Franz Hartz

Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl (1882–1953)

Joachim Lilla (Krefeld)

Kirche zur Heiligen Familie Schneidemühl, 2003. (Heimatkreis Schneidemühl e.V., Cuxhaven)

Der Geist­li­che Franz Hartz ist vor al­lem auf­grund sei­ner Stel­lung als Prä­lat der Frei­en Prä­la­tur Schnei­de­mühl von In­ter­es­se, ei­nes kirch­li­chen Ter­ri­to­ri­ums, das bei der Neu­ord­nung der Diö­ze­sen im Os­ten des Rei­ches nach dem Ers­ten Welt­krieg ge­bil­det wur­de. Nach 1945 wirk­te er un­ter an­de­rem als Be­auf­trag­ter der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz für Flücht­lings­an­ge­le­gen­hei­ten.

Franz Hartz wur­de am 15.6.1882 als jüngs­tes von acht Kin­dern des Haus­we­bers Jo­hann Ja­kob Hartz und sei­ner Frau Ma­ria Agnes, ge­bo­re­ne Nauw, in Hüls bei Kre­feld ge­bo­ren. Er be­such­te das Gym­na­si­um Tho­ma­e­um in Kem­pen und stu­dier­te an­schlie­ßend Theo­lo­gie in Müns­ter, wo er am 13.6.1908 zum Pries­ter ge­weiht wur­de. Er war vor­über­ge­hend als Ka­plan in Rhein­hau­sen (heu­te Stadt Duis­burg) ein­ge­setzt, wur­de aber be­reits im Jahr dar­auf als Dom­vi­kar und Ka­plan von Weih­bi­schof Ever­hard Il­li­gens (1851–1914) nach Müns­ter zu­rück­be­ru­fen. Dort trat er der im Jah­re 1908 ge­grün­de­ten Ka­tho­li­schen Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung "Os­ning" (KV) bei. 1912 wur­de er Re­gens des Col­le­gi­um Det­tenia­num in Müns­ter, ei­nes Schü­ler­kon­vikts für jun­ge Ad­li­ge; zeit­wei­se er­teil­te er auch Re­li­gi­ons­un­ter­richt am Gym­na­si­um Pau­li­num. 1914 pro­mo­vier­te er in Müns­ter bei dem Mo­ral­theo­lo­gen Jo­seph Maus­bach (1861–1931) mit der Dis­ser­ta­ti­on „We­sen und Zweck­be­stim­mung der Stra­fe. Ei­ne ethi­sche Wür­di­gung der ab­so­lu­ten und re­la­ti­ven Rechts­theo­rie“. Der An­re­gung sei­nes Bi­schofs, sich für Mo­ral­theo­lo­gie zu ha­bi­li­tie­ren, folg­te Hartz nicht, weil er kein In­ter­es­se an ei­ner wis­sen­schaft­li­chen Lauf­bahn hat­te. 1921 ging er an die von Pries­tern der Diö­ze­se Müns­ter be­treu­te Pfar­re St. Mat­thi­as in Ber­lin, an der Cle­mens Au­gust Graf von Ga­len (1878–1946), der spä­te­re Bi­schof von Müns­ter (Epis­ko­pat 1933-1946) und Kar­di­nal, von 1919 bis 1929 Pfar­rer war. 1924 wur­de Hartz Ku­rat und Pfarr­ad­mi­nis­tra­tor in der Pfar­re St. Eli­sa­beth, 1928 Pfar­rer an Lieb­frau­en (bei­de in Ber­lin, im Spren­gel der letz­te­ren lag die Apos­to­li­sche Nun­tia­tur). Nach der Er­rich­tung des Bis­tums Ber­lin 1930 er­nann­te ihn Bi­schof Chris­ti­an Schrei­ber (1872–1933, Epis­ko­pat als Bi­schof von Ber­lin ab 1930) zum Dom­ka­pi­tu­lar an St. Hed­wig in Ber­lin.

