Reichsabtei Burtscheid

Ursprüngliches Wappen der Abtei Burtscheid bei Aachen, Kupferstich von Franz Johann Joseph von Reilly 1791.

 Im süd­li­chen Stadt­ge­biet des heu­ti­gen Aa­chen stif­te­te Kai­ser Ot­to III. (Re­gie­rungs­zeit 996-1002) ver­mut­lich 996, in je­dem Fall aber vor 1000 ei­ne Mönchs­ab­tei, die zu­nächst den hei­li­gen Apol­li­na­ris und Ni­ko­laus ge­weiht war. Mit Fer­tig­stel­lung der ers­ten Ab­tei­kir­che 1016 / 1018 wur­de sie je­doch Jo­han­nes dem Täu­fer ge­wid­met. Kai­ser Hein­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 1014-1024) be­schenk­te die Ab­tei 1018 mit um­fang­rei­chem Neu­bruch­land aus dem Reichs­gut um Aa­chen und leg­te da­mit den Grund­stock ei­nes seit 1138 aus­drück­lich reichs­un­mit­tel­ba­ren, bis 1802 be­ste­hen­den Ab­tei-Ter­ri­to­ri­ums. Auf Be­trei­ben de­s Köl­ner Erz­bi­schofs, zu des­sen Diö­ze­se das Klos­ter spä­tes­tens seit 1133 ge­hör­te, ord­ne­te Kai­ser Fried­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 1220-1250) im Jahr 1220 an, die Be­ne­dik­ti­ner­mön­che durch Zis­ter­zi­en­se­rin­nen vom Aa­che­ner Sal­va­tor­berg zu er­set­zen. Die Äb­tis­sin­nen hat­ten Sitz und Stim­me auf den Reichs­ta­gen, doch ge­hör­te das Klos­ter kei­nem Reichs­kreis an. 

In der Früh­zeit wuchs der Ab­tei­be­sitz vor al­lem durch Schen­kun­gen; ei­ne ak­ti­ve Er­werbs­po­li­tik der Non­nen ist erst von der Mit­te des 14. Jahr­hun­derts an nach­weis­bar. Zu den gro­ßen Reichs­ab­tei­en zähl­te Burt­scheid nie. Dem Aus­bau ei­nes grö­ße­ren Ter­ri­to­ri­ums stan­den im Os­ten die Reichs­ab­tei Kor­ne­li­müns­ter und das Her­zog­tum Jü­lich, im Nor­den die Reichs­stadt Aa­chen so­wie im Süd­wes­ten das Bis­tum Lüt­ti­chund das Her­zog­tum Bra­bant im We­ge.

Be­sitz und Rech­te der Ab­tei las­sen sich in fünf Kom­ple­xen zu­sam­men­fas­sen. Den Kern bil­de­te die „Herr­lich­keit Burt­scheid", die aus den Schen­kun­gen der hoch­mit­tel­al­ter­li­chen Herr­scher an das Klos­ter her­vor­ging und aus grund­herr­schaft­li­chen, Zehnt- und Ge­richts­rech­ten in Burt­scheid und Um­ge­bung be­stand. Abt be­zie­hungs­wei­se Äb­tis­sin üb­ten hier ei­ne un­ein­ge­schränk­te Herr­schaft aus, doch über­trug man 1351 die Ge­richts­bar­keit über die Burt­schei­der Ein­woh­ner ver­trag­lich auf ei­nen Mei­er, der von der Reichs­stadt Aa­chen ein­ge­setzt wur­de. Da­mit ging ein wich­ti­ger Bau­stein für ei­ne ge­schlos­se­ne Ter­ri­to­ri­al­herr­schaft in Spät­mit­tel­al­ter und Früh­neu­zeit ver­lo­ren. Un­fang­rei­che grund­herr­li­che Rech­te des Klos­ters kon­zen­trier­ten sich um die Ort­schaft Vi­j­len im nie­der­län­di­schen Lim­burg, die als Hof be­reits 1016 an Burt­scheid ge­kom­men war. Zoll­rech­te und in­kor­po­rier­te Kir­chen tra­ten hin­zu. Ein­künf­te und Be­sitz im so ge­nann­ten Aa­che­ner Reich sind vor al­lem in Ors­bach und Vet­schau zu nen­nen, be­fan­den sich al­so in der Nach­bar­schaft des Vi­j­le­ner Kom­ple­xes.

