Werner von Fritsch

Oberbefehlshaber des Heeres (1880-1939)

Vera Bokeloh (Rheinbreitbach)

Generaloberst Werner von Fritsch, 1932, Foto: Max Nakonz. (Bundesarchiv, Bild 183-R16862/Max Nakonz/CC-BY-SA)

Wer­ner Frei­herr von Fritsch war Of­fi­zier in bei­den Welt­krie­gen und ge­hör­te als Ge­ne­ral­oberst zu Hit­lers mi­li­tä­ri­scher Eli­te.

Wer­ner von Fritsch, mit voll­stän­di­gem Na­men Tho­mas Lud­wig Wer­ner Frei­herr von Fritsch, kam am 4.8.1880 im Schloss Ben­rath (Stadt Düs­sel­dorf) zur Welt. Als Sohn des Ge­ne­ral­leut­nants Ge­org von Fritsch (1849-1920) und des­sen Ehe­frau Adel­heid (1856-1941), ge­bo­re­ne von Bo­del­schwingh, wur­de er be­reits früh auf sei­ne spä­te­re Lauf­bahn beim Mi­li­tär vor­be­rei­tet, denn die stren­ge Er­zie­hung war dar­auf an­ge­legt, ihm vor al­lem je­ne Ei­gen­schaf­ten zu ver­mit­teln, die für ei­nen Of­fi­zier von Nut­zen sein wür­den. So lern­te er, ne­ben den ge­sell­schaft­li­chen Um­gangs­for­men be­son­ders Pa­trio­tis­mus,  Pflicht­treue, Zu­ver­läs­sig­keit und Eh­ren­haf­tig­keit zu ver­in­ner­li­chen.

Im Al­ter von 18 Jah­ren, nach Be­en­di­gung der Schul­lauf­bahn, be­gann Fritsch 1898 sei­ne mi­li­tä­ri­sche Kar­rie­re als Fah­nen­jun­ker im Gro­ßher­zog­lich Hes­si­schen Feld­ar­til­le­rie-Re­gi­ment 25 in Darm­stadt. Kei­ne zwei Jah­re spä­ter, im Ja­nu­ar 1900, wur­de er zum Leut­nant be­för­dert. Dem auf­stre­ben­den Fritsch war be­wusst, dass die Auf­stiegs­chan­cen im Heer für ihn be­grenzt wa­ren, wes­halb er sich ent­schloss, die Kriegs­aka­de­mie zu be­su­chen. Die­se ab­sol­vier­te er zwi­schen 1907/1908 und 1910. An­schlie­ßend wur­de er zum Gro­ßen Ge­ne­ral­stab ab­kom­man­diert und 1913 zu­nächst in die Kriegs­ge­schicht­li­che Ab­tei­lung II, 1914 dann in die Auf­marsch-Ab­tei­lung des Ge­ne­ral­sta­bes ver­setzt.

Wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs dien­te er in ver­schie­de­nen Ein­hei­ten als Ge­ne­ral­stabs­of­fi­zier, un­ter an­de­rem beim Ar­mee-Ober­kom­man­do 4 und dem Ge­ne­ral­kom­man­do der Luft­streit­kräf­te. Nach Be­en­di­gung des Krie­ges wur­de von Fritsch 1919 als 1. Ge­ne­ral­stabs­of­fi­zier beim Grenz­schutz-Ar­mee­ober­kom­man­do Nord ein­ge­setzt. Hier un­ter­stand er Hans von Seeckt (1866-1936). Als die­ser 1919 Chef des Ge­ne­ral­sta­bes der Ar­mee und 1920 Chef der Hee­res­lei­tung der Reichs­wehr wur­de, wirk­te von Fritsch un­ter ihm bis 1922 im Reichs­wehr­mi­nis­te­ri­um an der Neu­struk­tu­rie­rung des Hee­res mit. In Ra­scher Fol­ge durch­lief er wäh­rend der Wei­ma­rer Re­pu­blik wei­te­re Be­för­de­run­gen. Nach­dem er un­ter an­de­rem im Wehr­kreis Ost­preu­ßen als Oberst­leut­nant ei­ner Ar­til­le­rie-Ab­tei­lung ge­dient hat­te, wur­de er 1926 Lei­ter der Hee­res­ab­tei­lung im Trup­pen­amt, am 1.10.1932 als Ge­ne­rall­leut­nant der drit­ten Di­vi­si­on und des Wehr­krei­ses III (Ber­lin) Nach­fol­ger Gerd von Rund­stedts (1875-1953).

