Die Aufmarschtransportbewegungen des Heeres 1914 im Rheinland
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Der Aufmarschplan des Großen Generalstabs („Schlieffen-Plan“) sah für den Kriegsfall vor, nahezu sämtliche Landstreitkräfte Im Westen gegen Frankreich einzusetzen, für die vorgesehene Umfassung der französischen Truppen auch durch Belgien (unter Missachtung der belgischen Neutralität) und Luxemburg vorzurücken. Der Großteil der mit der Eisenbahn durchgeführten Aufmarschtransportbewegungen Richtung Westen hatte Bestimmungen in der Rheinprovinz zum Ziel, die in den folgenden Übersichten dokumentiert werden. Der erste Mobilmachungstag war der 2.8.1914. An den ersten beiden Tagen lief der Verkehr noch im Friedensfahrplan mit sogenannten Militärbedarfszügen; der eigentliche Militärfahrplan, der den öffentlichen Verkehr nahezu völlig ausschaltete, trat am 4.8.1914 um 0.01 Uhr in Kraft.
Zur Durchführung des Handstreichs gegen Lüttich, dessen Festung auf dem Weg des deutschen Einmarschs in Belgien lag, wurden folgende Einheiten zwischen dem 2. und 4.8.1914 folgende Verbände vorab zu Bahnhöfen im deutsch-belgischen Grenzgebiet transportiert (Ergänzungstruppen trafen vereinzelt am 5. und 6, ansonsten am 7. August ein). Die „Wegnahme von Lüttich“ sollte in der Nacht vom 4. zum 5. Mobilmachungstag erfolgen; der Aufmarschplan 1913/1914 sah hierfür zunächst nur fünf verstärkte Infanterie-Brigaden vor.[1] (Tab. 1)
Bereits am 1. Mobilmachungstag (2. August) wurden zudem Einheiten des VIII. Armeekorps (Koblenz) Richtung Luxemburg in Marsch gesetzt, wo sie noch am Abend eintrafen, um die Bahnlinien und Brücken im Alzette-Abschnitt zu besetzen.[2]
Zur Deckung des Aufmarschs wurden zwischen dem 3. und 4.8.1914 weitere Truppen nach dem Westen befördert. Ergänzungstruppen trafen zwischen dem 6 und 8. August ein. (Tab. 2)
Als weitere Einheiten wurden dann die Kavallerie-Divisionen zwischen dem 3. und 7. beziehungsweise 8. August an die Westfront befördert. Mit Kriegsbeginn wurden neun Kavallerie-Divisionen zuzüglich der bayerischen Kavallerie-Division neu gebildet (im Frieden gab es nur die Garde-Kavallerie-Division), die aus drei Kavallerie-Brigaden (mit je zwei Kavallerie-Regimentern) bestanden. Als Divisionstruppen hinzu kamen eine reitende Abteilung der Feldartillerie, eine Maschinengewehr-Abteilung und eine Pionierabteilung. Zwei bis drei Divisionen unterstanden einem Höheren Kavalleriekommandeur. Die in der folgenden Übersicht fehlende 1. Kavallerie-Division wurde im Osten eingesetzt. Unterhalb der Höheren Kavalleriekommandeure finden sich die laut Aufmarschplan für die Kavallerieverbände gesetzten Ziele. (Tab. 3)
Der Transport der eigentlichen (aus Korps beziehungsweise Reservekorps) bestehenden Heeresverbände (Armeen) erfolgte ab dem 7. August, dauerte in der Regel vier Tage und war Mitte August weitgehend abgeschlossen. Die Höchstbelegung jeder Transportstraße betrug im Durchschnitt 20 Züge täglich, mit vereinzelten Abweichungen nach oben und unten. Bei den Heeresverbänden (Armeen) finden sich die laut Aufmarschplan vorgesehenen vorläufigen Standorte der Armeeoberkommandos (AOK) sowie die für die Verbände gesetzten Vormarschziele.[3]
Die 1. Armee sollte Richtung Brüssel marschieren und die rechte Flanke des Heeres decken. Als vorläufiger Sitz des Armeeoberkommandos war Grevenbroich vorgesehen.[4] (Tab. 4)
Die 2. Armee sollte über die Linie Wavre-Namur vormarschieren. Als vorläufiger Sitz des Armeeoberkommandos war Montjoie (Monschau) vorgesehen. (Tab. 5)
Die 3. Armee sollte gegen die Maas zwischen Namur und Givet vormarschieren. Als vorläufiger Sitz des Armeeoberkommandos war Prüm vorgesehen. (Tab. 6)
Die 4. Armee sollte mit rechtem Flügel über Bastogne auf Furnay, mit linkem über Luxemburg auf Neufchateau vormarschieren. Als vorläufiger Sitz des Armeeoberkommandos war Trier vorgesehen. (Tab. 7)
Die 5. Armee (V., VI. und XVI. Armeekorps, V. und VI. Reservekorps), die 6. Armee (XXI. Armeekorps und I., II. und III. bayerisches Armeekorps, I. bayerisches Reservekorps) und die 7. Armee (XIV. und XV. Armeekorps und XIV. Reservekorps) wurden außerhalb der Rheinprovinz über die Brücken Mainz (Südbrücke), Germersheim, Ludwigshafen, Röschwoog zu den Aufmarschplätzen in Lothringen in im Elsass befördert.
