Erich Hoffmann

Dermatologe (1868–1959)

Ralf Forsbach (Siegburg)

Erich Hoffmann, Porträtfoto, Foto: Universitätsarchiv Bonn.

Von 1910 bis 1934 war der in Ost­pom­mern ge­bo­re­ne Der­ma­to­lo­ge Erich Hoff­mann an der Uni­ver­si­tät Bonn tä­tig, seit 1918 als Or­di­na­ri­us. Er ent­deck­te mit Fritz Schau­dinn (1871–1906) den Sy­phi­lis-Er­re­ger. Als Deutsch­na­tio­na­ler stand er trotz Füh­rer­sehn­sucht dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus kri­tisch ge­gen­über und un­ter­stütz­te mit Eva Glees (1909-2006) ei­ne als Jü­din ver­folg­te Dok­to­ran­din. In der frü­hen Bun­des­re­pu­blik schlug der oft wun­der­li­che und sich als Po­et emp­fin­den­de Hoff­mann den Text für ei­ne neue Na­tio­nal­hym­ne vor.

Am 25.4.1868 im ost­pom­mer­schen Witzmitz als Sohn von Paul Hoff­mann und sei­ner Ehe­frau Ma­rie Wa­genk­necht ge­bo­ren, lern­te Hoff­mann mit der Fa­mi­lie früh an­de­re Tei­le Deutsch­lands ken­nen. Der Va­ter hat­te als evan­ge­li­scher Theo­lo­ge sei­ner from­men Frau „viel Her­ze­lei­d“ be­rei­tet und schlie­ß­lich das Pfarr­haus ver­las­sen, um an das Leh­rer­se­mi­nar in Neu­wied zu wech­seln. Wei­te­re Sta­tio­nen der Fa­mi­lie wa­ren Alt­dö­bern bei Cott­bus und schlie­ß­lich Ber­lin. So konn­te der jun­ge Erich wie sein Gro­ßva­ter und Va­ter ab der Ober­ter­tia das Joa­chimst­hal­sche Gym­na­si­um be­su­chen, schloss es 1887 sehr gut, aber nicht wie sei­ne un­mit­tel­ba­ren Vor­fah­ren vä­ter­li­cher­seits als Pri­mus om­ni­um ab. Das Stu­di­um nahm er an der Mi­li­tär­ärzt­li­chen Aka­de­mie zu Ber­lin auf. Da­bei wä­ren Vor­stel­lun­gen von stren­gem Drill ver­fehlt. Man stu­dier­te ge­mein­sam mit den zi­vi­len Kom­mi­li­to­nen an der Uni­ver­si­tät, er­hielt aber zu­sätz­li­che Re­pe­ti­to­ri­en durch Stabs­ärz­te. Hoff­mann ge­noss das freie Stu­den­ten­le­ben. Als Mit­glied des Ver­tre­ter-Con­vents der Tur­ner­schaf­ten (V.C. Bo­rus­sia) hielt Hoff­mann mehr von sport­li­cher, ins­be­son­de­re tur­ne­ri­scher Be­tä­ti­gung als von Men­su­ren und po­li­tisch dump­fen Bier­aben­den.

Hoff­mann, der in Ber­lin die Ko­ry­phä­en sei­ner Zeit, na­ment­lich Ru­dolf Vir­chow (1821–1902), Ro­bert Koch (1843–1910), Her­mann von Helm­holtz (1821–1894) und Emil Hein­rich du Bo­is-Rey­mond (1818–1896) er­leb­te, wur­de 1892 Un­ter­arzt an der Cha­rité und muss­te als Ab­sol­vent der Mi­li­tär­ärzt­li­chen Aka­de­mie im Jahr dar­auf sei­nen Dienst als Mi­li­tär­arzt an­tre­ten. So hat­te er sich bis zur Jahr­hun­dert­wen­de mit durch­aus un­ter­schied­li­chen Mi­lieus und Land­schaf­ten ver­traut ma­chen kön­nen: Pom­mern und das Rhein­land, Po­sen und Ber­lin, Wis­sen­schaft und Mi­li­tär; selbst die Hof­ge­sell­schaft war ihm nicht gänz­lich fremd ge­blie­ben.

