Das Wirtschaftsleben im Rheinland während der Antike

Ulf-Henning Willée (Bonn)

Der Münzschatz von Spay, die Münzen stammen aus dem Ende des dritten Jahrhunderts, der Schatz liegt heute beim LVR-Landesmuseum in Bonn. (Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn)

1. Überblick

Der Be­griff ‚Wirt­schaft‘ im mo­der­nen Ver­ständ­nis um­fasst ei­ne Viel­zahl kom­ple­xer Zu­sam­men­hän­ge, Ent­wick­lun­gen und Ab­läu­fe, die bei wei­tem nicht so voll­stän­dig für die An­ti­ke dar­ge­stellt wer­den kön­nen wie für mo­der­ne Ge­sell­schaf­ten. Ob­wohl be­reits die an­ti­ken Ge­lehr­ten be­müht wa­ren, theo­re­ti­sche wirt­schaft­li­che Zu­sam­men­hän­ge zu ver­ste­hen, gab es kei­ne um­fas­sen­de Er­for­schung der Wirt­schaft. Das liegt dar­an, dass die an­ti­ken Zeit­ge­nos­sen kei­ne de­tail­lier­te Wirt­schafts­wis­sen­schaft nach heu­ti­gem Ver­ständ­nis be­trie­ben. Da das In­di­vi­du­um nicht die Wirt­schaft als Gan­zes be­trach­ten konn­te, wa­ren dem an­ti­ken Be­trach­ten Gren­zen ge­setzt. Bei der Land­wirt­schaft ist die For­schung je­doch in ei­ner güns­ti­gen La­ge, da durch die Wer­ke Ca­tos[1], Var­ros[2], Co­lu­mel­las[3], Pli­ni­us[4], Ver­gils[5] und die Schrif­ten der rö­mi­schen Feld­ver­mes­ser[6] an­ti­ke Tex­te er­hal­ten sind, die recht de­tail­liert auf ei­nen be­stimm­ten Sek­tor der Wirt­schaft ein­ge­hen. Die Er­for­schung des rö­mi­schen Wirt­schafts­sys­tems ist aber ganz we­sent­lich von der Über­lie­fe­rungs­si­tua­ti­on und den Fort­schrit­ten in der Auf­ar­bei­tung der ar­chäo­lo­gi­schen Zeug­nis­se ab­hän­gig. Ei­ne Be­trach­tung der Wirt­schaft im rö­mi­schen Rhein­land kann so­mit nur ein zum Teil gro­ber Über­blick über das Wirt­schafts­le­ben sein.[7] 

In an­ti­ken Ge­sell­schaf­ten wa­ren die In­di­vi­du­en stark an ihr geo­gra­phi­sches Um­feld ge­bun­den und es be­stand für die­se ein en­ger Zu­sam­men­hang zwi­schen so­zia­lem und wirt­schaft­li­chem Le­ben. Auch im rö­mi­schen Rhein­land be­stimm­ten die Geo­gra­phie und Geo­lo­gie die wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten der Ak­teu­re. Der Un­ter­su­chungs­raum lässt sich zur bes­se­ren Hand­ha­bung grob in drei un­ter­schied­li­che Wirt­schafts­ge­bie­te glie­dern: Im Süd­os­ten wa­ren die Ge­bir­ge mit ih­ren Roh­stoff­vor­kom­men be­stim­mend, im Sü­den die Löss­bö­den, die be­son­ders für Acker­bau ge­eig­net wa­ren, und im Nor­den die we­ni­ger frucht­ba­ren Bö­den, auf de­nen Vieh­zucht be­trie­ben wur­de.[8] 

Auf­grund der rö­mi­schen Prä­senz im Rhein­land än­der­te sich das Wirt­schafts­sys­tem der vor­nehm­lich in klei­ne­ren Sied­lun­gen le­ben­den ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung, die ei­ne agra­risch aus­ge­rich­te­te Form der Wirt­schaft mit ge­ring aus­dif­fe­ren­zier­tem Hand­werk be­trie­ben, grund­le­gend. Da das Rhein­land ei­ne Grenz­pro­vinz war, wur­de ei­ne gro­ße An­zahl an Le­gio­nä­ren ent­lang des Rheins sta­tio­niert und ih­nen folg­ten zahl­rei­che Zi­vi­lis­ten aus an­de­ren Tei­len des Rö­mi­schen Rei­ches. Die star­ke Prä­senz des rö­mi­schen Mi­li­tärs war für die ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen prä­gend und hat­te ei­nen gro­ßen de­mo­gra­phi­schen und ge­sell­schaft­li­chen Ein­fluss. Sei­ne stark hier­ar­chi­sier­te Struk­tur war wahr­schein­lich für den Nicht­rö­mer ein all­ge­gen­wär­ti­ges Ab­bild der rö­mi­schen Ge­sell­schaft. Die ein­hei­mi­schen Ge­sell­schaf­ten, die sich durch ei­ne ten­den­zi­ell eher fla­che­re Hier­ar­chi­sie­rung aus­zeich­ne­ten, ent­wi­ckel­ten sich zu ei­ner rö­mi­schen Ge­sell­schaft, die aus­ge­präg­te so­zia­le Un­ter­schie­de auf­wies. Mit dem rö­mi­schen Mi­li­tär kam eben­falls viel Geld in das Rhein­land, da die Sol­da­ten ei­nen nicht un­be­deu­ten­den Teil des ih­nen aus­ge­zahl­ten Sol­des vor Ort wie­der aus­ga­ben, um sich und ih­ren An­hang mit Le­bens­mit­teln und an­de­ren Wa­ren zu ver­sor­gen. Die­se wa­ren nicht al­le in den Grenz­pro­vin­zen vor­han­den und muss­ten da­her aus an­de­ren Tei­len des Rö­mi­schen Rei­ches im­por­tiert wer­den. Re­la­tiv früh nach der Sta­tio­nie­rung rö­mi­scher Trup­pen führ­te dies zu ei­nem re­gen Aus­tausch von Gü­tern zwi­schen den Bin­nen- und den Grenz­pro­vin­zen, was wie­der­um zur Fol­ge hat­te, dass zwi­schen die­sen Pro­vin­zen ei­ne Mi­gra­ti­on von Wes­ten nach Os­ten ein­setz­te. Ne­ben der ho­hen Zahl an Le­gio­nä­ren in der Re­gi­on mach­ten die Städ­te­grün­dun­gen es not­wen­dig, die Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­tio­nen zu stei­gern und das land­wirt­schaft­li­che Sys­tem des Rhein­lands von der Selbst­ver­sor­gung auf ei­ne Über­schuss­pro­duk­ti­on um­zu­stel­len. Denn durch die wach­sen­de Zahl teils sehr spe­zia­li­sier­ter Han­der­ker in den Städ­ten war ei­ne gro­ße Be­völ­ke­rungs­grup­pe nicht in der Land­wirt­schaft tä­tig. Die Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­se hin zu ei­ner rö­mi­schen Form der Wirt­schaft las­sen sich un­ge­fähr ab der Mit­te des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. be­ob­ach­ten und fiel so­wohl mit ei­nem leich­ten An­stieg der Be­sied­lungs­dich­te im länd­li­chen Be­reich als auch ei­nem lang­sa­men Be­völ­ke­rungs­wachs­tum in den Städ­ten zu­sam­men. Die­ser Wan­del ver­stärk­te sich zu Be­ginn des 2. Jahr­hun­derts und ging im Ver­lauf des Jahr­hun­derts in ei­ne Hoch­pha­se über. Für un­ge­fähr 100 Jah­re kann man von ei­ner Blü­te­zeit des Wirt­schafts­le­bens im Rhein­land spre­chen, die bis in das nach­fol­gen­de Jahr­hun­dert an­hielt, wes­halb sich die nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen vor al­lem auf den Zeit­raum des 2. bis 3. Jahr­hun­derts n. Chr. Be­zie­hen.[9] 

