Dabei sein ist alles? Kölns Bewerbung für die Olympischen Spiele 1936 und ihr Scheitern im Wettstreit mit Berlin

Alexander Olenik (Bonn)

Luftaufnahme des Müngersdorfer Sportparks, 1923/1928. (Rheinisches Bildarchiv | rba_159886 | https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05210861)

Die Olym­pi­schen Spie­le 1936 sind un­trenn­bar mit Ber­lin ver­bun­den; eben­so wie mit dem na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land. Die NS-Dik­ta­tur nutz­te die­se „Sech­zehn Ta­ge im Au­gus­t“[1], um ihr Re­gime ge­gen­über der Welt­öf­fent­lich­keit po­si­tiv in Sze­ne zu set­zen und sei­nen mör­de­ri­schen Cha­rak­ter zu ver­schlei­ern.

Über die Aus­rich­tung der XI. Olym­pia­de der Neu­zeit wur­de gleich­wohl fünf Jah­re zu­vor – auf der Sit­zung des Exe­ku­tiv­aus­schus­ses des In­ter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Ko­mi­tees (IOK) in Bar­ce­lo­na im Mai 1931 – ent­schie­den. Das de­mo­kra­ti­sche Deutsch­land wie­der­hol­te sei­ne Be­mü­hun­gen, Gast­ge­ber der Olym­pia­de zu sein, die das Kai­ser­reich 1916 kriegs­be­dingt nicht ver­an­stal­ten konn­te. Nach­dem das Deut­sche Reich spä­tes­tens 1928 wie­der voll­be­rech­tig­tes Mit­glied der in­ter­na­tio­na­len Sport­ge­mein­schaft ge­wor­den war, stan­den die Chan­cen gut. Der Stich­ent­scheid in der ka­ta­la­ni­schen Me­tro­po­le zwi­schen Bar­ce­lo­na und Ber­lin fiel zu­guns­ten der Haupt­stadt der Wei­ma­rer Re­pu­blik. We­ni­ger be­kannt ist, dass es im Vor­feld ei­nen in­ner­deut­schen Wett­be­werb ge­ge­ben hat­te. Denn ne­ben Ber­lin be­war­ben sich auch Frank­furt am Main, Nürn­berg so­wie Köln für die Aus­rich­tung der Olym­pi­schen Spie­le 1936. Bei der Be­trach­tung der Köl­ner Be­wer­bung las­sen sich dia­me­tra­le Un­ter­schie­de zum tat­säch­li­chen Gro­ße­reig­nis von 1936 er­ken­nen.

 

1. Berlin wird protegiert

Im Ent­schei­dungs­pro­zess hat­te auf deut­scher Sei­te der Deut­sche Reichs­aus­schuss für Lei­bes­übun­gen (DRAfL) ei­ne Schlüs­sel­po­si­ti­on in­ne. Ob­wohl er be­stimm­te Mi­lieu­sport­or­ga­ni­sa­tio­nen nicht be­zie­hungs­wei­se nur in Tei­len ver­trat (wie die Ar­bei­ter­sport­ver­bän­de), ver­stand sich der DRAfL als na­tio­na­ler Sport­dach­ver­band. Sei­ne Aus­rich­tung war bür­ger­lich. In sei­nem Auf­bau bil­de­te er das fö­de­ra­le Sys­tem ab. Tat­säch­lich be­sa­ßen Prä­si­di­um und Ge­schäfts­stel­le mit Sitz in Ber­lin je­doch ei­ne wich­ti­ge Steue­rungs­funk­ti­on. Aus die­sem na­tio­na­len Dach­ver­band der bür­ger­li­chen Sport­ver­ei­ne ging 1926 der Deut­sche Olym­pi­sche Aus­schuss (DOA), der Vor­läu­fer des deut­schen Na­tio­na­len Olym­pi­schen Ko­mi­tees (NOK), her­vor. Mit­te der 1920er Jah­re kehr­te der DRAfL im Kon­text der all­ge­mei­nen po­li­ti­schen Ent­span­nung in Eu­ro­pa in die olym­pi­sche Ge­mein­schaft zu­rück.[2]

Die ma­ß­geb­li­chen Prot­ago­nis­ten von DRAfL und DOA wa­ren der ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tär im Reich­sin­nen­mi­nis­te­ri­um Theo­dor Le­wald (1860-1947) als DRAfL-Prä­si­dent un­d Carl Diem als DRAfL-Ge­schäfts­füh­rer und Chef­theo­re­ti­ker des Sports in Deutsch­land. Die DRAfL-Füh­rung fa­vo­ri­sier­te ei­ne Ab­hal­tung der Olym­pi­schen Spie­le in Ber­lin. Wäh­rend Diem sich für die in­halt­li­che (Neu-) Aus­rich­tung des Wett­be­werbs in­ter­es­sier­te, pro­te­gier­te ins­be­son­de­re Le­wald die Ver­an­stal­tung der Spie­le in der „Reichs­haupt­stadt“. Da das IOK-Re­gle­ment für die Ver­ga­be des Sport­gro­ße­reig­nis­ses der Öf­fent­lich­keit und auch den in­ter­es­sier­ten Stadt­ver­wal­tun­gen wei­test­ge­hend un­be­kannt war, be­sa­ßen die we­ni­gen DRAfL-Funk­tio­nä­re ein ma­ß­geb­li­ches Herr­schafts­wis­sen. Sie wa­ren zu­dem in Per­so­nal­uni­on Teil der Ent­schei­der im IOK.[3] Be­reits 1927 brach­te Le­wald im Kreis des IOK Ber­lin als Kan­di­dat ins Spiel, denn in sei­ner Sit­zung am 29.1.1927 hat­te sich der DOA für ei­ne Be­wer­bung der Haupt­stadt aus­ge­spro­chen.[4] Ge­gen­über Ber­lin kom­mu­ni­zier­te man die­se Fest­le­gung of­fen. Be­reits im Fe­bru­ar 1929 wur­de der Ma­gis­trat von den Ab­sich­ten der Sport­ver­bän­de in­for­miert.[5] 