Auch un­ter Adolf Hit­ler (1889-1945) wur­den Fritschs mi­li­tä­ri­sche Fä­hig­kei­ten er­kannt und in An­spruch ge­nom­men. Am 1.2.1934 wur­de er mit dem Auf­trag, die Wehr­macht in we­ni­gen Jah­ren zu ei­ner mo­der­nen und schlag­kräf­ti­gen Ar­mee auf­zu­bau­en, zum Chef der Hee­res­lei­tung (am 2.5.1935 Um­ben­nung in Ober­be­fehls­ha­ber des Hee­res) er­nannt. Zwei Jah­re spä­ter folg­te die Be­för­de­rung zum Ge­ne­ral­oberst. In sei­ner Amts­füh­rung folg­te er der Ma­xi­me von Seeckts, wel­che die po­li­ti­sche Ab­sti­nenz des Hee­res be­ton­te. Es war Fritschs An­sin­nen, ei­ner­seits den Ein­fluss der NS­DAP auf die Wehr­macht ein­zu­däm­men, an­de­rer­seits welt­an­schau­li­che be­zie­hungs­wei­se po­li­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen in­ner­halb der Wehr­macht zu ver­mei­den.

Ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter, im Som­mer 1936, wur­de Hit­ler von meh­re­ren NS-Spit­zen­funk­tio­nä­ren, in ers­ter Li­nie von und Hein­rich Himm­ler (1900-1945), dem Reichs­füh­rer SS und Chef der deut­schen Po­li­zei, dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass Fritsch 1933/1934 we­gen an­geb­lich ho­mo­se­xu­el­ler Hand­lun­gen er­presst wor­den sein soll­te. Heyd­rich prä­sen­tier­te Hit­ler die ent­spre­chen­de Po­li­zei­ak­te. Doch die­ser ließ den Vor­fall auf sich be­ru­hen. Da Hit­ler den Ge­ne­ral­oberst nicht un­nö­tig be­las­ten woll­te und den Ver­däch­ti­gun­gen ver­mut­lich auch kei­nen gro­ßen Glau­ben schenk­te, ord­ne­te er kei­ne wei­te­re Un­ter­su­chung an. Im Ja­nu­ar 1938 hin­ge­gen kam es zur so ge­nann­ten Blom­berg-Fritsch-Af­fä­re. Der da­ma­li­ge Kriegs­mi­nis­ter Wer­ner von Blom­berg (1878-1946) hat­te am 12.1.1936 die Pro­sti­tu­ier­te Er­na Gruhn (ge­bo­ren wohl 1914) ge­hei­ra­tet. Als ih­re Ver­gan­gen­heit be­kannt wur­de, kam es zu ei­nem Skan­dal, in des­sen Fol­ge Blom­berg sei­nen Dienst quit­tie­ren muss­te. Nun wur­de auch der an­dert­halb Jah­re zu­rück­lie­gen­de Fall Fritsch wie­der auf­ge­grif­fen. Ob Hit­ler sich nun Wer­ner von Fritschs ent­le­di­gen woll­te, weil die­ser den am 5.11.1937 ver­kün­de­ten Kriegs- und Le­bens­raum­plä­nen Hit­lers ab­leh­nend ge­gen­über stand oder ob er le­dig­lich ab­so­lu­te Klar­heit er­lan­gen woll­te, um ei­nen er­neu­ten Skan­dal zu ver­mei­den, ist um­strit­ten.

Lan­ge Zeit war sich die For­schung si­cher, dass der Ober­be­fehls­ha­ber des Hee­res ei­ner lan­ge ge­plan­ten In­tri­ge der NS-Spit­zen zum Op­fer fiel. Be­kann­ter­ma­ßen war Fritsch bei der Ge­sta­po nicht son­der­lich be­liebt, dar­über hin­aus herrsch­ten Ri­va­li­tä­ten zwi­schen der Par­tei, der SS und dem Heer. In­zwi­schen gibt es Zwei­fel an die­ser The­se. Karl-Heinz Jans­sen und Fritz To­bi­as sind da­von über­zeugt, dass es kein Kom­plott ge­gen den Ge­ne­ral­oberst gab. Ih­rer Mei­nung nach wa­ren we­der Hit­ler, noch Her­mann Gö­ring (1893-1946), Rein­hard Heyd­rich 1904-1942), der Chef des Reichs­si­cher­heits­haupt­am­tes, oder Himm­ler an den An­schul­di­gun­gen be­tei­ligt. Fakt je­doch ist, dass Hit­ler, aus wel­chen Mo­ti­ven auch im­mer, sich dies­mal nicht ent­schlos­sen hin­ter sei­nen Ge­ne­ral stell­te.

