Die „Jahrtausendausstellungen“ in Köln und Aachen 1925
Zu den Kapiteln
1. Anlass
Zu den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages vom 28.6.1919 gehörte die vorübergehende Besetzung der linksrheinischen Gebiete Deutschlands und einiger Brückenköpfe auf dem rechten Rheinufer durch Truppen Frankreichs, Belgiens und Großbritanniens. Dass diese Besetzung auf 15 Jahre befristet wurde, hatte der französischen Verhandlungsführung von den Vertretern Großbritanniens und der USA abgetrotzt werden müssen; Frankreich hatte eigentlich die Rheingrenze angestrebt. Auch nach dem – in Deutschland ohnedies als illegitim empfundenen – Friedensvertrag gab die französische Deutschlandpolitik auf deutscher Seite Anlass zu der Besorgnis, das Rheinland solle vom Deutschen Reich abgetrennt und einer französischen Einfluss-Sphäre einverleibt werden. Die belgisch-französische Besetzung des Ruhrgebiets im Januar 1923 wegen ausbleibender deutscher Reparationszahlungen trug ebenso zu diesen Sorgen bei wie die französische Kulturpolitik einer pénétration pacifique des besetzten Gebiets, die unter anderem geschichtspolitisch das gemeinsame kulturelle Erbe der Rheinländer und der frankophonen Zivilisation betonte, ohne jedoch auf breite Resonanz zu stoßen.
Neben dem „Ruhrkampf“ führten im Jahre 1923 die Hyperinflation, sowie im Herbst Separatistenputsche (unter anderem in Aachen) zu einer Zuspitzung der Ungewissheit über die politische Zukunft des Rheinlands. Dabei wurde sowohl von der Seite des Reichs aus die ‚nationale Zuverlässigkeit‘ der Rheinländer mit Skepsis betrachtet, als auch umgekehrt im Rheinland befürchtet, die Reichsregierung könne das besetzte Gebiet den französischen Annexionswünschen preisgeben, und sei es, um sie zehn Jahre später mit militärischer Gewalt „zurückzuholen“, wie es der Duisburger Oberbürgermeister und ab November 1923 Reichsinnenminister, Karl Jarres (DVP) erwog.
Im Spannungsfeld zwischen solcher „Versackungspolitik“ der Reichsregierung und der Separatismusgefahr im Rheinland selbst erwuchsen die Pläne für eine großangelegte geschichtspolitische Operation, welche die „untrennbare“ Verbundenheit der besetzten Gebiete mit dem deutschen Staat zum Ausdruck bringen sollte. Man griff weit in die Geschichte zurück, um eine sehr moderne Form der Identitätskonstruktion zu vollbringen: die Erfindung eines völkischen Kollektivs.
2. Entstehung
Schon am 12.9.1922 hatte der Düsseldorfer Archivdirektor Paul Wentzcke in Aachen bei der Hauptversammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine erstmals geäußert, es gebe Anlass, im Jahre 1925 eine „tausendjährige Jubelfeier des Deutschen Reiches“ zu begehen. Als zu feierndes Geschichtsereignis betrachtete er die im Jahre 925 vollendeten Einverleibung des mittelfränkischen Lotharingien in das ostfränkische Reich unter König Heinrich I. (Regierungszeit 919-936). Auch der Bonner Historiker Wilhelm Levison betonte 1922 die historische Bedeutung dieses Ereignisses, ohne jedoch daraus die Forderung nach einer Jubelfeier abzuleiten. Wentzcke wiederum machte deutlich, dass der eigentliche Grund für seine Forderung nach Begehung dieses Jahrtausend-Ereignisses ein geschichtspolitischer war: das Fehlen allgemeinverbindlicher Feiertage und sonstiger nationaler Symbole in Deutschland.
Unter den Historikern blieb die Bedeutung des Jahres 925 umstritten. Aber die geschichtspolitischen Imperative entfalteten bald darauf ihre Wirksamkeit. Anfang 1923 begann man in Köln, sich mit der Planung einer Jahrtausendfeier zu beschäftigen. Diese sollte zunächst in lokalem Rahmen noch im Jahre 1923 durchgeführt werden. 923 war schließlich die Gegend der späteren Rheinprovinz bereits von Heinrich I. unterworfen worden. Wentzcke hatte dieses Datum ausdrücklich nur deshalb verworfen, weil 923 die (romanischsprachige) Stadt Metz nicht erobert worden war. Die Kölner Planungen waren denn auch offensichtlich unabhängig von den Erwägungen der Historiker entstanden; sie gingen aus Kreisen der dort soeben etablierten „Literatur- und Buchwoche“ hervor. So konnte der Kölner Archivdirektor Joseph Hansen (1862-1943) dann auch die pragmatischen Gründen geschuldete schrittweise Verschiebung der Jahrtausendfeier historisch begründen, „da die geschichtlichen Daten zwischen den Jahren 923 und 925 schwanken“.
