Ernst Waldthausen

Wollgroßhändler, Industrieller (1811–1883)

Michael A. Kanther (Duisburg)

Ernst Waldthausen, 1906, Porträtfoto. (Haus der Essener Geschichte / Stadtarchiv)

Ernst Waldthau­sen ge­hör­te ei­ner alt­ein­ge­ses­se­nen, weit ver­zweig­ten Fa­mi­lie de­s Es­se­ner Bür­ger­tums an, die durch Be­tä­ti­gung im Gro­ßhan­del mit Schur­wol­le zu Wohl­stand ge­kom­men war und zu der Zeit, als im heu­ti­gen Ruhr­ge­biet dank neu­er tech­ni­scher Ver­fah­ren ei­ne mas­si­ve Aus­deh­nung des Stein­koh­len­berg­bau­es durch Tief­bau­schäch­te und ein Boom der Ver­hüt­tung und Ver­ar­bei­tung von Ei­sen ein­setz­te, über flüs­si­ges Ka­pi­tal ver­füg­te, das in den ka­pi­tal­hung­ri­gen Bran­chen des Berg­bau­es und der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie in­ves­tiert wer­den konn­te. Er blieb zwar in ers­ter Li­nie Woll­gro­ßhänd­ler, be­ein­fluss­te je­doch auch die Ent­wick­lung neu ge­grün­de­ter mon­tan­in­dus­tri­el­ler Un­ter­neh­men wie der Aren­berg­schen AG für Berg­bau und Hüt­ten­be­trieb (Es­sen/Bot­trop), die spä­ter ein Teil des Rhe­in­stahl-Kon­zerns wur­de, und des Ac­ti­en­ver­eins Duis­bur­ger Hüt­te. Mit sei­nem Bru­der Ju­li­us führ­te er das er­erb­te Han­dels­haus zu be­trächt­li­chem Wachs­tum und aus dem na­tio­na­len Markt für Wol­le in den Welt­markt. Als Prä­si­dent der Es­se­ner Han­dels­kam­mer über 35 Jah­re en­ga­gier­te er sich für die In­ter­es­sen der ge­sam­ten in­dus­tri­el­len und kom­mer­zi­el­len Wirt­schaft des heu­ti­gen Es­se­ner Stadt­ge­bie­tes.

Gus­tav Ernst Waldthau­sen wur­de am 20.5.1811 als zwei­ter Sohn des Woll­händ­lers Jo­hann Con­rad Waldthau­sen (1779–1854) und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Waldthau­sen, ge­bo­re­ne von Hal­fern (1782–1814) in Es­sen ge­bo­ren und war evan­ge­li­schen Be­kennt­nis­ses. Die aus dem Raum Ha­meln stam­men­de Fa­mi­lie Waldthau­sen war seit 1679, als Jus­tus Wil­helm Waldthau­sen (1655–1728) zu­ge­zo­gen war und ei­ne An­stel­lung als Apo­the­ker­ge­hil­fe an­ge­nom­men hat­te, in Es­sen an­säs­sig. Die­ser Es­se­ner Neu­bür­ger er­öff­ne­te schon 1681 ei­ne ei­ge­ne Apo­the­ke an der Lim­be­cker Stra­ße und stieg bald in die füh­ren­de Schicht der Stadt auf; 1705 wur­de er Mit­glied des Stadt­ra­tes. Sein Sohn Jo­hann Wil­helm (1707–1792) stu­dier­te die Rechts­wis­sen­schaf­ten und war wohl zu­nächst Ju­rist, er­öff­ne­te je­doch spä­ter ei­ne Hand­lung für Ko­lo­ni­al-, Spe­ze­rei- und Ma­nu­fak­tur­wa­ren. Die drit­te Ge­ne­ra­ti­on ver­tra­ten die Brü­der Jus­tus (1736–1821) und Wil­helm Waldthau­sen (1752–1841), die 1779 ge­mein­schaft­lich ei­ne Schur­woll­hand­lung grün­de­ten. Das Un­ter­neh­men, das bis 1820 exis­tier­te, be­zog über Ams­ter­dam spa­ni­sche und por­tu­gie­si­sche Roh­wol­le und säch­si­sche Roh­wol­le aus Leip­zig und Naum­burg. Jus­tus und Wil­helm Waldthau­sen ge­hör­ten 1828 zu den Grün­dern der Es­se­ner Ge­sell­schaft Ver­ein, ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses von Ho­no­ra­tio­ren aus der lo­ka­len Wirt­schaft und der hö­he­ren Be­am­ten­schaft.