Um die Jahr­hun­dert­wen­de ent­schied sich Hoff­mann für die Der­ma­to­lo­gie. Er ließ sich zur Haut­kli­nik der Cha­rité ab­kom­man­die­ren und wid­me­te sich der Su­che nach den Sy­phi­li­ser­re­gern, die mit der Ent­de­ckung blas­ser Spi­ro­chä­ten am 3.3.1905 zu ih­rem er­folg­rei­chen En­de kam. Hoff­mann hat­te bald ei­nen gro­ßen Na­men, wid­me­te sich neu­en The­ra­pie­mög­lich­kei­ten bei Sy­phi­lis und konn­te sei­nen fri­schen Ruhm auch in­ter­na­tio­nal ge­nie­ßen – so auf ei­ner Rei­se durch die USA 1907. Hier ha­be er sei­ne Vor­stel­lung von mi­li­tä­risch un­be­deu­ten­den Ver­ei­nig­ten Staa­ten kor­ri­giert, schreibt Hoff­mann vier Jahr­zehn­te spä­ter.

Hoff­manns wei­te­re Kar­rie­re führ­te ihn zu­nächst nach Hal­le, be­vor er 1910 die Bon­ner der­ma­to­lo­gi­sche Pro­fes­sur über­nahm, die bis­lang der re­nom­mier­te Jo­sef Dout­re­le­pont (1834–1918) ein­ge­nom­men hat­te. Hier ent­schloss er sich 1913 zur Ehe mit An­to­nie Brüg­ge­mann (1885-1963), der Toch­ter ei­nes Gym­na­si­al­di­rek­tors; die Ehe blieb kin­der­los. An der nach sei­ner Ein­schät­zun­g  „ grö­ß­ten und best­ein­ge­rich­te­ten Haut­kli­ni­ken Preu­ßen­s“ setz­te Hoff­mann sei­nen wis­sen­schaft­li­chen Er­folgs­weg fort. In Ko­ope­ra­ti­on mit Paul Ehr­lich (1854-1915) trat er bei der Ent­wick­lung von Che­mo­the­ra­peu­ti­ka ge­gen die Sy­phi­lis her­vor, bau­te ei­ne der be­deu­tends­ten Samm­lun­gen von Haut­er­kran­kun­gen ab­bil­den­den Wachs­mo­del­len (Mou­la­gen) auf und er­reich­te 1918, dass die Haut­kli­nik ein Or­di­na­ri­at er­hielt, das fort­an von ihm be­klei­det wur­de. Auch die 1927 in Bonn ab­ge­hal­te­ne Ta­gung der Deut­schen Der­ma­to­lo­gi­schen Ge­sell­schaft de­mons­trier­te den Rang Hoff­manns.

Mit sei­nem in der Wei­ma­rer Re­pu­blik er­reich­ten wis­sen­schaft­li­chen Ruhm ging ei­ne cha­rak­ter­li­che und po­li­ti­sche Ent­wick­lung ein­her, die spä­tes­tens nach 1945 da­zu führ­te, dass Hoff­mann als wun­der­lich be­lä­chelt wur­de. Zeit­wei­lig er­füll­te Hoff­mann die Kli­schee­vor­stel­lun­gen ei­nes ge­gen­über dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf­ge­schlos­sen Deutsch­na­tio­na­len, et­wa als „eif­ri­ger För­de­rer kör­per­li­cher Er­tüch­ti­gung im Sin­ne des Turn­va­ters Jahn“ (Hans-Paul Höpf­ner). Stan­des­be­wusst wies er dar­auf hin, dass nach sei­nen Er­fah­run­gen „un­ter den Me­di­zi­nern oft sol­che wa­ren, die auch im Sport und Kriegs­dienst Aus­ser­ge­wöhn­li­ches ge­leis­tet ha­ben“. Auf der Eh­ren­ta­fel der Uni­ver­si­tät für die neun To­ten des Krie­ges von 1870/1871 be­fän­den sich drei Me­di­zi­ner.