Im Zuge der Verschiebung wuchs das Unternehmen sich zu einem großen, allgemein rheinischen Projekt aus. Der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (Zentrum) nutzte seine exzellenten politischen Beziehungen aus, um die Provinzialorgane von diesem Projekt zu überzeugen. Auch Karl Jarres, der ja noch kurz zuvor die temporäre Preisgabe des Rheinlandes im Rahmen der so genannten „Versackungspolitik“ verfochten hatte, wurde zu einem energischen Fürsprecher der Jahrtausendfeiern.
3. Überblick über die Jahrtausendfeiern
Von staatlicher Seite wurde die Jahrtausendfeier vor allem mit einer Kette von Festakten begangen, die mit einer Feier des Provinziallandtages am 18.6.1925 in Düsseldorf begann. Die hier versammelten Reichs-, Staats-, Provinzial- und Kommunalpolitiker reisten am darauf folgenden Tag nach Köln weiter, um die dortige Jahrtausendausstellung zu besichtigen, und am 20. Juni im Gürzenich einem weiteren Festakt beizuwohnen. Anschließend begaben sie sich weiter nach Koblenz, wo am Sitz des Oberpräsidenten der Rheinprovinz ein letzter Festakt absolviert wurde. So wurde die Konkurrenz zwischen der provinzialen Selbstverwaltung (Düsseldorf), der Vertretung des preußischen Staates (Koblenz) und der Metropole (Köln) austariert.
Dieses offizielle Feierprogramm stellt jedoch nur einen kleinen Ausschnitt aus den Aktivitäten dar, die im Rheinland (und auch darüber hinaus) aus Anlass des Jahrtausend-Jubiläums entfaltet wurden. Diese im Wesentlichen dezentral organisierten Festlichkeiten erregen in ihrer Vielfalt und in ihrer Breite bis heute das Erstaunen der historischen Forschung. Bis in die kleinsten Orte hinab wurden ehrgeizige Festprogramme aufgestellt. Die vom 5.- 12.7.1925 durchgeführte Jahrtausendfeier der Stadt Düren zum Beispiel bestand aus einem “Blumenkorso” der Fahrzeug-Clubs, Sportveranstaltungen, Konzerten, einem Jugendfest mit Musik und Tanz, einer Stadt-Illumination, einem Festzug sowie einer regionalgeschichtlichen Ausstellung.
Damit ist das Spektrum der Feier-Aktivitäten, wie es auch die Programme der großen Städte prägte, umrissen. Die Feiern ruhten stets auf mehreren der vier Säulen:
- Umzüge,
- Musikdarbietungen,
- Sportwettbewerbe,
- Ausstellungen.
Dabei mussten die örtlichen Planer beachten, dass vor allem Veranstaltungen unter freiem Himmel durch Restriktionen von Seiten der Interalliierten Rheinlandkommission gehemmt waren. Gerade hier musste darauf geachtet werden, jeden „militärischen Anstrich“ zu vermeiden; das betraf auch historische Festumzüge, die mit Musik durch die Straßen zogen. Auch war das Absingen des „Deutschlandliedes“ unter freiem Himmel verboten. In der Praxis kam es aber immer darauf an, wie sich die Besatzungsbehörden vor Ort verhielten. Dabei gab es große Unterschiede zwischen den Besatzungsmächten Großbritannien, Belgien und Frankreich.
Für die musikalischen Darbietungen wurden meistens die lokalen Gesangsvereine mobilisiert. In den größeren Städten, in denen eine Philharmonie vorhanden war, führte man Konzerte auf. Es fällt auf, dass in diesen Konzertprogrammen zwei Stücke als beinahe obligatorisch berücksichtigt wurden: Erstens die Neunte Sinfonie von Ludwig van Beethoven, bei der der rheinländische Geburtsort des Komponisten (Bonn) und die Monumentalität des Werks zusammenkamen; hier musste aber an der Aussage des Chors im Finale angestrengt vorbeigehört werden. Friedrich Schillers (1759-1805) Völker verbindende Ode „An die Freude“ wurde zumindest von den Zeitungskritikern 1925 zu einem nationalistischen Kampfgedicht umgebogen. Zweitens mussten allerorten Richard Wagners (1813-1883) „Meistersinger von Nürnberg“ aufgeführt werden (meistens die Schlussszene auf der „Festwiese“). Hier war die inhaltliche Aussage, die die deutsche Kultur gegen den „wälschen Tand“ in Stellung bringt, von vorneherein mit dem Anliegen der Jahrtausendfeiern in Deckung.
