Paul Henckels

Schauspieler (1885-1967)

Stefanie Schild (Bonn)

Paul Henckels, Porträtfoto.

Paul Henckels war ein er­folg­rei­cher deut­scher Schau­spie­ler, Büh­nen­re­gis­seur und Thea­ter­di­rek­tor, der vor al­lem als Dar­stel­ler hin­ter­grün­dig-ko­mi­scher Fi­gu­ren auf der Büh­ne wie im Film sich gro­ßer Be­lieb­heit er­freu­te. Un­ver­ges­sen ist er in der Rol­le des „Pro­fes­sor Böm­mel“ in der Ver­fil­mung der „Feu­er­zan­gen­bow­le“ von 1944 und des „Schnei­der Wib­bel“.

Aus der be­kann­ten So­lin­ger Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie Henckels stam­mend, wur­de er am 9.9.1885 als Sohn von Paul Abra­ham Henckels (1855-1923) und der Schau­spie­le­rin Cä­ci­lia Wars­zaw­s­ka in Hürth ge­bo­ren. Kind­heit und Ju­gend ver­brach­te Paul Henckels haupt­säch­lich in Düs­sel­dorf. Be­reits als Gym­na­si­ast zog es ihn zum Schau­spiel: Um sich dra­ma­tur­gi­schen Un­ter­richt leis­ten zu kön­nen, ver­kauf­te er ein­mal so­gar sein Brief­mar­ken­al­bum. Mit 20 Jah­ren ge­lang es ihm, an der Thea­ter­aka­de­mie des Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­hau­ses un­ter Loui­se Du­mont und Gus­tav Lin­de­mann als Schü­ler auf­ge­nom­men zu wer­den. Als er nach sei­nem Ab­schluss 1908 dort ein fes­tes En­ga­ge­ment er­hielt, be­gann sei­ne über 60-jäh­ri­ge er­folg­rei­che Kar­rie­re als Schau­spie­ler, Büh­nen­re­gis­seur und Thea­ter­di­rek­tor. Seit 1911 ar­bei­te­te er in Düs­sel­dorf auch als Re­gis­seur.

Sei­nen Durch­bruch als Schau­spie­ler hat­te Henckels zwei Jah­re spä­ter, 1913, mit der Rol­le des „Schnei­der Wib­bel“ in der Ur­auf­füh­rung des gleich­na­mi­gen Stü­ckes: Der Satz „Oh-nä oh-nä, ooch nein! Wat bin ich für’nen schööö­ne Leich!“ mach­te ihn be­rühmt. Als er 1915 an der „Hoch­schu­le für Büh­nen­kunst“ als jüngs­ter Re­gis­seur ei­ne Klas­se für Mi­mik und Ges­tik lei­te­te, lern­te er sei­ne zwei­te Ehe­frau Thea Grodtc­zins­ky (1893-1978) ken­nen, die als Schü­le­rin an dem Kurs teil­nahm. In ers­ter Ehe war er mit der ehe­ma­li­gen Schau­spie­le­rin Ce­ci­lia Brie ver­hei­ra­tet. Mit ihr hat­te er drei Kin­der. Nach ih­rer Schei­dung hei­ra­te­te Ce­ci­lia Brie 1920 den Ma­ler Eber­hard Wie­ge­ner (1890-1967). Von 1919 bis 1920 fun­gier­te Henckels zu­sam­men mit Fritz Holl (1883-1942) als Di­rek­tor des Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­hau­ses.

1920 zo­gen Paul und Thea Henckels von Düs­sel­dorf nach Ber­lin, da Ro­bert Fried­la­en­der-Prechtl (1874-1950) Paul Henckels ge­be­ten hat­te, die In­ten­danz des neu­ge­grün­de­ten Schloss­park-Thea­ters zu über­neh­men, das 1921 un­ter sei­ner Lei­tung mit dem Stück „Ti­mon“ er­öff­net wur­de. Wäh­rend der nächs­ten 25 Jah­re trat er zu­dem auf fast al­len Ber­li­ner Büh­nen auf. 1936 en­ga­gier­te Gus­tav Gründ­gens (1899-1963) – wie er ein Du­mont-Schü­ler – ihn für das Preu­ßi­sche Staats­thea­ter am Gen­dar­men­markt.

