Bernhard von Hagen

Kurkölnischer Kanzler und Generalvikar (gestorben 1556)

Martin Bock (Frechen)

Bernhard von Hagen, um 1700, Reproduktion, Original: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfond.

Die Pha­se der Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Kon­fes­sio­nen in­fol­ge der ver­schie­de­nen An­sät­ze zur Kir­chen­re­form in der ers­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts war nicht aus­schlie­ß­lich vom Ge­gen­ein­an­der der Be­kennt­nis­se ge­kenn­zeich­net. Viel­mehr zei­gen die Le­bens­läu­fe vie­ler Geist­li­cher und Ge­lehr­ter, dass es auch zahl­rei­che Me­dia­ti­ons­ver­su­che gab, um den Bo­gen zwi­schen ei­ner tat­säch­li­chen Er­neue­rung und Be­wah­rung über­lie­fer­ter For­men zu span­nen. Viel­fach wa­ren sie vom Hu­ma­nis­mus und der ihm in­ne­woh­nen­den Ire­nik ge­prägt; in Köln steht vor al­lem Jo­han­nes Grop­per für die­se via me­dia. In Grop­pers Um­feld wirk­ten je­doch bei­spiels­wei­se mit dem Kar­me­li­ter­pro­vin­zi­al Eber­hard Billick, Mat­thi­as Kre­mer und eben dem kur­fürst­li­chen Kanz­ler und Ge­ne­ral­vi­kar Bern­hard von Ha­gen Män­ner, die vor Ort ei­nen zum Teil deut­lich ma­ß­geb­li­che­ren Ein­fluss auf die kon­fes­si­ons­po­li­ti­sche Ent­wick­lung aus­üb­ten.

Über die ers­ten Le­bens­jahr­zehn­te Bern­hard von Ha­gens gibt es wi­der­sprüch­li­che For­schun­gen, die wohl auf ei­ne Na­mens­gleich­heit oder Ver­wechs­lung zu­rück­ge­hen. Fest steht, dass er im west­fä­li­schen Ge­se­ke als Sohn des wohl­ha­ben­den Bür­gers Kon­rad von Ha­gen und sei­ner Frau Adel­heid ge­bo­ren wur­de, und zwar ent­we­der um 1470 oder um 1490. Der ers­ten Les­art fol­gend soll er in jun­gen Jah­ren in den geist­li­chen Stand ein­ge­tre­ten sein und um 1505 die Pfarr­stel­le in sei­ner Hei­mat­stadt in­ne­ge­habt ha­ben. Er müss­te dem­nach be­reits ein theo­lo­gi­sches Stu­di­um ab­sol­viert ha­ben, um sich viel­leicht da­nach in Köln ei­nem wei­te­ren, ju­ris­ti­schen Stu­di­um zu wid­men. Nach der zwei­ten Les­art im­ma­tri­ku­lier­te er sich im Ok­to­ber 1503 an der Mon­t­an­er­bur­se der Köl­ner Ar­tis­ten­fa­kul­tät, wo er be­reits 1504 das Bak­ka­lau­re­at und 1506 den Ma­gis­ter­grad er­warb. Im An­schluss an die­ses phi­lo­so­phi­schen Grund­stu­di­um ha­be von Ha­gen dann aus der Tri­as der hö­he­ren Stu­di­en­rich­tun­gen die Rechts­wis­sen­schaft ge­wählt, in wel­cher er sich schlie­ß­lich im Jahr 1515 pro­mo­vier­te – of­fen­bar al­ler­dings le­dig­lich im welt­li­chen Recht und nicht, wie es ge­ra­de an­ge­sichts sei­ner spä­te­ren kirch­li­chen Lauf­bahn zu er­war­ten ge­we­sen wä­re, auch im kirch­li­chen.

Zwar geht auch Her­mann Keus­sen, der die im­mer noch ma­ß­geb­li­che bio­gra­phi­sche Skiz­ze ver­fasst hat, da­von aus, dass von Ha­gen schon vor sei­ner Köl­ner Zeit an ei­ner un­be­kann­ten Uni­ver­si­tät stu­diert ha­be; das wür­de zu den im­pli­zier­ten Le­bens­da­ten aber nicht pas­sen und gleich­zei­tig die Fra­ge auf­wer­fen, wie und ins­be­son­de­re wo ei­ne ers­te, geist­li­che Aus­bil­dung von Ha­gens statt­ge­fun­den ha­ben könn­te – wenn nicht an der Köl­ner Uni­ver­si­tät, in de­ren Ma­tri­kel er sich al­ler­dings nicht fin­det.