Schon als 1932 das 50-jäh­ri­ge Be­ste­hen der Bon­ner Haut­kli­nik ge­fei­ert wur­de, er­reich­te Hoff­manns Pa­thos ei­nen ers­ten Hö­he­punkt. Er stell­te die Grün­dung der Kli­nik in den Zu­sam­men­hang des 50-jäh­ri­gen Ju­bi­lä­ums der Ent­de­ckung des Tu­ber­kel­ba­zil­lus durch Ro­bert Koch so­wie den 100. To­des­tag Goe­thes (1749-1832). Bei­de er­klär­te er zu „Füh­rern“: „Mö­gen Ge­ni­en, wie Wolf­gang von Goe­the und Ro­bert Koch, nicht nur aus zeit­li­cher Zu­fäl­lig­keit, son­dern auch aus geis­ti­ger Ver­wandt­schaft den Aerz­ten und For­schern, die an un­se­rer Kli­nik künf­tig ar­bei­ten, Füh­rer und An­spor­ner sein und blei­ben in nim­mer ru­hen­dem Kamp­fe für die Ge­sun­dung der Mensch­heit und die Er­he­bung un­se­res jetzt noch so tief ge­beug­ten Va­ter­lan­des.“ Sei­ne Fest­re­de nutz­te Hoff­mann, um den Ap­pell an den Na­tio­nal­stolz in­ter­na­tio­nal ein­zu­bet­ten. Zu­gleich ver­kün­de­te er, dass Deutsch­land ge­nia­le Vor­bil­der brau­che. Da­zu zähl­te er Lud­wig van Beet­ho­ven: „Ge­ra­de hier in Bonn ha­ben wir ein leuch­ten­des Bei­spiel im grö­ß­ten Sohn un­se­rer Stadt, Lud­wig van Beet­ho­ven, der, ob­wohl aus der En­ge ge­bo­ren […] sich doch im­mer wie­der em­por­rang zu höchs­ten un­er­reich­ten Kunst­schöp­fun­gen […]. Las­sen Sie uns un­se­rem gro­ßen ge­ni­us dar­in fol­gen und, ge­dul­dig und voll Hoff­nung auf ei­ne bes­se­re Zu­kunft, dem Druck und dem Grim­me der Zeit trot­zend, am Wie­der­auf­stieg un­se­res Va­ter­lan­des nicht ver­zwei­feln und mu­tig vor­an­schrei­ten.“

In ei­nem heu­te nur mehr schwüls­tig an­mu­ten­den Ton­fall, oft red­un­dant, nicht sel­ten die­sel­ben Wor­te in­ner­halb we­ni­ger Sät­ze re­pe­tie­rend, leg­te Hoff­mann sei­ne Welt­sicht dar. Emo­tio­nen, La­ge­be­ur­tei­lun­gen und po­li­ti­sche Re­zep­te stan­den ne­ben­ein­an­der: die hei­ße Lie­be zu Deutsch­land, die Not in Deutsch­land, das Ziel des Wie­der­auf­stiegs, die Be­deu­tung der Ei­nig­keit, der Vor­bild­cha­rak­ter von Ge­nies, die Ori­en­tie­rung an der Wis­sen­schaft mit ih­ren grenz­über­schrei­ten­den Ko­ope­ra­tio­nen.

Hoff­mann blick­te auf zu weit­hin ak­zep­tier­ten Au­to­ri­tä­ten wie Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burg (1847–1934, Amt­zeit als Reichs­prä­si­dent 1925-1934), oh­ne des­sen an­ti­de­mo­kra­ti­sche Wir­kung seit 1930 wahr­zu­neh­men. Ob Hoff­manns spä­te­re Be­kennt­nis­se, er ha­be zur Na­tio­nal­li­be­ra­len Par­tei ten­diert, glaub­wür­dig er­schei­nen, muss of­fen blei­ben.

1931 ver­öf­fent­lich­te Hoff­mann ei­nen Ge­dicht­band „Bun­ter Lie­der lo­ser Strau­ß“, der in schwa­chen ly­ri­schen Ver­su­chen ei­nen nai­ven Na­tio­na­lis­mus be­legt, der mit sei­ner Füh­rer­sehn­sucht und Heils­hoff­nung be­mer­kens­wert im Ein­klang steht mit vie­len zeit­ge­nös­si­schen bür­ger­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen die­ser Jah­re: „Fremd­lin­ge schal­ten am deut­schen Rhei­ne, / Und den Bür­ger re­giert der Pro­let, / O, Du Held mei­ner Träu­me, er­schei­ne, / Daß Gro­ß­deutsch­land von neu­em er­steht!“ Im­mer wie­der preist er den in­di­vi­du­el­len Ge­ni­us, wo­bei ihm Goe­the ge­nau­so recht ist wie Gus­tav Stre­se­mann (1878–1929). In Hoff­manns Ly­rik fin­den sich auch An­klän­ge ei­ner ver­bin­den­den In­ter­na­tio­na­li­tät. In ei­nem Apho­ris­mus „Zur In­ter­na­tio­na­li­tät der Wis­sen­schaf­t“ er­klärt er, Wis­sen­schaft kenn­te kei­ne Gren­zen und dür­fe sich „um der Va­ter­lands­lie­be der Ge­lehr­ten wil­len nicht mit Sta­chel­draht­zäu­nen des Has­ses ab­schlie­ßen“.

