Aennchen Schumacher

Gastwirtin (1860-1935)

Helmut Rönz (Bonn)

Ännchen Schuhmacher, 17 Jahre alt. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

An­na Schu­ma­cher, ge­nannt Aenn­chen, war ei­ne be­rühm­te Go­des­ber­ger Gast­wir­tin zur Zeit des Kai­ser­reichs und wird als Lin­den­wir­tin in zahl­rei­chen Ge­dich­ten und Lie­dern be­sun­gen. 

An­na „Aenn­chen" Schu­ma­cher wur­de am 22.1.1860 als Toch­ter ei­ner Gast­wirts­fa­mi­lie in Bad Go­des­berg bei Bonn (seit 1969 ein Bon­ner Stadt­be­zirk) ge­bo­ren. Be­reits mit 18 Jah­ren muss­te sie 1878 nach dem Tod ih­res Va­ters Wil­helm Schu­ma­cher ent­ge­gen ih­rem Wunsch, Leh­re­rin zu wer­den, die hei­mi­sche Gast­wirt­schaft „Gast­hof zum Go­des­berg" über­neh­men. 

 

Das be­nach­bar­te Bonn war zu die­ser Zeit mit der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms Uni­ver­si­tät ein be­deu­ten­der preu­ßi­scher Hoch­schul­stand­ort und ei­ne Hoch­burg des stu­den­ti­schen Kor­po­ra­ti­ons­we­sen im Deut­schen Reich. Im­mer­hin wa­ren mehr als 50 Ver­bin­dun­gen, Bur­schen­schaf­ten und Corps in den letz­ten Jahr­zehn­ten vor dem Ers­ten Welt­krieg an der Bon­ner Uni­ver­si­tät ak­tiv ge­mel­det. 

We­gen der für ei­nen Cou­leur­bum­mel (Wan­de­rung mit an­schlie­ßen­dem Be­such ei­nes Wirts­hau­ses mit Band und Müt­ze) güns­ti­gen La­ge der Gast­wirt­schaft am Fu­ße des Go­des­bergs, aber auch auf­grund des of­fe­nen und vom rhei­ni­schen Froh­sinn ge­präg­ten We­sens Aenn­chens wur­de ihr Lo­kal schnell zur be­lieb­tes­ten Stu­den­tenknei­pe im Rhein­land und dar­über hin­aus. Aenn­chen Schu­ma­cher hat­te ei­nen Sinn für stu­den­ti­sches Le­ben und Lied­gut. Zu­gleich zeich­ne­te sie ei­ne ihr ei­ge­ne na­tür­li­che Au­to­ri­tät aus. Mehr als 400 Stu­den­ten, meist Kor­po­rier­te aus al­len Dach­ver­bän­den, fan­den sich täg­lich bei der Wir­tin in Go­des­berg ein, um dort zu ver­wei­len, aber auch um die ty­pi­schen stu­den­ti­schen Knei­pen zu schla­gen und aka­de­mi­sche Kom­mer­se zu fei­ern. Die­ser Zu­stand des fried­li­chen Bei­sam­men­seins sonst ver­fein­de­ter Ver­bän­de war weit­läu­fig als „Bad Go­des­ber­ger Burg­frie­den" be­kannt. Aenn­chen wur­de so als „ech­te Stu­den­ten­mut­ter" über Bonn hin­aus be­kannt und reichs­weit po­pu­lär. 

Ännchen Schumacher, Godesberg. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

 