Seit Be­ginn der 1920er Jah­re wirk­te Henckels in vie­len Film­pro­duk­tio­nen mit. Sein Film­de­büt fei­er­te er 1921 mit ei­ner Ne­ben­rol­le in dem Film „Das Ge­heim­nis der sechs Spiel­kar­ten, 5. Teil – Herz Kö­ni­g“. Bis zu sei­nem Tod wirk­te er in über 230 Fil­men mit, meis­tens als Ne­ben­dar­stel­ler. Da­bei ar­bei­te­te er mit Re­gis­seu­ren wie Ar­nold Fanck (1889-1974), Fritz Lang (1890-1976), Fried­rich Wil­helm Murnau (1888-1931), Lu­pu Pick (1886-1931), Jo­sef von Stern­berg (1894-1969) und Hel­mut Weiss (1907-1967) zu­sam­men. Meist spiel­te er die Rol­len von ko­mi­schen, gut­mü­ti­gen Nach­barn und schus­se­li­gen Pro­fes­so­ren, leicht ver­trot­tel­ten Be­am­ten oder zer­streu­ten äl­te­ren Her­ren, wo­bei sein rhei­ni­scher Ak­zent zu sei­nem Mar­ken­zei­chen wur­de. Bis heu­te un­ver­ges­sen ist sein Satz „Wat is en Dampf­ma­schin? Da stel­le mer uns mal janz dumm …“ als Gym­na­si­al­pro­fes­sor Böm­mel in der Ver­fil­mung der „Feu­er­zan­gen­bow­le“ mit Heinz Rüh­mann nach dem Ro­man von Hein­rich Spo­erl aus dem Jah­re 1944.

Weil sei­ne Ehe­frau Jü­din war, galt er nach Er­lass der Nürn­ber­ger Ge­set­ze als Halb­ju­de. Ei­ne „Pri­vi­le­gie­run­g“ Theas durch Jo­seph Go­eb­bels (1897-1945) bot ihr aber – zu­min­dest bis 1943 – Schutz vor der De­por­ta­ti­on. Go­eb­bels setz­te Henckels zu­dem auf die so­ge­nann­te „Gott­be­gna­de­ten­lis­te“, so dass ihm der Ein­zug zur Wehr­macht er­spart blieb. Statt­des­sen zog man ihn wie an­de­re Schau­spiel­kol­le­gen an dreh­frei­en Ta­gen zum so­ge­nann­ten „Künst­ler­ein­sat­z“ in Fa­bri­ken und Werk­stät­ten her­an. Er ar­bei­te­te als Ma­ler in der Ber­li­ner Hoch­schu­le für bil­den­de Kunst, wo er mit leuch­ten­den Far­ben klei­ne Ori­en­tie­rungs­schil­der für die Ar­ma­tu­ren­bret­ter der Flug­zeu­ge an­fer­tig­te. Wäh­rend der letz­ten Kriegs­mo­na­te war er für kur­ze Zeit in ei­nem Pots­da­mer Edel­stahl­werk ein­ge­setzt, be­vor er durch Wolf­gang Lie­ben­ei­ner (1905-1987) ei­ne Stel­le bei der Ufa er­hielt, für die er Be­ur­tei­lun­gen für ein­ge­reich­te Film­ex­po­sés schrieb. Ob­wohl Henckels wäh­rend der NS-Zeit in zahl­rei­chen Film- und Thea­ter­pro­duk­tio­nen mit­spiel­te, fehlt in sei­nen Au­to­bio­gra­phi­en ei­ne kri­ti­sche Re­fle­xi­on sei­ner Tä­tig­keit wäh­rend die­ser Jah­re.

