Tauerei (Seil-Schleppschifffahrt) auf dem Rhein 1871-1905

Helmut Vogt (Bonn)

Modell des Rhein-Tauer VII, Steuerbordseite, Kölnisches Stadtmuseum. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

1. Die Idee

Auf den ers­ten Blick mu­te­te die Vor­stel­lung un­zeit­ge­mäß an: Kaum hat­te das Auf­kom­men frei na­vi­gie­ren­der Dampf­boo­te den Fluss- und Ka­nal­ver­kehr von den Be­schrän­kun­gen der tra­di­tio­nel­len Trei­del­schiff­fahrt be­freit, soll­te die Ein­füh­rung der Taue­rei (von franz. toua­ge be­zie­hungs­wei­se engl. to­wing) in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts die Schlep­per wie­der ans Seil oder an die Ket­te le­gen. An­ge­sto­ßen wur­den der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen durch den Bau der Ei­sen­bah­nen. Im Wett­be­werb zwi­schen den bei­den Ver­kehrs­trä­gern - am Rhein be­son­ders au­gen­fäl­lig durch die über wei­te Stre­cken an bei­den Ufern par­al­lel ver­lau­fen­den Li­ni­en - hol­te der Fracht­ver­kehr auf der Schie­ne schnell auf. Zwi­schen 1845 und 1860 ver­zehn­fach­te sich sein An­teil am ge­sam­ten per Bin­nen­schiff oder Bahn be­weg­ten Gü­ter­auf­kom­men in Deutsch­land. Be­son­ders beim Trans­port von Ruhr­koh­le zu den rhein­auf­wärts lie­gen­den Ver­brau­chern fand ein aus Sicht der Schiffs­eig­ner rui­nö­ser Preis­kampf statt: Zwi­schen 1855 und 1870 senk­te zum Bei­spiel die Rhei­ni­sche Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft den durch­schnitt­li­chen Fracht­ta­rif für Koh­le und Koks um mehr als 40 Pro­zent.

Was die Ei­sen­bahn den zeit­ge­nös­si­schen Rad­schlep­pern oder Schrau­ben­damp­fern vor­aus hat­te, war vor al­lem ei­ne güns­ti­ge­re Um­set­zung der Ma­schi­nen­leis­tung beim Vor­trieb. Wäh­rend die Rä­der der Lo­ko­mo­ti­ve die Kraft fast ver­lust­frei auf die fest in­stal­lier­ten Schie­nen brach­ten, ging auf Flüs­sen und Ka­nä­len ein be­trächt­li­cher Teil der Wir­kung durch den un­ver­meid­li­chen Schlupf ver­lo­ren. Im nach­gie­bi­gen Me­di­um Was­ser fan­den Rad­schau­feln oder Schiffs­pro­pel­ler weit we­ni­ger Halt als An­triebs­rä­der auf der Schie­ne oder Pfer­de­hu­fe auf dem Lein­pfad. Ganz aus­ge­prägt war die­ses Phä­no­men bei Berg­fahr­ten ge­gen star­ke Strö­mung, al­so im Mit­tel­rhein­tal, ins­be­son­de­re dem “Bin­ger Loch”, wo bei Strö­mungs­ge­schwin­dig­kei­ten von bis zu 3,5 Me­tern pro Se­kun­de Schlepp­schif­fe noch lan­ge Zeit Trei­del­pfer­de als Vor­spann an­for­dern muss­ten. Die Idee lag al­so na­he, an den un­be­streit­ba­ren Vor­tei­len des Was­ser­trans­ports von Mas­sen­gü­tern fest­zu­hal­ten, je­doch die ein­ge­setz­te En­er­gie ef­fi­zi­en­ter zu nut­zen, in­dem die Ma­schi­ne das Schiff un­mit­tel­bar an ei­nem fest ver­an­ker­ten Seil oder ei­ner Ket­te ge­gen die Strö­mung zu Ber­ge zog.

Ne­ben ei­ner Koh­le­er­spar­nis von bis zu 80 Pro­zent und ei­ner klei­ne­ren Be­die­nungs­mann­schaft (Ka­pi­tän, je zwei Steu­er­leu­te, Ma­schi­nis­ten und Hei­zer, drei Ma­tro­sen) ver­sprach das neue Sys­tem zwei wei­te­re Vor­tei­le: Als Fol­ge der we­sent­lich be­schei­de­ner di­men­sio­nier­ten Ma­schi­nen- und Kes­sel­an­la­ge hat­ten die Tau­er ei­nen deut­lich ge­rin­ge­ren Tief­gang als ein Rad­schlep­per der 1870er Jah­re, der es ein­schlie­ß­lich Koh­le­vor­rat auf ei­ne Ein­tauch­tie­fe von 1,80 bis 2 Me­tern brach­te. Der Tau­er konn­te al­so wäh­rend pe­ri­odisch auf­tre­ten­der Nied­rig­was­ser­stän­de auch die noch nicht künst­lich ver­tief­ten Strom­ab­schnit­te be­fah­ren, so dass in die­sen Zei­ten al­lein die Seil­schlep­per den Be­trieb auf­recht er­hiel­ten. Kon­struk­ti­ons­be­dingt ent­fie­len bei ih­nen zu­dem die Wel­len­ber­ge, wie sie die gro­ßen Rä­der­boo­te ver­ur­sach­ten. Das mach­te sie be­son­ders ge­eig­net zum Zie­hen je­ner pri­mi­ti­ven Koh­len­na­chen aus Holz, die in den An­fangs­jah­ren der Taue­rei noch in gro­ßer Zahl den Rhein be­fuh­ren. De­ren Mann­schaf­ten wa­ren dank­bar, wenn sie nicht zu­sätz­lich zur an­stren­gen­den Steu­er­ar­beit noch stun­den­lang ein­drin­gen­des Was­ser ab­zu­pum­pen hat­ten.

Seilschiffe im Hafen, um 1900.

 

2. Von Belgien an den Rhein

Im Som­mer 1867 grün­de­te der bel­gi­sche Di­plo­mat Ba­ron Os­car de Mes­nil (1836-1897) ei­ne Ge­sell­schaft zur Auf­nah­me der Seil­schlepp­schiff­fahrt auf der Maas. Zur Un­ter­stüt­zung in tech­ni­schen Fra­gen si­cher­te er sich die Mit­ar­beit des Dampf­pflug­pio­niers Max Eyth (1836-1906). Die ers­ten Pro­be­fahr­ten konn­ten im dar­auf­fol­gen­den Früh­jahr statt­fin­den. An der im April 1868 ge­grün­de­ten “So­cié­té an­ony­me de toua­ge de Liè­ge” be­tei­lig­te sich Fried­rich von Hol­stein (1837-1909), ein wei­te­rer Di­plo­mat. Für sei­ne Tä­tig­keit als Schiff­fahrts­un­ter­neh­mer un­ter­brach der Bot­schafts­se­kre­tär, der 1890 bis 1906 als “Graue Emi­nenz” gro­ßen Ein­fluss auf die wil­hel­mi­ni­sche Au­ßen­po­li­tik neh­men soll­te, meh­re­re Jah­re lang die ein­ge­schla­ge­ne Lauf­bahn im Aus­wär­ti­gen Dienst. Vor ei­nem in­ter­na­tio­na­len Fach­pu­bli­kum de­mons­trier­ten die Ver­fech­ter der Taue­rei in Bel­gi­en die Zu­ver­läs­sig­keit des Sys­tems, doch wa­ren die An­hän­ger der Ket­ten­schiff­fahrt nicht völ­lig über­zeugt. Ei­ne Über­tra­gung der auf der na­he­zu ge­rad­li­nig ver­lau­fen­den und strö­mungs­ar­men Maas er­ziel­ten Er­geb­nis­se auf den schnel­ler flie­ßen­den Rhein mit sei­nen aus­ge­präg­ten Fluss­krüm­mun­gen er­schien frag­wür­dig, und so ver­lang­ten auch die preu­ßi­schen Be­hör­den vor Er­tei­lung ei­ner Kon­zes­si­on an die 1869 ge­grün­de­te “So­cié­té cen­tra­le de toua­ge” wei­te­re prak­ti­sche Ver­su­che an Ort und Stel­le.

