Franz Greiß

Unternehmer (1905-1995)

Oliver Laux-Steiner (Koblenz)

Franz Greiß, Porträtfoto, 1965. (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv)

Franz Greiß war ma­ß­geb­lich am Wie­der­auf­bau der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer (IHK) zu Köln nach dem Zwei­ten Welt­krieg be­tei­ligt, er­warb si­ch ­Ver­diens­te um die Po­pu­la­ri­sie­rung der So­zia­len Markt­wirt­schaft und die prak­ti­sche Um­set­zung der ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re in Wirt­schaft und Ge­sell­schaft.

Franz Greiß wur­de am 22.4.1905 als äl­tes­tes von ins­ge­samt drei Kin­dern in Worrin­gen (heu­te Stadt Köln) ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren der Schnei­der­meis­ter Wil­helm Greiß (1877-1953) und Ehe­frau Chris­ti­ne (1877-1910), ge­bo­re­ne Pitz­ler. Von 1911- 1917 be­such­te er die Volks­schu­le in Worrin­gen, der ei­ne fünf­jäh­ri­ge Schul­zeit auf der Han­dels­re­al­schu­le in Köln folg­te, wo er schon in jun­gen Jah­ren grund­le­gen­de Kennt­nis­se aus dem Be­reich der Wirt­schaft er­warb, die ihm für sein wei­te­res Be­rufs­le­ben von gro­ßem Nut­zen sein soll­ten. 

1922, im Al­ter von 17 Jah­ren, be­gann Franz Greiß ei­ne kauf­män­ni­sche Aus­bil­dung bei der Groß­spe­di­ti­on Schen­ker in Köln, die er 1924 mit Er­folg ab­schloss. An­schlie­ßend ar­bei­te­te er ein wei­te­res Jahr bei der Spe­di­ti­on als Kas­sie­rer und Ex­pe­dient. 1926 wech­sel­te Greiß für ein Jahr in die Buch­hal­tung der Far­ben­fa­bri­ken Bay­er in Dor­ma­gen. Wäh­rend die­ser Zeit lern­te er sei­ne spä­te­re Frau Eli­sa­beth (1906-2000), ge­bo­re­ne Mert­mann, ken­nen, die er 1933 hei­ra­te­te. Aus der Ehe gin­gen die drei Töch­ter Ma­rie-The­re­se, Chris­ta und Bar­ba­ra her­vor. 

Ne­ben sei­ner haupt­be­ruf­li­chen Ar­beit be­gann Greiß im Win­ter­se­mes­ter 1925/1926 ein Stu­di­um der Volks­wirt­schaft an der Uni­ver­si­tät zu Köln. Das Stu­di­um brach­te er je­doch aus fa­mi­liä­ren Grün­den nie zu ei­nem En­de, so­dass er die Uni­ver­si­tät nach fünf Hoch­schuls­e­mes­tern oh­ne Ab­schluss, aber mit fun­dier­ten volks­wirt­schaft­li­chen Kennt­nis­sen ver­ließ. 1927 fing er bei der Glanz­stoff-Cour­taulds GmbH in Köln-Niehl an, wo er zu­nächst in der be­trieb­li­chen Buch­hal­tung ar­bei­te­te. We­gen sei­ner her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen und fun­dier­ten Wirt­schafts­kennt­nis­se wur­de Greiß schon 1932 zum kauf­män­ni­schen Lei­ter des Un­ter­neh­mens er­nannt. In den 1930er Jah­ren und wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs konn­te Greiß sei­ne Stel­lung in­ner­halb des Un­ter­neh­mens wei­ter fes­ti­gen und aus­bau­en, so­dass man ihm 1945 die Ge­schäfts­füh­rung des Un­ter­neh­mens über­trug. In die­ser Funk­ti­on ar­bei­te­te Greiß bis zu sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand im Jahr 1967. 

