Hubert Jedin

Kirchenhistoriker (1900-1980)

Norbert Trippen (Köln)

Hubert Jedin, Porträtfoto, 1969. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

Dem ge­bür­ti­gen Schle­si­er wur­de we­gen sei­ner Ab­stam­mung von ei­ner (kon­ver­tier­ten) jü­di­schen Mut­ter 1933 die Lehr­er­laub­nis an der Uni­ver­si­tät Bres­lau ent­zo­gen. Nach Jah­ren des Exils in der Va­ti­kan­stadt wur­de er 1949 an die Uni­ver­si­tät Bonn be­ru­fen, wo er für die letz­ten drei Jahr­zehn­te sei­nes Le­bens ei­ne neue Hei­mat fand. Hu­bert Je­din zählt zu den her­aus­ra­gen­den Kir­chen­his­to­ri­kern des 20. Jahr­hun­derts.

 

Hu­bert Je­din wur­de am 17.6.1900 als zehn­tes Kind ei­ner Leh­rer­fa­mi­lie in Groß­brie­sen / Ober­schle­si­en ge­bo­ren. Ab 1911 konn­te er das Gym­na­si­um in Nei­ße be­su­chen. Das dor­ti­ge Kon­vikt (kirch­li­ches In­ter­nat) hat ihn wie die Zu­ge­hö­rig­keit zur ka­tho­li­schen Ju­gend­ge­mein­schaft „Quick­born" re­li­gi­ös ge­prägt, so dass sich die Ent­schei­dung für den Pries­ter­be­ruf für ihn von selbst er­gab. Sein theo­lo­gi­sches Stu­di­um ab­sol­vier­te er in den Jah­ren 1918-1923 in Bres­lau, un­ter­bro­chen von aus­wär­ti­gen Se­mes­tern in Mün­chen und Frei­burg 1920/1921. Der Pries­ter­wei­he 1924 folg­te ein kur­zer Ein­satz in der Seel­sor­ge. 1926 konn­te Je­din sei­ne Pro­mo­ti­on in Bres­lau ab­schlie­ßen. Sein Bi­schof, Adolf Kar­di­nal Ber­tram, stell­te ihn zu wei­te­ren Stu­di­en frei und ver­schaff­te ihm ei­ne Ka­plans­stel­le am Pries­ter­kol­leg des Cam­po San­to Teu­to­ni­co in Rom.

In die­sem am Ran­de der Va­ti­kan­stadt ge­le­ge­nen Kol­leg soll­te Je­din in drei Ab­schnit­ten ins­ge­samt 17 Jah­re sei­nes Le­bens ver­brin­gen. In den Jah­ren 1926-1930 er­stell­te er dort sein Werk über den Au­gus­ti­ne­re­re­mi­ten Gi­ro­la­mo Se­ri­pan­do (1492-1563), mit der er 1930 in Bres­lau ha­bi­li­tiert wur­de. Je­din war sich da­nach sei­ner Be­ru­fung zum Uni­ver­si­täts­leh­rer so si­cher, dass er 1931 das An­ge­bot, Rek­tor des Kol­legs am Cam­po San­to Teu­to­ni­co zu wer­den, aus­schlug. Doch 1933 ent­zog ihm das preu­ßi­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um we­gen sei­ner nicht-ari­schen Ab­stam­mung die Lehr­be­fug­nis.

Hubert Jedin, Porträtfoto, 1969. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)

 

Je­din hielt die Na­zi­herr­schaft für ei­ne vor­über­ge­hen­de Epi­so­de und kehr­te für die Jah­re 1933-1936 nach Rom zu­rück, um sich durch wei­te­re For­schun­gen und Ver­öf­fent­li­chun­gen zur Re­for­ma­ti­ons­ge­schich­te zu qua­li­fi­zie­ren und ein über den deut­schen Sprach­raum hin­aus­ge­hen­des An­se­hen zu er­wer­ben.