Carl Diem (l.) und Theodor Lewald (r.) während der Olympischen Winterspiele in St. Moritz (Schweiz), 1928. (Bundesarchiv | Bild 102-05459 | CC-BY-SA 3.0)

 

Auch die Reichs­re­gie­rung stell­te Le­wald zu die­sem frü­hen Zeit­punkt vor voll­ende­te Tat­sa­chen. Mit Un­ter­stüt­zung des Aus­wär­ti­gen Am­tes warb er mit ei­nem Schrei­ben vom 1.3.1927 um die Un­ter­stüt­zung der ge­sam­ten Reichs­re­gie­rung für ei­ne Be­wer­bung Ber­lins für die Olym­pi­schen Spie­le 1936. In der Wil­helm­stra­ße und bei den Mi­nis­te­ri­en wur­den höchs­tens fi­nan­zi­el­le Vor­be­hal­te vor­ge­bracht. Zu ei­ner Be­spre­chung der An­ge­le­gen­heit im Reichs­ka­bi­nett kam es zwar nicht, aber die meis­ten be­tei­lig­ten Ka­bi­netts­mit­glie­der si­gna­li­sier­ten Zu­stim­mung. Reichs­kanz­ler Wil­helm Marx po­si­tio­nier­te sich zu­nächst nicht. Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burg (1847-1934) zähl­te zu den Un­ter­stüt­zern des Aus­baus des Sport­fo­rums.[6] Trotz gu­ter Kon­tak­te in die Reichs­re­gie­rung in­for­mier­te Kon­rad Ade­nau­er we­der Reichs­kanz­ler Marx noch den lang­jäh­ri­gen Chef der Reichs­kanz­lei Her­mann Pünder über sei­ne Plä­ne für ei­ne Olym­pia­be­wer­bung Kölns, ob­wohl bei­de Rhein­län­der wa­ren! Kölns Ober­bür­ger­meis­ter, der zu­gleich als Prä­si­dent des Preu­ßi­schen Staats­ra­tes (1921-1933) am­tier­te, kam zwar „öf­ter­s“ zu Pünder in die Reichs­kanz­lei, wenn er dienst­lich in Ber­lin zu­ge­gen war, und brach­te „sei­ne Son­der­wün­sche für Köln“[7]  vor,  doch ist ei­ne Kon­takt­auf­nah­me hin­sicht­lich der Olym­pi­schen Spie­le nicht über­lie­fert.

Als Reichs­haupt­stadt be­saß Ber­lin in den Au­gen des or­ga­ni­sier­ten Sports für die Aus­tra­gung der Olym­pi­schen Spie­le in Deutsch­land ein Erst­zu­griffs­recht. Die­se Hal­tung trug die DRAfL-Füh­rung of­fen zur Schau; auch ge­gen­über den Mit­be­wer­bern. Auf der DRAfL-Vor­stands­sit­zung am 6.7.1929 in Es­sen be­ach­te­te Le­wald die Köl­ner Ab­sich­ten we­nig und re­fe­rier­te über die Er­war­tun­gen des DRAfL an Ber­lin hin­sicht­lich sei­ner Sport­an­la­gen.[8] Die Be­wer­bungs­ab­sich­ten an­de­rer deut­scher Städ­te nutz­te der DRAfL, um Ber­lin un­ter Druck zu set­zen. Öf­fent­lich hiel­ten die Ver­ant­wort­li­chen die Dis­kus­si­on um den deut­schen Aus­tra­gungs­ort künst­lich of­fen.[9] Falls Ber­lin den Aus­bau des Deut­schen Sta­di­ons – der vor­ge­se­he­nen Wett­kampf­stät­te für 1916 – ab­leh­nen wür­de, kä­me ei­ne an­de­re deut­sche Stadt in Fra­ge. Zu­min­dest Carl Diem schien Köln als Num­mer zwei ge­gen­über Frank­furt am Main und Nürn­berg be­vor­zugt zu ha­ben.[10] Mehr als die­se Re­ser­verol­le woll­te aber auch Diem Köln nicht zu­ge­ste­hen.[11]

Porträtaufnahme von Konrad Adenauer als Kölner Oberbürgermeister, 1927, Foto: Hugo Erfurth. (Rheinisches Bildarchiv | rba_d042041 | https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05239159)

 

Um das IOK zu über­zeu­gen, war Ber­lin für Le­wald je­doch der ein­zig rea­lis­ti­sche Kan­di­dat. Hier­für, so er­läu­ter­te er Ade­nau­er ge­gen­über, gä­be es meh­re­re Grün­de: 1. ha­be Ber­lin 1916 un­ver­schul­det, da kriegs­be­dingt, die Spie­le nicht aus­rich­ten kön­nen, 2. kä­men Haupt­städ­te – trotz Aus­nah­men – tra­di­tio­nell in Be­tracht, so­wie 3. fürch­te­te Le­wald ein Stim­men­split­ting zwi­schen den deut­schen Städ­ten, wel­ches letzt­lich un­frei­wil­lig die aus­län­di­sche Kon­kur­renz un­ter­stüt­ze.[12] Die­se Mei­nung wie­der­hol­te er auch zu spä­te­ren Zeit­punk­ten. Ei­nen Mo­nat vor der Ab­stim­mung in Bar­ce­lo­na stell­te er ge­gen­über Ade­nau­er klar: Ich wie­der­ho­le: wür­de ich glau­ben, dass es […] leich­ter wä­re, Köln statt Ber­lin im Ko­mi­tee durch­zu­brin­gen, so wür­de ich noch in letz­ter Stun­de für Köln mich ein­set­zen. Die­ser Über­zeu­gung war Le­wald je­doch nicht.[13] So sa­hen es auch die an­de­ren bei­den deut­schen IOK-Mit­glie­der Karl Rit­ter von Halt (1891-1964) und Adolf Fried­rich zu Meck­len­burg-Schwe­rin (1873-1969): Ab­ge­se­hen von der land­schaft­li­chen Schön­heit, die ja nicht mass­ge­bend ist, kann Köln nichts auf­wei­sen, was ge­gen­über Ber­lin zu sei­nem Guns­ten spre­chen könn­te.[14] So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Theo­dor Le­wald bei den Deut­schen Kampf­spie­len in Bres­lau im Fe­bru­ar 1930 ver­kün­de­te, er hof­fe auf ei­ne mög­lichst frü­he Fest­le­gung des IOK auf Ber­lin.[15] 