2. Landwirtschaft

Die Land- und Wei­de­wirt­schaft bil­de­te so­wohl vor als auch wäh­rend der rö­mi­schen Zeit im Rhein­land die Grund­la­gen der lo­ka­len Wirt­schaft, wie es ge­ne­rell für vor­mo­der­ne Ge­sell­schaf­ten an­ge­nom­men wer­den kann. Da­her schätzt man, dass min­des­tens 80 Pro­zent der Be­völ­ke­rung in der Land­wirt­schaft be­schäf­tigt wa­ren, ob­wohl man in der For­schung das so­zia­le und öko­no­mi­sche Sys­tem der rö­mi­schen Kai­ser­zeit nicht als ty­pi­sche Agrar­ge­sell­schaft be­zeich­net, da das Hand­werk sehr weit ent­wi­ckelt war. Mit der Ein­glie­de­rung des Rhein­lan­des in das Rö­mi­sche Reich war die rö­mi­sche Ver­wal­tung um Kon­ti­nui­tät in der Aus­rich­tung der vor­han­de­nen Wirt­schafts­land­schaf­ten be­müht. Gleich­zei­tig än­der­ten sich die Rah­men­be­din­gun­gen für die Wirt­schaft da­durch, dass die Rö­mer Mi­li­tär­stütz­punk­te, Städ­te und Stra­ßen er­rich­te­ten. Die Wirt­schaft wur­de leis­tungs­ori­en­tier­ter und die Pro­duk­ti­on der land­wirt­schaft­li­chen Be­trie­be ver­la­ger­te sich von der Selbst­ver­sor­gung hin zu ei­ner Über­schuss­pro­duk­ti­on und ei­ner Markt­ori­en­tie­rung. Die Stei­ge­rung der land- und vieh­wirt­schaft­li­chen Er­trä­ge auf ei­nen zu­vor nie er­reich­ten Grad ge­lang durch die Über­nah­me rö­mi­scher An­bau- und Zucht­me­tho­den. Dar­über hin­aus wur­den An­bau­flä­chen durch Ro­dung aus­ge­dehnt, der Fa­mi­li­en­be­trieb wur­de als Pro­duk­ti­ons­ein­heit um zu­sätz­li­che Ar­beits­kräf­te in Form von Lohn­ar­bei­tern und Sai­son­kräf­ten er­wei­tert. Die An­bau­flä­chen wur­den durch Zu­fahrts­we­ge er­schlos­sen, wo­durch ein schnel­ler Ab­trans­port der Gü­ter ge­währ­leis­tet war. Da­ne­ben wur­den Dün­ger und tech­no­lo­gi­sche Neue­run­gen, wel­che die Rö­mer im Rhein­land ein­führ­ten, ein­ge­setzt, um eben­falls die Ern­te­er­trä­ge zu ver­bes­sern. Ein Bei­spiel hier­für ist der Rä­der­pflug, der statt des vor­her ver­wen­de­ten Ha­ken­pflugs ein­ge­führt wur­de.[10] 

Das süd­li­che Nie­der­ger­ma­ni­en ist von frucht­ba­ren Löss­bö­den ge­prägt, die be­reits Pli­nus der Äl­te­re we­gen ih­rer Frucht­bar­keit lob­te.[11] Mit Aus­nah­me der Ei­fel, wo die Bö­den we­ni­ger er­gie­big, da­für aber roh­stoff­rei­cher sind, war die Wirt­schaft die­ser Re­gi­on vor al­lem auf den Acker­bau aus­ge­rich­tet. Ins­be­son­de­re die Köln-Bon­ner Bucht west­lich des Rheins war ein wich­ti­ges Ge­biet für die Ver­sor­gung der Pro­vinz mit Ge­trei­de im 2. und 3. Jahr­hun­dert n. Chr. Be­güns­tigt hat die­sen Um­stand wahr­schein­lich, dass sich mit der Co­lo­nia Clau­dia Ara Agrip­pi­nen­si­um (Köln) als Stadt und der in Bon­na (Bonn) sta­tio­nier­ten Le­gi­on in un­mit­tel­ba­rer Nä­he meh­re­re Gro­ß­ab­neh­mer be­fan­den. Vieh­wirt­schaft wur­de da­ge­gen eher im nörd­li­chen Nie­der­ger­ma­ni­en be­trie­ben.[12]

Die rö­mi­sche Form ei­nes land­wirt­schaft­li­chen Be­triebs im Rhein­land wird als vil­la rusti­ca be­zeich­net, die sich durch ar­chi­tek­to­ni­sche und wirt­schaft­li­che Al­lein­stel­lungs­merk­ma­le aus­zeich­net. Da­durch un­ter­schied sich die rö­mi­sche Vil­la von den zu­vor vor­herr­schen­den ger­ma­ni­schen Hö­fen. Die Vil­len wa­ren nicht auf ei­ne Selbst­ver­sor­gung aus­ge­rich­tet, son­dern kön­nen viel­mehr als „Un­ter­neh­men“ be­zeich­net wer­den, die Über­schüs­se pro­du­zier­ten und die­se auf ei­nem Markt ver­kauf­ten. Auf die­se Wei­se stell­ten die vil­lae rusti­cae si­cher, dass die nicht in der Land­wirt­schaft tä­ti­ge Be­völ­ke­rung und die Ar­mee aus­rei­chend mit Nah­rungs­mit­teln ver­sorgt wa­ren. Die Um­stel­lung auf die­se Art des land­wirt­schaft­li­chen Be­trie­bes er­folg­te Mit­te bis En­de des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. im ge­sam­ten Rhein­land. Die Bau­wei­se der Vil­len wur­de durch den rö­mi­schen Ein­fluss ge­prägt, in­dem zahl­rei­che ar­chi­tek­to­ni­sche Ele­men­te auf­grif­fen wur­den, wie bei­spiels­wei­se Stein­f­un­da­men­te und die Tren­nung zwi­schen Wohn- und Wirt­schafts­ge­bäu­den. Da­ne­ben wie­sen die Vil­len in ver­schie­de­nen Gra­den rö­mi­sche Aus­stat­tung auf, für die Mo­sai­ke, Wand­ma­le­rei und der Ein­satz von Mar­mor als Bo­den­be­lag und Wand­ver­klei­dung ty­pisch sind. Die An­zahl von Per­so­nen, die auf ei­ner Vil­la tä­tig wa­ren, wird auf et­wa 50 ge­schätzt und um­fass­te die Fa­mi­lie, das Per­so­nal und zu­sätz­li­che Sai­son­ar­bei­ter. An­hand der bis­he­ri­gen Gra­bun­gen lässt sich ver­mu­ten, dass die meis­ten Vil­len im Schnitt 400 Mor­gen be­zie­hungs­wei­se 100 Hekt­ar be­sa­ßen, ob­wohl auch Be­trie­be mit bis zu 1.000 Hekt­ar ge­fun­den wur­den, die je­doch die Aus­nah­me bil­den. Die zahl­rei­chen Vil­len stan­den ver­teilt und ein­zeln, so­dass das Land gleich­mä­ßig mit Hö­fen be­deckt war.[13]

Pa­leo­bo­ta­ni­sche Un­ter­su­chun­gen von Brun­nen­sedi­men­ten rö­mi­scher Sied­lun­gen ge­ben Aus­kunft über die wirt­schaft­li­che Grund­la­ge der rö­mi­schen Vil­len im Rhein­land und zei­gen, dass auf den Fel­dern vor al­lem Din­kel an­ge­baut wur­de. Am zweit­häu­figs­ten tritt Gers­te auf, so­wie teil­wei­se Em­mer, Saat- und Zwerg­wei­zen, Ein­korn, Ha­fer und Rog­gen.[14] Für die Brot­pro­duk­ti­on wa­ren vor al­lem Gers­te und Wei­zen­ar­ten von Be­deu­tung. Ha­fer fand in rö­mi­scher Zeit vor al­lem als Vieh­fut­ter im­mer mehr Ver­brei­tung. Ne­ben Ge­trei­de wur­den auch Boh­nen, Erb­sen, Lin­sen und Wi­cke an­ge­baut. Flachs dien­te als Spinn­stoff und zur Öl­her­stel­lung. Mit den Rö­mern ge­wann der Gar­ten- und Obst­bau an Be­deu­tung, so­wie die Her­stel­lung von Wein. Zwar hat­ten die Wein­an­bau­ge­bie­te an Rhein, Pfalz und Mo­sel ins­ge­samt nur ei­nen ge­rin­gen An­teil an der ge­sam­ten Flä­che der Wein­an­bau­ge­bie­te des Rö­mi­schen Reichs, aber sehr schnell er­lang­ten die Wei­ne aus die­sen Re­gio­nen be­son­de­re Be­liebt­heit. Im Gar­ten wuch­sen Blatt- und Wur­zel­ge­mü­se, wie zum Bei­spiel Gar­ten­mel­de, Ama­rant, Ret­tich, Pas­ti­na­ke, Möh­ren und wei­ße Rü­ben, ne­ben Ge­wür­zen wie Pe­ter­si­lie, Ko­ri­an­der, Fen­chel und Sel­le­rie. Die Obst­gär­ten lie­fer­ten Äp­fel, Pflau­men, Sü­ß­kir­schen, Pfir­si­che und Wal­nüs­se und mit der Bie­nen­zucht stand Ho­nig als Sü­ßungs­mit­tel zur Ver­fü­gung. Rö­mi­sche Vil­len wa­ren weit­ge­hend aut­ark und so fand man bei zahl­rei­chen vil­lae rusti­cae Öl­pres­sen, Müh­len, Web­stüh­le, Back- und Räu­ch­er­ö­fen, Schmie­den, Töp­fer­ö­fen und Glas­hüt­ten.[15]