Ab 1936 wirk­te er als „Erz­bi­schöf­li­cher Ar­chi­var" in Bres­lau, bis nach der „Reichs­po­grom­nacht" im No­vem­ber 1938 sein Ver­bleib in Bres­lau im­mer pro­ble­ma­ti­scher wur­de. Mit viel Glück ge­lang es ihm, am 7.11.1939 nach Ita­li­en aus­zu­rei­sen, wo er für die Jah­re 1939-1949 wie­der im Pries­ter­kol­leg am Cam­po San­to Teu­to­ni­co Un­ter­kunft fand und im Auf­trag der Gör­res-Ge­sell­schaft an der Her­aus­ga­be ei­nes Ak­ten­ban­des des Con­ci­li­um Tri­den­ti­num ar­bei­te­te. Erst 1949 er­hielt Hu­bert Je­din ei­nen Ruf an die Rhei­ni­sche Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät in Bonn, wo er bis 1965 mit gro­ßem Er­folg als Pro­fes­sor für Kir­chen­ge­schich­te wirk­te. Jed­ins Ober­se­mi­nar (für fort­ge­schrit­te­ne Stu­den­ten und in­ter­na­tio­na­le Dok­to­ran­den) war je­des­mal ein in­tel­lek­tu­el­les Er­eig­nis. Zu den Teil­neh­mern ge­hör­ten Mit­te der 50er Jah­re zum Bei­spiel ita­lie­ni­sche His­to­ri­ker aus Bo­lo­gna wie Pao­lo Pro­di und Giu­sep­pe Al­be­ri­go, der sich als Her­aus­ge­ber ei­ner fünf­bän­di­gen Ge­schich­te des Zwei­ten Va­ti­ka­ni­schen Kon­zils ei­nen Na­men ma­chen soll­te.

Der Köl­ner Erz­bi­schof Jo­sef Kar­di­nal Frings be­rief Je­din schon in der Vor­be­rei­tungs­pha­se des Zwei­ten Va­ti­ka­ni­schen Kon­zils zu ei­nem sei­ner Be­ra­ter. Gleich nach An­kün­di­gung des Kon­zils durch Papst Jo­han­nes XXIII. (Pon­ti­fi­kat 1958-1963) schrieb Je­din im Früh­jahr 1959 in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen die „Klei­ne Kon­zi­li­en­ge­schich­te" die al­lein in Deutsch­land in kür­zes­ter Zeit Auf­la­gen von ins­ge­samt 100.000 Ex­em­pla­ren er­reich­te und in al­le Welt­spra­chen über­setzt wur­de. Recht­zei­tig vor dem Kon­zil er­schien 1962, von Jed­ins Bo­lo­gne­ser Freun­den er­ar­bei­tet und von ihm mit ei­nem Vor­wort ver­se­hen, ein Kom­pen­di­um der De­kre­te al­ler Öku­me­ni­schen Kon­zi­li­en für die Hand der Kon­zils­vä­ter und al­ler mit der Kon­zils­ma­te­rie Be­fass­ten.

Wäh­rend der Kon­zils­jah­re 1962-1965 war Je­din amt­lich be­stell­ter „Pe­ri­tus" (Sach­ver­stän­di­ger) des Kon­zils und Be­ra­ter des Mün­che­ner Kar­di­nals Ju­li­us Döpf­ner (1913-1976). Zu­sam­men mit sei­nen Bo­lo­gne­ser Freun­den (au­ßer Al­be­ri­go und Pro­di Don Giu­sep­pe Dos­set­ti) er­ar­bei­te­te er für das Kon­zil ei­ne brauch­ba­re Ge­schäfts­ord­nung, die Kar­di­nal Döpf­ner bei Papst Paul VI. (Pon­ti­fi­kat 1963-1978) statt des un­ge­eig­ne­ten ers­ten „Ri­go­la­men­to" durch­zu­set­zen wuss­te.