In der un­mit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit wur­de Henckels als Syn­chron­spre­cher für rus­si­sche Fil­me, die ins Deut­sche über­setzt wur­den, tä­tig. Au­ßer­dem trat er auf zahl­rei­chen Vor­trags­ver­an­stal­tun­gen auf und in­ter­pre­tier­te klas­si­sche und mo­der­ne Dich­tun­gen. Er be­gann auch bald wie­der als Film- und Thea­ter­schau­spie­ler zu ar­bei­ten.

1948 hol­te ihn Gus­tav Gründ­gens – seit 1947 Ge­ne­ral­in­ten­dant des Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­hau­ses – zu­rück nach Düs­sel­dorf. In den nächs­ten Jah­ren folg­ten ne­ben dem En­ga­ge­ment in Düs­sel­dorf wei­te­re in Es­sen, Frei­burg und Köln. In Ber­lin trat er in Bou­le­vard­stü­cken wie „Ein Mo­nat vol­ler Sonn­ta­ge“ oder „Ich – ers­te Per­son Ein­zahl“ auf. Nach sei­ner Dar­stel­lung des ver­ständ­nis­vol­len Ge­richts­prä­si­den­ten in Paul Mays „Via Ma­la“-Ver­fil­mung nach dem Ro­man von John Knit­tel (1891-1970) zog sich Henckels 1961 von der Schau­spie­le­rei zu­rück und be­schränk­te sich auf die Ar­beit als Mo­dera­tor, wie zu Be­ginn der 1960er Jah­re in der Fern­seh­se­rie „Nach­sit­zen für Er­wach­se­ne“.

Paul Henckels wur­den ho­he Eh­run­gen zu­teil: An­läss­lich sei­nes 75. Ge­burts­ta­ges 1960 er­hielt er das Ver­dienst­kreuz Ers­ter Klas­se des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und als Eh­rung des Se­nats der Stadt Ber­lin den Ber­li­ner Bä­ren. Mit dem Film­band in Gold 1962 wur­de sein lang­jäh­ri­ges und her­vor­ra­gen­des Wir­ken im deut­schen Film an­er­kannt.

Henckels starb am 27.5.1967 in Kett­wig (heu­te Stadt Es­sen). Sei­ne letz­te Ru­he­stät­te fand er auf dem Süd­fried­hof in Düs­sel­dorf. An ihn er­in­nert in Ber­lin-Ste­glitz der Paul-Henckels-Platz, in sei­ner Ge­burts­stadt Hürth wur­de 2006 die Bür­ger­haus­gas­tro­no­mie in „Henckel­s“ um­be­nannt.

Filme (Auswahl)