 

Die Er­rich­tung des Bis­tums Ber­lin stand im Zu­sam­men­hang mit der Neu­ord­nung der kirch­li­chen Ver­wal­tungs­struk­tu­ren in Ost­deutsch­land nach dem Ers­ten Welt­krieg. Da kein deut­sches Ge­biet der Ju­ris­dik­ti­on ei­nes Bi­schofs un­ter­ste­hen soll­te, der au­ßer­halb der Reichs­gren­zen sei­nen Sitz hat­te (die­ses war im Hin­blick auf die Ost­ge­bie­te vor al­lem der Erz­bi­schof von Gne­sen-Po­sen), war die preu­ßi­sche Staats­re­gie­rung be­strebt, in Ver­hand­lun­gen mit dem Va­ti­kan ei­ne Neu­ord­nung der Diö­ze­san­gren­zen zu er­wir­ken, die im Ver­trag des Frei­staats Preu­ßen mit dem Hei­li­gen Stuhl vom 14.6.1929 grund­sätz­lich ge­re­gelt wur­de. In der Fol­ge wur­de das Fürst­bis­tum Bres­lau zum Erz­bis­tum er­ho­ben, ein neu­es Bis­tum Ber­lin er­rich­tet, der Spren­gel des Bis­tums Erm­land dem Ge­biet der Pro­vinz Ost­preu­ßen an­ge­passt und für das Ge­biet der preu­ßi­schen Pro­vinz Grenz­mark Po­sen-West­preu­ßen ei­ne Freie Prä­la­tur mit Sitz in Schnei­de­mühl er­rich­tet. De­ren ka­no­ni­sche Er­rich­tung er­folg­te durch die Apos­to­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Pi­us XI. (Pon­ti­fi­kat 1922-1939) „Pas­to­ra­lis of­fi­cii Nos­tri“ vom 13.8.1930 (Ar­ti­kel III.4): „Au­ßer­dem er­rich­ten Wir … ei­ne Prä­la­tur ‚nul­li­us‘, die Wir Prä­la­tur Schnei­de­mühl ge­nannt wis­sen wol­len. Sie be­stim­men wir als Suf­fra­gan­prä­la­tur der Bres­lau­er Me­tro­po­li­tan­kir­che und un­ter­stel­len de­ren je­wei­li­ge Prä­la­ten dem Me­tro­po­li­tan­recht des Bres­lau­er Erz­bi­schofs.“ Freie Prä­la­tu­ren, im Co­dex iuris Ca­no­ni­ci von 1917 (Can. 215) prae­la­tu­res nul­li­us ge­nannt, tre­ten im deut­schen Raum kaum auf. Im heu­ti­gen Kir­chen­recht fir­mie­ren sie als prae­la­tu­ra ter­ri­to­ria­lis be­zie­hungs­wei­se Ge­biet­sprä­la­tur (Can. 370). Man mag sie ver­ein­facht als ein ei­ner Diö­ze­se ver­gleich­ba­res kirch­li­ches Ver­wal­tungs­ge­biet be­zeich­nen, an de­ren Spit­ze aber kein Bi­schof steht, son­dern ein Prä­lat.

Zu­vor war das frag­li­che Ge­biet seit 1922 von der Erz­bi­schöf­li­chen De­le­ga­tur (ab 1923 Apos­to­li­sche Ad­mi­nis­tra­tur) Tütz (1926 ver­legt nach Schnei­de­mühl) ver­wal­tet wor­den. Apos­to­li­scher Ad­mi­nis­tra­tor in Schnei­de­mühl war seit 1926 Ma­xi­mi­li­an Kal­ler (1880–1947), der nach sei­ner Wahl zum Bi­schof von Erm­land die am 31.8.1930 er­rich­te­te Freie Prä­la­tur in Schnei­de­mühl zu­nächst als Apos­to­li­scher Ad­mi­nis­tra­tor wei­ter ver­wal­te­te. Der Prä­la­tus nul­li­us hat­te Sitz und Stim­me in der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz.