Vor der ei­gent­li­chen Be­wäh­rung im Bin­ger Loch wur­de am 27.11.1869 das Zu­sam­men­wir­ken von Seil und Schlep­per ei­nem ers­ten vor­sich­ti­gen Test un­ter­zo­gen. Als Ort wähl­te man ei­nen kur­zen ge­krümm­ten Strom­ab­schnitt zwi­schen der Köl­ner Rhein­brü­cke und der Fr­ohn­gas­se (in Hö­he der heu­ti­gen Zoo­brü­cke). Das Seil aus ver­zink­tem Ei­sen­draht wies ei­nen Durch­mes­ser von 32 Mil­li­me­tern aus und stamm­te aus der Pro­duk­ti­on der orts­an­säs­si­gen Fir­ma Fel­ten & Guil­leau­me. Lan­ge be­vor das neu­er­bau­te “Carls­werk” im da­mals noch selb­stän­di­gen Mül­heim 1874 den Be­trieb auf­nahm, hat­te sich die ehe­ma­li­ge Hanf­sei­le­rei als Her­stel­ler von Gru­bensei­len und Schleppt­ros­sen für die Bin­nen­schiff­fahrt er­heb­li­che Markt­an­tei­le ge­si­chert. In der auf­kom­men­den Taue­rei sah man ei­ne zu­kunfts­träch­ti­ge neue An­wen­dung, die kon­ti­nu­ier­li­chen Er­satz­be­darf ver­sprach.

Tauereiseil von 50 Kilometern Länge, direkt von der Fabrikationsmaschine auf den Hof des Carlswerks gelegt.

 

Der für den ers­ten Ver­such auf dem Rhein aus­ge­wähl­te Seil­schlep­per “Die Ka­the­dra­le” hat­te vor sei­nem Ein­tref­fen in Köln ei­ne wah­re Odys­see hin­ter sich ge­bracht: Bei der Über­füh­rung aus Lüt­tich zum Um­bau nach Ant­wer­pen war er wäh­rend der Fahrt durch Kol­li­si­on ge­sun­ken, nach der He­bung und Um­rüs­tung über Rot­ter­dam mit­tels sei­ner bei­den klei­nen Schrau­ben rhein­auf­wärts in die Dom­stadt ge­fah­ren. Für den Ver­such konn­ten nur drei Käh­ne mit zu­sam­men cir­ca 500 Ton­nen Be­las­tung an­ge­hängt wer­den, so groß war die Scheu der ört­li­chen Schif­fer, ih­re Boo­te für das Ex­pe­ri­ment zur Ver­fü­gung zu stel­len. Bei stark ge­dros­sel­tem Dampf­zu­tritt zog der Tau­er die Last mü­he­los über die Test­stre­cke.

Für den ent­schei­den­den Schlepp­ver­such wähl­te man die strö­mungs­rei­che Stre­cke zwi­schen dem Rü­des­hei­mer Tra­jekt und der Burg Rhein­stein. Das Seil­schiff, das auf ei­ner höl­zer­nen Pon­te 4.000 Me­ter F&G-Draht­seil mit sich führ­te, wur­de zur Un­ter­stüt­zung der für die Berg­fahrt un­zu­rei­chen­den Schrau­ben­leis­tung von ei­nem Rad­schlep­per rhein­auf­wärts ge­zo­gen. Im Bin­ger Loch spann­te man zu­sätz­lich zehn Pfer­de vor. Nach er­folg­rei­cher Ver­le­gung des Seils mach­te sich die Mann­schaft auf meh­re­ren Pro­be­fahr­ten mit den ört­li­chen Ver­hält­nis­sen ver­traut. Zum Haupt­ver­such am 9.12.1869 er­schie­nen zahl­rei­che Ex­per­ten, nicht je­doch der für die Ak­ti­on ver­pflich­te­te Rä­der­damp­fer samt Last­zug. Schon hat­te man als Er­satz di­ver­se Schif­fer an­ge­heu­ert, als die “Ha­ni­el I” mit zwei Koh­le­schif­fen von cir­ca 850 Ton­nen La­dung ein­traf. Der Ka­pi­tän ließ sich über­re­den, sei­nen Schlepp­zug dem Seil­schiff an­zu­ver­trau­en. Mit cir­ca 2,6 Stun­den­ki­lo­me­tern zog der Tau­er die Last gleich­mä­ßig strom­auf. Ein ge­bro­che­nes Trans­mis­si­ons­rad im Ma­schi­nen­raum be­en­de­te zwar die bis zu die­sem Zeit­punkt er­folg­reich ver­lau­fe­ne De­mons­tra­ti­on, rich­te­te aber kei­nen wei­te­ren Scha­den an. Das Zug­seil hielt das an­triebs­lo­se Schlepp­boot pro­blem­los ge­gen die star­ke Strö­mung fest, die ”Ha­ni­el I” konn­te sich von ihm lö­sen. Da der Zwi­schen­fall nicht die Taug­lich­keit des Sys­tems wi­der­leg­te, er­teil­te das Ber­li­ner Han­dels­mi­nis­te­ri­um im Ja­nu­ar 1870 der “So­cié­té cen­tra­le de toua­ge“ in Brüs­sel ei­ne Kon­zes­si­on für die preu­ßi­sche Rhein­stre­cke. Die ent­spre­chen­den Zu­sa­gen der Staa­ten Hes­sen, Ba­den und Bay­ern folg­ten.

3. Die “Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei” in Köln

Der Deutsch-Fran­zö­si­sche Krieg von 1870/1871 ver­zö­ger­te die be­reits an­ge­lau­fe­ne Grün­dung ei­ner ei­ge­nen Taue­r­ei­ge­sell­schaft für den Rhein. Fe­der­füh­rend bei den Ver­hand­lun­gen mit der Brüs­se­ler Ge­sell­schaft (als In­ha­be­rin der Kon­zes­si­on) wa­ren be­kann­te Köl­ner Ban­kiers- und Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en, un­ter an­de­re­m Wil­helm Deich­mann, sein Sohn und Nach­fol­ger Theo­dor (1837-1895), der In­ge­nieur und Er­fin­der Eu­gen Lan­gen, Mit­grün­der ­des Zu­cker­kon­zerns Pfeif­fer & Lan­gen, der preu­ßi­sche Berg­re­fe­ren­dar und Guts­be­sit­zer Fe­lix Mal­linck­rodt (1834-1880) so­wie der Ban­kier und Fa­bri­kant Emil vom Rath (1833-1923). Sitz der Ge­sell­schaft wur­de Köln, Hei­mat der ma­ß­geb­lich be­tei­lig­ten Fir­ma Fel­ten & Guil­leau­me, von der be­reits al­le in bel­gi­schen Flüs­sen ver­wen­de­ten Sei­le stamm­ten. Sie mach­te ih­re Be­reit­schaft zur Zeich­nung ei­nes grö­ße­ren Ak­ti­en­pa­kets von ih­rer Stel­lung als Al­lein­lie­fe­ran­tin ab­hän­gig. Das am 5.12.1871 ge­grün­de­te und ei­ne Wo­che spä­ter als “Cen­tral-Ac­ti­en-Ge­sell­schaft für Taue­rei” ins Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­ne Un­ter­neh­men be­saß ein Grund­ka­pi­tal von 1,2 Mil­lio­nen Ta­lern. Die Hälf­te der An­tei­le hiel­ten die Grün­dungs­mit­glie­der, der Rest der Ak­ti­en lag bei Ban­ken in Köln, Duis­burgKo­blenz, Mainz, Mann­heim, Frank­furt am Main und Straß­bur­g zu­r Zeich­nung auf. 1873 er­war­ben meh­re­re Ruhr­ze­chen An­tei­le, wohl in der Hoff­nung, Ein­fluss auf die Fracht­ta­ri­fe neh­men zu kön­nen. Ers­ter Vor­sit­zen­der des Auf­sichts­ra­tes wur­de Theo­dor Deich­mann, zu sei­nem Stell­ver­tre­ter be­stell­te man Fe­lix Ma­linck­rodt. Die Ge­schäfts­lei­tung über­nah­men un­ter Füh­rung des Ge­ne­ral­di­rek­tors Theo­dor Schwarz, ei­nes Ju­gend­freun­des des Er­fin­ders Max Eyth, be­währ­te Kräf­te aus der Brüs­se­ler “So­cié­té cen­tra­le de toua­ge“.

