Mohl, Re­na­te, Der Auf­bruch. Der West­deut­sche Rund­funk in der Wei­ma­rer Re­pu­blik, in: Wit­ting-Nö­then, Pe­tra (Hg.), Am Puls der Zeit. 50 Jah­re WDR, Band 1. Die Vor­läu­fer 1924-1955, Köln 2006, S. 27-85.
Stoff­re­gen-Bül­ler, Mi­cha­el, „Hier ist Müns­ter auf Wel­le 410.“ Die West­deut­sche Funk­stun­de AG 1924-1926,  in: Stoff­re­gen-Bül­ler, Mi­cha­el (Hg.), Von der West­deut­schen Funk­stun­de zum WDR. 65 Jah­re Rund­funk in Müns­ter,  Müns­ter 1989, S. 9-93.

Bernhard Ernst, August 1942. (© WDR im Bild, 1595511)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Bernhard Ernst, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/bernhard-ernst-/DE-2086/lido/57c6a58c5e35a5.70471658 (abgerufen am 20.04.2024)