Im Jü­li­cher Land bau­ten die Non­nen vor al­lem im 14. Jahr­hun­dert, par­al­lel zum Auf­stieg der Jü­li­cher Gra­fen / Her­zö­ge, ih­re welt­li­chen und kirch­li­chen Be­sit­zun­gen aus. Die meis­ten der Hö­fe Burt­scheids la­gen im Nord­os­ten Aa­chens so­wie bei Set­te­rich und Siers­dorf. Um 1500 wa­ren je­doch al­le Be­sit­zun­gen und Ge­recht­sa­me der Ab­tei im Jü­li­cher Land ver­pach­tet. Grö­ße­rer Be­sitz oh­ne er­kenn­ba­re Kon­zen­tra­ti­on be­fand sich in der Ge­gend von Ton­ge­ren im heu­te bel­gi­schen Lim­burg. Die meis­ten die­ser Be­sit­zun­gen blie­ben bis ins 18. Jahr­hun­dert hin­ein in der Hand der Ab­tei. Streu­be­sitz ist schlie­ß­lich an zehn Or­ten ent­lang des Rheins zwi­schen Duis­burg im Nor­den und (Mainz-)Kost­heim im Sü­den nach­zu­wei­sen. Ei­ni­ge die­ser Gü­ter ge­hen auf die Grün­dungs­aus­stat­tung durch Ot­to III. zu­rück und dien­ten wohl vor­ran­gig der Ver­sor­gung der Ab­tei mit Wein und Nah­rungs­mit­teln. Von der zwei­ten Hälf­te des 14. Jahr­hun­derts an wur­den die­se rhei­ni­schen Fern­be­sit­zun­gen nach und nach ver­äu­ßert.

Spä­tes­tens seit 1226 hat­ten die Her­zö­ge von Lim­burg die Vog­tei über die Ab­tei und ih­re Be­sit­zun­gen in­ne, ver­lehn­ten die­se aber an Un­ter­vög­te. Im Spät­mit­tel­al­ter war das Amt mit den Her­ren der Burg Fran­ken­berg ver­bun­den, die in der zwei­ten Hälf­te des 13. Jahr­hun­derts im Be­reich der Burt­schei­der Grund­herr­schaft er­rich­tet wur­de. Aus den Hän­den der Fa­mi­lie Mero­de zu Fran­ken­berg kauf­te die Äb­tis­sin 1649 die Vog­tei zu­rück.

Nach ei­ner letz­ten wirt­schaft­li­chen Blü­te im 18. Jahr­hun­dert wur­de die Ab­tei 1802 auf­ge­ho­ben, die Ab­tei­kir­che 1806 zur Pfarr­kir­che, der Ort Burt­scheid zum Haupt­ort des Kan­tons Borcet­te, un­ter preu­ßi­scher Herr­schaft Bür­ger­meis­te­rei, bis 1897 die Ein­ge­mein­dung nach Aa­chen er­folg­te.

Literatur

Fa­bri­ci­us, Wil­helm, Er­läu­te­run­gen zum ge­schicht­li­chen At­las der Rhein­pro­vinz, Band 2: Die Kar­te von 1789, Bonn 1898, Nach­druck 1965, S. 490, 492.
Mül­ler, Ha­rald, Aa­chen-Burt­scheid, in: Hand­buch der his­to­ri­schen Stät­ten, Band 3: Nord­rhein-West­fa­len, 3. Auf­la­ge, hg. von Man­fred Gro­ten / Pe­ter Jo­ha­n­ek / Wil­fried Rei­ninghaus / Mar­g­ret Wens­ky, Stutt­gart 2006, S. 12-13.
Wur­zel, Tho­mas, Die Reichs­ab­tei Burt­scheid von der Grün­dung bis zur frü­hen Neu­zeit, Aa­chen 1984.

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Reichsabtei Burtscheid (braun umrandet), Ausschnitt aus der Karte 'Territorien im Rheinland 1789', Bonn 2010. (LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte)

 
Zitationshinweis

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Müller, Harald, Reichsabtei Burtscheid, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/reichsabtei-burtscheid/DE-2086/lido/57d1177f24c714.26371105 (abgerufen am 19.03.2024)

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