4. Die technische Erstausstattung

An­ge­sichts der Län­ge der Stre­cke - die er­wor­be­nen Kon­zes­sio­nen reich­ten von Em­me­rich bis Straß­burg - und feh­len­der Er­fah­run­gen im All­tags­be­trieb ent­schied man sich in Köln, den Schlepp­be­trieb ab­schnitts­wei­se auf­zu­neh­men. Um auch je­ne Stre­cken be­die­nen zu kön­nen, auf de­nen noch kein Seil lag, gab man im Fe­bru­ar/April 1872 zwei mo­der­ne Rä­der­boo­te in Auf­trag. In der kon­junk­tu­rel­len Über­hit­zung der Grün­der­jah­re war die ge­wünsch­te schnel­le Lie­fe­rung der be­nö­tig­ten vier Tau­er il­lu­so­risch. Wäh­rend ih­re ei­ser­nen Rümp­fe auf den Duis­bur­ger Werf­ten Berninghaus und Kri­ens ent­stan­den, be­zog man Kes­sel und Ma­schi­nen­an­la­gen für die ers­ten bei­den Boo­te von Escher Wyss & Co (Zü­rich), für die Tau­er 3 und 4 von den Ge­brü­dern Sul­zer (Win­ter­thur), wel­che auch die zwei­te Se­rie der we­sent­lich grö­ße­ren und an­triebs­stär­ke­ren Tau­er (Num­mer 5 bis 8) der Bau­jah­re 1875/1876 aus­rüs­te­ten.

Carlswerk der Firma Felten & Guilleaume in Mülheim, 1885.

 

Leicht zu er­ken­nen wa­ren die Spe­zi­al­boo­te an ih­rem an der äu­ßers­ten Back­bord­sei­te an­ge­brach­ten Seil­füh­rungs­werk. An­ders als die auf ei­ni­gen eu­ro­päi­schen Flüs­sen ver­wen­de­ten Ket­ten konn­ten die re­la­tiv stei­fen Draht­sei­le nicht um Win­den von klei­nem Durch­mes­ser lau­fen. Die bei­den ers­ten der vier cir­ca 3 Me­ter ho­hen Rä­der dien­ten le­dig­lich als Füh­rungs- und Leit­trom­meln. Die Kraft der lie­gen­den Dampf­ma­schi­ne wirk­te al­lein auf die drit­te Schei­be. Sie war in der Ril­le, in die das Ka­bel ge­legt wur­de, mit “Fow­ler­schen Klap­pen” ver­se­hen, die das Seil selbst­tä­tig ein­klemm­ten und ein Durch­rut­schen ver­hin­der­ten. Die vier­te Seil­schei­be des Ap­pa­rats dien­te wie­der­um als Lei­t­rad. Um das Ge­wicht des Rä­der­werks von cir­ca 14 Ton­nen aus­zu­glei­chen, sa­ßen Haupt­ma­schi­ne und Kes­sel nicht in der Boots­mit­te, son­dern auf der Steu­er­bord­sei­te. Im Ge­gen­satz zu Ket­ten­schif­fen fuh­ren die Tau­er nur wäh­rend der Berg­fahrt am Seil, be­nö­tig­ten al­so zwei wei­te­re Dampf­ma­schi­nen zum An­trieb der bei­den vier­flü­ge­li­gen Schiffs­schrau­ben. Ins­ge­samt lag die für die Tal­fahrt in­stal­lier­te Ma­schi­nen­leis­tung be­trächt­lich über den An­for­de­run­gen zum An­trieb des strom­auf be­nutz­ten Sei­lap­pa­rats.

Ge­wichts­er­spar­nis bei glei­cher Zug­fes­tig­keit war ein we­sent­li­cher Vor­teil der Seil­schiff­fahrt, schränk­ten doch die schwe­ren Ket­ten die Ma­nö­vrier­fä­hig­keit der Schlep­per ein. Ein sol­cher Nach­teil war auf we­nig be­fah­re­nen Flüs­sen oder Ka­nä­len hin­nehm­bar, nicht je­doch auf dem Rhein mit sei­nem be­trächt­li­chen Schiffs- und Flo­ß­ver­kehr. Das Mit­te 1872 von Fel­ten & Guil­leau­me erst­ma­lig aus­ge­lie­fer­te Seil­stück mit ei­nem Durch­mes­ser von 36 Mil­li­me­tern wog 4,9 Ki­lo­gramm pro Me­ter, we­ni­ger als ein Drit­tel des Ge­wichts ei­ner gleich lan­gen Ket­te. Um die wei­te­ren Be­stel­lun­gen frist­ge­recht aus­füh­ren zu kön­nen, or­der­te die Fir­ma im eng­li­schen New­cast­le mo­der­ne Draht­seil­ma­schi­nen. Es spricht für die ge­schäft­li­che Weit­sicht der Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie, dass sie durch ih­re fi­nan­zi­el­le Be­tei­li­gung an der “Cen­tral AG” die Taue­rei und da­mit die wei­te­re Ver­brei­tung von Draht­sei­len för­der­te, al­so fle­xi­bel ge­nug war, den sin­ken­den Ab­satz­chan­cen für die tra­di­tio­nel­len Hanflei­nen recht­zei­tig durch Um­stel­lung der Pro­duk­ti­on zu be­geg­nen und sich über Jahr­zehn­te gro­ße Lie­fer­men­gen zu si­chern.