Vor dem wich­ti­gen Olym­pi­schen Kon­gress, der En­de Mai 1930 in Ber­lin statt­fand, hat­te Le­wald auch Köln be­sich­tigt. Da­bei lob­te er zwar die Sport­an­la­gen, aber mehr als den IOK-Kon­gress­teil­neh­mern ei­nen Be­such der Dom­stadt zu emp­feh­len, stell­te er nicht in Aus­sicht.[16]  Pas­sen­der­wei­se in­ten­si­vier­te der DRAfL rund um die­sen Ter­min die Wer­be­ak­ti­vi­tät für Ber­lin. In der Be­richt­er­stat­tung der ver­band­sei­ge­nen Zeit­schrift, „Blät­ter für Volks­ge­sund­heit und Volks­kraf­t“, stand Ber­lin im Zen­trum der deut­schen Be­mü­hun­gen. Die an­de­ren Be­wer­ber­städ­te ge­nos­sen nur noch un­ter­ge­ord­ne­te Be­deu­tung. Nach Ab­schluss des Kon­gres­ses war die Hoff­nung der Re­dak­ti­on groß, daß […] auf der Ta­gung des IOK. in Bar­ce­lo­na Ber­lin als Stät­te der Olym­pi­schen Spie­le 1936 ge­wählt wird.[17] In der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung im Deut­schen Reich zeig­te die Kam­pa­gne des DRAfL Wir­kung. Selbst rhei­ni­sche Zei­tun­gen schätz­ten die Chan­cen für Köln und Nürn­berg nur noch ge­ring ein.[18] Die Stadt Frank­furt am Main leg­te ih­re Be­wer­bung nach dem Ver­lauf des Olym­pi­schen Kon­gres­ses be­reits auf Eis.[19] 

Karl Ritter von Halt während einer Rede, 1935. (Narodowe Archiwum Cyfrowe)

 

2. Die Kölner Bemühungen im Kontext der deutschen Bewerbung um die Olympische Spiele 1936

Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er ver­such­te die Spie­le für das Jahr 1936 ins Rhein­land zu ho­len. Das Be­wer­bungs­ver­fah­ren fand in den Jah­ren 1929 bis 1931 statt. Die Be­wer­bung der Stadt Köln um die Aus­rich­tung der Spie­le der XI. Olym­pia­de aus den Jah­ren 1929/1930 leg­te ih­ren Fo­kus auf die vor­han­de­nen mo­der­nen Sport­an­la­gen im Stadt­ge­biet. Köln warb mit sei­nen be­ste­hen­den Sport­stät­ten, die es für die Spie­le punk­tu­ell aus­bau­en woll­te. Au­ßer­dem führ­te die Stadt­ver­wal­tung an, dass in den ver­gan­ge­nen Jah­ren viel­be­ach­tet und er­folg­reich Sport­gro­ß­ver­an­stal­tun­gen wie das Deut­sche Turn­fest 1928 im Köl­ner Wes­ten durch­ge­führt wor­den wa­ren. Der auf­zie­hen­den wirt­schaft­li­chen Re­zes­si­on zum Trotz wuss­ten die Ent­schei­der in Köln, in bau­pla­ne­ri­sche Vor­leis­tun­gen ein­zu­tre­ten. Aus heu­ti­ger Sicht kann da­von ge­spro­chen wer­den, dass die Be­wer­bung auf ei­ne mög­lichst nach­hal­ti­ge Gro­ß­ver­an­stal­tung aus­ge­rich­tet ge­we­sen ist. Die Kos­ten kal­ku­lier­te man auf ins­ge­samt 3-4 Mil­lio­nen Reichs­mark. Pro­vi­so­ri­sche Bau­ten, die we­ni­ger kos­ten­in­ten­siv aus­fal­len wür­den, wa­ren vor­ge­se­hen. So­wohl DRAfL als auch die Stadt Köln ga­ben sich zu­ver­sicht­lich, die Aus­ga­ben durch die Olym­pi­schen Spie­le kom­plett re­fi­nan­zie­ren zu kön­nen.[20] 