Für bei­de Va­ri­an­ten gibt es frei­lich Ar­gu­men­te: Bern­hard von Ha­gen tritt von sei­nem Tä­tig­keits­pro­fil her aus­schlie­ß­lich als Ju­rist in Er­schei­nung. Nach dem Dok­to­rat, das er si­cher er­wor­ben hat, blieb er der ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät ver­bun­den, die ihn im Jahr 1518 zum De­kan wähl­te. So könn­te er ei­nen di­rek­ten Weg ins Köl­ner Dom­ka­pi­tel ge­fun­den ha­ben, das ne­ben 16 ad­li­gen Mit­glie­dern acht so ge­nann­te Priest­er­her­ren um­fass­te, in der Re­gel theo­lo­gi­sche oder ju­ris­ti­sche Ge­lehr­te, für de­ren Ent­sen­dung es kom­pli­zier­te Vor­schlags­rech­te so­wohl der Ku­rie als auch des Ra­tes und der Uni­ver­si­tät gab. Dass er dann so­fort mit noch nicht ein­mal 30 Jah­ren zum Ge­ne­ral­vi­kar und da­mit zum lei­ten­den Ver­wal­tungs­be­am­ten der ge­sam­ten Erz­diö­ze­se be­stellt wor­den sein soll, er­scheint je­doch un­wahr­schein­lich. Zwar re­kru­tier­ten sich aus dem Kreis der Priest­er­her­ren häu­fig die ho­hen Be­am­ten des Ho­fes und der Diö­ze­se. Völ­lig oh­ne theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung oder kirch­li­che Lauf­bahn wird man ihm die­ses Amt je­doch nicht über­tra­gen ha­ben. Ins­ge­samt harrt die Fra­ge nach dem Wer­de­gang von Ha­gens bis 1518 da­mit der Auf­klä­rung, die viel­leicht ein ver­tie­fen­des Quel­len­stu­di­um der Dom­ka­pi­tels­pro­to­kol­le brin­gen könn­te.

Mit ei­ni­ger Si­cher­heit be­klei­de­te Bern­hard von Ha­gen seit 1518 das Amt des kur­fürst­li­chen Sie­gel­be­wah­rers. Aus der Auf­ga­be der Auf­be­wah­rung des Sie­gels als Herr­schafts­zei­chen des Fürs­ten hat­te sich ei­ne Be­am­ten­po­si­ti­on her­aus­ge­bil­det, die oh­ne kon­kre­ten Ge­schäfts­be­reich vor al­lem ei­ne be­ra­ten­de Funk­ti­on hat­te, im Fal­le von Ha­gens al­so sehr wahr­schein­lich die ei­nes Rechts­be­ra­ters. Dass Erz­bi­schof Her­mann von Wied ihn im Mai 1526 nach dem Tod des Kanz­lers De­gen­hard Wit­te (ge­stor­ben 1526) zum lei­ten­den Ver­wal­tungs­be­am­ten sei­nes Ho­fes mach­te, zeigt, dass der schwe­len­de Kon­fes­si­ons­streit, in dem Wit­te sich un­ter an­de­rem auf dem Worm­ser Reichs­tag des Jah­res 1521 auf Sei­ten der ge­mä­ßig­ten Kräf­te en­ga­giert hat­te, zu­nächst mehr als recht­li­ches und we­ni­ger als theo­lo­gi­sches Pro­blem ge­se­hen wur­de.

In sei­nem neu­en Amt er­warb sich Bern­hard von Ha­gen rasch An­se­hen und Sym­pa­thie, et­wa in­dem er ge­gen den Miss­brauch und die An­häu­fung kirch­li­cher Pfrün­den vor­ging. Al­ler­dings mach­te er bei die­sen Re­for­men im Ein­zel­nen von vor­ne­her­ein sehr deut­lich, dass er der lu­the­ri­schen Re­for­ma­ti­on im Gan­zen ab­leh­nend ge­gen­über stand. 1530 be­glei­te­te er Her­mann von Wied zum Augs­bur­ger Reichs­tag, auf dem die neu­gläu­bi­gen, pro­tes­tie­ren­den Stän­de sich zur Con­fes­sio au­gustana be­kann­ten. Die Be­mü­hun­gen zur Lö­sung der kon­fes­sio­nel­len Streit­fra­gen, an de­nen auch von Ha­gen ent­schei­dend be­tei­ligt war, wa­ren da­mit nicht nur vor­erst, son­dern auf lan­ge Sicht gänz­lich ge­schei­tert.