Wäh­rend im Sü­den der Pro­vinz Nie­der­ger­ma­ni­en vor al­lem der Acker­bau do­mi­nier­te, über­wog im nörd­li­chen Rhein­land die Vieh­zucht. Die ent­schei­den­de Rol­le, wel­che die Vieh­zucht für die­sen Teil des Rhein­lands ein­nahm, spie­gelt sich in der dort ver­brei­te­ten Form der Häu­ser wie­der, die we­nig mit den Vil­len wei­ter süd­lich ge­mein­sam hat­ten. Viel­mehr do­mi­nier­ten höl­zer­ne Wohn­stall­häu­ser, die 6–7 Me­ter breit und bis zu 27 Me­ter lang wa­ren. So sind in den Re­gio­nen, in de­nen Vieh­zucht vor­herrsch­te, weit we­ni­ger bau­li­che Ver­än­de­run­gen mit der rö­mi­schen Zeit er­kenn­bar, als dort, wo pri­mär Acker­bau be­trie­ben wur­de. Die kel­ti­sche oder ger­ma­ni­sche Le­bens­wei­se blieb in Tei­len er­hal­ten und der rö­mi­sche Ein­fluss ist nur in ge­rin­ge­rem Ma­ße in der Bau­wei­se zu er­ken­nen. Die­ser Pro­zess voll­zog sich im 1. Jahr­hun­dert n. Chr. und führ­te zu ver­ein­zel­ten Ad­ap­tio­nen rö­mi­scher Ar­chi­tek­tur­ele­men­te in Form von por­ti­ken­ar­ti­gen Vor­bau­ten. Da­ne­ben voll­zog sich die Ent­wick­lung von ei­nem ge­mein­schaft­li­chen Be­sitz und der Mo­bi­li­tät des Sied­lungs­plat­zes hin zur Be­sitz­tren­nung und Platz­kon­stanz. Par­al­lel wies die Art des Wirt­schaf­tens rö­mi­sche Denk­struk­tu­ren von Markt­ori­en­tiert­heit und Über­schuss­pro­duk­ti­on auf, so­dass die Be­trie­be hier, auf­grund ih­res Wirt­schafts­sys­tems, glei­cher­ma­ßen als vil­lae rusti­cae be­zeich­net wer­den. Auf die­se Wei­se war die Ver­sor­gung der Städ­te, der Ar­mee und des süd­li­chen Teils der Pro­vinz mit Milch­pro­duk­ten, Fleisch und Le­der si­cher­ge­stellt. Kno­chen­fun­de in rö­mi­schen Sied­lun­gen und Mi­li­tär­la­gern zei­gen, dass die im Rhein­land ge­hal­te­nen Rin­der ei­ne rö­mi­sche Züch­tung wa­ren. Au­ßer­dem wur­den Pfer­de, Esel, Schwei­ne, Scha­fe, Zie­gen und Ge­flü­gel ge­hal­ten. Auf dem Spei­se­plan stand vor al­lem Rind, an zwei­ter Stel­le Schwein, ge­folgt von Schaf, Zie­ge und Ge­flü­gel.[16]

An­de­re, nicht land­wirt­schaft­li­che Be­rei­che, die eben­falls zur Ver­sor­gung mit Nah­rung bei­tru­gen, sind bei wei­tem nicht so gut in den ar­chäo­lo­gi­schen und schrift­li­chen Quel­len be­legt. Die Jagd war bei den Rö­mern sehr be­liebt, wie et­wa die Jagd auf Wild­gän­se am Rhein­ufer[17], aber ihr Bei­trag dürf­te zur ge­sam­ten Pro­duk­ti­on an Nah­rung nur ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le ge­spielt ha­ben, wie Kno­chen­fun­de zum Bei­spiel vom Ge­biet der Co­lo­nia Ul­pia Traia­na (Xan­ten) na­he le­gen.[18] An­ders ver­hält es sich mit Le­bens­mit­teln aus dem Meer be­zie­hungs­wei­se den Flüs­sen, die zwar we­ni­ge Spu­ren hin­ter­las­sen ha­ben, aber ei­nen hö­he­ren Stel­len­wert ge­habt ha­ben dürf­ten, wie ei­ne In­schrift na­he­legt, die das Vor­han­den­sein von con­duc­to­res pis­ca­tus (ei­ne Art Pacht­ge­sell­schaft, die Fisch ver­ar­bei­tet) in der Pro­vinz be­legt.[19] Fisch in Form von sal­sa­men­tum (ein­ge­sal­ze­ner Fisch) kann zu den rö­mi­schen Grund­nah­rungs­mit­teln ge­zählt wer­den. Häu­fig war mit dem Fisch­fang die Salz­ge­win­nung ver­bun­den, wie es an der Nord­see­küs­te zwi­schen den Mün­dun­gen von Maas und Schel­de gut be­legt ist. Salz wur­de in Salz­sümp­fen an der Küs­te, künst­li­chen Bas­sins oder durch Ver­ko­chen ge­won­nen und im nörd­li­chen Rhein­land ge­han­delt.[20]

3. Bau- und Rohstoffe

Als Bau­stoff war Holz auch in rö­mi­scher Zeit sehr wich­tig, den­noch hat das Fäl­len von Bäu­men we­der in schrift­li­chen noch in ar­chäo­lo­gi­schen Quel­len gro­ße Spu­ren hin­ter­las­sen. Die Ei­che war ein be­gehr­tes Bau­holz für Häu­ser, Brü­cken, Schif­fe und Wa­gen, zahl­rei­che an­de­re Holz­ar­ten wur­den spe­zi­ell für Mö­bel, land­wirt­schaft­li­che Ge­rä­te oder für den Haus­halt ge­nutzt. Schlie­ß­lich war Holz ein sehr wich­ti­ger En­er­gie­trä­ger und es­sen­ti­ell für das Be­feu­ern von Ka­mi­nen und Öfen, bei­spiels­wei­se von hand­werk­li­chen Be­trie­ben oder Ther­men.[21] 

Stein war eben­falls ein wich­ti­ges Bau­ma­te­ri­al und der Stein­bau ge­wann wäh­rend des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. in der Ger­ma­nia in­fe­ri­or so­wohl beim Bau öf­fent­li­cher als auch pri­va­ter Ge­bäu­de zu­neh­mend an Be­deu­tung. Die Stein­vor­kom­men im Rhein­land wur­den mit dem Ein­tref­fen der Rö­mer ge­nutzt und wa­ren wich­tig für die Be­fes­ti­gung und Ur­ba­ni­sie­rung. Die Mehr­zahl der Stein­brü­che lag im Raum zwi­schen Aa­chen und An­der­nach. Dass sich die Stein­vor­kom­men leicht ab­bau­en lie­ßen und sich die Stein­brü­che in der Nä­he von Was­ser­we­ge be­fan­den, was für den Ab­trans­port des Ma­te­ri­als wich­tig war, war von ho­her Be­deu­tung für ih­re Ren­ta­bi­li­tät. Die Stein­brü­che zwi­schen An­der­nach und Kö­nigs­win­ter, in de­nen Grau­wa­cke, Tuff­stein, Ba­salt und Trachyt ab­ge­baut wur­de, wa­ren von be­son­de­rer Be­deu­tung. Von dort aus konn­te das Bau­ma­te­ri­al di­rekt fluss­ab­wärts zu den Sied­lun­gen und Mi­li­tär­stütz­punk­ten in Bonn, Köln oder Xan­ten trans­por­tiert wer­den. Dar­über hin­aus gab es au­ßer den Sand­stein­vor­kom­men bei Mön­chen­glad­bach und in Düs­sel­dorf-Kai­ser­werth kei­ne wei­te­ren Stein­vor­kom­men in der Pro­vinz. An­de­re Bau­ma­te­ria­li­en muss­ten über gro­ße Dis­tan­zen her­bei­ge­schafft wer­den, so et­wa Kalk­stein aus der Re­gi­on süd­lich von Di­vo­du­rum (Metz) oder Mar­mor aus al­len Tei­len des Im­pe­ri­um Ro­ma­num. Vie­le der Stein­brü­che im Rhein­land wur­den von Trup­pen­tei­len der Le­gio­nen be­trie­ben.[22]