Sein li­te­ra­ri­sches Sen­dungs­be­wusst­sein reicht so weit, dass er ei­ni­gen sei­ner me­di­zi­ni­schen Fach­bü­cher ei­ge­ne ly­ri­sche Ver­su­che vor­an­stellt, die den ärzt­li­chen Be­ruf ver­herr­li­chen. Auf der Ba­sis der in die­sen Po­e­men zum Aus­druck ge­brach­ten Über­zeu­gun­gen und von Hoff­manns Nei­gung zur Per­so­na­li­sie­rung der Po­li­tik über­rascht es nicht, dass er in Adolf Hit­ler zwar kei­nen Ge­ni­us, aber doch ei­nen un­ter­stüt­zens­wer­ten Mann zu er­ken­nen glaub­te. Die Macht­über­tra­gung an Hit­ler sah er, wie die Mehr­zahl sei­ner Zeit­ge­nos­sen, nicht als Ka­ta­stro­phe an, son­dern such­te sich mit den neu­en Ver­hält­nis­sen zu ar­ran­gie­ren. In der Öf­fent­lich­keit muss­te so­gar der Ein­druck ent­ste­hen, Hoff­mann ha­be sich zum Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­wan­delt.

Am 4.3.1933 pu­bli­zier­te der Bon­ner Ge­ne­ral-An­zei­ger un­ter der Über­schrift „Für Adolf Hit­ler“ ei­ne „Er­klä­rung von Bon­ner Hoch­schul­leh­rern“: „Wir un­ter­zeich­ne­ten deut­schen Uni­ver­si­täts- und Hoch­schul­leh­rer er­klä­ren heu­te in al­ler Oef­fent­lich­keit, daß wir in der Macht­über­nah­me Adolf Hit­lers und dem Zu­sam­men­schluß der na­tio­na­len Kräf­te, die am Wie­der­auf­bau des deut­schen Vol­kes mit tä­tig sein wol­len, den rich­ti­gen Weg se­hen, der un­ge­heu­ren Not und Ver­elen­dung des deut­schen Vol­kes Ein­halt zu ge­bie­ten. […] Wir er­war­ten zu­ver­sicht­lich von der der­zei­ti­gen Reichs­re­gie­rung un­ter Füh­rung Adolf Hit­lers die Ge­sun­dung un­se­res ge­sam­ten öf­fent­li­chen Le­bens und da­mit die Ret­tung und den Wie­der­auf­stieg Deutsch­lands und sind fest ent­schlos­sen, je­der an sei­nem Teil da­für zu wir­ken.“ Un­ter dem Da­tum des 20.2.1933 un­ter­schrie­ben ne­ben Erich Hoff­mann 13 wei­te­re Män­ner, wo­von die Hälf­te der Me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät an­ge­hör­te.

In sei­nen Me­moi­ren von 1949 hat Hoff­mann die Un­ter­schrift mit Un­be­dacht­heit und Ei­le zu er­klä­ren ver­sucht. Doch das Si­gnal von 1933 war nach au­ßen mehr als deut­lich. Die Un­ter­zeich­ner wa­ren fast aus­schlie­ß­lich Na­tio­nal­so­zia­lis­ten und eben nicht die ten­den­zi­ell op­po­si­tio­nel­len Bon­ner In­sti­tuts- und Kli­nik­di­rek­to­ren wie Wil­helm Cee­len (1883–1964), Erich von Red­witz (1883–1964) oder Paul Mar­ti­ni. Zu Hoff­manns Er­klä­rungs­ver­such passt, dass er selbst nie ei­ner NS­DAP-For­ma­ti­on bei­trat. In den Ak­ten ist le­dig­lich ver­zeich­net, dass er der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Volks­wohl­fahrt spen­de­te. Hoff­mann zog sich frei­lich auch nicht in die in­ne­re Emi­gra­ti­on zu­rück. So ließ er sich im April 1933 zum Se­na­tor der Leo­pol­di­na be­stim­men und blieb Mit­glied der Kai­ser-Wil­helm-Ge­sell­schaft zur För­de­rung der Wis­sen­schaft. Im Ju­li 1933 warb er für die Ha­pag „ari­sche“ Ärz­te für Schiffs­rei­sen.