Für Köln spra­chen zu­nächst die Ver­wer­fun­gen in der Ber­li­ner Kom­mu­nal­po­li­tik. Nach­dem Ober­bür­ger­meis­ter Gus­tav Böß (1873-1946) in­fol­ge ei­nes Kor­rup­ti­ons­skan­dals zu­rück­tre­ten muss­te, war des­sen Nach­fol­ge mo­na­te­lang un­ge­klärt. Ber­lins Fi­nan­zen lit­ten zu­dem un­ter der ein­set­zen­den Welt­wirt­schafts­kri­se.[21] Ade­nau­er war in Köln hin­ge­gen 1929 wie­der­ge­wählt wor­den und durch sei­ne Funk­tio­nen im preu­ßi­schen Staats­we­sen gut ver­netzt. Der spä­te­re Bun­des­kanz­ler hat­te Köln in den 1920er Jah­ren zur Me­tro­po­le des Wes­tens mit in­ter­na­tio­na­ler Strahl­kraft aus­ge­baut.[22] In sport­po­li­ti­scher Hin­sicht setz­te Ade­nau­er auf die „ge­ziel­te För­de­rung des Brei­ten­sports“, in­klu­si­ve ei­ge­nem Amt für Ju­gend­pfle­ge und Lei­bes­übun­gen (seit 1919). Im Sport­de­zer­nen­ten Dr. Hein­rich Bill­stein (1883-1956) und im Sta­di­on­di­rek­tor Chris­ti­an Busch (1880-1977), bei­de seit 1923 im Amt, fand er Ver­bün­de­te. Durch sei­ne Po­li­tik der städ­ti­schen Ei­gen­in­itia­ti­ve im Sport­be­reich kam Köln ei­ne deutsch­land­wei­te Vor­rei­ter­rol­le zu.[23] 

Ber­lins Aus­sich­ten auf den Zu­schlag schätz­te die Köl­ner Pres­se An­fang 1930 schlecht ein und schür­te den Op­ti­mis­mus.[24] Der Ober­bür­ger­meis­ter konn­te sich zu die­sem Zeit­punkt auch auf Ver­trau­te in der Wirt­schaft stüt­zen. So blo­ckier­te der Ban­kier Si­mon Al­bert Frei­herr von Op­pen­heim mit ho­hen Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen für den Ver­kauf ei­ner Pfer­de­renn­bahn, an der er An­tei­le hielt, den Aus­bau der Sport­ge­län­de in Ber­lin.[25] Am 31.3.1930 er­klär­te zu­dem der or­ga­ni­sier­te Sport in Köln ein­stim­mig sei­ne Un­ter­stüt­zung der Be­wer­bung.[26] Un­ter Kölns Fach­de­zer­nen­ten herrsch­te Ei­nig­keit, dass ei­ne ste­te Mo­der­ni­sie­rung des Sport­parks in Mün­gers­dorf un­ab­hän­gig von der Olym­pia-Be­wer­bung zu er­fol­gen ha­be, um nicht ins Hin­ter­tref­fen ge­gen­über an­de­ren Städ­ten zu ge­ra­ten.[27] Das er­klärt die Aus­dau­er Kölns im Ver­fah­ren. Hin­zu kam das Selbst­bild der Ver­wal­tung, zwi­schen Ber­lin und Köln be­stün­den kei­ne gro­ßen Un­ter­schie­de hin­sicht­lich der Aus­strah­lungs­kraft bei­der Städ­te. Köln sei, so Ade­nau­er noch im April 1931, ein in­ter­na­tio­na­les Frem­den­ver­kehrs­zen­trum ers­ten Ran­ges. Im Ra­di­us von zwei bis drei Ei­sen­bahn­stun­den wür­den et­wa 20 Mil­lio­nen Men­schen le­ben. Köln setz­te al­so auf Ta­ges­tou­ris­ten.[28]

Massenfreiübung in Köln während des XIV. deutsche Turnfest in Köln, Juli 1928. (Bundesarchiv | Bild 102-06313 | CC-BY-SA 3.0)

 

Aber erst nach dem ent­täu­schen­den Ver­lauf des Ber­li­ner Kon­gres­ses ent­wi­ckel­te Köln über­haupt ei­ne Be­wer­bungs­kam­pa­gne. Den An­stoß hier­für gab der Ge­ne­ral­se­kre­tär des fran­zö­si­schen NOK. Frantz Rei­chel (1871-1932) war ein Un­ter­stüt­zer der Köl­ner Be­wer­bung. Er emp­fahl der Stadt, ei­ne be­son­de­re Pro­pa­gan­da-Ab­tei­lung zu bil­den, um in Deutsch­land und un­ter den IOK-De­le­gier­ten für Köln zu wer­ben.[29] Bill­stein re­agier­te um­ge­hend und lud den Schrift­lei­ter für Sport bei der Düs­sel­dor­fer Il­lus­trier­ten „Der Mit­ta­g“ ein. Im Ge­spräch, das am 12.6.1930 statt­fand, si­gna­li­sier­te Fritz Ha­effs (gest. 1945) die Un­ter­stüt­zung sei­ner Re­dak­ti­on.[30]  Auch Al­fred Ne­ven Du Mont (1868-1940), Her­aus­ge­ber der über­re­gio­nal be­deut­sa­men Köl­ni­schen Zei­tung, ver­sprach ei­ne pro-köl­ni­sche und Ber­lin-kri­ti­sche Be­richt­er­stat­tung sei­ner Re­dak­ti­on.[31] Das Sport­amt be­herrsch­te Ak­ti­ons­wil­le – Die An­ge­le­gen­heit darf nicht mehr zum Ru­hen kom­men – , aber die Kol­le­gen in der Pres­se- und Wer­be­ab­tei­lung der Stadt lie­ßen das The­ma über den Som­mer we­gen an­der­wei­ti­ger Ar­bei­ten lie­gen. Erst im Au­gust wur­den von dort Vor­schlä­ge ge­macht.[32] Nichts­des­to­we­ni­ger ent­fal­te­te die Pres­se­wer­bung punk­tu­ell Auf­merk­sam­keit. So such­te ein tsche­cho­slo­wa­ki­sches IOK-Mit­glied Köln auf und stell­te sei­ne Un­ter­stüt­zung bei ei­ner fi­nan­zi­el­len Ge­gen­leis­tung für sei­nen Leicht­ath­le­tik­ver­ein in Brünn/Brno in Aus­sicht. Köln ver­hielt sich ge­gen­über die­ser Schmier­geld­for­de­rung zu­rück­hal­tend und bat um ei­nen schrift­li­chen An­trag.[33] 