1923 - I.N.R.I.
1924 - Du­du, ein Men­schen­schick­sal.
1926 - Das Haus der Lü­ge.
1927 - Der Kampf des Do­nald West­hof.
1928 - Du sollst nicht ehe­bre­chen!
1928 - Ge­schlecht in Fes­seln.
1929 - Na­po­le­on auf St. He­le­na.
1929 - Mein­eid.
1929 - Mor­gen­rö­te.
1930 - Die letz­te Kom­pa­gnie.
1930 - Cy­an­ka­li. 
1930 - Drey­fus.
1930 - Die Frau oh­ne Ner­ven.
1930 - Schnei­der Wib­bel.
1930 - Pen­si­on Schöl­ler.
1931 - Bom­ben auf Mon­te Car­lo. 
1931 - Ka­det­ten.
1932 - Der tol­le Bom­berg.
1932 - Der Stolz der 3. Kom­pa­nie.
1933 - Po­li­zei­ak­te 909.
1934 - Char­leys Tan­te.
1934 - Der ver­lo­re­ne Sohn.
1935 - Der al­te und der jun­ge Kö­nig.
1936 - Mäd­chen­jah­re ei­ner Kö­ni­gin.
1937 - Ka­prio­len.
1938 - Der Maul­korb.
1938 - Na­po­le­on ist an al­lem schuld.
1939 - Der Flo­ren­ti­ner Hut.
1939 - Das un­sterb­li­che Herz.
1940 - Fried­rich Schil­ler – Der Tri­umph ei­nes Ge­nies.
1941 - Män­ner­wirt­schaft.
1942 - Der gro­ße Kö­nig.
1942 - Wie­ner Blut.
1942 - Zwi­schen Him­mel und Er­de.
1942 – Rem­brandt.
1944 - Die Feu­er­zan­gen­bow­le.
1944 - Jun­ge Ad­ler.
1945 - Das selt­sa­me Fräu­lein Syl­via.
1946 - Al­lez Hopp.
1948 - Die selt­sa­men Aben­teu­er des Herrn Fri­do­lin B.
1949 - Die Früh­rei­fen.
1950 - In­sel oh­ne Mo­ral.
1951 - Rausch ei­ner Nacht.
1952 - Fe­ri­en vom Ich.
1953 - Kö­nig­li­che Ho­heit.
1954 - Cli­via.
1955 - Die Mä­dels vom Im­men­hof.
1956 - Kir­schen in Nach­bars Gar­ten.
1956 - Der Frem­den­füh­rer von Lis­sa­bon.
1957- Be­kennt­nis­se des Hoch­stap­lers Fe­lix Krull.
1958 - Woyzeck.
1958 - Lie­be kann wie Gift sein.
1959 - Hier bin ich – hier bleib ich.
1960 - So­oo nicht, mei­ne Her­ren.
1961 - Via Ma­la.

Werke (Autobiographien)

Ich war kein Mus­ter­kna­be. Ei­nes Le­bens­künst­lers la­chen­de Weis­heit, Ber­lin 1956.
Hei­ter bis wol­kig. Ein Le­bens-Wet­ter­be­richt, Düs­sel­dorf 1960.
Al­ler­lei Hei­te­rei. Ho­bel­spä­ne von den Bret­tern, die die Welt be­deu­ten, Ber­lin 1966.

Literatur

Drew­ni­ak, Bo­guslaw, Das Thea­ter im NS-Staat. Sze­na­ri­um deut­scher Zeit­ge­schich­te, 1933-1945, Düs­sel­dorf 1983.
Her­man­ni, Horst O., Paul Henckels, in: Das Film-ABC, Band 3, Nor­der­stedt 2009, S. 373-381.
Klee, Ernst, Kul­tur­le­xi­kon zum Drit­ten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frank­furt a. M. 2009, S. 211.
Loup, Kurt (Hg.), Paul Henckels. Son­der­aus­stel­lung 31. Mai - 27. Ju­ni 1969 im Du­mont-Lin­de­mann-Ar­chiv Düs­sel­dorf, Düs­sel­dorf 1969.
Mo­el­ler, Fe­lix, „Ich bin Künst­ler und sonst nichts“. Film­stars im Pro­pa­gan­da­ein­satz, in: Sar­ko­wicz, Hans (Hg.), Hit­lers Künst­ler. Die Kul­tur im Dienst des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, Frank­furt a. M./Leip­zig 2004, S. 135-175.
We­ni­ger, Kay, Das gro­ße Per­so­nen­le­xi­kon des Films, Band 3, [o. O]. 2001, S. 630-631-632.

Online

Ar­ti­kel­ ­Paul Henckel­s im Di­gi­ta­len Kunst- und Kul­tur­ar­chiv Düs­sel­dorf.
Paul Henckels al­s ­Schnei­der Wib­bel im Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­haus.
Scherr, Louis, „Henckels, Jo­hann Abra­ham“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 8 (1969), S. 520. (On­line­fas­sung) 

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Schild, Stefanie, Paul Henckels, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-henckels/DE-2086/lido/57c82b11a03d74.58314821 (abgerufen am 19.03.2024)