Wäh­rend der Kon­ti­nen­tal­sper­re ging der deut­sche Woll­han­del er­heb­lich zu­rück, und es war wohl die­sem Um­stand ge­schul­det, dass Wil­helm Waldthau­sen zu­sam­men mit ei­nem Schwie­ger­sohn ne­ben­her ei­ne Farb- und Ko­lo­ni­al­wa­ren­hand­lung be­trieb; er war fer­ner Mit­in­ha­ber der gro­ßen Blau­fär­be­rei sei­nes Schwa­gers Jo­hann Ja­kob Has­ten. Am 1.5.1820 wur­de die „al­te“, seit 1779 be­ste­hen­de Woll­hand­lung auf­ge­löst. Aus ihr gin­gen zwei neue Woll­hand­lun­gen her­vor, Jus­tus Waldthau­sen Söh­ne, be­trie­ben von ei­nem Sohn, ei­nem Schwie­ger­sohn und ei­nem En­kel Jus­tus Waldthau­sens, und Wil­helm & Con­rad Waldthau­sen, ge­grün­det von Jus­tus’ Bru­der Wil­helm und sei­nem Sohn Jo­hann Con­rad.

Die­ses Un­ter­neh­men dehn­te sei­ne Tä­tig­keit auch auf den Han­del mit fer­ti­gen Tu­chen aus; dann ka­men ei­ne ei­ge­ne We­be­rei und ei­ne Fär­be­rei hin­zu. Die Roh­wol­le, mit der Va­ter und Sohn Waldthau­sen han­del­ten, be­zo­gen sie in den ers­ten Jahr­zehn­ten nach 1820 grö­ß­ten­teils aus Schle­si­en und Sach­sen, den haupt­säch­li­chen Re­gio­nen der deut­schen Schaf­zucht, da­ne­ben im­por­tier­te man Wol­le aber wohl auch noch aus Spa­ni­en; die Ab­neh­mer wa­ren Tuch­fa­bri­kan­ten in Kett­wig (J. W. Scheidt), Wer­den, Hat­tin­gen und dem Ber­gi­schen Land. An der Kö­nig­stra­ße in Es­sen wur­de ein vier­ge­schos­si­ges La­ger­haus für Wol­le ge­baut.

Con­rad Waldthau­sens ers­te Ehe­frau Ma­ria von Hal­fern, die er 1809 ge­hei­ra­tet hat­te, ent­stamm­te ei­ner Mül­hei­mer Fa­mi­lie und starb bei der Ge­burt ih­res drit­ten Kin­des Ma­ria Loui­se. Ernst, das zweit­äl­tes­te Kind, be­such­te die lu­the­ri­sche Bür­ger­schu­le in Es­sen und viel­leicht auch ei­ni­ge Jah­re das Es­se­ner Gym­na­si­um, leg­te je­doch nicht die Ab­itur­prü­fung ab. Er lern­te den Kauf­manns­be­ruf zu­nächst bei sei­nem Va­ter und Gro­ßva­ter und ging an­schlie­ßend bei dem Len­ne­per Tuch­fa­bri­kan­ten von Pol­lem in die Leh­re. An­schlie­ßend trat er wie sein zwei Jah­re äl­te­rer Bru­der Ju­li­us, der im Köl­ner Bank­haus Her­statt und bei ei­nem Woll­händ­ler in Aschers­le­ben aus­ge­bil­det wor­den war, 1831 in das vä­ter­li­che Un­ter­neh­men ein. Zu den Pflich­ten der Brü­der ge­hör­ten Ein­kaufs­rei­sen nach Leip­zig, das ei­ner der wich­tigs­ten Märk­te für Roh­wol­le war, aber auch die Be­su­che der Kun­den im Ber­gi­schen Land. Im sel­ben Jahr 1831 rich­te­te das Un­ter­neh­men ein Woll­la­ger in Len­nep (heu­te Stadt Rem­scheid) ein. Am 1.5.1836 wur­den Ju­li­us und Ernst von Va­ter und Gro­ßva­ter als Teil­ha­ber auf­ge­nom­men; am 23. Au­gust des­sel­ben Jah­res hei­ra­te­te Ernst Waldthau­sen sei­ne 1817 ge­bo­re­ne Cou­si­ne Ama­lie Waldthau­sen, de­ren Va­ter Jo­hann Fried­rich in Es­sen ei­ne Fär­be­rei be­trieb.