Zu die­sem Zeit­punkt, im Au­gust 1930, hat­ten sich der DRAfL und sein Prä­si­dent Le­wald be­reits meh­re­re Ma­le ex­pli­zit zu­guns­ten Ber­lins aus­ge­spro­chen, so dass in Köln die kurz­zei­ti­ge Eu­pho­rie ver­flo­gen sein muss­te. Kämp­fe­risch gab sich nur noch Sta­di­on­di­rek­tor Busch: Er for­der­te sei­nen Vor­ge­setz­ten Bill­stein auf, im DRAfL auf ei­ne of­fi­zi­el­le Ent­schei­dung für ei­nen deut­schen Be­wer­ber zu drän­gen. Da Ber­lin noch im­mer kei­ne ad­äqua­te Sport­an­la­ge be­sä­ße, wä­re der Zeit­punkt güns­tig.[34] Der Bei­ge­ord­ne­te scheint die­sem An­sin­nen nicht ge­folgt zu sein, denn im Ok­to­ber 1930 stell­te Köln sei­ne Pla­nungs­ar­bei­ten mit Ver­weis auf Aus­sichts­lo­sig­keit und Wirt­schafts­kri­se ein.[35] 

3. Die Kölner Bewerbung im Detail – Bewerbungsschreiben und Denkschrift

Am 8.4.1930 über­reich­te Kon­rad Ade­nau­er schrift­lich sei­ne Be­wer­bung dem Se­kre­ta­ri­at des IOK in Lau­sanne. Das Schrei­ben war drei­spra­chig aus­ge­fer­tigt. Dass sich Köln erst zu die­sem Zeit­punkt be­warb, hat­te auch mit der spä­ten Emp­feh­lung des DRAfL zu tun, wel­ches die­sen Schritt Ber­lin, Frank­furt am Main, Köln und Nürn­berg zeit­gleich an­riet.[36] Der Ober­bür­ger­meis­ter leg­te in sei­nem Be­wer­bungs­schrei­ben den Schwer­punkt auf die vor­han­de­ne Sta­di­on-An­la­ge, die ih­re Taug­lich­keit bei meh­re­ren Gro­ß­ver­an­stal­tun­gen be­wie­sen ha­be. Die Stadt, so Ade­nau­er wei­ter, be­sit­ze für ih­re Rol­le als Gast­ge­ber ei­ne güns­ti­ge geo­gra­phi­sche La­ge, ins­be­son­de­re als Kno­ten­punkt im Luft- und Schie­nen­ver­kehr. Ge­gen­über ei­nem Aus­bau der Sport­stät­ten zeig­te man sich zu­gleich of­fen.[37] In Ab­schrift schick­te die Stadt das Be­wer­bungs­schrei­ben an den DRAfL.[38]

Das drei­sei­ti­ge Schrei­ben wur­de nach­träg­lich mit ei­ner Denk­schrift flan­kiert, die den Ti­tel „Die Sport­stadt Köln und ihr Sta­di­on“ trug.[39] Un­ter gro­ßem Zeit­druck her­ge­stellt, wur­de die Bro­schü­re auf dem Olym­pi­schen Kon­gress und der vor­ge­schal­te­ten Ver­bands­ta­gung der Leicht­ath­le­ten in Ber­lin per­sön­lich durch den Bü­ro­lei­ter des Sport­am­tes Emil Pfei­fer (geb. 1888) ver­teilt.[40] Von den drei Bei­trä­gen, die das Trak­tat ent­hielt, stamm­te ein Text aus der Fe­der des Ober­bür­ger­meis­ters („Die Grün­flä­chen­po­li­tik der Stadt Köln“), und zwei wei­te­re Bei­trä­ge steu­er­te der Bei­ge­ord­ne­te Dr. Bill­stein hin­zu. Ade­nau­ers Auf­satz mit dem Un­ter­ti­tel „Aus der Ar­beit ei­ner mo­der­nen Gross­stadt“ war ei­ne Zweit­ver­wer­tung. Er ver­weist aber auf die Denk­rich­tung der Stadt­füh­rung, sport­po­li­ti­sche Maß­nah­men in ei­ne kom­mu­na­le Ge­sund­heits- und So­zi­al­po­li­tik ein­zu­bet­ten.[41] 

Besichtigung der Baustelle des Berliner Olympiastadions durch Carl Diem (1. v. r.), Theodor Lewald (2. v. l.) und den Präsident des US-amerikanischen olympischen Komitees, Avery Brundage (3. v. l.), 1934. (Narodowe Archiwum Cyfrowe)

 