5. Betriebsaufnahme mit Hindernissen

Aus der an­ge­streb­ten Be­triebs­auf­nah­me im Herbst 1872 wur­de nichts. Die kon­junk­tu­rel­le Über­hit­zung (“Grün­der­boom”) führ­te zur ver­zö­ger­ten Aus­lie­fe­rung der ers­ten Tau­er. Zu­dem muss­te das Pro­blem der zahl­rei­chen Quer­seil­fäh­ren auf der Stre­cke ge­löst wer­den, zum Bei­spiel durch de­ren Um­rüs­tung auf ein Längs­seil­sys­tem. Ob­wohl die Kon­zes­si­ons­be­din­gun­gen jeg­li­chen Zwang der Taue­r­ei­ge­sell­schaft aus­schlos­sen, leis­te­ten die preu­ßi­schen Auf­sichts­be­hör­den bei sol­chen Be­mü­hun­gen im­mer wie­der Hil­fe: Schlie­ß­lich pos­tu­lier­te auch die ge­ra­de re­vi­dier­te Rhein­schiff­fahrts­ak­te von 1868 das Vor­recht der durch­ge­hen­den Berg- und Tal­fahrt ge­gen­über dem Quer- und Lo­kal­ver­kehr. Um­so är­ger­li­cher für das jun­ge Un­ter­neh­men war es da, wenn aus­ge­rech­net der Kon­kur­rent Ei­sen­bahn neue Hin­der­nis­se auf­rich­te­te. Im Ju­li 1870 war das Tra­jekt zwi­schen Ober­kas­sel (heu­te Stadt Bonn) und der Bon­ner Gro­nau in Be­trieb ge­gan­gen, des­sen 70 Me­ter lan­ge Fähr­boo­te Zü­ge der Rhei­ni­schen Ei­sen­bahn über den Strom setz­ten. Die Lo­ko­mo­ti­ven ver­blie­ben am je­wei­li­gen Ufer. Leit­seil und Treib­seil ver­lie­fen quer zum Strom, so dass für die Tau­er ei­gens ei­ne Hal­te­stel­le an­ge­legt wer­den muss­te. Ei­ne ähn­li­che Fluss­que­rung zwi­schen (Duis­burg-)Rhein­hau­sen und Hoch­feld wur­de 1874 durch den Bau ei­ner fes­ten Brü­cke ent­schärft.

Im Früh­jahr 1873 wur­den die ers­ten bei­den Seil­stü­cke mit ei­ner Ge­samt­län­ge von 77, 5 Ki­lo­me­tern ver­legt, so dass am 1.5.1873 der Taue­rei­be­trieb zwi­schen Em­me­rich und Duis­burg ver­suchs­wei­se auf­ge­nom­men wer­den konn­te. In zwei Mo­na­ten wur­den 15 Schlepp­zü­ge mit ei­ner La­dung von knapp 12.000 Ton­nen ab­ge­fer­tigt; die Fes­tig­keit des Seils hät­te die dop­pel­te Nutz­last zu­ge­las­sen. Die er­rech­ne­te Brenn­stof­fer­spar­nis ent­sprach den Er­war­tun­gen der In­itia­to­ren: Der Koh­le­ver­brauch der Tau­er be­lief sich auf ein Fünf­tel des­sen, was die Rä­der­boo­te der “R­uhr­or­ter Schlepp­schif­fahrts­ge­sell­schaft” im Durch­schnitt be­nö­tig­ten. Ein sol­cher Wett­be­werbs­vor­teil war für die Pro­fi­ta­bi­li­tät des Pio­nier­un­ter­neh­mens un­ab­ding­bar, da man um Kun­den zu ge­win­nen die Ta­ri­fe der Kon­kur­renz um 20 Pro­zent un­ter­bot, vor al­lem zu­sätz­lich zu den Auf­wen­dun­gen für die Schlep­per das teu­re Seil amor­ti­sie­ren muss­te. Die­ses wur­de im Früh­jahr 1874 rhein­auf­wärts nach Köln ver­län­gert und lag im Herbst 1875 bis Ober­kas­sel. Doch wäh­rend man im Früh­jahr 1876 das vor­erst letz­te Teil­stück bis Bin­gen ver­an­ker­te, war die Taue­rei am Nie­der­rhein be­reits En­de 1875 ein­ge­stellt wor­den. Im­mer wie­der hat­te star­kes Sand­ge­schie­be die Auf­nah­me des Seils durch die Schlepp­boo­te be­hin­dert. Dies führ­te zu un­trag­ba­ren Ver­zö­ge­run­gen für die Kun­den, so dass zu­erst der Ab­schnitt Em­me­rich-Ruhr­ort, ein Jahr spä­ter auch das Teil­stück bis Ober­kas­sel auf­ge­ge­ben wur­de. Die sich rhein­auf­wärts an­schlie­ßen­de Ge­birgs­stre­cke wies da­ge­gen ei­nen fes­te­ren, teil­wei­se so­gar fel­si­gen Un­ter­grund auf. Gleich­zei­tig lös­te der neue Start­punkt auch das Pro­blem der hier ver­lau­fen­den Quer­sei­le, da die Schlepp­zü­ge jetzt erst ober­halb des Bon­ner Ei­sen­bahn­tra­jekts zu­sam­men­ge­stellt wur­den.

Schiffsmodell des Rhein-Tauer VII, Schleppdampfer der Central Actien Gesellschaft für Tauerei in Köln vom Ende des 19. Jahrhunderts, Backbordseite, Kölnisches Stadtmuseum. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 

Es wa­ren in­des nicht al­lein tech­ni­sche Grün­de, die zur schnel­len Auf­ga­be der wich­ti­gen Stre­cke Em­me­rich-(Bonn-)Ober­kas­sel führ­ten. Die Aus­wir­kun­gen der 1873 ein­set­zen­den Grün­der­kri­se zwang die ka­pi­tal­schwa­che Ge­sell­schaft da­zu, ih­re Kräf­te auf je­ne cir­ca 120 Rhein­ki­lo­me­ter zu kon­zen­trie­ren, auf de­nen die hö­he­re Flie­ß­ge­schwin­dig­keit den Sys­tem­vor­teil der Seil­schiff­fahrt ge­gen­über den frei fah­ren­den Schlep­pern am deut­lichs­ten her­aus­brach­te. Das Be­triebs­jahr 1874 hat­te zwar mit ei­nem be­schei­de­nen Über­schuss ab­ge­schlos­sen, doch mas­siv fal­len­de Koh­le­prei­se er­schüt­ter­ten das Ge­schäfts­mo­dell gleich in dop­pel­ter Hin­sicht. Das kri­sen­be­dingt ge­rin­ge­re Fracht­auf­kom­men er­höh­te we­gen der Über­ka­pa­zi­tä­ten an Schlepp­leis­tung den Druck auf die Ta­ri­fe, wäh­rend der grö­ß­te Wett­be­werbs­vor­teil, die ge­rin­ge­ren Brenn­stoff­kos­ten, durch die von nie­man­dem vor­aus­ge­se­he­ne Ver­bil­li­gung da­hin­schmolz. Die 1872 no­tier­ten Höchst­prei­se für Koh­le hat­ten die Grün­der in ih­rem Glau­ben be­stä­tigt, dass sich al­len An­fangs­schwie­rig­kei­ten zum Trotz ei­ne be­frie­di­gen­de Ren­ta­bi­li­tät ein­stel­len wür­de. Die­se An­nah­me hat­te sich als Il­lu­si­on er­wie­sen, mit der Kon­se­quenz, dass un­ter den ver­än­der­ten Be­din­gun­gen die ge­plan­te Ver­län­ge­rung der Seil­li­nie bis Mann­heim so­wie den Kauf zu­sätz­li­cher Boo­te nicht zu stem­men wa­ren. Be­vor neu­es Ka­pi­tal auf­ge­bracht wer­den konn­te, galt es, durch Ver­stän­di­gung mit der Kon­kur­renz die Aus­las­tung zu er­hö­hen und die Schlepp-Er­lö­se auf dem Rhein zu sta­bi­li­sie­ren.