1839 starb Ama­lie Waldthau­sen bei ei­ner Früh­ge­burt, die auch das Kind nicht über­leb­te. Am 5.3.1844 schloss Ernst mit ei­ner an­de­ren Cou­si­ne, He­le­ne So­phie Waldthau­sen (ge­bo­ren 1825 in Es­sen), Toch­ter von Jo­hann Ar­nold Waldthau­sen, ei­ne zwei­te Ehe. Es ka­men sie­ben Kin­der zur Welt, zu­erst drei Töch­ter, dann vier Söh­ne. Die Fa­mi­lie wohn­te in ei­ner Vil­la au­ßer­halb der Es­se­ner Alt­stadt, gleich nörd­lich des Vie­ho­fer To­res.

Nach­dem Ju­li­us und Ernst Waldthau­sen als Teil­ha­ber in die Woll­hand­lung ein­ge­tre­ten wa­ren, nahm die Ge­schäfts­tä­tig­keit von Jahr zu Jahr zu; Roh­wol­le wur­de nun nicht mehr nur in Bres­lau und Leip­zig, son­dern auch in Frank­furt a.M., Ber­lin und im Mans­fel­der Land ein­ge­kauft. Der Ab­satz der Waldthau­sen’schen Wol­le hat­te sich schon um 1825 auf die In­dus­trie­re­gi­on um Aa­chen und Dü­ren aus­ge­dehnt, und nun, rund ein Jahr­zehnt spä­ter, ge­wann man so­gar in Bel­gi­en und Frank­reich Ab­neh­mer. Kre­di­te er­hielt das Un­ter­neh­men von na­tio­nal be­deu­ten­den Ban­ken wie von der Heydt, Kers­ten & Söh­ne in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal), I. D. Her­statt in Köln und An­halt & Wag­ner in Ber­lin. Wohl in den 1840er Jah­ren wur­de der Woll­hand­lung ein ei­ge­nes Bank­ge­schäft an­ge­glie­dert, das zu­nächst die Auf­ga­be hat­te, De­vi­sen an­zu­kau­fen, mit de­nen die Woll­im­por­te aus dem Aus­land be­zahlt wer­den soll­ten; spä­ter dien­te es auch da­zu, Ka­pi­tal in jun­ge Un­ter­neh­men des Stein­koh­len­berg­bau­es und der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie zu in­ves­tie­ren. Am 1.5.1842 zog sich Jo­hann Con­rad Waldthau­sen aus dem Ge­schäft zu­rück; die Söh­ne Ju­li­us und Ernst agier­ten fort­an ganz frei. Wahr­schein­lich exis­tier­te da­mals schon ei­ne ei­ge­ne Woll­sor­tie­re­rei in Es­sen; 1865 bau­ten die Brü­der an der Brun­nen­stra­ße ei­ne Woll­wasch­an­la­ge.