Mit den sportlichen Wettbewerben konnte unter anderem die Ideenwelt des Kampfs in einer von den Besatzungsbehörden nicht zensierbaren Form zum Ausdruck gebracht werden. Der Rhein, dessen mythische Aufladung im Rahmen der Jahrtausendfeiern neue Höhepunkte erreichte, wurde (nebst seinen Zuflüssen) gerne zur Arena solcher Wettkämpfe gemacht. So fanden in Trier und Koblenz Regatten statt. In Bad Godesberg wurde anlässlich der „Rheinischen Heimatspiele“ am 20. und 21.6.1925 eine „Bootsauffahrt gewaltigsten Ausmaßes“ der Ruderboote, Kanus, Segel- und Motorboote veranstaltet. Außerdem umfassten die „Rheinischen Heimatspiele“, die von der Interalliierten Kontrollkommission als „Monster-Kundgebung“ notiert wurden, Auto- und Fahrrad-Sternfahrten, eine Bergmeisterschaft der Radrennfahrer, Reit-, Hockey- und Handballturniere, all dies kombiniert mit mehreren Festspielen, kammermusikalischen Darbietungen, Feuerwerk, Fackelschwingen, Feldgottesdiensten, Darbietungen des Rheinischen Sängerbundes sowie abendlichem „Blasen von Rheinliedern“ von den Bergspitzen des Siebengebirges herab.
All diese Veranstaltungen erwecken den Eindruck, als sei es nur in zweiter Linie um die Betonung der Verbundenheit des Rheinlands mit dem Deutschen Reich gegangen, in erster Linie hingegen um eine regionale Selbstdarstellung und Leistungsschau. Dieser Eindruck verdichtet sich beim Betrachten der letzten Säule des Feierprogramms: dem Ausstellungswesen. Gerade die Ausstellungen mit ihrer oft mehrere Monate währenden Öffnungsdauer hatten die Funktion, Touristen anzuziehen und damit nicht nur das lokale Prestige, sondern auch die lokale Wirtschaft zu fördern. Viele kleinere Orte zeigten heimatgeschichtliche Ausstellungen. Größere überregionale Aufmerksamkeit erweckten freilich nur die größeren, von Reich, Staat und Provinz finanziell geförderten Ausstellungsprojekte der größeren Städte. Duisburg und Essen zeigten eine Abfolge mehrerer kleinerer, auf Kunst und Gewerbe, Geschichte und soziale Fragen bezogener Ausstellungen; ebenso Düsseldorf, wo jedoch an Publikumszuspruch die „Jagd- und Fischerei-Ausstellung“, an kultureller Bedeutung die „Grosse Kunstausstellung“ über „die letzten 100 Jahre rheinischer Malerei“ herausragten. In letzterer wurde auf hohem Niveau die künstlerische Avantgarde vom deutschen Impressionismus über den Expressionismus bis hin zur „Neuen Sachlichkeit“ gezeigt. Das nationale Pathos, das die Jahrtausendfeiern sonst prägte, fehlte hier weithin.
Koblenz präsentierte eine „Reichsausstellung ‚Deutscher Wein‘“. In einem hierfür eigens angelegten „Weindorf“ wurde zu diesem Zwecke für jedes deutsche Weinanbaugebiet ein als typisch geltendes Haus errichtet. Dieses direkt an der Pfaffendorfer Brücke gelegene „Weindorf“ ist noch heute in Betrieb.
Eine außerordentlich große historische Ausstellung, die sich als die zentrale Ausstellung der Jahrtausendfeiern verstand, veranstaltete Köln. Diese, und die damit in einem vielfältigen Konkurrenzverhältnis stehende „Historische Jahrtausend-Ausstellung“ in Aachen, sollen nachfolgend etwas ausführlicher dargestellt werden.
4. Kölner Jahrtausendausstellung
Wie bereits geschildert, gingen die Jahrtausendfeiern ganz wesentlich auf eine Initiative Kölner Politiker zurück; und ohne das politische Gewicht des Kölner Oberbürgermeisters Adenauer in Berlin hätten sie womöglich nicht den beschriebenen Umfang angenommen. Es war für Adenauer und seine Mitarbeiter klar, dass Köln bei den Feiern die dominierende Rolle zu spielen hatte. Das wichtigste Instrument hierfür war das Großprojekt der „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“. Sie fand vom 16.5. bis zum 15.8.1925 in den 1924 eröffneten Messehallen in Köln-Deutz statt und präsentierte mehr als 10.000 Objekte. Für die Leitung dieses gigantischen Projekts hatte man den Neusser Museumsdirektor Wilhelm Ewald (1878-1955) gewonnen, der sich auf einen beachtlichen Mitarbeiterstab stützen konnte. Es gelang, eine kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellung von bis dahin unvorstellbarem Umfang zu realisieren und dafür zahlreiche Leihgeber innerhalb und außerhalb der Rheinprovinz zu gewinnen. Als bleibende Erträge gingen hieraus unter anderem das „Rheinische Bildarchiv“ (zunächst als Abteilung des 1926 gegründeten „Rheinischen Museums in Köln“) und beträchtliche Teile der heutigen Bestände des Kölnischen Stadtmuseums, sowie die monumentale Buchpublikation „Tausend Jahre deutscher Kunst am Rhein“ von Fritz Witte (1876-1937) hervor.