Glei­ches gilt für die Kalk­bren­ne­rei bei Bad Müns­ter­ei­fel-Ivers­heim, die von der Xan­te­ner Le­gi­on be­trie­ben wur­de. Dass dies kein Ein­zel­fall war, be­zeu­gen wei­te­re klei­ne Be­trie­be in der Um­ge­bung, die teils von der Bon­ner Le­gi­on, teils von Pri­vat­per­so­nen be­trie­ben wur­den. Die An­la­ge bei Bad Müns­ter­ei­fel-Ivers­heim zeich­net sich durch ih­re Grö­ße und ih­ren Er­hal­tungs­zu­stand aus, wel­che zahl­rei­che Ein­bli­cke in den Stand Tech­no­lo­gie, Lo­gis­tik und Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ner rö­mi­schen Kalk­bren­ne­rei ge­wäh­ren. Der Kalk für die ge­sam­te Pro­vinz wur­de über­wie­gend im Raum Bad Müns­ter­ei­fel ab­ge­baut und war für die Her­stel­lung von Mör­tel sehr wich­tig. Vie­le der Zie­ge­lei­en, die sich am Rhein be­fan­den, wur­den vom Mi­li­tär be­trie­ben und stell­ten nicht nur Wand- und Dach­zie­gel her, son­dern auch Hohl­zie­gel, Wand- und Bo­den­plat­ten, die für hy­po­caus­ta (Fuß­bo­den­hei­zun­gen) wich­tig wa­ren. Ein Bei­spiel ist die Zie­ge­lei der 5. Le­gi­on bei Sen­tia­cum (Sin­zig). Da die mi­li­tä­ri­schen Zie­ge­lei­en nur für die Ar­mee pro­du­zier­ten, gab es par­al­lel zi­vi­le Zie­ge­lei­en, wie zum Bei­spiel na­he dem heu­ti­gen Bed­burg. Na­ment­lich ist der in Gel­du­ba (Kre­feld-Gel­lep) le­ben­de Zie­ge­lei­be­sit­zer M. Va­le­ri­us Sa­no be­kannt, der im 2. Jahr­hun­dert n. Chr. so­wohl mi­li­tä­ri­sche als auch zi­vi­le Auf­trag­ge­ber be­lie­fer­te.[23]

Ne­ben klei­ne­ren Erz­vor­kom­men öst­lich von Aa­chen und bei Bad Neue­nahr-Ahr­wei­ler[24] la­gen die Haupt­vor­kom­men in der nörd­li­chen Ei­fel, wo­durch die Ei­fel ei­ne Son­der­stel­lung im agra­risch ge­präg­ten Sü­den der Pro­vinz ein­nahm. Die ge­bir­gi­ge Re­gi­on war lo­cker mit Vil­len be­sie­delt, die auf­grund der vor­herr­schen­den Bö­den zwar eher Vieh­zucht als Acker­bau be­trie­ben ha­ben. Doch die Haupt­ein­nah­me­quel­le stell­te der Me­tall­ab­bau dar. Deut­lich wird der ho­he Stel­len­wert von Me­tall für die rö­mi­sche Pro­vinz da­durch, dass es teil­wei­se re­gel­rech­te Ge­wer­be­sied­lun­gen gab, die aus­schlie­ß­lich Erz ab­bau­ten und ver­ar­bei­te­ten, denn fast je­der Be­woh­ner des Rhein­lands be­nö­tig­te in der ei­nen oder an­de­ren Form Me­tall­wa­ren, an­ge­fan­gen vom Sol­da­ten über den Mau­rer bis hin zum Land­wirt. Ei­sen­er­ze wur­den un­ter an­de­rem in der Nä­he von Bad Müns­ter­ei­fel, Blan­ken­heim und Net­ters­heim ver­ar­bei­tet. Bei Me­cher­nich gab es Blei­vor­kom­men, die eben­falls sil­ber­hal­tig wa­ren, Zink und Kup­fer wur­den bei Net­ters­heim-Zings­heim vor Ort zu Mes­sing wei­ter­ver­ar­bei­te­te, wo­für das Gal­mei­vor­kom­men bei Gres­se­nich-Brei­nig von be­son­de­rer Be­deu­tung war. Gold gab es zwar ver­ein­zelt in den Bä­chen und Flüs­sen des Ho­hen Venns, der Ei­fel und des Rhein­tals, aber ins­ge­samt war die Pro­vinz nicht sehr reich an Gold.[25] 

4. Handwerk

Das ein­hei­mi­sche Hand­werk war eben­falls von den Ver­än­de­run­gen be­trof­fen, wel­che die Um­stel­lung auf ein Wirt­schafts­sys­tem nach rö­mi­schem Vor­bild mit sich brach­te. Die Hand­wer­ker re­agier­ten dar­auf, in­dem sie, ähn­lich den bäu­er­li­chen Be­trie­ben zu ei­ner Ar­beits­tei­lung, zur Spe­zia­li­sie­rung und zu ra­tio­na­li­sier­ten Her­stel­lungs­pro­zes­sen über­gin­gen. Häu­fig wa­ren Roh­stoff­vor­kom­men aus­schlag­ge­bend für den Stand­ort von Be­trie­ben, was ins­be­son­de­re beim Töp­fer­hand­werk in Kom­bi­na­ti­on mit ei­ner se­ri­el­len Pro­duk­ti­on zu be­ob­ach­ten ist. Die meis­ten Be­trie­be wa­ren klei­ne Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men, die den­noch groß ge­nug wa­ren, um auf neue Her­aus­for­de­run­gen des Mark­tes zu re­agie­ren. Da zahl­rei­che Pro­duk­ti­ons­stät­ten ge­fun­den wur­den, ist die ar­chäo­lo­gi­sche Fund­si­tua­ti­on für die kai­ser­zeit­li­chen Ge­wer­be in Nie­der­ger­ma­ni­en ins­ge­samt gut. Trotz der ho­hen Be­deu­tung des Hand­werks für den All­tag be­sa­ßen Hand­wer­ker kei­ne ho­he so­zia­le Stel­lung, da kör­per­li­che Ar­beit und Spe­zia­lis­ten­tum im Rö­mi­schen Reich we­nig An­se­hen ge­nos­sen. Da­her wa­ren Hand­wer­ker häu­fig li­ber­ti (frei­ge­las­se­ne Skla­ven), die teils un­ab­hän­gig, teils für ih­ren Pa­tron, al­so ih­ren ehe­ma­li­gen Herrn, ar­bei­te­ten.[26]

So ist die Me­tall­ver­ar­bei­tung gut be­legt, die all­ge­gen­wär­tig war und ei­nen ho­hen Grad an Spe­zia­li­sie­rung im Rhein­land er­reicht hat­te, was die Aus­dif­fe­ren­zie­rung in die ver­schie­de­nen Be­ru­fe, wie et­wa Ei­sen-, Bron­ze­schmied oder Bron­ze­gie­ßer, ver­deut­licht. Den­noch kann ih­re Be­deu­tung leicht un­ter­schätzt wer­den, da nur noch we­ni­ge Pro­duk­te die­ses Hand­werks ge­fun­den wer­den, was dar­an liegt, dass Me­tall meist wie­der ein­ge­schmol­zen wur­de.[27] Das Töp­fer­hand­werk, das eben­falls gut für das Rhein­land be­legt ist, sie­del­te sich meist dort an, wo die Roh­stoff­ver­sor­gung oder der Be­darf ge­si­chert wa­ren, was prin­zi­pi­ell zu zwei Ar­ten von Stand­or­ten führ­te: Die Werk­stät­ten konn­ten ent­we­der in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zu den Roh­stof­fen, wie zum Bei­spiel bei Fries­heim lie­gen oder in der Nä­he der Ab­neh­mer, wie das Ge­gen­bei­spiel No­va­e­si­um (Neuss) zeigt, bei dem der Ton über lan­ge Stre­cke hin trans­por­tiert wur­de, was das Trans­port­ri­si­ko für die fer­ti­gen Pro­duk­te senk­te. Da­ne­ben gab es im 1. Jahr­hun­dert n. Chr. be­deu­ten­de Pro­duk­ti­ons­stät­ten in Ri­go­ma­gus (Re­ma­gen), Bonn, Köln, Mo­ers-As­berg, Xan­ten und Kal­kar, die wahr­schein­lich zu­nächst vor al­lem den lo­ka­len Markt, al­so das Mi­li­tär be­dien­ten, wo­von in glei­cher­wei­se die Zi­vil­be­völ­ke­rung pro­fi­tier­te. Die ein­hei­mi­schen Be­trie­be über­nah­men rö­mi­sche Tech­ni­ken, ent­wi­ckel­ten ei­ne Art von Se­ri­en­pro­duk­ti­on und pro­du­zier­ten rö­mi­sche For­men, um so auf­grund der ver­än­der­ten und ge­stei­ger­ten Nach­fra­ge wett­be­werbs­fä­hig zu blei­ben. Köl­ner Töp­fer, wie die na­ment­lich be­kann­ten Ac­cep­tus, Ca­pi­to, Fa­bri­cus und Ser­van­dus, wa­ren ab dem 2. Jahr­hun­dert n. Chr. wich­tig für die Ver­sor­gung der Pro­vinz mit All­tags­ke­ra­mik.[28]