Auf­grund sei­ner lei­ten­den Po­si­ti­on kon­tak­tier­te er kurz nach dem En­de des Zwei­ten Welt­kriegs erst­mals die In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer (IHK) zu Köln, um ei­ne Pro­duk­ti­ons­ge­neh­mi­gung für sein Un­ter­neh­men, ein so ge­nann­tes „Per­mit to re­o­pen“, zu er­hal­ten. Aus die­sem Kon­takt ent­stand ei­ne Ver­bin­dung, die Greiß sein Le­ben lang be­glei­ten soll­te. Wäh­rend die­ses Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens lern­te Greiß den da­ma­li­gen IHK-Haupt­ge­schäfts­füh­rer, Bern­hard Hil­ger­mann (1896-1981), ken­nen, der Un­ter­neh­mer beim Wie­der­auf­bau ih­rer Be­trie­be be­riet und un­ter­stüt­ze. Ne­ben die­sen be­ra­ten­den Tä­tig­kei­ten war er zu­gleich auf der Su­che nach Un­ter­neh­mer­per­sön­lich­kei­ten, die sich für die Wie­der­er­rich­tung der IHK und den Wie­der­auf­bau der Köl­ner Wirt­schaft ein­set­zen woll­ten. Es ge­lang Hil­ger­mann, Franz Greiß für ei­ne Mit­ar­beit in der IHK zu in­ter­es­sie­ren. Nach ei­ni­gen Mo­na­ten der frei­en Mit­ar­beit wur­de Greiß zum Be­ginn des Jah­res 1946 durch Hil­ger­mann und den da­ma­li­gen IHK-Prä­si­den­ten Ro­bert Pferd­men­ges in den Prä­si­di­al­rat der Kam­mer be­ru­fen. Zwölf Mo­na­te spä­ter wur­de er zum Vi­ze­prä­si­den­ten der Kam­mer er­nannt. Auf­grund sei­nes Am­tes und sei­ner gu­ten Kon­tak­te zur bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht avan­cier­te Greiß zu ei­ner wich­ti­gen Schnitt­stel­le zwi­schen der un­ter­neh­me­ri­schen Selbst­ver­wal­tung und der bri­ti­schen Mi­li­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on. Zu­dem wur­de er durch sei­ne Funk­ti­on im­mer mehr zu ei­nem Sprach­rohr des Köl­ner Un­ter­neh­mer­tums beim Wie­der­auf­bau der hei­mi­schen Wirt­schafts­struk­tu­ren. Ge­ra­de die­sen As­pekt mach­te er sich auch zu Nut­ze, um ver­mehrt auf die Funk­ti­on und Be­deu­tung der re­gio­na­len Un­ter­neh­mer wäh­rend des Wie­der­auf­baus der Köl­ner Wirt­schaft hin­zu­wei­sen. In ei­ner viel be­ach­te­ten und nach­hal­ti­gen Re­de „Der Un­ter­neh­mer – Ob­jekt der Wirt­schaf­t“, die er am 12.2.1947 in der Köl­ner Uni­ver­si­tät hielt, stell­te Greiß dem Au­di­to­ri­um sei­ne Vor­stel­lun­gen ei­nes gu­ten Un­ter­neh­mers vor. Er hob her­vor, dass für ihn ein gu­ter Un­ter­neh­mer der­je­ni­ge sei, der durch Zä­hig­keit und Aus­dau­er, Durch­hal­ten bei Rück­schlä­gen, Zu­ver­läs­sig­keit und Ge­wis­sen­haf­tig­keit und Klug­heit sein Un­ter­neh­men führt und so­mit auch zu­gleich zum Wie­der­auf­bau und zur Sta­bi­li­tät der Wirt­schaft bei­trägt. Gleich­zei­tig war sein Vor­trag aber auch von ei­ner deut­li­chen Kri­tik an der re­strik­ti­ven Be­sat­zungs­po­li­tik der bri­ti­schen Mi­li­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on ge­tra­gen, die er als Hin­der­nis für das Wie­der­er­star­ken der re­gio­na­len Wirt­schaft an­sah. Mit die­ser nach­hal­ti­gen Re­de ge­lang es ihm im Fol­gen­den nicht nur sein Au­di­to­ri­um in der schwie­ri­gen Nach­kriegs- und Be­sat­zungs­zeit für ei­nen Wie­der­auf­bau von Hei­mat und Wirt­schaft zu mo­ti­vie­ren, son­dern auch sein jüngst er­wor­be­nes öf­fent­li­ches An­se­hen und sei­ne her­aus­ra­gen­de Stel­lung in­ner­halb der Köl­ner Wirt­schaft wei­ter zu fes­ti­gen und sich für hö­he­re öf­fent­li­che Äm­ter zu qua­li­fi­zie­ren.

We­ni­ge Mo­na­te spä­ter wur­de Franz Greiß am 5.5.1947 mit 44 Ja-Stim­men bei ei­ner Ge­gen­stim­me zum Prä­si­den­ten der Köl­ner IHK ge­wählt. In den Jah­ren sei­ner Prä­si­dent­schaft setz­te er ent­schei­den­de in­halt­li­che und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Maß­stä­be, die bis heu­te von Be­deu­tung für die Köl­ner Wirt­schaft sind. Ne­ben der Wie­der­er­öff­nung der Köl­ner Mes­se, dem Wie­der­auf­bau des Rhei­nisch-West­fä­li­schen Wirt­schafts­ar­chivs (RW­WA) und dem Neu­bau des Kam­mer­ge­bäu­des an der Stra­ße Un­ter Sach­sen­hau­sen, for­cier­te er ins­be­son­de­re den Auf- und Aus­bau von in­ter­na­tio­na­len Wirt­schafts­kon­tak­ten und agier­te hier­bei als Brü­cken­bau­er zu den einst im Krieg ver­fein­de­ten eu­ro­päi­schen Nach­bar­staa­ten. In die­sem Zu­sam­men­hang sind ins­be­son­de­re sei­ne Ar­beit bei der Grün­dung der Deutsch-Bel­gisch-Lu­xem­bur­gi­schen Han­dels­kam­mer und der Uni­on der Han­dels­kam­mern des Rhein­ge­bie­tes (heu­te UECC) her­vor­zu­he­ben. 