6. Die Fusion von 1876

Die 1873 zu­sam­men­ge­führ­te “Ver­ei­nig­te Ruhr­or­ter un­d Mül­hei­mer Dampf­schlepp­schif­fahrts-Ge­sell­schaft” be­trieb 15 Rad­schlep­per und litt nicht min­der ­un­ter dem rui­nö­sen Preis­kampf zu Was­ser und auf der Schie­ne. Die aus­ge­schüt­te­te Di­vi­den­de sank von durch­schnitt­lich 7 bis 8 Pro­zent auf 1 Pro­zent (1874) und 1 1/3 Pro­zent (1875). Der Zeit­punkt für ei­ne Ver­stän­di­gung mit der “Cen­tral-AG für Taue­rei” war auch in so­fern güns­tig, als zum En­de des Jah­res 1875 ein gro­ßer Teil der Schlepp­ver­trä­ge aus­lief, dar­un­ter auch sol­che mit Kun­den, die in­zwi­schen Ak­tio­nä­re der Köl­ner Kon­kur­renz ge­wor­den wa­ren, mit de­ren bal­di­gem Wech­sel zur Seil­schiff­fahrt al­so zu rech­nen war. Die Kon­tak­te zwi­schen den bei­den Un­ter­neh­men lie­fen über den A. Schaaff­hau­sen­schen Bank­ver­ein so­wie den Di­rek­tor des Rhein-Ruhr-Ka­nal-Ak­ti­en­ver­eins in Duis­burg, Dr. Feo­dor Goecke (1836-1907). Der Ju­rist, 1870-1873 als na­tio­nal­li­be­ra­ler Ab­ge­ord­ne­ter Mit­glied des Pro­vin­zi­al­land­ta­ges, war 1874 an Stel­le des 1873 aus­ge­schie­de­nen Hol­stein in den Auf­sichts­rat der “Cen­tral-AG für Taue­rei” ge­wählt wor­den. Ab 1877 be­trieb er als Ge­ne­ral­be­voll­mäch­tig­ter die Sa­nie­rung der Rhei­ni­schen Stahl­wer­ke AG.

Am 8.6.1876 kon­sti­tu­ier­te sich das fu­sio­nier­te Un­ter­neh­men un­ter dem Na­men “Cen­tral-Ac­ti­en-Ge­sell­schaft für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt”. Zum Fir­men­sitz wur­de, Tri­but an den Haupt­um­satz­trä­ger Koh­le, Ruhr­ort be­stimmt: Zwi­schen 1875 und 1905, als die Stadt nach Duis­burg ein­ge­mein­det wur­de, ver­fünf­fach­te sich die im Ruhr­or­ter Ha­fen ab­ge­fah­re­ne Koh­len- und Koks­men­ge auf über 5 Mil­lio­nen Jah­res­ton­nen. Nach der Fu­si­on wur­den die bei­den Alt­ge­sell­schaf­ten li­qui­diert, ih­re Ak­ti­en in Pa­pie­re der neu­en Fir­ma ge­tauscht. Von den 3,8 Mil­lio­nen Mark Grund­ka­pi­tal ent­fie­len 2,4 Mil­lio­nen Mark auf die Ak­tio­nä­re der Köl­ner Taue­r­ei­ge­sell­schaft. Im Ver­gleich zu de­ren ur­sprüng­li­cher Aus­stat­tung (1,2 Mil­lio­nen Ta­ler = 3,6 Mil­lio­nen Mark) ent­sprach dies ei­nem Ka­pi­tal­schnitt im Ver­hält­nis drei zu zwei. Der ers­te Auf­sichts­rat war pa­ri­tä­tisch be­setzt, weist aber in der re­gio­na­len Zu­ord­nung sei­ner Mit­glie­der die Ruhr­mün­dung als neu­en Schwer­punkt aus. Von den zehn Mit­glie­dern stamm­ten Dr. Feo­dor Goecke so­wie der Fa­bri­kant und lang­jäh­ri­ge Bei­ge­ord­ne­te Ju­li­us Brock­hoff (1825-1898) aus Duis­burg. Aus dem be­nach­bar­ten Ruhr­ort ka­men die Kauf­leu­te und Ze­chen­be­sit­zer Hu­go Ha­ni­el (1810-1893), seit 1868 Chef der Fir­ma Franz Ha­ni­el und Ju­li­us Liebrecht (ge­stor­ben 1895) so­wie der ­Fa­bri­kant Gus­tav Ge­org Stin­nes (1826-1878). In Mül­heim wa­ren Her­mann Be­cker und Carl Krabb (1808-1877) an­säs­sig, bei­de Kauf­leu­te. Theo­dor Deich­mann, Fe­lix Mal­linck­rodt und Eu­gen Lan­gen re­prä­sen­tier­ten das Köl­ner Ele­ment - letz­te­rer als In­ge­nieur vor­wie­gend aus tech­ni­schem In­ter­es­se.

Modell des Rhein-Tauer VII, Steuerbordseite, Kölnisches Stadtmuseum. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 

7. Mangelnde Rentabilität

Im Fu­si­ons­jahr 1876 wand­ten die bei­den Alt­ge­sell­schaf­ten zwar ei­nen ge­mein­sa­men Schlepp­ta­rif an, wirt­schaf­te­ten aber an­sons­ten noch auf ei­ge­ne Rech­nung, so dass sich die Ren­ta­bi­li­tät der bei­den Sys­te­me ver­glei­chen lässt. Den ins­ge­samt grö­ße­ren Ein­nah­men der Ruhr­ort-Mül­hei­mer Rä­der­boo­te stan­den hö­he­re Be­triebs­kos­ten und Ab­schrei­bun­gen ge­gen­über: Per sal­do tru­gen die Tau­er aus dem Be­stand der Köl­ner Ge­sell­schaft mehr zum Ge­winn bei. Auch im Fol­ge­jahr la­gen die Selbst­kos­ten der Seil­boo­te pro Ton­nen­ki­lo­me­ter um 19 Pro­zent un­ter de­nen der Rad­schlep­per. 1877 ging man end­gül­tig zum ar­beits­tei­li­gen Ein­satz der Flot­te über. Die acht Tau­er kon­zen­trier­ten sich auf den Mit­tel­ab­schnitt Ober­kas­sel-Bin­gen. Un­ter- und ober­halb die­ser Kern­stre­cke ope­rier­ten die 17 Rä­der­boo­te. In der Rea­li­tät la­gen we­gen des schlech­ten Koh­le­ge­schäfts meist ein Vier­tel der Schlep­per still. Ein Über­an­ge­bot an Schlepp­leis­tung und die Kampf­prei­se der Ei­sen­bahn, die zu ho­hen Ra­bat­ten auf den Nor­mal­ta­rif zwan­gen, lie­ßen die Ein­nah­men wei­ter ab­sin­ken. Die Vor­tei­le des Was­ser­we­ges ka­men am deut­lichs­ten über die län­ge­re Dis­tanz zum Tra­gen; auf kür­ze­ren Ent­fer­nun­gen pro­fi­tier­te die Schie­nen­kon­kur­renz auch da­von, dass ein zeit­rau­ben­des Um­la­den zwi­schen Ze­che und Ver­brau­cher ent­fiel, au­ßer­dem das Fracht­gut ge­schont wur­de.

Als 1877 die Mül­hei­mer Koh­le­hand­lung Fried­rich Be­cker il­li­qui­de wur­de, ver­lor die “Cen­tral-AG für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt” auf ei­nen Schlag cir­ca 30 Pro­zent ih­rer Auf­trä­ge und muss­te 107.000 Mark aus­ste­hen­der Kre­di­te ab­schrei­ben. Gro­ße Hoff­nun­gen setz­te man in das im Win­ter 1879/1880 zwi­schen Ober­kas­sel und Bin­gen ver­leg­te stär­ke­re (43 Mil­li­me­ter Quer­schnitt) F&G-Seil aus Sie­mens-Mar­tin-Stahl. Mit ei­nem Ge­wicht von sie­ben Ki­lo­gramm pro Me­ter wies es ei­ne hö­he­re Bruch­fes­tig­keit und Le­bens­dau­er auf. Statt vier­ein­halb Jah­ren rech­ne­te man mit bis zu sechs Jah­ren Nut­zungs­dau­er. Zwecks gleich­mä­ßi­ger Ab­nut­zung wur­den hö­her be­an­spruch­te Teil­stü­cke nach ei­ni­ger Zeit her­aus­ge­nom­men und an Fluss­stre­cken mit we­ni­ger Ver­schleiß wei­ter ver­wen­det. Aus­ge­mus­ter­te Sei­le er­ziel­ten beim Wei­ter­ver­kauf noch cir­ca 10 Pro­zent des Neu­prei­ses.