Ei­ne wahr­schein­lich noch be­deu­ten­de­re Rol­le hat­te Köln bei der Fer­ti­gung von Glas­pro­duk­ten, wie der Dia­tret­be­cher aus Köln-Brauns­feld auf ein­drucks­vol­le Wei­se zeigt. Glas­schmelz­öfen sind be­reits für das 1. Jahr­hun­dert n. Chr. in Köln be­legt und hier ent­stand schnell ein be­deu­ten­der Stand­ort der hand­werk­li­chen Glas­pro­duk­ti­on. Die zahl­rei­chen Glas­fun­de in Grä­bern ver­deut­li­chen die be­son­de­re Be­deu­tung die­ses Hand­werks für den All­tag im Rhein­land, den­noch wur­den bis­lang kei­ne Grab- oder Wei­hein­schrif­ten von Glas­blä­sern oder Glas­schlei­fern ge­fun­den. Ne­ben Köln gibt es Be­le­ge für Pro­duk­ti­ons­stät­ten von Glas eben­falls in Bonn und dem Ham­ba­cher Forst, für de­ren Stand­ort­wahl viel­leicht die Nä­he zu den Quarz­sand­vor­kom­men in der Köln-Bon­ner-Bucht aus­schlag­ge­bend war. Neue­re Un­ter­su­chun­gen zei­gen gleich­falls, dass die Aus­gangs­ma­te­ria­li­en für die Glas­her­stel­lung, wie Sand, Kalk und So­da, nicht nur aus der nä­he­ren Um­ge­bung be­zo­gen wur­den, son­dern auch teil­wei­se aus Ägyp­ten und dem Vor­de­ren Ori­ent im­por­tiert und erst vor Ort zu Glas ver­ar­bei­tet wur­den.[29] 

Au­ßer den er­wähn­ten Ge­wer­ben und Pro­duk­tio­nen gab es noch vie­le wei­te­re Hand­wer­ke im Rhein­land, die je­doch ar­chäo­lo­gisch weit schlech­ter fass­bar und le­dig­lich durch ver­ein­zel­te bild­li­che Dar­stel­lun­gen, In­schrif­ten, Werk­zeu­ge oder hand­werk­s­ty­pi­sche Ab­fäl­le für die Re­gi­on be­leg­bar sind. Häu­fig zei­gen In­schrif­ten Be­ru­fe und Na­men von ein­zel­nen Per­so­nen: Q. Ve­ti­ni­us Ver­us[30] war 186 oder 215 n. Chr. Zim­mer­mann in Köln und Ti­be­ri­us Iu­li­us Ter­ti­us[31] war in der zwei­ten Hälf­te des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. Ma­ler in Xan­ten. Eben­falls pri­mär durch In­schrif­ten nach­weis­bar sind Klein­be­trie­be, die Tex­ti­li­en ver­ar­bei­te­ten, wie We­ber, Wal­ker, Fär­ber und Spe­zia­lis­ten im Be­reich von Lu­xus­klei­dung. Be­son­ders in­ter­es­sant sind die Fun­de von Web­ge­wich­ten im La­ger der rö­mi­schen Flot­te in Köln-Al­ten­burg, da Web­ge­wich­te im All­ge­mei­nen un­üb­lich für Mi­li­tär­la­ger sind. Sie sind so ein Be­leg für die Aus­dif­fe­ren­zie­run­gen des Tex­til­hand­wer­kes: Die Web­ge­wich­te stamm­ten von Web­stüh­len, die der Ver­ar­bei­tung gro­ber Stof­fe dien­ten und die Un­ter­su­chung zwei­er Grab­stei­ne, wel­che ve­l­arii (Se­gel­ma­cher)[32] für das Flot­ten­la­ger er­wäh­nen, be­stä­tigt, dass im La­ger die Se­gel für die Flot­te her­ge­stellt wur­den.[33]

Wie an­de­re Hand­wer­ker des Rö­mi­schen Rei­ches or­ga­ni­sier­ten sich auch die des rö­mi­schen Rhein­lands in col­le­gia (Ver­ei­ne), die Ge­sel­lig­keit, Bei­stand, Wah­rung der In­ter­es­sen des Hand­werks und kul­ti­sche Ver­pflich­tun­gen zur Auf­ga­be hat­ten. Po­li­ti­sche Ak­ti­vi­tä­ten ver­folg­ten sie je­doch nicht und über­nah­men wahr­schein­lich die Funk­ti­on ei­ner Feu­er­wehr. Die Ver­ei­ne sind vor al­lem für Köln auf­grund von In­schrif­ten gut be­legt, so weiß man von col­le­gi­um fa­brum ti­gna­rio­rum (Ver­ein der Zim­mer­leu­te)[34], col­le­gi­um tec­to­rum (Ver­put­zer)[35] und col­le­gi­um pistri­co­rum (Bä­cker).[36] Da­ne­ben gibt es noch ei­ne In­schrift zu Eh­ren des Kai­ser­hau­ses und des Schutz­got­tes des col­le­gi­um fo­ca­rio­rum (Kü­chen­jun­gen­ver­ein)[37], was den Schluss na­he­legt, dass es noch für vie­le an­de­re Be­ru­fe Ver­ei­ne gab.[38]

5. Handel und Wege

Das Ein­grei­fen der Rö­mer in das Wirt­schafts­sys­tem be­traf auch den ein­hei­mi­schen Han­del. Durch ein aus­ge­bau­tes We­ge­sys­tem konn­ten Wa­ren und Gü­ter ge­ziel­ter ver­teilt und zu ver­kehrs­güns­tig ge­le­ge­nen Märk­ten an Stra­ßen­kreu­zun­gen oder bei Fluss­über­gän­gen trans­por­tiert und ge­han­delt wer­den. Die­se Markt­or­te wa­ren von zen­tra­ler Be­deu­tung für die Be­völ­ke­rung, die in der nä­he­ren Um­ge­bung sie­del­te. Der Han­del und das Trans­port­ge­wer­be er­leb­te be­reits zeit­nah nach dem Be­ginn der rö­mi­schen Herr­schaft ei­nen Auf­schwung, der im 2. und 3. Jahr­hun­dert n. Chr. sei­nen Hö­he­punkt er­leb­te. Ein zen­tra­ler Fak­tor für die In­iti­ie­rung des wirt­schaft­li­chen Wachs­tums war ne­ben dem ver­bes­ser­ten We­ge­netz die Ver­ein­heit­li­chung von Ma­ßen, Mün­zen und Ge­wich­ten, was al­len Be­tei­lig­ten des Wirt­schafts­sys­tems ei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Han­dels­grund­la­ge für Wa­ren und Dienst­leis­tun­gen be­reit­stell­te. Vor al­lem In­schrif­ten und ver­schie­de­ne bild­li­che Dar­stel­lun­gen sind wich­ti­ge an­ti­ke Zeug­nis­se, die Aus­künf­te über den sehr viel­fäl­ti­gen Han­del im rö­mi­schen Rhein­land ge­ben. Der Han­del mit hei­mi­schen Wa­ren im Nah­be­reich lief nicht im­mer über die mer­ca­to­res (Händ­ler), son­dern konn­te auch im be­grenz­ten Ra­di­us durch die Pro­du­zen­ten, die häu­fig auch La­den­in­ha­ber wa­ren, selbst be­strit­ten wer­den. Da­ne­ben reis­te auch der Pro­du­zent selbst zu be­stimm­ten Ter­mi­nen zu den ver­schie­de­nen Märk­ten und wur­de dann als fo­ren­sis be­zeich­net.[39]