In den 1860er Jah­ren, als die deut­sche Schur­woll­pro­duk­ti­on mit der Nach­fra­ge nicht mehr Schritt hielt, nah­men Ju­li­us und Ernst Waldthau­sen den Welt­markt ins Vi­sier. Sie be­gan­nen, in Lon­don süd­afri­ka­ni­sche und aus­tra­li­sche Roh­wol­le und in Ant­wer­pen süd­ame­ri­ka­ni­sche Sor­ten ein­zu­kau­fen. In Aa­chen, wo sich der Halb­bru­der Ro­bert Waldthau­sen (1821-1883) als Tuch­fa­bri­kant eta­bliert hat­te, rich­te­te die Fir­ma ei­ne „Nie­der­la­ge“ für Roh­wol­le ein, das drit­te gro­ße La­ger nach den Spei­chern in Es­sen und Len­nep. Der Kun­den­kreis wei­te­te sich er­neut, man ver­kauf­te Wol­le nun auch in der Schweiz, in Ita­li­en, Spa­ni­en, Schwe­den und Russ­land. 1867 stell­te Ernst Waldthau­sen in Lon­don ei­nen ei­ge­nen Ver­tre­ter an, nach­dem schon in Kö­nigs­berg, Dan­zig und Po­sen Agen­ten für das Haus tä­tig wa­ren. In Wien ent­stand um die­se Zeit ein De­pot für die Roh­wol­le, die man in der ös­ter­reich-un­ga­ri­schen Mon­ar­chie auf­kauf­te, in Bar­ce­lo­na ein in Kom­mis­si­on für das Haus Waldthau­sen be­trie­be­nes Woll­la­ger. Als Ju­li­us Waldthau­sen 1873 im Al­ter von 63 Jah­ren starb, wur­de Ernst Al­lein­ei­gen­tü­mer der Woll­hand­lung, die ih­ren Platz an der Spit­ze ih­rer Bran­che in Deutsch­land und Eu­ro­pa bis ins 20. Jahr­hun­dert be­haup­te­te.

Die Brü­der Waldthau­sen ver­füg­ten über Ka­pi­tal in sehr be­trächt­li­cher Hö­he und such­ten nach Mög­lich­kei­ten, es ge­winn­brin­gend an­zu­le­gen. Sie muss­ten nicht lan­ge Aus­schau hal­ten, denn im Ruhr­ge­biet hat­te die Su­che nach Stein­koh­le in gro­ßem Maß­stab ein­ge­setzt, und über­all in der „Em­scher­zo­ne“ des heu­ti­gen Re­viers wur­den Boh­run­gen un­ter­nom­men und Mu­tun­gen auf Koh­le ein­ge­legt. Noch in den 1840er Jah­ren fi­nan­zier­ten die Brü­der Waldthau­sen im Be­zirk des her­zog­lich aren­ber­gi­schen Berg­re­gals, im heu­ti­gen Stadt­ge­biet von Bot­trop, Boh­run­gen nach Stein­koh­le, die auch er­folg­reich wa­ren. Sie ga­ben dem Koh­le­vor­kom­men, das ent­deckt wor­den war, nach dem Her­zog Pros­per Lud­wig von Aren­berg den Na­men Pros­per. 1856 grün­de­ten sie mit 26 wei­te­ren Pri­vat­per­so­nen, dar­un­ter vier Fa­mi­li­en­mit­glie­dern, die Aren­berg­sche Ac­ti­en-Ge­sell­schaft für Berg­bau und Hüt­ten­be­trieb, die zu­nächst ein Grund­ka­pi­tal von ei­ner Mil­li­on Ta­ler hat­te. Man be­gann mit der Ab­teu­fe ei­ner Pros­per I ge­nann­ten Schacht­an­la­ge bei Bot­trop, die ho­he Kos­ten ver­ur­sach­te; die Ge­sell­schaft konn­te erst 1867 ei­ne Di­vi­den­de aus­schüt­ten. Ernst Waldthau­sen, Ju­li­us Ha­ni­el, Lud­wig Huys­sen und der Ju­rist Fried­rich Ham­ma­cher bil­de­ten den ers­ten Ver­wal­tungs­rat des Un­ter­neh­mens. Ernst Waldthau­sen woll­te schon 1856 dem Berg­werk ein Hüt­ten­werk an­glie­dern, um die star­ke Nach­fra­ge nach Ei­sen aus­zu­nut­zen, nahm aber an­ge­sichts der 1857 her­ein­bre­chen­den, welt­wei­ten Wirt­schafts­kri­se da­von Ab­stand. Die Schacht­an­la­ge Pros­per der Aren­berg­schen AG be­gann 1860/1861 mit der För­de­rung von Koh­le und 1865 mit der Ver­ko­kung der Koh­le in ei­ner ei­ge­nen Ko­ke­rei. 1868 lös­te Ernst Waldthau­sen Fried­rich Ham­ma­cher als Vor­sit­zen­der des Ver­wal­tungs­ra­tes ab. 1879 über­nahm sein drit­ter Sohn Os­car (1854-1906) die kauf­män­ni­sche und tech­ni­sche Lei­tung der Ze­che.