8. Veränderte Bedingungen in der Rheinschifffahrt

In den frü­hen 1880er Jah­ren war der ho­he An­teil be­tag­ter Rä­der­boo­te (Durch­schnitts­al­ter 1885: 24 Jah­re) Haupt­ur­sa­che für die un­be­frie­di­gen­de Ren­ta­bi­li­tät des ver­ei­nig­ten Un­ter­neh­mens. Zwi­schen 1876 und 1884 hat­te sich die Zahl der Schrau­ben­damp­fer auf dem Rhein ver­drei­facht. Bil­li­ger in Be­trieb und An­schaf­fung und trotz klei­ne­rer Mann­schaft leich­ter zu ma­nö­vrier­ten, wa­ren sie ei­ne Al­ter­na­ti­ve für Koh­le­kauf­leu­te, die den Trans­port in Ei­gen­re­gie be­trei­ben woll­ten. Auch wenn die neu­ar­ti­gen Fahr­zeu­ge in der Pra­xis nicht al­le Er­war­tun­gen er­füll­ten und ei­ni­ge Ree­der wie­der ver­mehrt auf Rad­an­trieb setz­ten, er­höh­te ih­re Exis­tenz doch die Schlepp­ka­pa­zi­tä­ten auf dem Rhein ins­ge­samt und ver­stärk­te den Druck auf die Ta­ri­fe, zu­mal jetzt auch neu ein­ge­setz­te Gü­ter­damp­fer ei­nen Teil des Trans­port­vo­lu­mens an sich zo­gen. Im Ge­schäfts­jahr 1884 lag die Aus­las­tung der “Cen­tral AG für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt” bei we­ni­ger als 60 Pro­zent. Der Be­triebs­über­schuss aus ei­nem Um­satz von cir­ca 1 Mil­li­on Mark deck­te ge­ra­de die Ab­schrei­bun­gen. Aus Geld­man­gel fiel die Mo­der­ni­sie­rung der Flot­te be­schei­den aus. 1883/1884 wur­den die ers­ten bei­den Schrau­ben­damp­fer be­stellt, äl­te­re Rä­der­boo­te still­ge­legt oder mit ef­fi­zi­en­te­ren Dampf­ma­schi­nen nach­ge­rüs­tet. In der Bi­lanz sum­mier­ten sich die rea­lis­ti­sche Be­wer­tung des Schiffs­be­stan­des und nach­ge­hol­te Ab­schrei­bun­gen auf sons­ti­ge Ak­ti­va zu ei­nem Ab­wer­tungs­be­darf von cir­ca 1 Mil­li­on Mark, um­ge­setzt in Form ei­nes dras­ti­schen Ka­pi­tal­schnitts: Das vor­her durch Ak­ti­en­rück­kauf und Ver­zicht der “So­cié­té cen­tra­le de toua­ge” auf Kon­zes­si­ons­ge­büh­ren be­reits auf 3,6 Mil­lio­nen Mark re­du­zier­te Grund­ka­pi­tal wur­de auf die Hälf­te her­ab­ge­setzt.

Modell des Rhein-Tauer VII, Maschinerie, Kölnisches Stadtmuseum. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 

Auch nach der Sa­nie­rung fiel der Lohn für die Ak­tio­nä­re ma­ger aus. Mehr als 5 Pro­zent Di­vi­den­de auf das her­ab­ge­setz­te Ka­pi­tal wa­ren auf dem Rhein nicht zu er­zie­len. Oh­ne den durch ei­ne An­lei­he fi­nan­zier­ten Er­werb von 17 mo­der­nen Schlepp­käh­nen wä­re das Er­geb­nis so­gar ne­ga­tiv ge­we­sen, denn der Markt zeig­te sich Mit­te der 1880er Jah­re tief ge­spal­ten: Ei­nem Über­an­ge­bot an Schlepp­ka­pa­zi­tät stand ein aus­ge­präg­ter Man­gel an La­de­raum ge­gen­über. Woll­te man an den Stei­ge­run­gen des Rhein­ver­kehrs teil­ha­ben, muss­te die Ge­sell­schaft das an­ge­stamm­te Ge­schäft durch das An­ge­bot aus­rei­chen­den Fracht­raums er­gän­zen. Die Fol­gen des Berg­ar­bei­ter­streiks im Ruhr­ge­biet 1889 konn­ten nur teil­wei­se durch Trans­por­te von Rot­ter­dam an den Ober­rhein kom­pen­siert wer­den, so dass das Ge­schäfts­jahr wie­der­um nur ei­ne Ka­pa­zi­täts­aus­las­tung von 60 Pro­zent auf­wies. 1892 bis 1894 stieg die zu Berg ge­schlepp­te Fracht­men­ge auf über 800.000 Jah­res­ton­nen an, be­vor ein “zü­gel­lo­ser Wett­be­werb” (Ge­schäfts­be­richt 1895) zu rück­läu­fi­gen Um­sät­zen und ei­ner auf 3 Pro­zent ge­kürz­ten Di­vi­den­de führ­te. Ins­ge­samt ging das Um­satz­wachs­tum in den 1890er Jah­ren vor al­lem auf Kon­to der ei­ge­nen Käh­ne, be­stä­tig­te al­so die Rich­tig­keit der Di­ver­si­fi­ka­ti­on. Die Tau­er blie­ben schlecht be­schäf­tigt: Von den acht Boo­ten wa­ren meist nur fünf zum sel­ben Zeit­punkt im Ein­satz.

