Horst Schönemann

Schauspieler und Regisseur (1927–2002)

Helmut Müller-Enbergs (Berlin)

Horst Schönemann, Porträtfoto, um 1975, Foto: Gisela Brandt.

Horst Schö­ne­mann war ein an­ge­se­he­ner Re­gis­seur und Schau­spie­ler. Mit er­folg­rei­chen In­sze­nie­run­gen und wich­ti­gen Rol­len auf den Büh­nen in Ber­lin, Hal­le und Dres­den war der ge­bür­ti­ge Wup­per­ta­ler Teil der kul­tu­rel­len Eli­te in der DDR.

Ge­bo­ren wur­de Horst Schö­ne­mann am 19.1.1927 in Wup­per­tal-El­ber­feld als Sohn des Gra­fi­kers Adal­bert Schö­ne­mann und An­ne, ge­bo­re­ne Ul­rich. Er be­such­te von 1933 bis 1937 die Volks­schu­le in Wup­per­tal, von 1937 bis 1947 die Ober­schu­le in Düs­sel­dorf und Wer­ni­ge­ro­de, wech­sel­te al­so von West- nach Ost­deutsch­land in ein am Nord­rand des Har­zes ge­le­ge­nes Ört­chen. Mit 20 Jah­ren wur­de er oh­ne je­de künst­le­ri­sche Aus­bil­dung 1947/1948 Schau­spie­ler am Stadt­thea­ter Wer­ni­ge­ro­de. Schö­ne­mann mach­te Ein­druck, denn er er­hielt von 1948 bis 1950 an der Schau­spiel­schu­le des Deut­schen Thea­ters in Ber­lin ei­ne Aus­bil­dung bei der Schau­spie­le­rin Ger­da Mül­ler (1895–1951).

Noch wäh­rend die­ser Aus­bil­dung war das SED-Mit­glied Schau­spie­ler und Re­gie­as­sis­tent am Deut­schen Thea­ter und seit 1951 Schau­spie­ler in DE­FA-Fil­men. 1952 brach­te er sei­ne ers­te In­sze­nie­rung am Thea­ter der Berg­ar­bei­ter, spä­ter Stadt­thea­ter in Senf­ten­berg auf die Büh­ne, wo er von 1954 bis 1959 Ober­spiel­lei­ter war. 1959 wech­sel­te er als Re­gis­seur an das Ma­xim-Gor­ki-Thea­ter in Ber­lin, was er bis 1963 blieb. An­schlie­ßend war er bis 1966 Ober­spiel­lei­ter der Ver­ei­nig­ten Büh­nen des Ma­xim-Gor­ki-Thea­ters und der Volks­büh­ne in Ber­lin. Von Ber­lin ging er 1966 – er galt be­reits als ei­ner der füh­ren­den Re­gis­seu­re in der DDR – nach Hal­le, um dort am Lan­des­thea­ter Ober­spiel­lei­ter und zu­gleich stell­ver­tre­ten­der In­ten­dant zu wer­den. Im glei­chen Jahr wur­de er Mit­glied des Vor­stan­des der Thea­ter­schaf­fen­den der DDR und 1969 der Deut­schen Aka­de­mie der Küns­te. 1972 ging er als Ober­spiel­lei­ter am Deut­schen Thea­ter zu­rück nach Ber­lin, wo er 1979 zum künst­le­ri­schen Lei­ter be­stellt wur­de. 1981 wech­sel­te er als Re­gis­seur und Schau­spiel­di­rek­tor an das Säch­si­sche Staats­schau­spiel in Dres­den. In die­ser Zeit ge­hör­te er der SED-Kreis­lei­tung Dres­den an.

Für Horst Schö­ne­mann kön­nen gut 80 Büh­nen­in­sze­nie­run­gen nach­ge­wie­sen wer­den, dar­un­ter 30 Ur- be­zie­hungs­wei­se DDR-Erst­auf­füh­run­gen: 1952 am Deut­schen Thea­ter „Die Mo­ral der Frau Duls­ki“, 1956 in Senf­ten­berg und 1971 in Hal­le „Nacht­asy­l“, 1956 in Hal­le „Die Räu­ber“, 1968 die le­gen­dä­re Ur­auf­füh­rung in Hal­le von „Die Au­la“ von Her­mann Kant, 1972 in Hal­le die Ur­auf­füh­rung von „Die neu­en Lei­den des jun­gen W.“ oder 1979 die Ur­auf­füh­rung am Deut­schen Thea­ter von „Gu­ten Mor­gen, du Schö­ne“. In Dres­den, das in den 1980er Jah­ren ei­ne ver­gleichs­wei­se li­be­ra­le Büh­nen­at­mo­sphä­re ver­kör­per­te, in­sze­nier­te er 1980 „Jut­ta oder die Kin­der von Da­mut­z“ (1995 in der Se­rie „Po­li­zei­ruf 110“ ver­filmt), 1982 „Don Kar­los“, 1983 die DDR-Erst­auf­füh­rung „Bru­der Eich­man­n“, 1984/1985 „Der Stur­m“, 1985 „Wir, die Erst­un­ter­zeich­nen­den“, im No­vem­ber 1986 im re­stau­rier­ten Dresd­ner Schau­spiel­haus „Min­na von Bar­n­heim“ von Les­sing, 1987 „Som­mer­gäs­te“, 1990 „Lau­ra und Lot­te" und „On­kel Wan­ja“ von An­ton Tsche­chow, 1991 „Hoch­zeit“ (mit Pe­ter Her­den), 1992 die Ur­auf­füh­rung „Spiel’s noch mal, Sam“ von Woo­dy Al­len und 1993 „Pur­pur­stau­b“.