Bei der 1861 durch Ver­ei­ni­gung der Berg­wer­ke Em­ma und Blan­ken­stein ge­bil­de­ten Ge­werk­schaft Cen­trum, an der auch Fried­rich Gril­lo be­tei­ligt war, lei­te­te Ernst Waldthau­sen den Gru­ben­vor­stand; er zog sich aber 1875 oder et­was spä­ter aus dem 1873 in ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft um­ge­wan­del­ten Un­ter­neh­men zu­rück, weil er es auf län­ge­re Sicht als we­nig ent­wick­lungs­fä­hig an­sah. 1871 er­gab sich wie­der ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit Fried­rich Gril­lo, als man in Rau­xel die Ge­werk­schaft Vic­tor ins Le­ben rief. Ernst Waldthau­sen fand nach dem Woll­han­del im Berg­bau ei­ne zwei­te Pas­si­on. Er küm­mer­te sich bei den Ze­chen, an de­nen er be­tei­ligt war, auch um Ein­zel­hei­ten der Be­triebs­füh­rung und fuhr oft in die Gru­ben ein.

An­fang Ju­ni 1848 war er ne­ben Franz und Hu­go Ha­ni­el, Ma­thi­as Stin­nes, sei­nem Vet­ter Fritz Waldthau­sen und an­de­ren Mit­grün­der ei­nes Ver­eins der Berg­ge­wer­ken in den Berg­amts­be­zir­ken Es­sen, Wer­den, Broich (Stadt Mül­heim an der Ruhr), Har­den­berg und Bo­chum mit Sitz in Es­sen. Bei der Grün­dung des Ver­eins für die berg­bau­li­chen In­ter­es­sen im Ober­berg­amts­be­zirk Dort­mund (Berg­bau­ver­ein) am 17.12.1858, des­sen Haupt­auf­ga­be die For­mu­lie­rung der Bran­chen­in­ter­es­sen des Ruhr­berg­bau­es war, wur­de Ernst Waldthau­sen in den Vor­stand ge­wählt. Nach der für die Es­se­ner Ge­wer­ken schmerz­li­chen Auf­lö­sung der Es­se­ner Berg­schu­le im Jahr 1863, ei­ner Fol­ge der Auf­he­bung des Es­sen-Wer­de­ner Berg­am­tes zwei Jah­re zu­vor, konn­te Waldthau­sen er­rei­chen, dass in Es­sen 1869 ei­ne Berg­schu­le „zwei­ter Klas­se“ ge­schaf­fen wur­de, die in zwei­jäh­ri­gen Kur­sen Stei­ger aus­bil­de­te.