Kirche zur Heiligen Familie Schneidemühl, 2003. (Heimatkreis Schneidemühl e.V., Cuxhaven)

 

Durch De­kret vom 21.2.1931 er­nann­te Papst Pi­us XI. den Ber­li­ner Dom­ka­pi­tu­lar Dr. Franz Hartz zum Prae­la­tus nul­li­us von Schnei­de­mühl, sei­ne In­thro­ni­sa­ti­on fand am 25.3.1931 in der Kir­che zur Hei­li­gen Fa­mi­lie in Schnei­de­mühl statt. Als Wap­pen­spruch wähl­te Hartz „Con­silio et Con­stan­ti­a“ („Mit Rat und Fes­tig­keit“). Die Freie Prä­la­tur, die da­mal­s  134.000 Ka­tho­li­ken in 75 Pfar­rei­en und zwölf Seel­sor­ge­sta­tio­nen zähl­te, er­leb­te un­ter der Lei­tung von Hartz ei­nen Auf­schwung durch Neu­bau­ten von Kir­chen, Ca­ri­tas­hei­men, Bil­dung neu­er Pfar­rei­en, Aus­bau und Fes­ti­gung kirch­li­cher Or­ga­ni­sa­tio­nen. Als ers­ter deut­scher Ober­hir­te ord­ne­te er die Fei­er so­ge­nann­ter Bet­sing­mes­sen an. In sei­ner bio­gra­phi­schen Skiz­ze über Hartz schreibt Hans-Jür­gen Brandt, das NS-Re­gime ha­be „sei­nen Ak­ti­vi­tä­ten schon bald Gren­zen“ ge­setzt, doch sei es „dem klug tak­tie­ren­den“ Prä­la­ten ge­lun­gen, „die her­kömm­li­che Seel­sor­ge auf­recht­zu­er­hal­ten“. Über sein Ver­hält­nis ge­gen­über dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus sind kei­ne aus­sa­ge­kräf­ti­gen Quel­len be­kannt, die Schrif­ten über sein Le­ben und Werk klam­mern die­sen As­pekt aus oder be­schö­ni­gen ihn. Ein Geg­ner des Re­gimes war er mut­ma­ß­lich nicht, und er fand 1934/1935 Auf­nah­me im „Deut­sche[n] Füh­rer­le­xi­kon“, das die da­ma­li­ge Pro­mi­nenz in Text und Bild prä­sen­tier­te. Auf der an­de­ren Sei­te konn­te er of­fen­bar man­chen vom NS-Re­gime ver­folg­ten Pries­tern der Prä­la­tur hel­fen oder er­rei­chen, dass ver­häng­te Stra­fen ge­mil­dert wur­den.

Vor dem Ein­marsch der Rus­sen ver­ließ Prä­lat Hartz am 26.1.1945 Schnei­de­mühl, teil­wei­se zu Fuß, zu­nächst nach Dem­min, und es wird be­rich­tet, er ha­be nur sein Bre­vier ret­ten kön­nen. Von Dem­min ge­lang­te er in den letz­ten Kriegs­wo­chen noch mit Hil­fe der Wehr­macht nach Ful­da, nach des­sen Zer­stö­rung leb­te er vor­über­ge­hend in Hain­zell. In Ful­da, wo er ab Fron­leich­nam 1945 bis zu sei­nem Le­bens­en­de im Mut­ter­haus der Barm­her­zi­gen Schwes­tern leb­te, pfleg­te er re­ge Kon­tak­te zur frü­he­ren Schnei­de­müh­ler Geist­lich­keit. Im Sep­tem­ber 1948 hat­te er Ge­le­gen­heit, Papst Pi­us XII. (Pon­ti­fi­kat 1939-1958), den er aus des­sen Zeit als Nun­ti­us in Ber­lin kann­te, an­läss­lich ei­ner Pri­vat­au­di­enz im Va­ti­kan über das Schick­sal sei­nes Spren­gels zu be­rich­ten. 1949 trat Hartz das Amt des Päpst­li­chen Be­auf­trag­ten für die Seel­sor­ge der Hei­mat­ver­trie­be­nen an, zu­gleich das des Be­auf­trag­ten der deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz für Flücht­lings­an­ge­le­gen­hei­ten. Bei­den Auf­ga­ben ging er in den fol­gen­den Jah­ren mit gro­ßem Ein­satz nach. Auf sei­ne An­re­gung ging et­wa die Schaf­fung ei­nes zen­tra­len ka­tho­li­schen Kir­chen­buch­am­tes für die Hei­mat­ver­trie­be­nen so­wie die vor­läu­fi­ge Ver­sor­gung der ost­ver­trie­be­nen Kir­chen­pen­sio­nä­re aus dem geist­li­chen und Lai­en­stand zu­rück. In der Diö­ze­se Ful­da half er durch die Über­nah­me von Firm­rei­sen, be­son­ders in der Dia­spo­ra. Sei­nen un­er­müd­li­chen Ein­satz wür­dig­te Papst Pi­us XII. 1951 durch die Ver­lei­hung des Ti­tels „Hoch­wür­digs­te Ex­zel­len­z“.