Noch vor dem En­de des Kon­zils ließ Je­din sich 1965 mit 65 Jah­ren eme­ri­tie­ren, um Zeit für sein seit den rö­mi­schen Jah­ren ge­wach­se­nes Le­bens­werk zu ge­win­nen: die vier­bän­di­ge „Ge­schich­te des Kon­zils von Tri­ent" (er­schie­nen 1949, 1957, 1970 und 1975), von der Kon­rad Rep­gen sagt: „Sei­ne vier­bän­di­ge Dar­stel­lung die­ser Kir­chen­ver­samm­lung zählt zu den in­ter­na­tio­nal her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen des Fachs Ge­schich­te im 20. Jahr­hun­dert." Par­al­lel ar­bei­te­te Je­din (mit ge­wich­ti­gen Ei­gen­bei­trä­gen) an der Her­aus­ga­be des sie­ben­bän­di­gen „Hand­buchs der Kir­chen­ge­schich­te", das in den Jah­ren 1962-1979 er­schien.

Hu­bert Je­din hat­te auf das Kon­zil durch sei­nen Rat an die Kar­di­nä­le Frings und Döpf­ner, vor al­lem durch sei­ne Mit­ge­stal­tung an ei­ner funk­ti­ons­fä­hi­gen Ge­schäfts­ord­nung, er­heb­li­chen Ein­fluss ge­nom­men. Nach 1965 wur­de aus dem Pro­mo­tor des Kon­zils bald ein Kon­zils­skep­ti­ker. In sei­nem „Le­bens­be­richt" schrieb Je­din: „Wäh­rend der letz­ten Wo­chen der Ta­gung gab ich al­len deut­schen Bi­schö­fen, mit de­nen ich zu­sam­men­traf, ei­nen aus der Er­fah­rung der Kon­zi­li­en­ge­schich­te ge­schöpf­ten Rat: fest und un­be­irrt auf der Be­ob­ach­tung der Kon­zils­de­kre­te zu be­ste­hen und sich we­der nach rechts – auf ei­nen ih­re Wir­kung schmä­lern­den Tra­di­tio­na­lis­mus – noch nach links – auf über sie hin­aus­ge­hen­de ra­di­ka­le Maß­nah­men – ab­drän­gen zu las­sen. Mei­ne Be­fürch­tun­gen gin­gen eher in die ers­te Rich­tung. Ich täusch­te mich gründ­lich." Die­se Ein­schät­zung Jed­ins traf zu­min­dest für die ers­ten Jah­re nach dem Zwei­ten Va­ti­ka­ni­schen Kon­zil zu, die er noch er­leb­te. Er starb am 16.7.1980 in Bonn.

Werke (Auswahl)

Ge­schich­te des Kon­zils von Tri­ent, 4 Bän­de, Frei­burg i.Br. u.a. 1949-1975.
Hand­buch der Kir­chen­ge­schich­te, 7 Bän­de, Frei­burg i.Br. u.a. 1962-1979 (un­ter der Her­aus­ge­ber­schaft Jed­ins).
Klei­ne Kon­zi­li­en­ge­schich­te. Die zwan­zig Öku­me­ni­schen Kon­zi­li­en im Rah­men der Kir­chen­ge­schich­te, Frei­burg i.Br. 1959.
Le­bens­be­richt. Mit ei­nem Do­ku­men­ten­an­hang, hg. von Kon­rad Rep­gen, Mainz 1984.

Literatur

Böhm, Ro­land, Ar­ti­kel „Je­din, Hu­bert", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 3 (1992), Sp. 1-5.
Rep­gen, Kon­rad, Hu­bert Je­din (1900-1980), in: Zeit­ge­schich­te in Le­bens­bil­dern, Band 7, Mainz 1994, S. 175-191 (Bi­blio­gra­phi­sche und Li­te­ra­tur­hin­wei­se S. 301-302).
Smo­lins­ky, He­ri­bert (Hg.), Die Er­for­schung der Kir­chen­ge­schich­te. Le­ben, Werk und Be­deu­tung von Hu­bert Je­din (1900-1980), Müns­ter i.W. 2001.

Hubert Jedin, Portraitfoto, Foto: Dorothea Bleibtreu. (Universitätsarchiv Bonn)

 
Zitationshinweis

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Trippen, Norbert, Hubert Jedin, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hubert-jedin/DE-2086/lido/57c92cff9b1db0.30391819 (abgerufen am 19.03.2024)