In der 1869 ein­set­zen­den gu­ten Kon­junk­tur der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie schlos­sen sich Ernst und Ju­li­us Waldthau­sen mit den Duis­bur­ger Un­ter­neh­mern Berninghaus und Brock­hoff zu­sam­men, um 1870/1871 den Ac­ti­en­ver­ein Duis­bur­ger Hüt­te zu grün­den. Die­ses Un­ter­neh­men bau­te auf dem Duis­bur­ger Hoch­feld ein Pud­del- und ein Walz­werk so­wie ei­ne Blech­schmie­de mit ei­nem Press­werk und stell­te Kes­sel- und Spe­zi­al­b­le­che her. 1891 ging die Duis­bur­ger Ei­sen­hüt­te im Zu­ge ei­ner Fu­si­on in der Ac­ti­en­ge­sell­schaft Duis­bur­ger Ei­sen- und Stahl­wer­ke auf. Mit dem be­deu­tends­ten Ei­sen- und Stahl­in­dus­tri­el­len sei­ner Zeit, Al­fre­d Krupp, war der gleich­alt­ri­ge Ernst Waldthau­sen be­freun­det. Wäh­rend der Kri­se von 1857 wur­den Ernst und Ju­li­us Waldthau­sen durch ei­ne Ka­pi­tal­ein­la­ge von 240.000 Ta­lern, die mit 7 Pro­zent jähr­lich ver­zinst wur­de, stil­le Teil­ha­ber an der Guss­stahl­fa­brik Fried. Krupp. Al­fred Krupp, der sei­nen Kre­dit über­spannt hat­te und in drin­gen­den Ka­pi­talnö­ten war, muss­te den Teil­ha­bern ein Mit­spra­che­recht bei der Ge­schäfts­füh­rung ein­räu­men. Der ent­spre­chen­de Ver­trag wur­de zu­nächst auf vier Jah­re be­fris­tet. Ernst Waldthau­sen woll­te bei Krupp ein an­de­res Sys­tem der Buch­hal­tung ein­füh­ren, was Al­fred Krupp ab­weh­ren konn­te. Als der Ver­trag mit den Brü­dern Waldthau­sen 1861 ab­lief, nahm Krupp mit Hil­fe sei­nes Bru­ders Her­mann an­der­wei­tig Dar­le­hen auf, um die Waldthau­sens aus­zu­zah­len und wie­der Al­lein­herr­scher in sei­nem Un­ter­neh­men zu sein.

Im Re­vo­lu­ti­ons­jahr 1848 er­öff­ne­te sich für Ernst Waldthau­sen ein neu­es Tä­tig­keits­feld, als er zum vier­ten Prä­si­den­ten der acht Jah­re zu­vor ge­grün­de­ten Es­se­ner Han­dels­kam­mer ge­wählt wur­de. Er be­klei­de­te das Amt bis zu sei­nem To­de, 35 Jah­re lang, und hat in die­ser Zeit die Ent­wick­lung der lo­ka­len und re­gio­na­len In­dus­trie we­sent­lich mit­ge­prägt. Der Kam­mer­be­zirk um­fass­te 1848 nur die Städ­te Es­sen, Wer­den und Kett­wig und wur­de 1863 mit dem ge­sam­ten Kreis Es­sen zur De­ckung ge­bracht. Waldthau­sens Drän­gen war es zu ver­dan­ken, dass die Re­gie­rung durch die Ein­rich­tung ei­ner Agen­tur (1857), dann ei­ner Kom­man­di­te der Kö­nig­li­chen Bank (1863) in Es­sen die Mo­bi­li­sie­rung von Ka­pi­tal, das die ört­li­chen In­dus­tri­el­len drin­gend be­nö­tig­ten, er­leich­ter­te. Auch die Grün­dung der West­deut­schen Ver­si­che­rungs-Ac­ti­en-Bank durch Waldthau­sen und an­de­re In­dus­tri­el­le 1865/1866 ent­sprach ei­nem Be­dürf­nis der Es­se­ner Wirt­schaft; Waldthau­sen führ­te bis zu sei­nem To­de den Vor­sitz im Auf­sichts­rat der Bank. Als Mit­glied ei­ner von der Es­se­ner Stadt­ver­wal­tung ein­ge­setz­ten Kom­mis­si­on zur Grün­dung ei­ner Gas­an­stalt, die Es­sen ver­sor­gen soll­te, schuf er die Vor­aus­set­zun­gen für die Eta­blie­rung die­ses Un­ter­neh­mens in der Form ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft im Jahr 1855; die Ga­ser­zeu­gung be­gann im fol­gen­den Jahr. 1865 hat die Stadt Es­sen al­le Ak­ti­en der Ge­sell­schaft er­wor­ben.