Horst Schö­ne­mann war über­dies in über zehn Fil­men als Dar­stel­ler zu se­hen. 1954/1955 spiel­te er in der DE­FA-Pro­duk­ti­on „Ho­tel­boy Ed Mar­tin“ (Re­gie: Ernst Kah­ler und Karl­heinz Bie­ber) den Wa­de, 1955/1957 war er Dar­stel­ler in dem DE­FA-Spiel­film „Der Fa­ckel­trä­ger“ (Re­gie: Jo­han­nes Knit­tel, Dreh­buch: Fried­rich Karl Hart­mann, Wal­ter Ju­pé), der die Ent­füh­rungs­pro­ble­ma­tik auf­greift. 1956/1957 spiel­te er den Ber­tram in „Spiel­bank-Af­fä­re“, ei­ner deutsch-schwe­di­schen Ko­pro­duk­ti­on (Re­gie und Dreh­buch: Ar­thur Pohl). 1958 war er Dar­stel­ler im „Lied der Ma­tro­sen" (Re­gie: Kurt Maet­zig und Gün­ter Reisch; Dreh­buch: Karl Ge­org Egel und Paul Wiens), in dem Hil­mar Tha­te den Lud­wig Ba­tu­schek, Wolf­gang Lang­hoff ei­nen Rechts­an­walt und Ek­ke­hard Schall den Eber­hard Schu­ckert spiel­te. 1960 bis 1962 be­fass­te sich der Film „Ärz­te“ mit der „Re­pu­blik­fluch­t“ von Me­di­zi­nern aus der DDR (Re­gie: Lutz Köh­lert; Dreh­buch: Egon Gün­ther). Horst Schö­ne­mann ist in der Rol­le ei­nes Ab­wer­bers aus West-Ber­lin zu se­hen. 1962/1963 spiel­te er in dem Film „Re­ser­viert für den Tod (Re­gie: Heinz Thiel; Dreh­buch: Ger­hard Bengsch) mit, in dem Hans-Pe­ter Mi­net­ti den Erich Be­cker ver­kör­per­te. 1986 bis 1988 war er Dar­stel­ler in dem Film „Ve­ra – Der schwe­re Weg der Er­kennt­nis (Re­gie und Dreh­buch: Horst See­mann), in dem Pe­ter So­dann die Rol­le des US-Ge­ne­rals Ra­thers spiel­te.

Auch nach dem Bei­tritt der DDR zur Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ar­bei­te­te er in Fil­men mit, wo­bei er in dem vom WDR 1990/1991 in Auf­trag ge­ge­be­nen Film „Zwi­schen Pan­kow und Zeh­len­dor­f“ dem Re­gis­seur und Dreh­buch­au­tor Horst See­mann treu blieb. In dem Film ver­kör­pert Co­rin­na Har­fouch Isol­de Wün­sche. 1992 spiel­te er in der Tat­ort­fol­ge aus Dres­den „Tod aus der Ver­gan­gen­heit“ ei­nen Ge­richts­me­di­zi­ner“. In sei­nem letz­ten Film – Horst Schö­ne­mann war 69 Jah­re alt – war er 1996 Dar­stel­ler in „Stub­be und die an­de­re Frau“ (Re­gie: Chris­ta Mühl), der im Auf­trag der Po­ly­phon ge­dreht wur­de.

Mit 65 Jah­ren, 1993, trat Horst Schö­ne­mann kür­zer. Doch ganz zog er sich nicht zu­rück. 1995 führ­te er Re­gie in „Ein­sa­me Men­schen“ von Ger­hard Haupt­mann am Staats­schau­spiel Dres­den, in „Wie es Euch ge­fäll­t“ von Wil­liam Shake­speare, „Tartuf­f­e“ von Mo­liè­re, Pun­ti­la und sein Knecht Mat­ti von Brecht, „Der Bi­ber­pelt­z“ und „Die Rat­ten“ von Ger­hard Haupt­mann, 2000/2001 Re­gie in „Das Haus in Mon­te­vi­deo“ in Dres­den. Er starb nach schwe­rer Krank­heit am 14.6.2002 in Dres­den. Be­gra­ben liegt er auf dem Fran­zö­si­schen Fried­hof I (beim  Do­ro­the­en­städ­ti­schen Kirch­hof) in Ber­lin.

Literatur

Fun­ke, Chris­toph/Ull­rich, Pe­ter (Hg.), An­re­gung oder Was ist heu­te re­vo­lu­tio­när? Ein Thea­ter­abend un­ter Lei­tung von Horst Schö­ne­mann. Do­ku­men­ta­ti­on über den Ver­such des Lan­des­thea­ters Hal­le, mit ei­nem auf neue Art er­ar­bei­te­ten Büh­nen­stück ge­sell­schaft­lich zu wer­den, Ber­lin 1970.
Fun­ke, Chris­toph, Der Re­gis­seur Horst Schö­ne­mann. Be­richt, Ana­ly­se, Do­ku­men­ta­ti­on, Ber­lin 1971.
Lin­zer, Mar­tin, Horst Schö­ne­mann, in: Thea­ter der Zeit (1989) 10, S. 12–16.

 
Zitationshinweis

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Müller-Enbergs, Helmut, Horst Schönemann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/horst-schoenemann/DE-2086/lido/57c94956ce5a39.29797713 (abgerufen am 19.04.2024)