Fritsch war er­schüt­tert, als er sich er­neut mit den Vor­wür­fen kon­fron­tiert sah. Er konn­te kaum glau­ben, was man ihm vor­warf und gab Hit­ler in ei­ner Un­ter­re­dung am 26.1.1938 sein Eh­ren­wort, dass die An­schul­di­gung nicht den Tat­sa­chen ent­spre­che. Den­noch muss­te er am 4. Fe­bru­ar sein Amt als Ober­be­fehls­ha­ber auf­ge­ben. Am 18. März kam es zum Ur­teils­spruch des Reichs­kriegs­ge­richts, dem­zu­fol­ge er in al­len Punk­ten un­schul­dig war. Der Be­las­tungs­zeu­ge, ein Kri­mi­nel­ler na­mens Ot­to Schmidt (1906-1942), hat­te ge­lo­gen, als er den Ge­ne­ral Wer­ner von Fritsch der Ho­mo­se­xua­li­tät be­schul­dig­te. Dank des Wi­der­rufs des Zeu­gen konn­te Fritsch ent­las­tet wer­den. Ob­wohl er da­mit öf­fent­lich re­ha­bi­li­tiert war, konn­te er nicht in sein vor­he­ri­ges Amt zu­rück­keh­ren; das hat­te mitt­ler­wei­le Walt­her von Brau­chitsch (1881-1948) über­nom­men. Im Au­gust wur­de von Fritsch da­her als Eh­ren­oberst zum Chef sei­nes al­ten Ar­til­le­rie-Re­gi­ments 12 in Schwe­rin er­nannt.

Zu­frie­den war er mit die­ser Maß­nah­me je­doch nicht. Er fühl­te sich nach wie vor ge­de­mü­tigt und im Stich ge­las­sen, denn Hit­ler hat­te nur auf Drän­gen Brau­chitschs die Er­nen­nung Fritschs zum Chef des Re­gi­ments ver­an­lasst. Zu­dem hat­te er als Eh­ren­oberst kei­ne rich­ti­ge Auf­ga­be mehr. In Ber­lin hielt er sich nicht ger­ne auf, ob­wohl ihm das Heer dort ein Haus ge­schenkt hat­te, das er im Fe­bru­ar 1939 be­zog. Als er im Au­gust von den Kriegs­plä­nen ge­gen Po­len er­fuhr, schloss er sich un­ver­se­hens sei­nem Re­gi­ment in Or­tels­burg an. Kei­ne zwei Wo­chen spä­ter, am 1.9.1939, be­gann der Zwei­te Welt­krieg. Als die pol­ni­sche Gren­ze im Sü­den Ost­preu­ßens über­schrit­ten wur­de, war auch Fritschs Re­gi­ment im Front­ein­satz. Am 22. Sep­tem­ber be­glei­te­te er als Ge­ne­ral oh­ne Kom­man­do die Er­kun­dungs­ak­ti­on von Pra­ga, ei­ner Vor­stadt War­schaus. An vor­ders­ter Front traf ihn ein Quer­schlä­ger, der sei­nen Ober­schen­kel zer­fetz­te. Er starb nur we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter. Hit­ler ord­ne­te am 26. Sep­tem­ber ei­nen Staats­akt in Ber­lin an, im An­schluss dar­an wur­de der Sarg auf dem In­va­li­den­fried­hof bei­ge­setzt.

Zum An­denken an den Of­fi­zier tra­gen ei­ni­ge Ka­ser­nen den Na­men „Fritsch", dar­un­ter die ehe­ma­li­ge „Fritsch-Ka­ser­ne" in Ko­blenz.

Literatur

Deutsch, Ha­rold C., Das Kom­plott oder Die Ent­mach­tung der Ge­ne­ra­le. Blom­berg- und Fritsch-Kri­se. Hit­lers Weg zum Krieg, Mün­chen 1974.
Fo­ertsch, Her­mann, Schuld und Ver­häng­nis. Die Fritsch-Kri­se im Früh­jahr 1938 als Wen­de­punkt in der Ge­schich­te der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Zeit, Stutt­gart 1951.
Janßen, Karl-Heinz/To­bi­as, Fritz, Der Sturm der Ge­ne­rä­le: Hit­ler und die Blom­berg-Fritsch-Kri­se 1938, Mün­chen 1994.
Müh­lei­sen, Horst, Ge­ne­ral­oberst Wer­ner von Fritsch, in: Ue­ber­schär, Gerd R. (Hg.), Hit­lers mi­li­tä­ri­sche Eli­te, Band 1: Von den An­fän­gen des Re­gimes bis Kriegs­be­ginn, Darm­stadt 1998, S. 61-70.

Online

Vo­gel­sang, Thi­lo, Ar­ti­kel „ Fritsch, Wer­ner", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 5 (1961), S. 625-626. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Bokeloh, Vera, Werner von Fritsch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/werner-von-fritsch/DE-2086/lido/57c6c0ff369070.75432190 (abgerufen am 18.04.2024)