Be­reits 1861 hat­te sich Ernst Waldthau­sen um die preu­ßi­sche Volks­wirt­schaft so ver­dient ge­macht, dass ihn die Re­gie­rung zum Kö­nig­li­chen Kom­mer­zi­en­rat er­nann­te. Er er­hielt die­se Aus­zeich­nung ne­ben neun an­de­ren In­dus­tri­el­len aus der Rhein­pro­vinz und als ein­zi­ger Un­ter­neh­mer aus dem Ruhr­ge­biet am 18.10.1861 an­läss­lich der Krö­nung Wil­helms I. zum Kö­nig von Preu­ßen in Kö­nigs­berg. In den fol­gen­den bei­den Jahr­zehn­ten ver­focht Ernst Waldthau­sen als Kam­mer­prä­si­dent noch meh­re­re Pro­jek­te zur För­de­rung der in­dus­tri­el­len Wirt­schaft in sei­nem Kam­mer­be­zirk und im ge­sam­ten Ruhr­ge­biet. 1856/1857 sorg­te er für die Ein­bin­dung Es­sens in das preu­ßi­sche Te­le­gra­phen­netz.

Seit 1861 stand er in Ver­bin­dung mit der Rhei­ni­schen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft, die ei­ne Bahn­ver­bin­dung von Köln über das Ruhr­ge­biet nach Bre­men plan­te; im Som­mer 1866 wur­de die Teil­stre­cke von Os­ter­rath am lin­ken Nie­der­rhein zum Bahn­hof Es­sen-Nord in Be­trieb ge­nom­men. Waldthau­sen konn­te er­rei­chen, dass von Es­sen-Nord ei­ne Ver­bin­dungs­stre­cke zum Bahn­hof Al­ten­es­sen der Köln-Min­de­ner Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft ge­baut wur­de. 1865 in­iti­ier­te er über die Han­dels­kam­mer die Grün­dung ei­ner Bör­se in Es­sen, die vor al­lem mit Berg­werks­an­tei­len (Ku­xen) han­deln soll­te und erst 1880 ei­ne staat­li­che Be­stä­ti­gung er­hielt. Sie be­gann mit der No­tie­rung der Ku­xe von 14 Ge­werk­schaf­ten und der Ak­ti­en der Ber­gisch-Mär­ki­schen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft; 1880 wur­den 172 Berg­bau– und In­dus­trie­wer­te no­tiert. In Waldthau­sens letz­ten Le­bens­jah­ren be­gann die 1875 ge­grün­de­te und eben­falls 1880 be­stä­tig­te Düs­sel­dor­fer Bör­se, auf Kos­ten der Es­se­ner Bör­se nach und nach den Han­del mit Ak­ti­en von Un­ter­neh­men der Ruhr­in­dus­trie an sich zu zie­hen. Seit 1856 warb Waldthau­sen ge­mein­sam mit Fried­rich Ham­ma­cher, spä­ter auch mit Wil­liam Tho­mas Mul­va­ny, für den Bau ei­nes „Em­scher-Ka­nal­s“, der als Ab­schnitt ei­nes Ka­nals vom Rhein zur We­ser und wei­ter zur El­be vom Ruhr­or­ter Ha­fen bis Dort­mund füh­ren soll­te. Ob­wohl die preu­ßi­sche Re­gie­rung die­sem Pro­jekt ge­gen­über zeit­wei­lig auf­ge­schlos­sen war, konn­te es nicht in die Tat um­ge­setzt wer­den. Erst sehr viel spä­ter ge­lang­te der al­te Plan mit dem 1914 er­öff­ne­ten Rhein-Her­ne-Ka­nal und dem süd­lichs­ten Ab­schnitt des Dort­mund-Ems-Ka­nals zur Ver­wirk­li­chung.