Wäh­rend sei­nes üb­li­ches Weih­nachts­be­suchs in Hüls im Win­ter 1952/1953 er­krank­te Hartz und starb am 15.2.1953 in sei­ner Hei­mat­ge­mein­de. Am 18. Fe­bru­ar wur­de er in An­we­sen­heit zahl­lo­ser Geist­li­cher, dar­un­ter 21 Pries­ter aus der Frei­en Prä­la­tur, in der Hül­ser Pfarr­kir­che St. Cy­ria­kus bei­ge­setzt, nach­dem der Köl­ner Erz­bi­schof Jo­sef Kar­di­nal Frings die ab­so­lu­tio ad tumbam er­teilt hat­te. Hartz blieb üb­ri­gens bis zu sei­nem Tod nicht nur no­mi­nell Prä­lat der Frei­en Prä­la­tur Schnei­de­mühl. Die­se be­stand kir­chen­recht­lich bis 1972, ih­re Ver­we­sung er­folg­te aus der Bun­des­re­pu­blik, ihr Sitz war Ful­da.

In Kre­feld-Hüls er­in­nert ei­ne Stra­ße an Franz Hartz.

Werke

We­sen und Zweck­be­stim­mung der Stra­fe. Ei­ne ethi­sche Wür­di­gung der ab­so­lu­ten und re­la­ti­ven Rechts­theo­rie, Diss. Müns­ter 1914, VIII, 55 S.; voll­stän­di­ge Ver­öf­fent­li­chung un­ter glei­chem Ti­tel , Müns­ter 1914: IX, 258 S.

Literatur

Brandt, Hans-Jür­gen, Franz Hartz, in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe der deutsch­spra­chi­gen Län­der 1785/1803–1945. Ein bio­gra­phi­sches Le­xi­kon, Ber­lin 1983, S. 289-290.
Franz Hartz, in: In­ter­na­tio­na­les Bio­gra­phi­sches Ar­chiv 16/1953 vom 6. April 1953.
Koß, Sieg­fried/Löhr, Wolf­gang, Bio­gra­phi­sches Le­xi­kon de­s­ KV. 1. Teil, Schern­feld 1991, S. 44f.
Prä­lat Dr. Franz Hartz – Va­ter der Ver­trie­be­nen.  Zum Ge­den­ken am 50. Jah­res­ta­ge sei­ner Hl. Pries­ter­wei­he. Hg. von Pries­tern der Frei­en Prä­la­tur Schnei­de­mühl, o.O. [Hil­des­heim?] 1958.
Sta­siew­ski, Bern­hard,  Die Er­rich­tung der Bres­lau­er Kir­chen­pro­vinz. Erz­bis­tum Bres­lau – Bis­tum Ber­lin – Bis­tum Erm­land – Freie Prä­la­tur Schnei­de­mühl, in: Sta­siew­ski, Bern­hard (Hg.), Adolf Kar­di­nal Ber­tram. Sein Le­ben und Wir­ken auf dem Hin­ter­grund der Ge­schich­te sei­ner Zeit, Teil 1, Köln [u.a.] 1992, S. 77–98.

Online

Fa­the­r Franz Hartz.

Grab von Franz Hartz in der Pfarrkirche St. Cyriakus, Hüls.

 
Zitationshinweis

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Lilla, Joachim, Franz Hartz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-hartz/DE-2086/lido/57c827928155b1.50628484 (abgerufen am 19.03.2024)