Ei­ne Leis­tungs­be­schrei­bung der Sport­po­li­tik fin­det sich wie­der­um im zwei­ten Auf­satz „Die An­la­gen für Tur­nen und Sport in Köln“. Im ers­ten Jahr­zehnt nach Kriegs­en­de ha­be Köln die städ­ti­schen Sport­an­la­gen für die olym­pi­schen Dis­zi­pli­nen in vie­len Fäl­len ver­dop­pelt, wenn nicht so­gar ver­viel­facht. Da­bei sei es der Stadt zu­gu­t­ege­kom­men, dass das preu­ßi­sche Fes­tungs­ge­län­de, wel­ches den Wes­ten der Stadt halb­ring­för­mig um­gab, durch die Ent­mi­li­ta­ri­sie­rungs­be­stim­mun­gen ge­schlif­fen wer­den muss­te und so­mit neu ge­stal­tet wer­den konn­te. Brei­ten- und Schul­sport­ein­rich­tun­gen (wie Turn­hal­len, öf­fent­li­che Ba­de­an­stal­ten) sei­en eben­so aus­ge­baut wor­den. Herz­stück der Köl­ner Frei­zeit- und Sport­an­la­gen wä­ren je­doch die Neu­bau­ten der 1920er Jah­re, vor al­lem das Köl­ner Sta­di­on, der Edel­stein in dem Kranz von Spiel- und Sport­plät­zen. Bill­stein schrieb stolz über die Ein­bet­tung des Sport­parks Mün­gers­dorf in den äu­ße­ren Grün­gür­tel so­wie die Er­wei­te­rungs­bau­ten nörd­lich der Haupt­kampf­bahn. Für den Bei­ge­ord­ne­ten stell­te das Sta­di­on nicht nur ei­nen mo­der­nen Ver­an­stal­tungs­ort dar, son­dern ein be­deu­ten­des Werk zum Bes­ten der kör­per­li­chen und geis­ti­gen Er­tüch­ti­gung der deut­schen Ju­gend. Der Auf­satz wur­de il­lus­triert mit Kar­ten­ma­te­ri­al von Mün­gers­dorf so­wie Parks in an­de­ren Stadt­tei­len.

Der drit­te Auf­satz „Das Köl­ner Sta­di­on“ un­ter­strich noch­mals die Leis­tungs­fä­hig­keit der Mün­gers­dor­fer An­la­ge im Spe­zi­el­len. Ih­re tech­ni­sche Aus­stat­tung ge­währ­leis­te sport­li­che Spit­zen­leis­tun­gen. Bill­stein ver­wies hier­für vor al­lem auf die Leicht­ath­le­tik-Sta­di­en. Die An­la­gen lie­ßen sich zu­dem für meh­re­re Sport­ar­ten nut­zen. Bis­her durch­ge­führ­te na­tio­na­le Sport­fes­te und in­ter­na­tio­na­le Wett­kämp­fe so­wie de­ren Zu­schau­er­zah­len sprä­chen für sich. Dar­über hin­aus sei die In­fra­struk­tur für grö­ße­re Sport­ver­an­stal­tung in den Jah­ren 1926 bis 1928 aus­ge­baut wor­den. Au­ßer­dem mach­te der Bei­ge­ord­ne­te stark, dass die Wett­kampf­stät­ten dem Schul- und Ver­eins­sport of­fen stün­den und von Jahr zu Jahr mehr ge­nutzt wür­den.

Der Denk­schrift fehl­ten nichts­des­to­we­ni­ger wich­ti­ge Hin­wei­se. So lag der Pu­bli­ka­ti­on für die Re­gat­ta­bahn, die zu die­sem Zeit­punkt in Köln nicht vor­han­den war, zwar ein Plan bei (S. 31). Dem­nach wür­de die Stadt auf ei­nem Ge­län­de in Köln-Vo­gel­sang (heu­te steht dort das Max-Planck-In­sti­tut für Pflan­zen­züch­tungs­for­schung) ei­ne Stre­cke mit­samt Tri­bü­nen an­le­gen. Es fehl­ten je­doch die Er­läu­te­run­gen. Eben­so we­nig be­rich­te­te die Stadt über die (tem­po­rä­ren) Wett­kampf­stät­ten, die für an­de­re Sport­ar­ten zu er­rich­ten wä­ren. Be­reits An­fang Ju­li 1929 mach­te sich das Sport­amt Ge­dan­ken über die in Köln bis­her nicht vor­han­de­nen Sport­stät­ten. Für die Box- und Fecht­wett­be­wer­be brach­te Sport­amts­lei­ter Busch die Mes­se­hal­len ins Ge­spräch. Auf den Bal­lungs­raum Rhein-Ruhr nahm die Be­wer­bung je­doch eben­falls Be­zug. Für die Vor­run­den- und Zwi­schen­run­den­spie­le der Mann­schafts­sport­ar­ten woll­te Köln auf die Sta­di­onan­la­gen west­li­cher Groß­städ­te zu­rück­grei­fen, um am glei­chen Tag mehr Wett­kämp­fe durch­füh­ren zu kön­nen. Die­ses Ar­gu­ment plat­zier­te Ade­nau­er erst­mals in ei­nem Schrei­ben am 9.4.1931 und so­mit im Kon­text des Drucks der Welt­wirt­schafts­kri­se.[42] Von Be­ginn an un­strit­tig war es, dass Se­geln an ei­ne an­de­re Kom­mu­ne ab­zu­ge­ben.[43] Carl Diem be­teu­er­te ei­ner Köl­ner De­le­ga­ti­on bei ih­rem Be­such in Ber­lin vom 25.-28.8.1929, daß auf den Se­gel­sport kei­ne Rück­sicht zu neh­men sei. Für die Schwer­ge­wichts­dis­zi­pli­nen emp­fahl er je­doch ei­ne räum­li­che Nä­he zum Sta­di­on. Tem­po­rär er­rich­te­te Zelt­bau­ten wä­ren hier­für ei­ne ak­zep­ta­ble Op­ti­on.[44] Für die Re­gat­ta­stre­cke ver­folg­te das Sport­amt meh­re­re Op­tio­nen. Ne­ben dem Stand­ort Vo­gel­sang exis­tier­ten Über­le­gun­gen, die Stre­cke in der Nach­bar­ge­mein­de Ro­den­kir­chen (heu­te zu Köln) zu er­rich­ten oder ein Ha­fen­be­cken hier­für um­zu­bau­en.[45]

Titelseite der Kölner Bewerbungsschrift für die Austragung der olympischen Spiele 1936, 1930. (Carl und Lieselott Diem-Archiv)

 