Wie ver­mut­lich al­le Mit­glie­der sei­ner weit ver­zweig­ten Fa­mi­lie war Ernst Waldthau­sen po­li­tisch (rechts–) li­be­ral ein­ge­stellt. Sein äl­te­rer Bru­der Ju­li­us und ein Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren Fa­mi­li­en­zwei­ges, Gus­tav Adolf Waldthau­sen, wa­ren in der Po­li­tik – im en­ge­ren Sin­ne, denn na­tür­lich wa­ren auch die Ak­ti­vi­tä­ten der Han­dels­kam­mer Po­li­tik – zu­nächst ak­ti­ver als Ernst. Ju­li­us war von 1848 bis zu sei­nem To­de Mit­glied der Es­se­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, Gus­tav Adolf Waldthau­sen kan­di­dier­te 1867 für den kon­sti­tu­ie­ren­den Reichs­tag des Nord­deut­schen Bun­des, un­ter­lag je­doch ei­nem Mit­be­wer­ber; 1872 war er Bei­ge­ord­ne­ter der Stadt Es­sen. Der gleich­falls li­be­ra­le Blau­fär­ber und Ge­wer­ke Fried­rich Wil­helm Waldthau­sen ge­hör­te seit 1847 der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung an; 1849 trat Mar­tin Wil­helm Waldthau­sen (1795–1870), ein Vet­ter zwei­ten Gra­des von Ernst Waldthau­sen, in den Es­se­ner Ma­gis­trat ein. Nach dem To­de sei­nes Bru­ders wur­de Ernst 1877 in das Stadt­par­la­ment ge­wählt, dem er bis zu sei­nem To­de an­ge­hör­te; sei­ne Va­ter­stadt ent­sand­te ihn auch in den Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tag.

Ernst Waldthau­sen er­krank­te 1882 schwer und such­te im Win­ter 1882/1883 ver­ge­bens Hei­lung in Wies­ba­den. Er starb am 22.1.1883 in Es­sen und wur­de auf dem al­ten Fried­hof vor dem Kett­wi­ger Tor bei­ge­setzt. Die Er­he­bung sei­ner Fa­mi­lie in den Adels­stand hat er nicht mehr er­lebt. Die äl­te­ren Söh­ne Ernst (ge­bo­ren 1851) und Al­fred (ge­bo­ren 1852) über­nah­men das Woll­han­dels­haus Wil­helm & Con­rad Waldthau­sen; der drit­te Sohn Os­car (1854–1906) rück­te in die Po­si­ti­on des Va­ters bei der Aren­berg­schen AG ein. Der jüngs­te Sohn Bru­no wur­de Ju­rist, die Toch­ter He­le­ne Cap­pell-Waldthau­sen (1848–1902) ei­ne be­deu­ten­de Kunst­samm­le­rin, de­ren Ver­mächt­nis in das heu­ti­ge Folk­wang-Mu­se­um ein­ging.

Literatur

Mews, Karl, Ernst Waldthau­sen (1811–1883). Ein Bei­trag zur rhei­nisch-west­fä­li­schen Wirt­schafts­ge­schich­te, in: Es­se­ner Bei­trä­ge 41 (1923), S. 40–54.
van Eyll, Kla­ra, Die Ge­schich­te ei­ner Han­dels­kam­mer, dar­ge­stellt am Bei­spiel der Han­dels­kam­mer Es­sen 1840 bis 1910, Köln 1964.
van Eyll, Kla­ra, Ernst Waldthau­sen, in: Rhei­nisch-West­fä­li­sche Wirt­schafts­bio­gra­phi­en, Band 9, Müns­ter 1967, S. 14–38.
Kra­wehl, Ot­to-Ernst, Die Es­se­ner Woll­hand­lung Wil­helm & Con­rad Waldthau­sen un­ter ih­rem ers­ten In­ha­ber Jo­hann Con­rad Waldthau­sen (1820–1836), in: Es­se­ner Bei­trä­ge 116 (2004), S. 103–147.

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Kanther, Michael A., Ernst Waldthausen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-waldthausen/DE-2086/lido/57c8319c11f639.62911009 (abgerufen am 19.04.2024)