Die Kölner Jahrtausendausstellung war in zwei große Abteilungen gegliedert, wobei die Abteilung A. in 52 Räumen die „geschichtliche, politische und künstlerische Entwicklung“ des gesamten Rheinlands, die Abteilung B. in weiteren 91 Räumen die „kommunalpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen“ der Gegenwart dokumentierte. In dieser Abteilung B. waren unter anderem Selbstdarstellungen großer rheinischer Städte enthalten, wobei mit Mannheim und Mainz der Rahmen der preußischen Rheinprovinz überschritten wurde, gleichzeitig aber wichtige Städte der Rheinprovinz fehlten, vor allem Trier, Koblenz und Aachen. In weiteren Räumen präsentierten sich Großkonzerne wie Krupp, Stinnes, Thyssen und die RWE, ferner auch Gewerkschafts- und Sozialverbände. Die historische Abteilung A. wurde von kostbaren mittelalterlichen Exponaten dominiert, beginnend mit Zeugnissen weltlicher Herrschaft und gipfelnd in der Präsentation kirchlicher Schätze. Unter anderem waren aus dem Kölner Dom der Dreikönigsschrein und der Altar der Stadtpatrone von Stefan Lochner entliehen worden. Hier fanden sich ferner alle Facetten kunstgewerblichen Könnens, wie es in verschiedenen Regionen der Rheinprovinz etabliert war. Großes Gewicht wurde auf Zeugnisse der Katholischen Kirche gelegt, aber auch die Evangelische Kirche und das Judentum waren mit jeweils mehreren Räumen vertreten. Überdies wurden Aspekte des bürgerlichen Lebens, der Bildung und schließlich auch der Volkskultur (Karneval) behandelt.
Der von Köln behauptete Gesamtvertretungsanspruch als „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“ wurde durch die überwältigende Wirkung der schieren Zahl, aber auch des teilweise herausragenden kunstgeschichtlichen Ranges der Exponate beglaubigt, auch wenn die Ausstellung die eine oder andere charakteristische Lücke aufwies. Eine der auffallendsten Lücken bestand darin, dass fast keinerlei Zeugnisse aus der Stadt Aachen in Köln gezeigt wurden. Dies hing damit zusammen, dass in Aachen gleichzeitig eine eigene historische Jahrtausendausstellung gezeigt wurde, und dass es hierüber zu einer heftigen Städtekonkurrenz zwischen Aachen und Köln kam. Wenden wir uns zunächst der Aachener Ausstellung zu.
5. Aachener Jahrtausendausstellung
Die vom Aachener Archivdirektor Albert Huyskens (1879-1956) geleitete Aachener Jahrtausendausstellung ist von den Zeitgenossen häufig als „Krönungsausstellung“ angesprochen worden. Tatsächlich stellten die vom 9. bis zum 16. Jahrhundert in Aachen vollzogenen Königskrönungen den thematischen Kern dieser Ausstellung dar. Hierbei konnte an die für 1915 geplante und wegen des Ersten Weltkriegs ausgefallene Krönungsausstellung angeknüpft werden, mit der das hundertjährige Jubiläum der Zugehörigkeit der Rheinprovinz zu Preußen hatte begangen werden sollen. Damals waren für 168.721 Mark originalgetreue Kopien der in Wien lagernden Reichskleinodien des „Heiligen römischen Reichs deutscher Nation“ hergestellt worden, die nun erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden konnten. Dies geschah vom 3.5. bis zum 6.9.1925 in den Räumen des Aachener Rathauses, worin im Spätmittelalter das Krönungsmahl stattzufinden gepflegt hatte.
Im „Krönungssaal“ des Rathauses wurden nun also die Nachbildungen der Reichskleinodien ausgestellt, außerdem weitere Zeugnisse mit Bezug auf die Königskrönungen, ferner eine Abteilung für Goldschmiedekunst sowie eine über das Schützenwesen. In den Räumen des Untergeschosses waren unter anderem Exponate über den Aachener Schöffenstuhl, die Aachener Wallfahrt und die in Aachen abgehaltenen Friedenskongresse versammelt. Das Rathaus als Ausstellungsort wurde seinerseits als Ausstellungsstück verstanden: Nicht nur hatte hier ein Teil des Krönungsrituals stattgefunden, sondern man konnte hier auch noch die Spuren des Separatistenputsches von 1923 betrachten, als es im Rathaus zu Schießereien gekommen war.