Hoff­manns Gren­zen der An­pas­sung wa­ren er­reicht, als er mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus den Weg für wis­sen­schaft­li­che In­kom­pe­tenz ge­eb­net sah. Er er­hielt kaum ver­hüll­te Dro­hun­gen, als er mit ei­nem wis­sen­schaft­li­chen Gut­ach­ten die Ver­sor­gungs­wün­sche ei­nes Sy­phi­li­ti­kers kon­ter­ka­rier­te, der of­fen­sicht­lich mein­te, über sei­ne NS­DAP-Par­tei­freun­de Druck aus­üben zu kön­nen. Zu­gleich nahm er mit Eva Glees ei­ne jü­di­sche Dok­to­ran­din auf, die zu­vor ver­geb­lich nach ei­nem Dok­tor­va­ter ge­sucht hat­te.

Spä­tes­tens 1934 äu­ßer­te sich Hoff­mann in sei­ner Kli­nik of­fen ge­gen die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Po­li­tik. Nach Aus­sa­ge des spä­ter mit Hoff­mann ver­fein­de­ten Pri­vat­do­zen­ten Carl Lud­wig Kar­ren­berg (1898-1950), riet Hoff­mann jun­gen Ärz­ten im­mer wie­der, sich „nicht all­zu sehr zur NS­DAP zu be­ken­nen“. Hoff­mann wur­de zum Op­fer sei­ner un­ge­schmink­ten Äu­ße­run­gen. Der Ver­trau­ens­mann der NS­DAP in der Me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät und Mit­in­itia­tor des Auf­rufs „Für Adolf Hit­ler“, Wal­ter Blu­men­berg (1895-1968), er­stell­te mit Hoff­mans Mit­ar­bei­tern, sei­nem Ober­arzt Pro­fes­sor Ru­dolf Strem­pel (1893-1981) so­wie den Pri­vat­do­zen­ten Hein­rich Klö­vekorn (ge­bo­ren 1897) und dem er­wähn­ten Kar­ren­berg, ein Pa­pier, in dem ent­spre­chen­de Äu­ße­run­gen Hoff­manns in di­rek­ter und in­di­rek­ter Re­de be­zeugt wur­den. Dem­nach ha­be Hoff­mann „die Tüch­tig­keit und die Fä­hig­kei­ten der Ju­den“ ge­lobt und „be­son­ders auch ih­ren sport­li­chen Schnei­d“ her­vor­ge­ho­ben: „‚Dass sich doch kein Ju­de fin­det, der den Hit­ler mal ab­knallt; es gibt doch auch noch schnei­di­ge Ju­den‘!“ Die NS-Tracht her­ab­set­zend ha­be Hoff­mann ge­sagt: „Weis­se Wes­te und Braun­hemd ste­hen sich nun ein­mal ge­gen­über“. Als das Fahr­zeug des Kli­nik­di­rek­tors „für die Fahrt der Kriegs­be­schä­dig­ten“ an­ge­for­dert wor­den sei, ha­be er an die Über­las­sung des Wa­gens die Be­din­gung ge­knüpft, kei­nen „Ha­ken­kreuzwim­pel“ an­zu­brin­gen. „Viel­fach“ hat sich dem Pam­phlet zu­fol­ge Hoff­mann „ge­gen die Mass­nah­men der Re­gie­rung betr. der Ju­den“ ge­rich­tet. „Am Ta­ge des Ju­den­boy­kotts“, al­so am 1.4.1933, ha­be er „wüs­tes Ge­schimp­fe“ ver­neh­men las­sen und „häu­fig be­tont, wie tüch­tig die Ju­den im Ver­gleich zu sei­nen Mit­ar­bei­tern wä­ren“. Hoff­mann zei­ge of­fen sei­ne Ab­nei­gung ge­gen den Gruß „Heil Hit­ler“, das Tra­gen des Par­tei­ab­zei­chens und der als „un­hy­gie­ni­sch“ be­zeich­ne­ten SA-Uni­form.