9. Gescheiterte Konsolidierung

Sti­mu­liert durch die 1895 ein­set­zen­de Hoch­kon­junk­tur bau­te die ”Cen­tral-AG für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt” ihr Trans­port- und Spe­di­ti­ons­ge­schäft stär­ker aus. Das äl­tes­te Seil­boot und ei­ni­ge Rad­schlep­per wur­den mo­der­ni­siert, zwei PS-star­ke und ver­brauchs­güns­ti­ge Schlep­per so­wie meh­re­re neue Käh­ne be­stellt. Zu Lan­de in­ves­tier­te die Ge­sell­schaft in den Aus­bau von Ver­la­de­an­la­gen und La­ger­raum in Ruhr­ort und Mann­heim. Das Ge­schäfts­jahr 1896 schloss mit Re­kord­zah­len ab: Das zu Berg trans­por­tier­te Fracht­vo­lu­men er­reich­te knapp ei­ne Mil­li­on Ton­nen, cir­ca 660 Ton­nen pro ge­schlepp­tem Kahn. Mit 7 Pro­zent kam die höchs­te Di­vi­den­de der Fir­men­ge­schich­te zur Aus­zah­lung. Ei­ne für 1899 ge­plan­te Ka­pi­tal­er­hö­hung soll­te die Ab­lö­sung der auf­ge­nom­me­nen Kre­di­te er­mög­li­chen. Sie schei­ter­te an der feh­len­den Drei­vier­tel­mehr­heit in der Ge­ne­ral­ver­samm­lung. Die Furcht der wi­der­stre­ben­den Ak­tio­nä­re vor ei­ner Ver­wäs­se­rung des Ka­pi­tals er­scheint ver­ständ­lich, la­gen doch die 1892-1899 aus­ge­schüt­te­ten Di­vi­den­den mit durch­schnitt­lich 4,5 Pro­zent deut­lich un­ter den Er­geb­nis­sen der Kon­kur­renz. Auch die Al­ter­na­ti­ve ei­ner gro­ßen An­lei­he zer­schlug sich, da die be­tei­lig­ten Ban­ken auf ei­ner lang­fris­ti­gen Lö­sung des Ren­ta­bi­li­täts­pro­blems in der Rhein­schiff­fahrt be­stan­den. Un­ter Fe­der­füh­rung von Deich­mann & Co. (Köln) trie­ben sie die Ver­ei­ni­gung der grö­ß­ten Un­ter­neh­men (mit Aus­nah­me der Ze­chen­ree­de­rei­en Franz Ha­ni­el und Ma­thi­as Stin­nes) un­ter dem Dach ei­ner Trust­ge­sell­schaft vor­an. Als auch die­ser Ret­tungs­ver­such En­de 1900 schei­ter­te und für die Ge­schäfts­jah­re 1902 und 1903 kei­ne Di­vi­den­den er­wirt­schaf­tet wer­den konn­ten, ver­lo­ren zahl­reich An­teils­eig­ner die Ge­duld und ver­kauf­ten ih­re Pa­pie­re an den Gro­ßak­tio­när Louis Kan­nen­gie­ßer (1852-1919). Im April 1904 ging die Ak­ti­en­mehr­heit an des­sen “Berg­bau AG vorm. Gebr. Kan­nen­gie­ßer” in Mül­heim an der Ruhr über. Drei Mo­na­te spä­ter gab der Al­lein­be­sit­zer die Selb­stän­dig­keit auf und brach­te sein um­fang­rei­ches Berg­bau- und Schiff­fahrts­un­ter­neh­men in die “Har­pe­ner Berg­bau AG” (Dort­mund) ein, für die er wei­te­re zehn Jah­re als Ge­ne­ral­di­rek­tor tä­tig war. Mit 26 Damp­fern und 75 Schlepp­käh­nen wa­ren die neu­en Be­sit­zer die grö­ß­te Koh­le­ree­de­rei auf dem Rhein. Sie er­war­ben die rest­li­chen Ak­ti­en der “Cen­tral-AG”, stell­ten je­doch den Taue­rei­be­trieb An­fang 1905 ein und lie­ßen das Seil aus dem Rhein ent­fer­nen. Die still­ge­leg­ten Boo­te war­te­ten noch jah­re­lang im Ha­fen von St. Goar auf ei­ne neue Ver­wen­dung, be­vor sie end­gül­tig ver­schrot­tet wur­den.

10. Konflikte mit der übrigen Rheinschifffahrt

Von der Was­ser­ober­flä­che in der Re­gel un­sicht­bar, ir­ri­tier­te das Seil im Rhein von An­fang an an­de­re Nut­zer. Die zahl­rei­chen Zug­netz­fi­scher sa­hen sich in ih­rer Ar­beit be­hin­dert, eben­so je­ne Schiffs­be­sat­zun­gen, de­ren An­ker sich in dem Hin­der­nis ver­fin­gen, so dass beim mor­gend­li­chen Ein­ho­len ein un­gleich hö­he­res Ge­wicht zu he­ben war. Gleich nach der Be­triebs­auf­nah­me kam es zu Sa­bo­ta­ge­ak­ten: Im Schut­ze der Dun­kel­heit trenn­ten un­be­kann­te Tä­ter das Seil ein­mal voll­stän­dig und ein wei­te­res Mal zu ei­nem Drit­tel durch. Die als Fol­ge von Ver­schleiß auf­tre­ten­den Seil­brü­che - pro Jahr bis zu 25 - be­deu­te­ten in je­dem Fall läs­ti­ge Zu­satz­ar­beit für die Be­sat­zung des je­wei­li­gen Schlep­pers. Lag der Tau­er je­doch wäh­rend des Splei­ßens stun­den­lang an ei­ner Eng­stel­le fest, be­hin­der­te sein Zwangs­auf­ent­halt auch un­be­tei­lig­te Schif­fe in die­sem Fluss­ab­schnitt. Ähn­li­ches galt an schwie­rig zu pas­sie­ren­den Krüm­mun­gen, wo die Tau­er ge­le­gent­lich auf Grund lie­fen und von an­de­ren Schlep­pern wie­der ins Fahr­was­ser bug­siert wer­den muss­ten.

Schwe­re Un­fäl­le wa­ren eher sel­ten. Auch im wohl spek­ta­ku­lärs­ten Fall, der Kol­li­si­on des Tau­ers 4 mit ei­nem Floß im Sep­tem­ber 1886 hin­ter dem Bin­ger Loch, war die Be­sat­zung des Seil­schiffs schuld­los: Das Floß war mit 63 Me­tern Brei­te und 200 Me­tern Län­ge ein­deu­tig zu groß di­men­sio­niert, der zur War­nung der Schiff­fahrt vor­aus­ge­schick­te Wahr­schau­er­na­chen zu spät los­ge­fah­ren, als dass der Tau­er mit an­ge­häng­tem Schlepp­zug noch hät­te aus­wei­chen kön­nen. 6.000 Holz­stäm­me trie­ben auf dem Rhein und ris­sen vor Nie­der­heim­bach ein Ba­de­haus fort. In Ko­blenz rück­ten zwei Kom­pa­ni­en Pio­nie­re aus, um die Schiffs­brü­cke zu schüt­zen.

Modell des Rhein-Tauer VII, Heck mit Schrauben, Kölnisches Stadtmuseum. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 

Moch­te die An­ti­pa­thie vie­ler Rhein­schif­fer ge­gen­über den Tau­ern auf Kon­to ih­rer son­der­ba­ren Er­schei­nung, des Brum­mens und Kräch­zens ih­res Rä­der­werks oder ih­rer un­ge­wöhn­li­chen La­ge zur Fahrt­rich­tung ge­hen, so wa­ren die “He­xen” seit den 1890er Jah­ren auch ob­jek­tiv zu ei­nem Ver­kehrs­hin­der­nis ge­wor­den. Be­son­ders bei nied­ri­gem Was­ser­stand konn­ten die zahl­rei­chen mo­der­nen Schrau­ben- und Rä­der­boo­te ih­re hö­he­re Fahr­ge­schwin­dig­keit nicht ent­fal­ten; stun­den­lang harr­ten sie mit ge­dros­sel­ter Mo­tor­leis­tung hin­ter ei­nem Seil­schlepp­zug aus, be­vor ei­ne ge­eig­ne­te Aus­weich­stel­le ih­nen ein Über­ho­len er­mög­lich­te. Die preu­ßi­sche Was­ser­bau-Ver­wal­tung wie­der­um, die zwi­schen 1880 und 1900 zur Ent­schär­fung der Eng­stel­le zwi­schen St. Goar und Bin­gen fast 7 Mil­lio­nen Mark auf­ge­wen­det hat­te, kos­te­te die Exis­tenz des Seils in die­sem Ab­schnitt viel Zeit und Mü­he, ge­fähr­de­te es doch häu­fig die Ver­le­gung der ein­ge­setz­ten Bau­fahr­zeu­ge und de­ren si­che­re Ver­an­ke­rung im Strom.