Die Einschusslöcher waren diejenigen „Exponate“, die am ehesten die nationalistische Zielrichtung der Ausstellung verkörperten. Die Zentralstücke der Ausstellung hingegen, vor allem die Nachbildungen der Reichskleinodien, verwiesen vielfach auf ein Herrschaftsgebilde, das nun einmal keiner nationalen Logik gefolgt war. Auf der Kaiserkrone zeigten die Emaillen biblische Könige sowie Christus als „König der Könige“, ergänzt durch lateinische Inschriften. Der Krönungsmantel wies gar eine arabische Inschrift auf. Und hinzu kam nun, dass fast alles, was Aachen zur eigenen historischen Geltung vorzubringen hatte, die These zu widerlegen schien, der politische Blick der Rheinländer sei von jeher „der aufgehenden, nicht der sinkenden Sonne zugewandt“, wie Aachens Oberbürgermeister Wilhelm Farwick (1863-1941) (Zentrum) es bei der Eröffnung der Ausstellung ausdrückte. Die architektonische Ausstrahlung der Aachener Pfalzkapelle und der Zuständigkeitskreis des Aachener Schöffenstuhls waren tendenziell eher nach Westen hin gerichtet und überschritten im Osten den Rhein kaum. Als Wallfahrts- und Badeort und als Ausrichterin von Friedenskongressen hatte Aachen eine dezidiert internationale Perspektive innegehabt. Am problematischsten erwies sich aber das größte Pfund, mit dem Aachen wuchern konnte: seine privilegierte Verknüpfung mit Karl dem Großen. Während der Jahrtausendfeiern versuchte man, diesen als „deutschen Recken“ zu stilisieren. Aber wenn 925 der deutsche Nationalstaat entstanden sein sollte, dann musste Karls Reich mehr als ein Jahrhundert vorher logisch notwendig ein nicht-nationales Gebilde gewesen sein. Die Eigenlogik der Exponate machte die Aachener Jahrtausendausstellung (und mindestens tendenziell dürfte dies für ihr großes Kölner Gegenstück ebenfalls gegolten haben) für die Zwecksetzung der Jahrtausendfeiern eigentlich ziemlich ungeeignet.
Gegenüber 1915 hatten sich eben die Rahmenbedingungen für eine Krönungsausstellung deutlich gewandelt. Wenn damals die „Kaiseridee“ zum Ausdruck gebracht werden sollte, dann diente dies zugleich der Stiftung kollektiver Identität: der Untertanen unter dem jeweiligen Kaiser, damals also Wilhelm II. (Regentschaft 1888-1918). Zehn Jahre später war die Monarchie jedoch Vergangenheit, und auch im Reden über die Nation spielte der Untertanenstatus keine entscheidende Rolle mehr. Nun ging es um eine vermeintliche blutsmäßige „Schicksalsgemeinschaft“, der man schlechterdings nicht entrinnen könne. Dieser Wechsel in der Logik nationaler Identitätsstiftung war durch eine Krönungsausstellung nicht gut darstellbar, und auch die ergänzenden Ausstellungs-Abteilungen schufen hier, wie wir sahen, nur wenig Abhilfe.
Bemerkenswert ist nun, dass die Ausstellung dennoch durchgehend als kongeniale Verkörperung der Ideen der Jahrtausendfeiern wahrgenommen wurde. „Deutsches Wesen tut sich dabei kund“, schrieb Reinhold Zimmermann in der „Rheinischen Tageszeitung“, „kein charlemannisches“. Die Sammlung der Presseberichte über die Ausstellung im Aachener Stadtarchiv belegt, dass dies der durchgängige Tenor der Kritiken war: In „denkbar eindringlicher Weise“ werde hier die „unlösbare Verbundenheit von Rhein und Reich bezeugt“. Oder, wie das „Hamburger Fremdenblatt“ in einer Sondernummer zur Jahrtausendfeier druckte: “Es gibt Naturgewalten, die sich nicht beschwichtigen lassen, natürliche Bindungen, die sich elementar kundtun, geführt von der Stimme des Blutes.” Dementsprechend äußerte sich anlässlich der Eröffnung der Aachener Ausstellung auch Paul Wentzcke in einem katholischen Aachener Blatt über die „völkischen Zusammenhänge“, die unter anderem in der „Blutmischung“ zum Ausdruck kämen. Wentzcke resümierte hier: „Auf untrennbarem Bündnis von Rheinlanden und Reich beruht auch uns die deutsche Zukunft. Die Krönungsausstellung, die Aachen veranstaltet, wird gerade diesen Gedanken, daß sie auf Gedeih und Verderb verbunden waren und bleiben, aufs stärkste zum Ausdruck bringen.“
Dass dies – gegen die Exponate – so einhelliger Konsens war, ist eine wahrnehmungspsychologisch höchst bedeutsame Beobachtung. Wie gesagt, geschah dieselbe Gewalt ja auch bei der Wahrnehmung des 1925 im Rheinland immer wieder aufgeführten Finales von Beethovens 9. Sinfonie. Es war eben so, dass die Zielrichtung der Jahrtausendfeiern nicht hinterfragt werden konnte. Hierzu trug vor allem die weitgehend gleichgerichtete geschichtspolitische Perspektive der Akteure bei, von den Deutschnationalen und Liberalen über die Zentrumspolitiker bis hin zu den rheinischen Sozialdemokraten. Diskurspolitisch wurde diese Zielsetzung überdies durch die zwei wichtigsten Mittel abgesichert, mit denen ein umkämpfter Sachverhalt jedem Hinterfragen entzogen werden kann, nämlich indem die Zugehörigkeit des Rheinlands zum deutschen Reich immer wieder als „heilig“ oder (noch häufiger) als „natürlich“ erklärt wurde, gelegentlich auch beides zugleich. Der Glanz der zentralen Exponate beglaubigte solche Operationen ebenso wie die Zahl tausend, die zugleich eine unübersehbar große Menge und eine Vollendung symbolisierte. Es gab jedoch eine ‚undichte Stelle‘ in dieser hermetischen Konstellation. Diese erwuchs aus der Rivalität zwischen den Städten Köln und Aachen.