Be­reits be­vor das Blu­men­berg-Pa­pier kur­sier­te, hat­te sich Hoff­manns Po­si­ti­on dra­ma­tisch ver­schlech­tert. Dem Wis­sen­schafts­mi­nis­ter war aus der Uni­ver­si­täts­ver­wal­tung En­de No­vem­ber 1933 mit­ge­teilt wor­den, dass ei­ne wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit von Hoff­mann und sei­nen Mit­ar­bei­tern „schwer mög­li­ch“ sei. Hoff­mann sei­ner­seits agier­te nicht ge­schickt, weil er in sei­nen Schrei­ben an das Mi­nis­te­ri­um im­mer wie­der ver­letz­te Ei­tel­keit er­ken­nen ließ. Der Na­tio­nal­so­zia­list Blu­men­berg setz­te sich schlie­ß­lich auf gan­zer Li­nie durch und Hoff­mann ver­lor den Glau­ben an die Uni­ver­si­tät. Am 22.8.1934 wur­de er, zwei Jah­re vor dem Er­rei­chen des da­mals üb­li­chen Eme­ri­tie­rungs­al­ters, von sei­nen amt­li­chen Ver­pflich­tun­gen ent­bun­den. Im­mer­hin dank­te ihm der Ver­tre­ter des Mi­nis­ters wie üb­lich für die „ver­dienst­vol­le aka­de­mi­sche Wirk­sam­keit“.

Die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten hat­ten ihr Ziel er­reicht. Hoff­mann war aus dem Lehr­be­trieb ent­fernt, for­schen konn­te er nun „zum Woh­le des Deut­schen Rei­ches“ im Stil­len. Der Vor­stand der Stif­tung Ge­org-Spey­er-Haus in Frank­furt am Main be­rief ihn als aus­wär­ti­ges Mit­glied an das durch Paul Ehr­lich be­rühmt ge­wor­de­ne In­sti­tut.

Nach der fak­ti­schen Ent­las­sung Hoff­manns ver­schwand sei­ne Per­son nicht aus dem Blick­feld von Par­tei, Mi­nis­te­ri­um, Uni­ver­si­tät und Fa­kul­tät. Letz­te­re lehn­te die Auf­stel­lung ei­ner von Hoff­manns Schü­lern zu stif­ten­de Büs­te ab. Wei­te­re von Hoff­mann als De­mü­ti­gun­gen emp­fun­de­ne Maß­nah­men folg­ten: Ab 1938 durf­te er nicht mehr ins Aus­land rei­sen, die I.G. Far­ben stell­te die Zu­sam­men­ar­beit mit ihm ein.

Im sel­ben Jahr sah sich Hoff­mann ge­zwun­gen, die Her­aus­ge­ber­schaft der „Der­ma­to­lo­gi­schen Zeit­schrif­t“ ab­zu­ge­ben, da de­ren Ver­lag S. Kar­ger in die Schweiz über­ge­sie­delt war. Sei­ne Kon­tak­te zur Bon­ner Fa­kul­tät brach Hoff­mann frei­lich nicht ab – zu­mal er kaum ah­nen konn­te, dass sei­ne eins­ti­gen Kol­le­gen auf je­den Hilfs­ver­such zu sei­nen Guns­ten ver­zich­te­ten. Er er­hielt nach wie vor Ge­burts­tags­glück­wün­sche, die er mit Dank­ge­dich­ten be­ant­wor­te­te. Noch 1940, als er ge­gen den Ent­zug sei­nes Rei­se­pas­ses stritt, en­ga­gier­te er sich für die Ein­rich­tung ei­ner Pro­fes­sur für Me­di­zin­ge­schich­te, nicht oh­ne ei­ge­ne Am­bi­tio­nen. Der Phar­ma­ko­lo­ge Wer­ner Schu­le­mann (1888–1975) in­ter­ve­nier­te als De­kan en­er­gisch und wies an, dass Erich Hoff­mann „un­ter kei­nen Um­stän­den […] jetzt oder spä­ter in ir­gend­ei­ner Wei­se in Kon­takt mit den Fra­gen der Ge­schich­te der Me­di­zin in der Uni­ver­si­tät Bonn komm­t“. Hoff­mann war iso­liert.