11. Fazit

30 Jah­re un­un­ter­bro­che­ner, weit­ge­hend un­fall­frei­er Taue­rei­be­trieb am Mit­tel­rhein un­ter­mau­ern die prin­zi­pi­el­le Taug­lich­keit des Sys­tems und be­wie­sen die Halt­bar­keit der von Fel­ten & Guil­leau­me ge­lie­fer­ten Zug­sei­le. Das Köl­ner Un­ter­neh­men pro­fi­tier­te von die­sem Be­weis sei­ner Leis­tungs­fä­hig­keit, doch den üb­ri­gen Ak­tio­nä­ren hat die Seil­schiff­fahrt nicht den er­hoff­ten fi­nan­zi­el­len Ge­winn ein­ge­bracht, so dass die Taue­rei als Son­der­form des Gü­ter­trans­ports auf dem Rhein nur ei­ne Epi­so­de blieb. Bei der Su­che nach den Ur­sa­chen stö­ßt man an ers­ter Stel­le auf die chro­ni­sche Un­ter­ka­pi­ta­li­sie­rung des Un­ter­neh­mens. Die Grün­der hat­ten ih­re Pla­nun­gen für den Mit­tel­be­darf auf das Preis­ni­veau von 1870 ab­ge­stellt. Die Ver­zö­ge­run­gen durch den deutsch-fran­zö­si­schen Krieg und die Kos­ten­stei­ge­run­gen des kur­zen, aber hef­ti­gen Grün­der­booms stra­pa­zier­ten das auf­ge­brach­te Ka­pi­tal, so dass kei­ne aus­rei­chen­den Re­ser­ven für die na­tur­ge­mäß schwie­ri­gen An­fangs­jah­re blie­ben. Als dann die ers­ten Kun­den über­zeugt wer­den konn­ten und der er­folg­reich auf­ge­nom­me­ne Schlepp­be­trieb Ein­nah­men er­ziel­te, wa­ren die­se durch die Kri­se der­ma­ßen ge­drückt, dass die ur­sprüng­li­che Kal­ku­la­ti­on nicht auf­ging. Da­ge­gen konn­te die Kon­kur­renz, so­fern sie schon 1871 im Ge­schäft war, auf die in den Boom­jah­ren ge­bil­de­ten Re­ser­ven zu­rück­grei­fen. Bei Bör­sen­kur­sen von un­ter 30 Pro­zent für die Alt­ak­ti­en war der Weg ei­ner Ka­pi­tal­er­hö­hung nicht gang­bar. Die dar­auf­hin aus­ge­ge­be­ne fünf­pro­zen­ti­ge An­lei­he stell­te mit ei­nem Di­sa­gio von 5 Pro­zent und ei­nem Rück­zah­lungs­kurs von 105 Pro­zent ei­ne aus­ge­spro­chen teu­re Art der Fi­nan­zie­rung dar.

Die Fu­si­on mit der Ruhr­ort-Mül­hei­mer Kon­kur­renz nach nur kur­zer Selb­stän­dig­keit pro­du­zier­te ei­ne Misch­form aus Taue­rei und kon­ven­tio­nel­ler Schlepp­schiff­fahrt, in der der Seil­be­trieb zu­neh­mend an Ge­wicht ver­lor. Ob­wohl Ver­gleichs­kal­ku­la­tio­nen den Tau­ern ei­ne bes­se­re Ren­ta­bi­li­tät be­schei­nig­ten und die­se auch in lan­gen Nied­rig­was­ser­pe­ri­oden das Rück­grat des Schlepp­be­triebs am Mit­tel­rhein bil­de­ten, er­wies sich die Stre­cke Ober­kas­sel-Bin­gen schlicht als zu kurz, um die Vor­tei­le aus­spie­len zu kön­nen. Theo­re­tisch hät­ten hier 20 Seil­schif­fe gleich­zei­tig un­ter­wegs sein kön­nen. Im täg­li­chen Ge­schäft wa­ren noch nicht ein­mal die vor­han­de­nen acht Tau­er aus­ge­las­tet, denn der zwei­ma­li­ge Wech­sel der Schlep­per bei Ober­kas­sel und hin­ter Bin­gen war auf­wän­dig und zeit­rau­bend. Der Seil­ab­schnitt stell­te in den al­ler­meis­ten Fäl­len ja le­dig­lich den Mit­tel­teil ei­ner viel län­ge­ren Fahr­stre­cke dar, so dass sich al­ter­na­tiv ei­ne durch­gän­gi­ge Be­die­nung durch frei fah­ren­de Schlep­per an­bot. Im Ge­schäfts­jahr 1884 hat­ten zum Bei­spiel 36 Pro­zent der von Duis­burg-Hoch­feld oder Ruhr­ort aus­ge­hen­den Frach­ten der Ge­sell­schaft Zie­le bis hin­auf nach Mann­heim, nur 17 Pro­zent wa­ren für Or­te bis Mainz be­stimmt. 22 Pro­zent der trans­por­tier­ten Gü­ter gin­gen von den Nie­der­lan­den über Duis­burg rhein­auf­wärts, leg­ten al­so ei­ne lan­ge Stre­cke auf dem Nie­der­rhein zu­rück, wo schon lan­ge kein Seil mehr lag.

Wäh­rend die acht Tau­er der “Cen­tral AG für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt” seit 1873 nur leicht mo­di­fi­ziert wor­den wa­ren, über­tra­fen die über 700 sons­ti­gen Rhein­schlep­per des Jah­res 1901 hin­sicht­lich Mo­to­ri­sie­rung, Ge­schwin­dig­keit, Zug­kraft und Brenn­stoff­ef­fi­zi­enz die Leis­tun­gen je­ner 50 deut­schen und acht hol­län­di­schen “Re­mor­queu­re”, die 1870 die Stre­cke Rot­ter­dam-Straß­burg be­fah­ren hat­ten. Gleich­zei­tig ver­bes­ser­ten um­fang­rei­che Re­gu­lie­rungs­maß­nah­men der Rhein­an­lie­ger­staa­ten das Fahr­was­ser, auch im be­rüch­tig­ten Bin­ger Loch. Die ur­sprüng­li­che Über­le­gen­heit der Seil­schiff­fahrt ver­schwand. Be­trächt­li­chen An­teil an die­ser Ent­wick­lung hat­te die ver­än­der­te Zu­sam­men­set­zung der ge­schlepp­ten Fahr­zeu­ge. 1901 er­reich­te die Zahl der auf dem Rhein ver­keh­ren­den Ei­senk­äh­ne (4.057) fast die der höl­zer­nen; mit durch­schnitt­lich 526 Ton­nen lag ih­re Trag­fä­hig­keit mehr als drei­mal so hoch. Zu­dem wie­sen sie ge­gen­über den Holz­schif­fen ei­nen ge­rin­ge­ren Was­ser­wi­der­stand auf. Die schlepp­star­ken mo­der­nen Rad- und Schrau­ben­boo­te wa­ren mit sol­chem An­hang oh­ne Ein­schrän­kung selbst dem strö­mungs­rei­chen Mit­tel­rhein ge­wach­sen.

Quellen

Cen­tral-Ac­ti­en-Ge­sell­schaft für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt zu Ruhr­ort. Ge­schäfts­be­rich­te.
Cen­tral-Ac­ti­en-Ge­sell­schaft für Taue­rei und Schlepp­schif­fahrt zu Ruhr­ort. Be­richt für die au­ßer­or­dent­li­che Ge­ne­ral-Ver­samm­lung am 11. März 1985.

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Seilschiff vor Linz am Rhein, 1893. (Stadtarchiv Linz am Rhein)

 
Zitationshinweis

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Vogt, Helmut, Tauerei (Seil-Schleppschifffahrt) auf dem Rhein 1871-1905, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/tauerei-seil-schleppschifffahrt-auf-dem-rhein-1871-1905/DE-2086/lido/57d12db591ce52.01038308 (abgerufen am 29.03.2024)