Zwar wur­den zahl­rei­che Gü­ter und Roh­stof­fe di­rekt im Rhein­land pro­du­ziert und ver­ar­bei­tet, den­noch muss­ten auch Wa­ren aus an­de­ren Tei­len des Rö­mi­schen Rei­ches im­por­tiert wer­den, was vor al­lem durch ne­go­tia­to­res (Gro­ßhänd­ler) be­werk­stel­ligt wur­de, die sich teil­wei­se zu Grup­pen zu­sam­men­schlos­sen und die Han­del über die Gren­zen der Pro­vinz und des Rei­ches hin­aus be­trie­ben. Li­te­ra­ri­sche Quel­len[40] und In­schrif­ten le­gen den Schluss na­he, dass gal­lo-rö­mi­sche und ita­lo-rö­mi­sche Händ­ler die Trä­ger des Im­port­han­dels in die ger­ma­ni­schen Pro­vin­zen wa­ren. Vor al­lem die gal­lo-rö­mi­sche Händ­ler hat­ten, noch be­vor der Ver­such un­ter­nom­men wur­de, in den Ge­bie­ten rechts des Rheins ei­ne Pro­vinz zu er­rich­ten, nach­weis­lich Han­dels­kon­tak­te dort­hin eta­bliert.[41] Bis ins 2. Jahr­hun­dert n. Chr. über­nah­men die ein­hei­mi­schen Händ­ler le­dig­lich die Auf­ga­ben am En­de der Han­dels­ket­te als Dienst­leis­ter in der Dis­tri­bu­ti­on der Wa­ren vor Ort und erst im Lau­fe der Zeit ver­dräng­ten sie die gal­li­schen und ita­li­schen Händ­ler. Die Grün­de für die Do­mi­nanz der nicht-ein­hei­mi­schen Händ­ler im 1. Jahr­hun­dert la­gen wahr­schein­lich in der man­geln­den Er­fah­rung der Ein­hei­mi­schen und dem zu gro­ßen Kon­kur­renz­druck durch die Händ­ler aus den gal­li­schen und ita­li­schen Pro­vin­zen. Par­al­lel lässt sich ei­ne an­de­re Ent­wick­lung fest­stel­len, die zu ei­ner Ver­än­de­rung des Markt­ge­fü­ges im Rhein­land führ­te. Im 1. Jahr­hun­dert n. Chr. war die lo­ka­le Pro­duk­ti­on und der Im­port le­dig­lich auf den rhei­ni­schen Markt aus­ge­rich­tet, was be­deu­tet, dass re­la­tiv vie­le Wa­ren in das Rhein­land im­por­tiert wer­den muss­ten, im Ge­gen­zug aber kei­ne Gü­ter aus der Pro­vinz aus­ge­führt wur­den. Im Lau­fe des 2. Jahr­hun­dert n. Chr. wur­den rhei­ni­sche Wa­ren ex­por­tiert und die Zahl der Im­por­te, vor al­lem von All­tags­gü­tern, sank. Ne­ben den zeit­li­chen Un­ter­schie­den im Wirt­schafts­sys­tem des Rhein­lan­des gab es auch in­ner­halb der Pro­vinz Ger­ma­nia in­fe­ri­or den Han­del be­tref­fen­de Un­ter­schie­de zwi­schen den süd­lich sie­deln­den Ubi­ern und den Ger­ma­nen am Nie­der­rhein. Die Ubier wa­ren schon lan­ge ami­ci po­pu­li ro­ma­ni (Freun­de des Rö­mi­schen Vol­kes) und konn­ten zu­dem ih­re gu­te ver­kehrs­geo­gra­phi­sche Po­si­ti­on fluss­auf­wärts und den Stand­ort­vor­teil Kölns als Sitz des Pro­vinz­statt­hal­ters auch wirt­schaft­lich aus­nut­zen. Köln er­lang­te schon früh ei­nen ho­hen Stel­len­wert für den Han­del im rö­mi­schen Rhein­land. Wäh­rend ei­ne Be­tei­li­gung nie­der­rhei­ni­scher Ger­ma­nen ab dem 2. Jahr­hun­dert n. Chr. im Han­del mit Bri­tan­ni­en an­ge­nom­men wer­den kann, aber durch die Quel­len­la­ge nicht ganz ein­deu­tig ist, so ist die viel­fäl­ti­ge Be­tei­li­gung der Ubier im Fern­han­del er­wie­sen. Die ubi­schen Händ­ler wa­ren eben­falls in Ver­ei­nen or­ga­ni­siert, wie et­wa die der ne­go­tia­to­res cisal­pi­ni et tran­sal­pi­ni[42] und so in den Han­del mit an­de­ren Tei­len des Rö­mi­schen Rei­ches ein­ge­bun­den. Die Ver­ei­ni­gung der ne­go­tia­to­res Bri­tan­ni­cia­ni[43] be­trieb spe­zi­ell den Han­del mit Bri­tan­ni­en, der für das Rhein­land ei­nen ho­hen Stel­len­wert hat­te. Zu den ge­han­del­ten Wa­ren ge­hör­ten Salz, Fisch­so­ße und Wein, so­wie Ke­ra­mik­pro­duk­te aus Köln, die in Bri­tan­ni­en so­gar zeit­wei­se nach­ge­ahmt wur­den.[44]

Für die Iden­ti­fi­zie­rung der im­por­tier­ten Wa­ren sind die Res­te in Am­pho­ren, die als Trans­port­ge­fä­ße dien­ten, sehr auf­schluss­reich. An­fang des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. do­mi­nier­ten wei­te Trans­port­we­ge, die sich in der zwei­ten Hälf­te des Jahr­hun­derts merk­lich ver­kürz­ten. Im­por­tiert wur­den un­ter an­de­rem Oli­ven­öl aus der Pro­vinz Bae­ti­ca in Süd­spa­ni­en, und Wein, des­sen Be­zugs­or­te an­fangs in Ita­li­en und dem öst­li­chen Mit­tel­meer la­gen und der zu­neh­mend durch gal­li­sche Wei­ne ver­drängt wur­de. Auch bei der im­por­tier­ten Ke­ra­mik ist ei­ne Ver­kür­zung der Trans­port­we­ge zu be­ob­ach­ten, vom süd­li­chen Gal­li­en hin zum mitt­le­ren und öst­li­chen Gal­li­en. Fisch­so­ße war ein wich­ti­ges Wür­zungs­mit­tel und stamm­te zu gro­ßen Tei­len aus dem Ge­biet der Rhô­ne. Ins­ge­samt ist ge­gen En­de des 1. Jahr­hun­derts n. Chr. die Ten­denz er­kenn­bar, dass im­por­tier­te Wa­ren vor­nehm­lich aus nä­her­ge­le­ge­nen Re­gio­nen stamm­ten, wo­durch ein­hei­mi­sche Wa­ren an Be­deu­tung ge­win­nen konn­ten und die Ge­samt­zahl der Im­por­te zu­rück­ging.[45]  

Aus­schlag­ge­ben­de Fak­to­ren für den wirt­schaft­li­chen Auf­schwung des Rhein­lan­des im 2. und 3. Jahr­hun­dert n. Chr. wa­ren ei­ne lang an­hal­ten­de Frie­dens­pe­ri­ode in der Re­gi­on, die Sta­tio­nie­rung rö­mi­scher Trup­pen ent­lang des Rheins, die Ver­ein­heit­li­chung von Ma­ßen, Mün­zen und Ge­wich­ten, so­wie das be­reits im 1. Jahr­hun­dert aus­ge­bau­te We­ge­netz, durch das ein schnel­ler Wa­ren­trans­port ge­währ­leis­tet war. Die Dis­tri­bu­ti­on der Pro­duk­te und Roh­stof­fe funk­tio­nier­te zum ei­nen auf­grund der Nut­zung der Was­ser­we­ge, von de­nen vor al­lem der Rhein und die Maas mit ih­ren Ne­ben­ar­men, die in die­ser Zeit noch schiff­bar wa­ren, von gro­ßer Be­deu­tung wa­ren. Die zahl­rei­chen Fluss­hä­fen fun­gier­ten gleich­zei­tig als Han­dels­zen­tren, wie zum Bei­spiel die gut er­hal­te­ne An­la­ge von Xan­ten.[46] Nur we­ni­ge Fluss­hä­fen sind so gut er­forscht, was vor al­lem an dem schlech­ten Er­hal­tungs­zu­stand der Hä­fen liegt. Auch die in Köln-Al­ten­burg sta­tio­nier­te Flot­te Clas­sis Ger­ma­ni­ca war nach­weis­lich in der Lo­gis­tik tä­tig. Da die Rhein­gren­ze seit dem letz­ten Drit­tel des 1. Jahr­hun­derts re­la­tiv fried­lich war, konn­ten die Sol­da­ten der Clas­sis Ger­ma­ni­ca fried­li­chen Auf­ga­ben, wie dem Trans­port und der Ge­win­nung von Bau­ma­te­ria­li­en nach­ge­hen. Hier­bei kam ihr ei­ne sehr wich­ti­ge Rol­le zu, da sie al­le Städ­te, Or­te und Mi­li­tär­la­ger ent­lang des Rheins mit Bau­ma­te­ria­len be­dien­te, wo­für der Flot­te spe­zi­el­le Trans­port­schif­fe zur Ver­fü­gung stan­den. Da­ne­ben gab es zahl­rei­che pri­va­te Trans­port­un­ter­neh­mer, die wahr­schein­lich eng mit den Händ­lern zu­sam­men­ge­ar­bei­tet ha­ben. Durch den deut­li­chen Kos­ten­un­ter­schied beim Trans­port von Wa­ren auf den ver­schie­de­nen Ar­ten von Ver­kehrs­we­gen, war es we­sent­lich güns­ti­ger, grö­ße­re Stück­men­gen an Gü­tern auf dem Was­ser­weg zu trans­por­tie­ren. Auf­grund des Er­fah­rungs­schat­zes der kel­ti­schen Schiffs­bau­er konn­te im 1. Jahr­hun­dert n. Chr. au­ßer­dem das Fas­sungs­ver­mö­gen der Flach­bo­den­schif­fe ge­stei­gert wer­den und die Rö­mer führ­ten das Trei­deln von Schif­fen fluss­auf­wärts ein. Durch die­se Neue­run­gen konn­ten wei­te­re Trans­port­kos­ten ge­senkt wer­den, so­dass der Land­weg für den Gro­ßhan­del kei­ne be­son­de­re Be­deu­tung hat­te.[47]