Nach dem En­de des NS-Re­gimes stell­te sich Hoff­mann wie selbst­ver­ständ­lich als Op­fer des „Drit­ten Reichs“ dar. Die­ses Vor­ge­hen fand kei­ne Ak­zep­tanz. Zwar wa­ren je­ne frü­he­ren Mit­ar­bei­ter, die ge­gen ihn in­tri­giert hat­ten, von der Uni­ver­si­tät ent­fernt. Aber kaum Be­las­te­te wie De­kan Erich von Red­witz lie­ßen ihn wis­sen, dass sei­ne Un­ter­stüt­zung für die NS­DAP nicht ver­ges­sen sei. Red­witz konn­te sich der Zu­stim­mung sei­ner Kol­le­gen si­cher sein, auch der von Hoff­manns Nach­fol­ger auf dem Bon­ner Lehr­stuhl für Der­ma­to­lo­gie Ot­to Grütz (1886–1963). Dar­an än­der­te auch die Ent­na­zi­fi­zie­rung Hoff­manns (Ka­te­go­rie V) nichts. Die ge­spann­te Si­tua­ti­on wirk­te über Jah­re fort. Der Phar­ma­ko­lo­ge Wer­ner Schu­le­mann, selbst auf­grund sei­ner na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­gan­gen­heit ge­ra­de erst wie­der für die Leh­re zu­ge­las­sen, wei­ger­te sich im No­vem­ber 1950, an ei­ner Sit­zung Bon­ner Krebs­for­scher teil­zu­neh­men, falls der auf Ein­la­dung drän­gen­de Hoff­mann er­schei­ne.

Au­ßer­halb der Me­di­zin de­mons­trier­te Hoff­mann un­ver­dros­sen sein Selbst­be­wusst­sein. Of­fi­zi­ell ließ er den Rek­tor von sei­nem Text­ent­wurf für die deut­sche Na­tio­nal­hym­ne wis­sen, in dem er „schwe­res Schick­sal“, Zer­ris­sen­heit und Schmerz be­klag­te, wäh­rend er zu­gleich küh­ne Vä­ter, gro­ßes Er­be und vor­bild­li­che Ah­nen pries. Der zwei­te Band sei­ner Er­in­ne­run­gen er­schien 1949 und bot ihm das Fo­rum, auf sei­ne Er­fah­run­gen im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und in der Nach­kriegs­zeit zu re­agie­ren. Sie zei­gen neu­er­lich ei­nen eit­len, im­mer wie­der die Na­ti­on be­schwö­ren­den Au­tor, des­sen Selbst­be­wusst­sein sich nicht zu­letzt in der re­gel­mä­ßi­gen Ver­un­glimp­fung an­de­rer aus­drück­te. Den Tief­punkt in der dif­fa­mie­ren­den Ab­stru­si­tät sei­nes Welt­bil­des bie­tet zwei­fel­los sei­ne „Er­klä­run­g“ für die „ab­grün­di­gen Mas­sen­mor­de und in­fer­na­li­schen Quä­le­rei­en“ der NS-Zeit: „Der Ge­dan­ke, daß sol­che per­ver­sen Ver­bre­chen auf die wi­der­na­tür­li­che ho­mo­se­xu­el­le An­la­ge, die im ur­sprüng­li­chen Mün­che­ner Na­ziklub ei­ne un­se­li­ge Rol­le spiel­te, zu­rück­zu­füh­ren sei­en, hat sich mir auf­ge­drängt, da nor­mal ver­an­lag­te Men­schen doch kaum so un­er­hört ent­ar­ten kön­nen.“

Am ei­ge­nen Be­rufs­stand, der doch so viel­fäl­tig an den Ver­bre­chen der NS-Zeit be­tei­ligt war („Eu­tha­na­sie“, Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen und -ab­trei­bun­gen, Zwangs­ar­beit, Men­schen­ver­su­che, Se­lek­ti­on in den Ver­nich­tungs­la­gern), heg­te Hoff­mann auch 1949 kei­ner­lei Zwei­fel. Zwi­schen sei­nen Kla­gen über den ver­gan­ge­nen Krieg fin­det sich nach ei­ner Wür­di­gung von Hip­po­kra­tes, He­ro­phi­los und Pa­ra­cel­sus ein Lob­lied auf „die Hil­fe, wel­che der Arzt tag­täg­lich leis­te­t“ und die „Heil­erfol­ge, die sein un­er­müd­li­ches Stre­ben hin­ter­lä­ßt“.

Hoff­mann er­hielt 1953 das Gro­ße Bun­des­ver­dienst­kreuz. Als er am 8.5.1959 in Bonn 91-jäh­rig starb, stand er ex­em­pla­risch für den Ty­pus ei­nes im Kai­ser­reich er­zo­ge­nen Mit­glieds der me­di­zi­ni­schen Funk­ti­ons­eli­te, bei dem sich wis­sen­schaft­li­che Ex­zel­lenz mit ei­nem nai­ven po­li­ti­schen Na­tio­na­lis­mus ver­ban­den. Sie such­te ih­r  Heil im Ge­nie­kult mit la­ten­tem Füh­rer­ver­lan­gen. Es war die Tra­di­ti­on und Kon­ti­nui­tät die­ses Eli­ten-Na­tio­na­lis­mus, die ent­schei­dend zur Mach­te­r­obe­rung und Sta­bi­li­sie­rung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus bei­trug, von des­sen Dy­na­mik sie oft glei­cher­ma­ßen fas­zi­niert wie er­schreckt wa­ren.