6. Die Rivalität zwischen Köln und Aachen
Es handelt sich dabei um einen Teilaspekt der Konkurrenz zwischen den rheinischen Städten insgesamt. Schon im August 1924 hatte der „Rheinische Heimatbund“ ein Memorandum an die Städte im Rheinland geschickt, in dem vorgeschlagen wurde, eine große Jahrtausendausstellung auf die Bezirkshauptstädte der Rheinprovinz – Trier, Koblenz, Aachen, Düsseldorf und Köln – thematisch zu verteilen, um eine „Zersplitterung“ der Veranstaltungen zu vermeiden. Die Kölner Planungen liefen aber darauf hinaus, diese Ausstellung möglichst komplett nach Köln zu holen und die übrigen Städte auf allenfalls provinzielle Veranstaltungen zu beschränken. Der „Rheinische Heimatbund“ wurde schließlich dadurch neutralisiert, dass sein Geschäftsführer Hermann Bartmann als Mitarbeiter der Kölner Jahrtausendausstellung kooptiert wurde. Düsseldorfer Pläne, unter anderem die niederrheinische Kunst- und Kulturgeschichte ausstellerisch zu präsentieren, scheiterten daran, dass die Kölner Ausstellungsplaner schneller waren und sich die geeigneten Ausstellungsstücke vor Ort bereits gesichert hatten. Adenauer selbst setzte sich überdies massiv dafür ein, seinen Düsseldorfer Kollegen Robert Lehr nicht in den Planungsausschuss des Provinzialausschusses zur Vorbereitung der Tausendjahrfeier zu berufen.
Querelen gab es auch zwischen den Moselstädten Koblenz und Trier. Hier war Koblenz die agilere Stadt, die sich die „Reichsausstellung Deutscher Wein“ sicherte, bevor Trier überhaupt mit eigenen Planungen für seine Jahrtausendfeier begann. Trier verzichtete schließlich ganz auf eigene Ausstellungen anlässlich der Jahrtausendfeiern.
Am 19.1.1925 wurde auf Einladung des preußischen Ministeriums für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung in Berlin über die Verteilung der staatlichen Zuschüsse für die Jahrtausendfeiern beraten, die insgesamt 1,2 Millionen Reichsmark betrugen und zu gleichen Teilen vom Reich, dem Staat Preußen und der Rheinprovinz aufzubringen waren. Man einigte sich auf folgenden Verteilungsschlüssel:
Köln 570.000 Mark
Koblenz 250.000 Mark
Düsseldorf 100.000 Mark
Aachen 60.000 Mark
Essen 60.000 Mark
Duisburg 60.000 Mark
Trier 50.000 Mark
Saargebiet 30.000 Mark.
Mit der zugeteilten Summe von 60.000 Mark konnten die Aachener eigentlich zufrieden sein, denn sie hatten nur die Hälfte dieser Summe beantragt. Die Verteilungsverhältnisse jedoch wären von den Aachener Vertretern bei dem Treffen sicher hinterfragt worden – wenn die Einladung zu dem Treffen, die durch die Hand Adenauers ging, nicht erst am 20. Januar, einen Tag nach dem Treffen, in Aachen eingegangen wäre, was eine Aachener Beteiligung an der Sitzung vereitelte.
Zu dieser Zeit hatte Adenauer längst erkannt, dass die Kölner Wünsche nach Hegemonie bei den Jahrtausendfeiern nicht so sehr von Düsseldorf gefährdet waren, sondern eher von Aachen. Anfang Februar schrieb er an seinen Stellvertreter, den Sozialdemokraten Johannes Meerfeld (1871-1956), “dass sehr energische Schritte getan werden müssen, um die Quertreibereien Aachen’s zunichte zu machen”. Dies bezog sich vor allem auf die Versuche der Aachener Ausstellungsplaner, Leihgaben für ihre Ausstellung zu gewinnen, um die sich auch Köln bemühte. Insbesondere um Exponate aus Wien, die mit den mittelalterlichen Königskrönungen im Zusammenhang standen, entspann sich ein heftiges Intrigenspiel. Meerfeld schrieb an den deutschen Gesandten in Wien, Max Pfeiffer (1875-1926) (Zentrum), die Aachener Ausstellung sei „lokal begrenzt“ und stehe „in gar keinem Verhältnis zu der grossen Kölner Schau“. Aber Farwick hatte das Kölner Projekt in einem eigenen Brief an Pfeiffer schon vorher als großen „Rummel“ delegitimiert: „Eine Ausstellung im Messepalast, wo heute in Textilwaren, morgen in landwirtschaftlichen Produkten u.s.w. gehandelt wird, kann ihr Niveau nicht gut sehr hoch ins Jdeale schrauben. Es ist und bleibt eine Messegeschichte. Aber in Aachen im alten Kaiserpalast, im Krönungssaale (denn nur dieser soll für die Ausstellung in Frage kommen) weht denn doch ein anderer Hauch.“ Die verantwortlichen Wiener Stellen kamen schließlich auf die salomonische Lösung, den Krönungsornat Kaiser Franz I. - eine im 18. Jahrhundert angefertigte Kopie des karolingischen Originals - unter der Bedingung auszuleihen, dass beide konkurrierende Städte ihn zu gleichen Zeitanteilen zeigen würden. Diese erst Ende April 1925 zustande gekommene Verabredung wurde dann auch infolge der Verlängerung der Dauer beider Jahrtausendausstellungen nachjustiert, so dass der Ornat insgesamt viermal zwischen Köln und Aachen transportiert werden musste. Im Hinblick auf andere Leihgaben trug man den politischen Machtverhältnissen im Rheinland Rechnung und entlieh beispielsweise das „Mainzer Exemplar“ der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356 exklusiv nach Köln. Aber es blieb der größte Erfolg der Aachener Diplomatie in Wien, die Herleihung der Originale der Reichskleinodien an Köln verhindert zu haben. Eine solche Ausleihung hätte die Aachener Jahrtausendausstellung, die ja um die Kopien dieser Kleinodien zentriert war, vollends entwertet.