Auch das Stra­ßen­sys­tem war für den Aus­tausch von Wa­ren wich­tig und ver­band die Städ­te, Sied­lun­gen und Mi­li­tär­la­ger der Pro­vinz mit­ein­an­der. Das gut funk­tio­nie­ren­de Netz von Stra­ßen war es­sen­ti­ell für den Land­trans­port von Wa­ren und Gü­tern, an­ge­fan­gen von agra­ri­schen Pro­duk­ten über Me­tal­le bis hin zu Ke­ra­mik. Die Er­for­schung die­ser Ver­kehrs­we­ge kann sich auf ei­ne Viel­zahl an Me­tho­den und Quel­len stüt­zen: die Ta­bu­la Peu­tin­ge­ria­na, das Itern­a­ri­um An­to­ni­ni, Luft­bild­ar­chäo­lo­gie und ar­chäo­lo­gi­sche Un­ter­su­chun­gen vor Ort. Ins­be­son­de­re Gra­bun­gen ver­deut­li­chen, dass die Stra­ßen in der Pro­vinz meist die Form der viae gla­ria stra­tae hat­ten, al­so dam­mar­ti­ge, kies­ge­schot­ter­te Tras­sen wa­ren. Der Er­hal­tungs­zu­stand der Rö­mer­stra­ßen im Rhein­land ist sehr un­ter­schied­lich. Wäh­rend sie am Nie­der­rhein durch die bei­na­he voll­stän­di­ge Kul­ti­vie­rung der Bö­den schlech­ter er­hal­ten sind, sind die rö­mi­schen We­ge in der Ei­fel und den Ar­den­nen zum Teil noch heu­te im Ge­län­de er­kenn­bar. Die Er­for­schung des Stra­ßen­net­zes in der Pro­vinz hat mit dem in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Pro­jekt „Rö­mer­stra­ßen zwi­schen Köln und Trier“ neu­en Auf­schwung er­fah­ren. Seit der Statt­hal­ter­schaft de­s Agrip­pa wur­den die Fern­stra­ßen im Rhein­land sys­te­ma­tisch mit Blick auf stra­te­gi­sche und wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen aus­ge­baut, wo­für zum Teil auf das be­reits be­ste­hen­de vor­rö­mi­sche We­ge­netz zu­rück­ge­grif­fen wer­den konn­te. Für den Stra­ßen­bau wa­ren die Le­gio­nä­re zu­stän­dig, die wet­ter­fes­te Stra­ßen er­rich­te­ten, auf de­nen Rei­sen­de fah­ren, Trup­pen schnell be­wegt und Wa­ren trans­por­tiert wer­den konn­ten. Um mög­lichst kur­ze und ge­rad­li­ni­ge We­ge mit ei­ner ge­rin­gen Stei­gung zu er­rich­ten, wur­den Fel­sen aus dem Weg ge­räumt, Tun­nel ge­baut, Sümp­fe auf Däm­men pas­siert und Flüs­se mit Brü­cken über­wun­den. Die wich­ti­gen Ver­bin­dungs­we­ge in Nord-Süd­rich­tung wa­ren zum ei­nen die Li­mes­stra­ße durch das Rhein­tal, die ent­lang der Rhein­gren­ze füh­rend die Nord­see­küs­te mit Ita­li­en ver­band. Zum an­de­ren der zu­nächst von Neuss und spä­ter mit der Er­he­bung Kölns zur co­lo­nia[48] aus­ge­hen­de Ab­zweig der Li­mes­stra­ße, der über Trier, Metz und Ly­on bis zum Mit­tel­meer führ­te und als „Agrip­pa­stra­ße“ be­zeich­net wird. Da­ne­ben gab es wei­te­re wich­ti­ge Land­we­ge, wie die von Köln bis zur Ka­nal­küs­te füh­ren­de „Via Bel­gi­ca“ und die „Auso­ni­us­stra­ße“, die Trier und Mainz ver­band, ne­ben un­zäh­li­gen Quer­ver­bin­dun­gen zwi­schen den gro­ßen und klei­nen Stra­ßen. Ein Bei­spiel für solch klei­ne­re Ver­bin­dungs­stra­ßen zur Ver­kür­zung der We­ge führ­te von Bel­gi­ca (Bil­lig) nach Bonn. An wich­ti­gen Ab­zwei­gun­gen ent­stan­den nicht sel­ten neue Sied­lun­gen und Mei­len­stei­ne ent­lang der Stra­ßen ga­ben die Ent­fer­nung zur Pro­vinz­haupt­stadt Köln an. Das Mi­li­tär trug durch Pos­ten zur Si­cher­heit auf den Stra­ßen bei und in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den wur­den Rast­häu­ser und Pfer­de­sta­tio­nen an den Stra­ßen er­rich­tet.[49]

Ein Fern­han­del des Rhein­lands mit Ge­bie­ten au­ßer­halb des Rö­mi­schen Rei­ches wur­de vor al­lem, nicht je­doch aus­schlie­ß­lich, mit den be­nach­bar­ten, rechts­rhei­ni­schen Ger­ma­nen be­trie­ben, dar­über hin­aus auch ver­ein­zelt bis in den Ost­see­raum und den Ori­ent. Den­noch darf nicht das Bild ent­ste­hen, dass der „Au­ßen­han­del“ die glei­che Be­deu­tung und das glei­che Vo­lu­men für das Rhein­land hat­te, wie der Han­del mit an­de­ren Pro­vin­zen des Rö­mi­schen Rei­ches. Gleich­zei­tig muss man zwi­schen den ver­schie­de­nen Re­gio­nen, mit de­nen ge­han­delt wur­de, dif­fe­ren­zie­ren. Wirt­schafts­be­zie­hun­gen zwi­schen den Grenz­pro­vin­zen und dem nord­west­eu­ro­päi­schen Ba­ba­ri­cum (Hol­land, Nie­der­sach­sen, Schles­wig-Hol­stein) exis­tier­ten nur in sehr ge­rin­gem Ma­ße und nicht kon­ti­nu­ier­lich. So lässt sich so gut wie kein Aus­tausch von Gü­tern mit den be­nach­bar­ten Frie­sen fest­stel­len, ein Phä­no­men, das so ähn­lich auch für Bri­tan­ni­en gilt. We­der wäh­rend der tem­po­rä­ren rö­mi­schen Be­sat­zung Schott­lands in fla­vi­scher und wie­der in frühan­to­ni­ni­scher Zeit noch da­nach wur­den be­deu­ten­de Men­gen an Wa­ren aus dem Rö­mi­schen Reich im­por­tiert.[50] 