Durch die Rheinprovinz wurden noch an die Westfront gefahren:
Die Schwere Artillerie für die 2. Armee über: Berlin-Wittenberg-Halle-Nordhausen-Kassel-Meschede-Schwerte-Elberfeld-Opladen-Köln (Nordbrücke)-Düren-Aachen (42 Stunden) mit dem Ausladebahnhof Aachen.
Die Kriegsbesatzung Metz über: Koblenz-Bingerbrück-Kirn-St. Wendel-Saarbrücken-Anzelingen-Metz (19 Stunden) mit dem Ausladebahnhof Metz.
Weitere Transporte, die die Rheinprovinz nicht berührten, waren die Kriegsbesatzungen Mainz, Metz, Straßburg und Germersheim, die über die Brücken Mainz (Südbrücke), Worms, Ludwigshafen und Straßburg geführt wurden.
Die zuvor beschriebenen Transportbewegungen konnten sämtlich plangemäß durchgeführt werden. Wilhelm Groener (1867-1939), ab 1.10.1912 Chef der Eisenbahn-Abteilung im Großen Generalstab, vom 1.8.1914 bis 30.10.1916 Chef des Feldeisenbahnwesens bei der Obersten Heeresleitung, schrieb in seinen Erinnerungen[5], dass in den ersten Mobilmachungstagen die militärischen Transporte „fast ausnahmslos ohne Störung und Verspätung“ verliefen. „Mit dem 5. Mobilmachungstage [6. August] setzte die gleichmäßig laufende Aufmarschbewegung ein, auch hier konnte ich nach wenigen Tagen die Sicherheit haben, daß der Aufmarsch wie ein Uhrwerk abrollte. Es war ein stolzes Gefühl für uns alle, daß die wir an der Organisation mitgearbeitet hatten, und die sonst von manchem Generalstabsoffizier etwas über die Achsel behandelte Eisenbahnabteilung stand plötzlich im Mittelpunkt des Geschehens, und jeder wollte gut Freund mit ihr sein.“
Für die militärische Benutzung war das deutsche Eisenbahnnetz zu Kriegsbeginn in 26 Liniengebiete eingeteilt, in denen Linienkommandanturen den notwendigen Verkehr mit den Eisenbahnverwaltungen abstimmten. Die Liniengebiete deckten sich in der Regel mit den Grenzen der Eisenbahndirektion, an deren Sitz die Linienkommandantur amtierte, vereinzelt umfasste ein Liniengebiet auch die Bezirke mehrerer Eisenbahndirektionen, wie das Liniengebiet Q Elberfeld die Direktionsbezirke Essen und Elberfeld. Für das Gebiet der Rheinprovinz waren folgende Linienkommandanturen zuständig:
Linienkommandantur H, Köln: Linksrheinisches Gebiet nördlich der Linie Andernach-Lissendorf-Lammersweiler, ferner ein rechtsrheinischer Gebietsstreifen von Köln bis Ehrenbreitstein und die Strecke Köln-Waldbröl; ohne die Strecke Wesel-Büderich-Goch-Hassum (Gr)
Linienkommandantur Q, Elberfeld: Rechtsrheinisches Gebiet, bis zu der Linie Siegburg-Betzdorf, ferner Strecke Wesel-Büderich-Goch-Hassum (Gr)
Linienkommandantur C, Frankfurt a.M.: Übriges rechtsrheinisches Gebiete südlich der Linie Siegburg-Betzdorf
Linienkommandantur S, Saarbrücken.: Linksrheinisches Gebiet südlich der Linie Andernach-Lissendorf-Lammersweiler, mit Ausnahme des Gebiets östlich Koblenz-Kastellaun-Bingerbrück, dieses zur Linienkommandantur O, Mainz
Linienkommandantur O, Mainz: Gebiet östlich Koblenz-Kastellaun-Bingerbrück
Literatur
Groener, Wilhelm, Lebenserinnerungen. Jugend – Generalstab – Weltkrieg, hg. v. Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen, Göttingen 1957. Ritter, Gerhard, Der Schlieffenplan. Kritik eines Mythos, München 1956.
Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente, hg. von Hans Ehlert, Michael Epkenhans und Gerhard P. Groß , Paderborn [u.a.] 2006.
Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Bearb. im Reichsarchiv. Die militärischen Operationen zu Lande. Das deutsche Feldeisenbahnwesen, Band 1, Berlin 1928 [v.a. Anlagen 1 bis 3, S. 208–217].
- 1: Der Schlieffenplan, S. 472.
- 2: Groener, Erinnerungen, S. 146.
- 3: Der Schlieffenplan. S. 472-473.
- 4: In der Vorlage (Das deutsche Feldeisenbahnwesen, Band 1, S. 211) ist zweimal von einer Südbrücke und einmal von einer Nordbrücke bei Düsseldorf die Rede. Diese Angabe ist irrig, da es in Düsseldorf nur eine Eisenbahnbrücke (bei Hamm) für die Strecke Düsseldorf-Neuss/Krefeld gibt, und wurde in Düsseldorf geändert.
- 5: Groener, Erinnerungen, S. 144.
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Lilla, Joachim, Die Aufmarschtransportbewegungen des Heeres 1914 im Rheinland, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-aufmarschtransportbewegungen-des-heeres-1914-im-rheinland/DE-2086/lido/57d1309e98de27.47924192 (abgerufen am 05.11.2024)