Die Kölner „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“ wurde von Aachen aus fast vollständig boykottiert. Lediglich zur Herleihung einiger Stücke religiöser Kunst konnte sich der Aachener Museumsdirektor Felix Kuetgens (1890-1976) bereitfinden. Eine Beteiligung Aachens an der Städte-Abteilung der Kölner Ausstellung kam gemäß einer Mitteilung Farwicks an Adenauer „nicht in Frage“. Aber auch eine Reklame für die „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“ wurde in Aachen verhindert. So weigerte sich die Aachener Kleinbahn-Gesellschaft „aus Lokalpatriotismus und aus eigenem Jnteresse”, in ihren Wagen Fenstertransparente anzubringen, die auf die Kölner Ausstellung hinwiesen. Dieser Boykott konnte selbstverständlich nicht verhindern, dass am Ende den 147.219 Besuchern der Aachener Jahrtausendausstellung fast zehn mal soviele Besucher der Kölner „Jahrtausendausstellung der Rheinlande“ (etwa 1,4 Millionen Besucher) gegenüberstanden.
Die Kölner Konfliktstrategie war subtiler als die Aachener. Einerseits wurde das Aachener Konkurrenzunternehmen konsequent dem Verdikt über alle außerkölnischen Ausstellungen im Zusammenhang mit den Jahrtausendfeiern subsumiert, es handele sich um kleine, lokal begrenzte Projekte. Andererseits zog man die delikate Rolle des plakativen „Aacheners“, Karls des Großen, ins Rampenlicht. In einem Rundschreiben des Städtischen Verkehrsamts von Köln hieß es im März 1925 hintersinnig: „Das Reich Karls des Großen verkörperte eine Einheitsidee, König Heinrich I. aber schuf 925 den deutschen Nationalstaat.“ Der liberalen „Kölnischen Zeitung“ blieb es vorbehalten, zugunsten der Kölner Jahrtausendausstellung auch den christlichen Karl zu delegitimieren. Der auf dem Kölner Ausstellungsplakat in den Wellen des Rheins abgebildete stilisierte Ritter erschien diesem Blatt nämlich als „eine Art Irminsul“. Damit wurde für das alte heidnische Heiligtum der Sachsen Partei genommen, das Karl der Große im Zuge seiner Unterwerfungs- und Christianisierungs-Feldzüge gegen diesen germanischen Stamm zerstört hatte. Hier überschnitten sich vollends lokalpatriotische, konfessionelle und parteipolitische Konfliktlagen, jedoch in subtiler Weise.
Die meisten der geschilderten Konflikte vollzogen sich im Verborgenen. Zwar appellierten die lokalen Zeitungen im Rheinland zuweilen offen an den Lokalpatriotismus und das Konkurrenzgefühl, doch wurde dies dem dominanten ideologischen Ziel, die schicksalhafte Einheit von Rheinland und Reich zu postulieren, untergeordnet. So konnte man in der Zeitschrift „Verkehr und Bäder“ im April 1925 lesen: “Aus Anlaß der Feier gibt das Rheinland sich die größte Mühe, um durch bedeutende Veranstaltungen [...] das Jubiläumsjahr besonders zu betonen. [...] Jede Stadt gibt aus ihrer Eigenart, Konkurrenzneid gibt es Gott sei Dank! nicht.”