Im Bon­ner Stadt­teil En­de­nich er­in­nert heu­te ei­ne Stra­ße an Erich Hoff­mann. Sei­ne 1910 be­grün­de­te Mou­la­gen­samm­lung ist er­hal­ten und kann in der Bon­ner Haut­kli­nik be­sich­tigt wer­den.

Werke (Auswahl)

Ätio­lo­gie der Sy­phi­lis, Ber­lin 1906.
At­las der ätio­lo­gi­schen und ex­pe­ri­men­tel­len Sy­phi­lis­for­schung, Ber­lin 1908.
Fort­schrit­te in der Er­ken­nung und Be­hand­lung der Sy­phi­lis: Dau­er­er­fol­ge d. kom­bi­nier­ten Queck­sil­ber-Sal­var­s­an­be­hand­lung, Bonn 1913.
Die Be­hand­lung der Haut- und Ge­schlechts-Krank­hei­ten mit kur­zer Dia­gnos­tik, Ber­lin 1917, 10. Auf­la­ge Ber­lin 1948.
Jo­seph Dout­re­le­pont †, in: Der­ma­to­lo­gi­sche Zeit­schrift 25 (1918), S. 397–300.
Vor­trä­ge und Ur­kun­den zur 25jäh­ri­gen Wie­der­kehr der Ent­de­ckung des Sy­phi­li­ser­re­gers (Spi­ro­chae­ta pal­li­da), Ber­lin 1930.
Bun­ter Lie­der lo­ser Strauß, Bonn 1931.
Zum 50-jäh­ri­gen Be­ste­hen der Haut­kli­nik der Uni­ver­si­tät Bonn. Ge­denk­vor­le­sung zur Er­in­ne­rung an ih­re Be­grün­der, die Pro­fes­so­ren Wil­helm Busch und Jo­seph Dout­re­le­pont, Bonn 1932.
Die an­ge­bo­re­ne Sy­phi­lis im Lich­te 30jäh­ri­ger Spi­ro­chä­ten- und 25jäh­ri­gen Sal­var­san­for­schung, Ber­lin/Leip­zig 1936.
Le­bens­er­in­ne­run­gen aus ei­ner Wen­de­zeit der Heil­kun­de, 2 Bän­de, Han­no­ver 1948-1949.
Zur Ge­schich­te der Be­hand­lung der Sy­phi­lis, in: Neue me­di­zi­ni­sche Welt 1 (1950), S. 137–140.

Literatur

Fors­bach, Ralf, Die Me­di­zi­ni­sche Uni­ver­si­tät Bonn im „Drit­ten Reich“, Mün­chen 2006.
Fors­bach, Ralf, Erich Hoff­mann. Ein ar­ri­vier­ter Der­ma­to­lo­gie und di­let­tie­ren­der Dich­ter als Re­prä­sen­tant me­di­zi­ni­scher Funk­ti­ons­eli­ten vom Kai­ser­reich zur Bun­des­re­pu­blik, in: Brecht­ken, Ma­gnus (Hg.), Life Wri­ting an Po­li­ti­cal Me­moir –Le­bens­zeug­nis­se und Po­li­ti­sche Me­moi­ren, Göt­tin­gen 2012, S. 107-125.
Höpf­ner, Hans-Paul, Die Uni­ver­si­tät Bonn im Drit­ten Reich. Aka­de­mi­sche Bio­gra­phi­en un­ter na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Herr­schaft, Bonn 1999.
Schreus, Hans Theo­dor, Erich Hoff­mann 1868–1959, in: Steu­del, Jo­han­nes /Ma­ni, Ni­ko­laus (Hg.), Bon­ner Ge­lehr­te. Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Wis­sen­schaf­ten in Bonn. Me­di­zin, Bonn 1992, S. 369–374.

Online

Zo­s­ke, Horst, „Hoff­mann, Erich“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 9 (1972), S. 406-407 [On­line­fas­sung].
Zu­r ­Mou­la­gen­samm­lung.

 
Zitationshinweis

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Forsbach, Ralf, Erich Hoffmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/erich-hoffmann/DE-2086/lido/57c83127431d44.43195770 (abgerufen am 19.03.2024)