Ein et­was an­de­res Bild vom Han­del mit den rechts­rhei­ni­schen Ger­ma­nen zeigt der Ort Gel­du­ba (Kre­feld-Gel­lep), wel­cher der nörd­lichs­te Ort des Stam­mes­ge­biets der Ubier war und am En­de ei­nes wich­ti­gen, aus dem Rechts­rhei­ni­schen kom­men­den Han­dels­wegs lag. Noch im Mit­tel­al­ter nahm er ei­ne ähn­li­che Rou­te und wur­de als Hell­weg be­zeich­net. Die ver­kehrs­güns­ti­ge La­ge von Gel­du­ba mit sei­nem Ha­fen am Rhein so­wie am Kno­ten­punkt zwi­schen der Li­mes­stra­ße und dem Han­dels­weg über den Rhein nach Os­ten führ­te zu sei­ner gro­ßen Be­deu­tung als Um­schlag­platz für Wa­ren. Aus­schlag­ge­bend für die Wahl des Stand­orts der rö­mi­schen Neu­grün­dung kann ne­ben der La­ge auch das hö­he­re In­ter­es­se der Ubier am Han­del sein, das die­se im Ver­gleich zu den nörd­li­chen Stäm­men be­sa­ßen.[51] Die Be­deu­tung Gel­du­bas für den Han­del er­kennt man eben­falls in den auf­wen­di­gen mer­kan­ti­len Bau­struk­tu­ren der Märk­te Gel­du­bas, die im 2. Jahr­hun­dert n. Chr. wei­ter aus­ge­baut wur­den. Ne­ben ei­ner all­ge­mei­nen Bau­ver­dich­tung wur­den auch die Ma­ga­zin­bau­ten und La­den­zei­len aus­ge­baut und die orts­an­säs­si­gen Händ­ler stat­te­ten mit wach­sen­dem Wohl­stand ih­re Häu­ser teil­wei­se mit Hei­zungs­an­la­gen aus. Ih­re Ge­schäf­te, zu de­nen bei­spiels­wei­se der Trans­port von Bau­ma­te­ria­li­en für das Mi­li­tär ge­hör­te, be­trie­ben die Händ­ler Gel­du­bas vor al­lem im Rhein- und Mo­sel­raum. Dar­über hin­aus war der Ort auch in ei­nen Fern­han­del ein­ge­bun­den, des­sen Han­dels­ver­knüp­fun­gen bis in den Ori­ent reich­ten. Den di­rek­ten Kon­takt be­legt ei­ne Wan­der­rat­te, die zu die­ser Zeit nur im Ori­ent vor­kam und die in den Se­di­men­ten ei­nes Brun­nens in­ner­halb des Kas­tells ge­fun­den wur­de. Be­sit­zin­schrif­ten auf All­tags­ke­ra­mik in Schrift­zei­chen, die in Pal­my­ra ge­bräuch­lich wa­ren, sind ein wei­te­res star­kes In­diz. Aber auch der Han­del mit den rechts­rhei­ni­schen Ger­ma­nen lässt sich nach­wei­sen, denn die Aus­wer­tung zahl­rei­cher in Gel­du­ba ge­fun­de­ner Wild­tier­kno­chen legt den Schluss na­he, dass Gel­du­ba als Zwi­schen­han­dels­platz dien­te, an dem Wild­tie­re aus dem Rechts­rhei­ni­schen um­ge­schla­gen wur­den und von hier aus le­ben­di­ge Jung­tie­re für die Gat­ter­hal­tung, er­leg­tes Wild und Wild­pro­duk­te, wie Fe­dern, Pel­ze, Hirsch­horn usw. in die Pro­vinz wei­ter­ver­kauft wur­den. An­de­re Gü­ter, die laut den Schrift­quel­len mit Bar­ba­ren ge­han­delt wur­den, wie Skla­ven, Fel­le, Pel­ze, Frau­en­haar, Ho­nig und Wachs[52], las­sen sich nicht nach­wei­sen.[53]

Auch das rechts­rhei­ni­sche Li­mes­vor­land bis in das Ber­gi­sche Land hin­ein war für die Wirt­schaft des rö­mi­schen Rhein­lan­des von Be­deu­tung, da die­se Re­gi­on Me­tal­le, Ge­stein, Ton, Wei­de­land, Holz und Tie­re zu bie­ten hat­te. Hier wur­den zwei For­men von Wirt­schaft par­al­lel be­trie­ben. Zum ei­nen der ge­ziel­te Ab­bau von Roh­stof­fen wäh­rend der ge­sam­ten Zeit durch die Rö­mer selbst. Auch hier be­trieb die rö­mi­sche Ar­mee Stein­brü­che und Zie­gel­öfen. Das rechts­rhei­ni­sche Au­en­land wur­de vom rö­mi­schen Mi­li­tär als Wei­de­land für sei­ne Tie­re ge­nutzt[54], da­ge­gen wur­den Me­tal­le nicht vom Mi­li­tär ab­ge­baut, son­dern von Pri­vat­per­so­nen. Zum an­de­ren gab es ei­ne ei­gen­stän­di­ge ‚ger­ma­ni­sche‘ Wirt­schaft in Form von selb­stän­di­ger Pro­duk­ti­on und Lie­fe­rung von Holz und Wild­pro­duk­ten[55] an die Rö­mer, so­wie der Ar­beit für die Rö­mer in den von die­sen be­trie­be­nen Wei­den, Ab­bau- be­zie­hungs­wei­se Pro­duk­ti­ons­stät­ten. Die Aus­beu­tung der Roh­stof­fe im Rechts­rhei­ni­schen zeigt, dass die Rö­mer ei­ne sehr gu­te Orts­kennt­nis des Rau­mes rechts des Rheins hat­ten, um so ge­zielt auf be­stimm­te Roh­stof­fe zu­grei­fen zu kön­nen.[56] 

6. Ausblick

Nach die­ser aus­ge­spro­chen in­ten­si­ven Pha­se für das Wirt­schafts­le­ben im Rhein­land, die et­was mehr als 100 Jah­re an­dau­er­te, zeich­ne­ten sich im fort­schrei­ten­den 3. Jahr­hun­dert rück­läu­fi­ge Ten­den­zen ab. Auf ei­nen deut­li­chen An­stieg der Be­völ­ke­rungs­dich­te in den städ­ti­schen und länd­li­chen Ge­bie­ten folg­te in der zwei­ten Hälf­te des Jahr­hun­derts ein Rück­gang der Neu­grün­dun­gen von Sied­lun­gen und ei­ne all­ge­mei­ne wirt­schaft­li­che Ver­schlech­te­rung, ei­ne Ent­wick­lung, die durch die Fran­ken­ein­fäl­le noch be­schleu­nigt wur­de. Die Be­woh­ner grö­ße­re Vil­len, wie bei­spiels­wei­se die bei Rhein­bach-Flerz­heim, Titz und Vett­weiß-Froitz­heim, er­rich­te­ten in ih­rer nä­he­ren Um­ge­bung Be­fes­ti­gun­gen nach mi­li­tä­ri­schem Vor­bild. Die­se Ten­denz ver­stärk­te sich in der Spät­an­ti­ke wei­ter, ins­be­son­de­re im länd­li­chen Be­reich ist ein Be­sied­lungs­rück­gang vor al­lem für das 4. Jahr­hun­dert zu er­ken­nen. Dies ging wahr­schein­lich auch mit ei­ner Mi­gra­ti­on in die Pro­vin­zen im In­ne­ren des Rö­mi­schen Rei­ches ein­her. Der Über­gang vom 4. zum 5. Jahr­hun­dert ist aus his­to­ri­scher und ar­chäo­lo­gi­scher Sicht we­nig auf­schluss­reich. So fehlt für zahl­rei­che Ge­bie­te das Fund­ma­te­ri­al und es ent­steht der Ein­druck, dass die länd­li­chen Ge­bie­te Nie­der­ger­ma­ni­ens schein­bar be­völ­ke­rungs­leer wa­ren. Ins­ge­samt gab es in die­se Zeit nur we­nig Kon­ti­nui­tät und die­se le­dig­lich ver­ein­zelt in den grö­ße­ren Ort­schaf­ten, wie Bonn, Jü­lich und Köln. Die­se Ent­wick­lung flach­te sich wäh­rend der frän­ki­schen Herr­schaft ab, bis in der Ot­to­nen­zeit ein ste­ter öko­no­mi­scher Auf­schwung im Rhein­land ein­setz­te. Ins­be­son­de­re Köln ent­wi­ckel­te sich wie­der zu ei­nem wich­ti­gen Wirt­schafts­zen­trum.[57] 

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Wol­ters, Rein­hold, Rö­mi­sche Fun­de in der Ger­ma­nia ma­gna und das Pro­blem rö­misch-ger­ma­ni­scher Han­dels­be­zie­hun­gen in der Zeit des Prin­zi­pats, in: Fran­zi­us, Geor­gia (Hg.), As­pek­te rö­misch-ger­ma­ni­scher Be­zie­hun­gen in der Frü­hen Kai­ser­zeit. Vor­trags­rei­he zur Son­der­aus­stel­lung "Kalk­rie­se - Rö­mer im Os­na­brü­cker Land" 1993 in Os­na­brück, Rah­den 1995, S. 99–117. 

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Willée, Ulf-Henning, Das Wirtschaftsleben im Rheinland während der Antike, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/das-wirtschaftsleben-im-rheinland-waehrend-der-antike/DE-2086/lido/5cd174640a59e2.01378963 (abgerufen am 03.12.2024)