Von Ha­gen kon­zen­trier­te sich in den 1530er Jah­ren des­halb ganz auf sei­ne Ar­beit im Diens­te des Erz­bi­schofs, dem er et­wa durch ge­schick­tes Ver­han­deln die Ad­mi­nis­tra­ti­on des Bis­tums Pa­der­born si­cher­te. Er un­ter­hielt Brief­wech­sel mit Phil­ipp Me­lan­ch­ton (1497-1560) und Mar­tin Bu­cer und folg­te Her­mann von Wied in sei­nem kon­fes­si­ons­po­li­tisch li­ber­tä­ren Kurs. Per­sön­lich muss­te Bern­hard von Ha­gen sich in die­sem Jahr­zehnt zu­neh­men­der Kri­tik stel­len, weil er durch Erb­schaft, aber auch mit Hil­fe sei­ner zahl­rei­chen Pfrün­den, et­wa an St. Se­ve­rin, St. An­dre­as und am Dom­stift, ein ziem­li­ches Ver­mö­gen an­ge­häuft hat­te, das von sei­nem Nef­fen Kon­rad Orth ab Ha­gen (1523-1589) in ei­ne im Rah­men des Köl­ner Gym­na­si­al- und Stif­tungs­fonds bis heu­te be­ste­hen­de Stu­di­en­stif­tung ein­ge­bracht wur­de.

Zum Bruch mit dem Erz­bi­schof kam es erst nach 1540, als Her­mann im­mer mehr zum of­fe­nen Pro­tes­tan­tis­mus dräng­te und die Re­for­ma­ti­on schlie­ß­lich im Jahr 1543 in sei­nem Ter­ri­to­ri­um ein­führ­te. Zwar wa­ren die ad­li­gen Mit­glie­der des Dom­ka­pi­tels mehr­heit­lich be­reit, die­sem Vor­ge­hen nicht zu wi­der­spre­chen; die Priest­er­her­ren je­doch, de­ren Wort­füh­rer von Ha­gen und Grop­per wa­ren, konn­ten gar nicht an­ders als den Rechts­bruch fest­zu­stel­len und sich dem Erz­bi­schof zu wi­der­set­zen. Wäh­rend es Grop­per ge­lang, auch nach au­ßen als Op­po­si­ti­ons­füh­rer wahr­ge­nom­men zu wer­den, ar­bei­te­te von Ha­gen eher im Hin­ter­grund, et­wa an der Re­dak­ti­on des ge­mein­sa­men Ge­gen­gut­ach­tens zum „Ein­fäl­ti­gen Be­den­ken“, je­ner Schrift, mit der Her­mann von Wied den Kon­fes­si­ons­wech­sel im Erz­stift hat­te durch­set­zen wol­len.

Aus die­sem Hin­ter­grund kam von Ha­gen auch nach der er­folg­rei­chen Ab­set­zung Her­manns nicht mehr her­aus. Zwar blieb er auch un­ter Adolf von Schaum­burg kur­k­öl­ni­scher Kanz­ler, ge­hör­te aber nicht mehr zu den engs­ten Be­ra­tern am Hof, ein Um­stand, der wohl dar­auf zu­rück­zu­füh­ren ist, dass die recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung zu­min­dest vor­über­ge­hend bei­ge­legt war und der Ju­rist, der Bern­hard von Ha­gen zeit­le­bens war, in der Fol­ge zum vor al­lem im Um­feld des Tri­en­ter Kon­zils an­ge­stell­ten theo­lo­gi­schen Dis­kurs kei­ne Bei­trä­ge leis­ten konn­te.

Am 3.10.1556 wur­de er tot auf­ge­fun­den, ver­mut­lich er­litt er ei­nen Schlag­an­fall. Sein Grab­mal im Köl­ner Dom ist nicht er­hal­ten, wohl aber des­sen In­schrift: „Den her­vor­ra­gen­den Bern­hard von Ha­gen, von strah­lend wei­ßer Haut, ge­bar die west­fä­li­sche Er­de. In sei­nem au­ßer­or­dent­li­chen Kör­per wohn­te ei­ne be­rühm­te Tu­gend; die Rein­heit des wah­ren Glau­bens war nicht zer­stört. O trü­ber, schwarz­be­deck­ter Tag! Durch die­sen bru­ta­len Tod wur­de der Welt  ei­ne Zier­de ge­nom­men.“

Literatur

Keus­sen, Her­mann, Die Dom­pf­rün­den der Köl­ner Uni­ver­si­tät, Köln 1930.
Mo­li­tor, Hans­ge­org, Das Erz­bis­tum Köln im Zeit­al­ter der Glau­bens­kämp­fe (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln Bd. 3), Köln 2008, S. 376-377.

Online

Hil­len­kamp, Wal­ter, Bern­hard von Ha­gen, kur­k­öl­ni­scher Kanz­ler und sein Nef­fe Kon­rad von Orth, in: Blät­ter zur nä­he­ren Kun­de West­fa­lens 12 (1874), S. 107-109.
Keus­sen, Her­mann, „Ha­gen, Bern­hard vom“, in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 49 (1904), S. 698-700.

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Bernhard von Hagen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/bernhard-von-hagen-/DE-2086/lido/57c82504dc9881.73459370 (abgerufen am 19.03.2024)