In­halt­lich leg­te er wäh­rend sei­ner Prä­si­dent­schafts­zeit au­ßer­dem grö­ß­ten Wert auf die prak­ti­sche Um­set­zung der Ge­dan­ken der So­zia­len Markt­wirt­schaft und der ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re. 

Am 6.3.1958 trat Greiß in den „eh­ren­amt­li­chen Ru­he­stan­d“ und gab den Vor­sitz der IHK ab. 1970 wür­dig­te die Voll­ver­samm­lung der IHK sei­ne Leis­tung um die Köl­ner Wirt­schaft mit der Eh­ren­prä­si­dent­schaft der un­ter­neh­me­ri­schen Selbst­ver­wal­tung. 

Ne­ben sei­nem Wir­ken in der IHK en­ga­gier­te sich Greiß in zahl­rei­chen wei­te­ren Ver­bän­den des öf­fent­li­chen Le­bens. 1945 war er un­ter an­de­rem Mit­be­grün­der des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des der Che­mi­schen In­dus­trie und der Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Ar­beit­ge­ber­ver­bän­de (BDA). Au­ßer­dem grün­de­te er 1949 den Bund Ka­tho­li­scher Un­ter­neh­mer (BKU), den er bis 1965 als Vor­sit­zen­der lei­te­te. Auch hier setz­te er sich für die prak­ti­sche Um­set­zung der ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re und der So­zia­len Markt­wirt­schaft ein. Un­ter­stützt wur­de er da­bei vom dem „geis­ti­gen Va­ter“ der dy­na­mi­schen Ren­te, Wil­fried Schrei­ber (1904-1975), der von 1949- 1958 als BKU-Ge­schäfts­füh­rer tä­tig war. 

Wich­ti­ge Im­pul­se für sein Wir­ken um ein christ­li­ches Mit­ein­an­der in Staat und Ge­sell­schaft er­hielt er auch von den Köl­ner Erz­bi­schö­fen Jo­sef Kar­di­nal Frings un­d Jo­se­ph ­Kar­di­nal Höff­ner. Ver­stärkt setz­te er sich zu­dem in der 1952 von ihm ge­grün­de­ten In­ter­es­sen­ge­mein­schaft „Die WAA­GE“ für die Um­set­zun­g ­der So­zia­len Markt­wirt­schaft ein. Ei­nen Weg­be­glei­ter fand er da­für in Al­fred Mül­ler-Arm­ack, mit dem er sich auch für die Uni­ver­si­tät zu Köln ­en­ga­gier­te. Ge­mein­sam mit Mül­ler-Arm­ack war er ma­ß­geb­lich an der Grün­dung des För­der­krei­ses des In­sti­tuts für Wirt­schafts­po­li­tik und an der Wie­der­er­rich­tung des In­sti­tuts für Wirt­schafts- und Ar­beits­recht be­tei­ligt. Sein En­ga­ge­ment für die Uni­ver­si­tät Köln wur­de 1955 mit der Wür­de ei­nes Eh­ren­se­na­tors und 1965 mit dem Eh­ren­dok­tor der Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät an­er­kannt. 

Für sei­nen Ein­satz um die deut­sche Wirt­schaft und Ge­sell­schaft wur­de Greiß 1969 un­ter an­de­rem das Gro­ße Ver­dienst­kreuz des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­lie­hen. Am 3.6.1995 ver­starb Franz Greiß im Al­ter von 90 Jah­ren in Köln. In Köln-Niehl ist ihm ei­ne Stra­ße ge­wid­met.

Werke

Wirt­schaf­te wirt­schaft­lich. Die Ra­tio­na­li­sie­rung als Auf­ga­be und Ver­pflich­tung, Köln 1954.
So­zi­al­ethik und So­zi­al­leh­re in be­trieb­li­cher Pra­xis, Köln 1982.
Schrei­ber, Wil­frid, Das Zeit­al­ter des Men­schen. Auf­sät­ze und Re­den von Franz Greiß, Köln 1955.

Herausgeberschaft

Greiß, Franz/Mey­er, Fritz (Hg.), Wirt­schaft, Ge­sell­schaft und Kul­tur. Fest­ga­be für Al­fred Mül­ler-Arm­ack, Ber­lin 1961.

Literatur

Wa­trin, Chris­ti­an, In me­mo­ri­am Franz Greiß, in: Zeit­schrift für Wirt­schafts­po­li­tik 2 (1995), o. S.
Wei­se, Jür­gen, Franz Greiß, in: Soé­ni­us, Ul­rich S./ Wil­helm, Jür­gen (Hg.), Köl­ner Per­so­nen­le­xi­kon, Köln 2008, S. 191.

 
Zitationshinweis

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Laux-Steiner, Oliver, Franz Greiß, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-greiss/DE-2086/lido/57c6d62c192ba1.81899563 (abgerufen am 25.04.2024)