7. Fazit
Unter der Oberfläche der proklamierten untrennbaren Einigkeit aller Deutschen „auf Gedeih und Verderb“ zeigte sich bei den Jahrtausendfeiern eine Logik der Partikularismen und der Konkurrenz; auch eine Logik der Widerständigkeit der Fakten (wenn zum Beispiel Ausstellungs-Exponate einfach keine deutschnationale Botschaft tragen mochten). Das Bemerkenswerte ist, dass all dies dem Erfolg der Veranstaltungen im Sinne der Initiatoren der Jahrtausendfeiern überhaupt keinen Abbruch tat. Alles dieses Widerständige wurde durch Festreden, Zeitungs- und auch schon Rundfunk-Reportagen ausgeblendet oder umgedeutet.
Dies lag in erster Linie an der unangefochtenen geschichtspolitischen Hegemonie der maßgeblichen rheinischen Historiker und Politiker. Dieser Sachverhalt ist erklärungsbedürftig. Dass katholische und liberale Historiker, deutschnationale und sozialdemokratische Politiker, bei allen Unterschieden in den Nuancen, 1925 eine einheitliche Erzählung reproduzierten, hängt mit der defensiven außenpolitischen Konstellation im besetzten Rheinland zusammen, die nach der Konstruktion kollektiver Identität in Abgrenzung von den Besatzungsmächten, vor allem Frankreich, zu verlangen schien. Die anachronistische Rückprojektion des Nation-Konzepts ins Mittelalter war damals Stand der Kunst. Aber 1925 hätte man auch an eine bereits jahrzehntelange Tradition des Nachdenkens über internationalistische oder völkerverbindende Utopien anknüpfen können. Sowohl die sozialdemokratische als auch die katholische Ideenwelt legten das eigentlich nahe.
Am meisten verblüfft, dass jene Minderheit, die die Jahrtausendfeiern ablehnte, die historische Dimension der Debatte ganz verfehlte. Es gab ja fundamentale Kritik an den Jahrtausendfeiern; zum Beispiel veröffentlichte Kurt Tucholsky (unter seinem Pseudonym Theobald Tiger) in der „Weltbühne“ das bissige Gedicht „Tausend Worte Rheinland“, worin er die eigentlichen, kapitalistischen Hintergründe der Feiern aufs Korn nahm. Das Skandalon an den Feiern war laut diesem Gedicht, dass eine exzessive Prunkentfaltung in Deutschland stattfand, während zur gleichen Zeit massive Not herrschte. Auf derselben Linie lag durchgängig die Kritik an den Jahrtausendfeiern von Seiten der KPD, und gelegentlich auch von Teilen der SPD, wenn die Feiern der Frackträger allzu opulent ausfielen. Kristallisationspunkt all dieser Kritiken waren die „Festessen“. Was auf der Seite der politischen Linken jedoch vollständig fehlte, war ein Einstieg in die geschichtspolitische Debatte selbst. Hätte man nicht auf die Gewaltsamkeit der Einverleibung Lotharingiens im 10. Jahrhundert und auf die Kosten monarchischer Herrschaftsentfaltung für die Untertanen im Allgemeinen hinweisen können? Wäre nicht gerade 1925 Gelegenheit gewesen, an den genau 400 Jahre zurückliegenden Deutschen Bauernkrieg zu erinnern, über den Friedrich Engels 75 Jahre zuvor eine historische Untersuchung vorgelegt hatte, beginnend mit den Worten: „Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition“?
Auch wegen dieser geschichtspolitischen Abstinenz der Linken in der Weimarer Republik konnten die Jahrtausendfeiern jene bedenkliche kulturpolitische Wirkung entfalten, die man für sie resümieren kann: Sie waren eine großangelegte Einübung in völkisches Denken, eine Kapitulation der Stimme der Vernunft vor der „Stimme des Blutes“.
Quellen
Haude, Rüdiger,„Kaiseridee“ oder „Schicksalsgemeinschaft“. Geschichtspolitik beim Projekt „Aachener Krönungsausstellung 1915“ und bei der „Jahrtausendausstellung 1925“. Neustadt a.d. Aisch 2000.
Literatur
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Cepl-Kaufmann, Gertrude (Hg.), Jahrtausendfeiern und Befreiungsfeiern im Rheinland. Zur politischen Festkultur 1925 und 1930, Essen 2009.
Förster, Cornelia, Zur Problematik kulturhistorischer Ausstellungen am Rhein. Jahrtausendausstellung Köln 1925. Gesolei Düsseldorf 1926. Stadtjubiläum Düsseldorf 1988, in: Schneider, Ulrich (Hg.), Festschrift für Gerhard Bott zum 60. Geburtstag, Darmstadt 1987, S. 159-167.
Koops, Tilman, Die rheinische Jahrtausendfeier 1925, in: Thomas-Morus-Akademie Bensberg (Hg.), Auf der Suche nach regionaler Identität. Geschichtskultur im Rheinland zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Bergisch Gladbach 1997.
Mohl, Renate, Grenzregion und Rundfunk. Der Beitrag der "Westdeutschen Funkstunde" (WEFAG) zu den Rheinlandfeiern 1925-1926, in: Breuer, Dieter / Cepl-Kaufmann, Gertrude (Hg.), "Deutscher Rhein - fremder Rosse Tränke?". Symbolische Kämpfe um das Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg, Essen 2005, S. 241–255.
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