Post­kar­ten, die um 1900 in Aus­tra­li­en oder Russ­land le­dig­lich an „Aenn­chen Deutsch­land" adres­siert wa­ren, kam stets in Bad Go­des­berg bei Aenn­chen Schu­ma­cher an. Ei­ne der wohl be­rühm­tes­ten Post­kar­ten der deut­schen Post­ge­schich­te er­reich­te die Lin­den­wir­tin 1902 aus der deut­schen Ko­lo­nie Ki­aut­schou in Chi­na. Of­fi­zie­re der kai­ser­li­chen Ma­ri­ne ga­ben als Adres­se nur ein klei­nes „n" und Deutsch­land an. Die wohl kür­zes­te An­schrift, die je­mals für ei­ne Post­kar­te ver­wen­det wur­de, ge­nüg­te, um die Kar­te nach Eu­ro­pa ans Ziel ih­rer Be­stim­mung zu brin­gen, näm­lich in den Gast­hof „Zur Lin­den­wir­tin", wie Aenn­chen ih­ren Be­trieb ab 1891 nann­te. Die­ser Na­me ging auf ei­ne be­kann­te Stu­den­ten­wei­se des Dich­ters Ru­dolf Baum­bach (1840-1905) zu­rück, die von al­len Kor­po­ra­tio­nen ge­sun­gen wur­de, dem Lied „Die Lin­den­wir­tin", be­kann­ter un­ter dem Na­men „Kein Trop­fen im Be­cher mehr":

Kei­nen Trop­fen im Be­cher mehr

und der Beu­tel schlaff und leer,

lech­zend Herz und Zun­ge,

An­ge­tan hat's mir der Wein,

dei­ner Äug­lein hel­ler Schein,

I: Lin­den­wir­tin, du jun­ge! :I 

Zu Eh­ren der Go­des­ber­ger Lin­den­wir­tin wur­de spä­ter ei­ne wei­te­re Stro­phe hin­zu­ge­fügt, die wie folgt lau­te­te:

Wi­ßt ihr, wer die Wir­tin war,

schwarz das Au­ge, schwarz das Haar?

Aenn­chen war's, die Fei­ne.

Wi­ßt ihr, wo die Lin­de stand,

je­dem Bur­schen wohl­be­kannt?

I: Zu Go­des­berg am Rhei­ne! :I

Nach dem Ab­sin­gen der all­ge­mei­nen Stro­phen so­wie der Aenn­chen-Stro­phe folg­te meist das Sin­gen der je­wei­li­gen Fa­kul­täts­stro­phen, die grund­sätz­lich die Be­zie­hung der Lin­den­wir­tin zu den ein­zel­nen Fa­kul­tä­ten, be­zie­hungs­wei­se ih­ren Stu­den­ten zum The­ma hat­te. Aenn­chen Schu­ma­cher in­ter­es­sier­te sich für die Bräu­che und Lie­der der Stu­den­ten und schrieb all je­ne Wei­sen auf, die im Wirts­haus ge­sun­gen wur­den. 1903 brach­te sie ihr ers­tes klei­nes Kom­mers­buch her­aus, wel­ches 1924 in er­wei­ter­ter Form als „Aenn­chens Lie­der­buch" fir­mier­te. 

Zu ih­rem 75. Ge­burts­tag er­hielt die Lin­den­wir­tin mehr als 5.000 Gru­ß­kar­ten. Auch der ab­ge­dank­te Kai­ser Wil­helm II. gra­tu­lier­te ihr aus Haus Doorn, von ih­rer Hei­mat­stadt Bad Go­des­berg er­hielt sie die Eh­ren­bür­ger­wür­de. Reichs­weit wur­de von dem Fest über den Deutsch­land­sen­der so­wie über die Reichs­sen­der Köln, Mün­chen, Frank­furt, Bres­lau und Ham­burg be­rich­tet. Die be­rühm­te und bis heu­te be­sun­ge­ne Wir­tin starb am 26.2.1935 in Bad Go­des­berg, kurz nach den Fei­er­lich­kei­ten; ihr Grab be­fin­det sich auf dem Go­des­ber­ger Burg­fried­hof. 

Literatur

Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, Bonn 2007, S. 288-289.
Ru­land, Wil­helm, Änn­chen von Go­des­berg. Ein Rhein­lands-Sang aus un­se­ren Ta­gen, 3. Auf­la­ge, Ko­blenz 1900.

Das Haus Anna Schumachers unterhalb der Godesburg in Bonn-Bad Godesberg. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

 
Zitationshinweis

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Rönz, Helmut, Aennchen Schumacher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/aennchen-schumacher/DE-2086/lido/57c94c72e6c1b4.26439072 (abgerufen am 24.04.2024)