4. Fazit zum innerdeutschen Ausscheidungswettbewerb

Die Aus­gangs­be­din­gun­gen für Köln im in­ner­deut­schen Aus­schei­dungs­wett­be­werb für die Olym­pi­schen Spie­le 1936 wa­ren aus sport­li­cher Sicht viel­ver­spre­chend. Im sport­in­fra­struk­tu­rel­len Be­reich war die Stadt in bau­li­che Vor­leis­tun­gen ge­tre­ten, die auch von­sei­ten ih­rer Kri­ti­ker an­er­kannt wur­den. Da die An­la­gen von Be­ginn an auch für den Brei­ten- und Ver­eins­sport er­rich­tet wor­den wa­ren, hat­ten sie zum Zeit­punkt der Olym­pia-De­bat­te be­reits Ak­zep­tanz in der Be­völ­ke­rung ge­fun­den. Die Be­wer­bung er­hielt auf die­se Wei­se ei­ne Ver­bin­dung mit den Sport­ver­ei­nen vor Ort, die sie öf­fent­lich un­ter­stütz­ten.

Wel­chen po­si­ti­ven Ein­druck die Aus­rich­tung von Sport­gro­ß­ver­an­stal­tun­gen hin­ter­las­sen kann, zeigt sich bis heu­te. Die jün­ge­re Ver­gan­gen­heit dien­te auch Köln in den 1920er Jah­ren als po­si­ti­ver Re­fe­renz­wert für sei­ne Be­wer­bung: Die na­tio­na­len Wett­be­wer­be, die im Sport­park Mün­gers­dorf aus­ge­tra­gen wur­den, wa­ren in der Grö­ßen­ord­nung zu­dem ver­gleich­bar mit den vor­an­ge­gan­ge­nen Olym­pi­schen Spie­len 1928 in Ams­ter­dam.

Zu fra­gen, was die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten aus den Som­mer­spie­len 1936 ge­macht hät­ten, wä­re Köln die Aus­rich­tung zu­ge­schla­gen wor­den, ist Spe­ku­la­ti­on. Aber im Ver­gleich der Be­din­gun­gen 1931 wird ein Un­ter­schied zwi­schen der Köl­ner und der Ber­li­ner Be­wer­bung deut­lich: Köln setz­te auf be­ste­hen­de Sport­an­la­gen un­ter Ein­be­zie­hung der Re­gi­on und mit Aus­rich­tung auf West­eu­ro­pa. Ber­lin stand für Neu­bau­ten, haupt­städ­ti­sche Re­prä­sen­ta­ti­on und ei­ne glo­ba­le Aus­strah­lung des wie­der­er­stark­ten Deutsch­land. Da­mit han­del­te es sich um zwei Ar­gu­men­ta­ti­ons­stra­te­gi­en, die auch heu­te noch den Be­wer­bungs­pro­zess um Olym­pi­sche Spie­le cha­rak­te­ri­sie­ren.

Dass Kölns Be­wer­bung 1929/30 im Zwei­fels­fall in Kon­kur­renz mit Ber­lin tre­ten wür­de, war al­len Be­tei­lig­ten in der Dom­stadt be­wusst. Die Strahl­kraft der Haupt­stadt und de­ren Be­reit­schaft, trotz (ver­wal­tungs-)po­li­ti­schem Cha­os die not­wen­di­gen Zu­sa­gen für ei­ne Kan­di­da­tur ab­zu­ge­ben, wur­de am Rhein je­doch un­ter­schätzt. Gleich­wohl gab es war­nen­de Stim­men, die den köl­ni­schen Op­ti­mis­mus dämpf­ten. Die Es­se­ner All­ge­mei­ne Zei­tung schrieb am 31.3.1930 – auf dem Hö­he­punkt der Eu­pho­rie in Köln: Aber die Ber­li­ner! Wer­den sie ih­ren Stolz, end­lich die seit 20 Jah­ren er­war­te­ten Olym­pi­schen Spie­le in der deut­schen Haupt­stadt zu be­her­ber­gen, fal­len las­sen? Wir kön­nen es nicht glau­ben, und was die Platz­an­la­gen an­geht, so sind sie mit Leich­tig­keit in vier Jah­ren zu schaf­fen. Oder hat man in Köln schon ver­ges­sen, in welch kur­zer Zeit Ams­ter­dam die An­la­gen für 1928 ge­schaf­fen hat?[46] 

Um die Ber­lin-freund­li­che Hal­tung der DRAfL-Spit­ze wuss­te man in Köln. Aus Ge­sprä­chen mit Le­wald hat­te Sta­di­on­di­rek­tor Busch be­reits im Ju­li 1929 die Ge­wiss­heit, dass je­ner da­nach strebt, die Olym­pi­schen Spie­le nach Ber­lin zu be­kom­men und die an­de­ren Städ­te (Köln, Frank­furt, Nürn­berg) als Vor­spann be­nutzt um von Ber­lin den zeit­ge­mäs­sen Aus­bau des Sta­di­ons und des Sport­fo­rums zu er­rei­chen. Ex­ter­ne wie Prä­la­t Lud­wig Wol­ker (1887-1955), 1. Vor­sit­zen­der des Sport­ver­ban­des der Deut­schen Ju­gend­kraft, teil­ten Buschs Ein­druck. Der DRAfL agier­te zu­dem un­sport­lich, in­dem er bei­spiels­wei­se das Köl­ner Be­wer­bungs­schrei­ben dem Ma­gis­trat von Ber­lin zur Mo­ti­va­ti­on und Ori­en­tie­rung wei­ter­lei­te­te.[47] Ade­nau­er und sein Bei­ge­ord­ne­ter Bill­stein be­hiel­ten ih­ren Kurs je­doch bei.[48] 

Des­halb sind es zwei De­fi­zi­te der Köl­ner Be­wer­bung, die ver­meid­bar wa­ren:

1.) Köln ent­wi­ckel­te zu spät ei­ne kon­gru­en­te (me­dia­le) Stra­te­gie. Ade­nau­er über­lies die Durch­füh­rung der Be­wer­bung dem für Sport zu­stän­di­gen Fach­de­zer­nen­ten. Bill­stein konn­te sich an­de­ren städ­ti­schen Äm­tern ge­gen­über je­doch nicht durch­set­zen, Olym­pia ver­wal­tungs­in­tern als ein prio­ri­tär be­han­del­tes The­ma zu plat­zie­ren. Das Mas­sen­me­di­um der da­ma­li­gen Zeit, die Zei­tung, wur­de erst spät wer­be­wirk­sam ein­ge­setzt. In Lau­sanne, am Sitz des IOK, wur­de man nicht ak­tiv; Köln über­ließ dem DRAfL das Feld und han­del­te nicht oh­ne vor­he­ri­ge Kon­sul­ta­ti­on.[49] 

2.) Köln scheint die po­li­ti­sche Ein­fluss­nah­me, die es über sei­nen Ober­bür­ger­meis­ter, die be­geis­ter­ten Sport­funk­tio­nä­re vor Ort (Orts­grup­pe des DRAfL) und sei­ne Wirt­schafts­spit­zen (zwar ist das Bei­spiel Op­pen­heim als ein­zi­ges in den Ak­ten über­lie­fert) nicht aus­rei­chend ein­ge­setzt zu ha­ben. Am schwie­rigs­ten war es ge­we­sen, die Wahr­neh­mung der Stadt Köln am Sitz der Ent­schei­dungs­trä­ger und staat­li­chen Geld­ge­ber, al­so in Ber­lin, hoch­zu­hal­ten. Die über­stürz­te Rei­se des Sport­amts­mit­ar­bei­ters Pfei­fer il­lus­triert, dass an ei­ne Ver­ste­ti­gung der Wer­be­ak­ti­vi­tä­ten in Ber­lin, zum Bei­spiel in Form ei­nes stän­di­gen Ver­tre­ters vor Ort, nicht ge­dacht wur­de. Rhei­ni­scher Po­li­ti­ker (al­len vor­an die Reichs­kanz­ler Wil­helm Marx un­d Hans Lu­ther) und Ver­bands­funk­tio­nä­ren (ne­ben Ade­nau­er Duis­burgs O­ber­bür­ger­meis­ter Karl Jar­res, die so­wohl in der Reichs­re­gie­rung als auch im Vor­stand des DRAfL vor­han­den wa­ren, be­dien­te man sich (nach Ak­ten­la­ge) nicht.

Köln blieb am En­de – nach dem Vo­tum des IOK für Ber­lin – der förm­li­che Dank der DRAfL-Ver­ant­wort­li­chen so­wie de­ren An­ge­bot im Olym­pia­jahr 1936 auch Wett­kämp­fer im An­schluss an die Spie­le nach Köln ein­zu­la­den. Ade­nau­er freu­te sich, dass Deutsch­land den Zu­schlag er­hal­ten hat­te, ging aber auf das An­ge­bot des DRAfL nicht ein.[50] 

Quellen

Bun­des­ar­chiv Ber­lin, BArch R 43-I/1982-1984, Spie­le und Sport, Bän­de 3-5.

Bun­des­ar­chiv Ber­lin, BArch R 8077/210, Wer­bung für Ber­lin als Aus­tra­gungs­ort der Olym­pi­schen Som­mer­spie­le.- Durch­set­zen Ber­lins ge­gen in­ner­deut­sche (Köln, Frank­furt, Nürn­berg) und in­ter­na­tio­na­le Kon­kur­renz (Bar­ce­lo­na, Rom) so­wie ers­te Vor­be­rei­tun­gen (v.a. Kor­re­spon­denz).

Die Sport­stadt Köln und ihr Sta­di­on[, Köln 1930].

His­to­ri­sches Ar­chiv der Stadt Köln, HAStK Best. 671, A 70-76, Olym­pi­sche Spie­le 1936.

Literatur (Auswahl)

Ber­nett, Ha­jo, Die Be­wer­bung deut­scher Städ­te um die Olym­pi­schen Spie­le des Jah­res 1936, in: STA­DI­ON. In­ter­na­tio­na­le Zeit­schrift für Ge­schich­te des Sports XXI/XXII (1995/1996), S. 210-227.

Lenn­artz, Karl, Die Zeit der Wei­ma­rer Re­pu­blik, in: Läm­mer, Man­fred (Hg.), Deutsch­land in der Olym­pi­schen Be­we­gung. Ei­ne Zwi­schen­bi­lanz, Frank­furt am Main 1999, S. 85-118.

Was­song, Ste­phan/Molz­ber­ger, Ans­gar, Be­reit für Olym­pia!? Die Köl­ner Sport­land­schaft in der Wei­ma­rer Zeit und die Re­zep­ti­on der Olym­pi­schen Spie­le 1936, in: Molz­ber­ger, Ans­gar/Was­song, Ste­phan/Lan­gen, Ga­bi (Hg.), Sie­gen für den Füh­rer. Der Köl­ner Sport in der NS-Zeit , Köln 2015, S. 12-37.

Gedenktafel zur Erinnerung an die Eröffnung des Kölner Stadions am 16.9.1923. (Rheinisches Bildarchiv | rba_mf055694 | https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05217537)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Olenik, Alexander, Dabei sein ist alles? Kölns Bewerbung für die Olympischen Spiele 1936 und ihr Scheitern im Wettstreit mit Berlin, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/dabei-sein-ist-alles-koelns-bewerbung-fuer-die-olympischen-spiele-1936-und-ihr-scheitern-im-wettstreit-mit-berlin/DE-2086/lido/6638aa1731a198.74024144 (abgerufen am 14.12.2024)