Die Vertretung der Rheinprovinz im Preußischen Staatsrat (1921 bis 1933) und im Reichsrat (1921 bis 1934)

Joachim Lilla (Krefeld)

1. Der Preußische Staatsrat

Der Preu­ßi­sche Staats­rat wur­de 1920 zur Ver­tre­tung der Pro­vin­zen bei der Ge­setz­ge­bung und Ver­wal­tung des Staa­tes ge­bil­det. Das Preu­ßi­sche Staats­mi­nis­te­ri­um hat­te den Staats­rat über die Füh­rung der Staats­ge­schäf­te auf dem lau­fen­den zu hal­ten, es hat­te dem Staats­rat des Wei­te­ren bei der Ein­brin­gung von Ge­set­zes­vor­la­gen Ge­le­gen­heit zur gut­acht­li­chen Äu­ße­rung zu ge­ben, wo­bei der Staats­rat sei­ne ab­wei­chen­de Äu­ße­rung dem Land­tag schrift­lich dar­le­gen konn­te. Der Staats­rat war fer­ner be­rech­tigt, über das Staats­mi­nis­te­ri­um Ge­set­zes­vor­la­gen im Land­tag ein­zu­brin­gen. Auch war der Staats­rat – oder sein zu­stän­di­ger Aus­schuss – vor Er­lass von Aus­füh­rungs­vor­schrif­ten zu Reichs- und Staats­ge­set­zen so­wie vor Er­lass all­ge­mei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­scher An­ord­nun­gen zu hö­ren.

Der Staats­rat war als Ver­tre­tung der Pro­vin­zen ge­gen­über Land­tag und Staats­mi­nis­te­ri­um ein neu­ar­ti­ges Ver­fas­sungs­or­gan sui ge­ne­ris, je­doch kei­ne ers­te Kam­mer und beim Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren dem Land­tag nicht gleich­be­rech­tigt, was hin­sicht­lich sei­ner Mit­wir­kung an den Staats­ge­schäf­ten nicht so ein­fach auf ei­nen kur­zen Nen­ner ge­bracht wer­den kann. Ein zeit­ge­nös­si­sches Hand­buch be­zeich­ne­te ihn zu­tref­fend als ei­ne neue "Ein­rich­tung, die mit der 1817 ein­ge­setz­ten Obers­ten Be­hör­de [Staats­rat] noch mit dem frü­he­ren Her­ren­haus et­was ge­mein­sam hat. Au­ßer­dem soll­te er, ne­ben der Ver­tre­tung der Pro­vin­zen bei der Ge­setz­ge­bung und Ver­wal­tung, gleich­zei­tig ein ge­wis­ses Ge­gen­ge­wicht ge­gen die All­macht des L[and]T[ags]. bil­den. Er ist kei­ne ers­te Kam­mer und kein dem L[and]T[ag]. gleich­be­rech­tig­ter Fak­tor".

Die­se et­was kon­stru­iert wir­ken­den Ver­su­che, den Staats­rat kurz zu cha­rak­te­ri­sie­ren, ent­spre­chen durch­aus der Stel­lung des Staats­rats im preu­ßi­schen Ver­fas­sungs­ge­fü­ge. Ha­gen Schul­ze spricht recht poin­tiert – aber zu­tref­fend – da­von, dass die „tat­säch­li­che recht­li­che wie po­li­ti­sche Be­deu­tungs­lo­sig­keit [des Staats­rats] in ei­nem ge­wis­sen Kon­trast zu den Pro­ble­men stand, die sei­ne rei­ne Exis­tenz ver­ur­sach­te“. Vor dem Hin­ter­grund der ur­sprüng­lich mit dem Be­griff Staats­rat ver­bun­de­nen In­ten­tio­nen zu des­sen Er­rich­tung – et­wa Wahr­neh­mung der ei­nem Staats­ober­haupt zu­ste­hen­den Auf­ga­ben oder die tat­säch­li­che Be­tei­li­gung der Pro­vin­zen an der Staats­wil­lens­bil­dung – blieb der dann in der Ver­fas­sung ver­an­ker­te Staats­rat „ein ver­krüp­pel­tes Ge­bil­de, von wel­cher Sei­te man es auch be­trach­te­te“. Der ein­zi­ge Punkt, der nach den Wor­ten ei­nes sei­ner Mit­glie­der, Jo­hann Cas­pa­ri (1888-1945), „ge­ra­de­zu zu ei­ner Ka­ram­bo­la­ge mit Re­gie­rung und Land­tags­mehr­heit her­aus­for­der­te“, war sei­ne per­so­nel­le Zu­sam­men­set­zung. Denn die Pro­vin­zi­al­land­ta­ge wie­sen, ob­wohl sie nach dem­sel­ben Wahl­recht wie der Land­tag ge­wählt wur­den, doch zum Teil deut­lich an­de­re, mehr rechts ori­en­tier­te Mehr­heits­ver­hält­nis­se als der Land­tag auf, und dies wirk­te sich dann auch auf die Zu­sam­men­set­zung des Staats­rats aus. Be­deut­sam für die Zu­sam­men­set­zung des Staats­rats war fer­ner, dass die Tä­tig­keit in ihm eh­ren­amt­lich war. Da­her be­fan­den sich weit­aus mehr Ho­no­ra­tio­ren und Kom­mu­nal­po­li­ti­ker im Staats­rat als im Land­tag.

Die Grund­la­gen der Wah­len zum Staats­rat wa­ren in Ar­ti­kel 33 der Preu­ßi­schen Ver­fas­sung ge­re­gelt. Hier­nach wa­ren die Mit­glie­der des Staats­ra­tes und ih­re Stell­ver­tre­ter von den Pro­vin­zi­al­land­ta­gen als Wahl­kör­per nach dem Grund­satz der Ver­hält­nis­wahl ge­wählt. Wahl­vor­aus­set­zun­gen wa­ren: das er­reich­te 25. Le­bens­jahr und ein min­des­tens ein­jäh­ri­ger Wohn­sitz in der Pro­vinz. Nicht ver­ein­bar war die Mit­glied­schaft im Land­tag und im Staats­rat. Die Mit­glie­der des Staats­rats üb­ten ihr Amt bis zum Ein­tritt ih­res Nach­fol­gers aus. Die Neu­wahl der Mit­glie­der des Staats­rats er­folg­te un­mit­tel­bar nach der Wahl ih­rer Wahl­kör­per. Ob­wohl die Wahl­kör­per meist zu iden­ti­schen Ter­mi­nen ge­wählt wur­den, gab es ju­ris­tisch kei­ne Wahl­pe­ri­oden für den Staats­rat. Die Mit­glie­der des Staats­rats er­hiel­ten ih­ren Wahl­auf­trag bis zum Schluss der Wahl­pe­ri­oden ih­rer Wahl­kör­per, am­tier­ten je­doch bis zur Neu- oder Wie­der­wahl wei­ter. Die Mit­glied­schaft er­losch bei der An­nah­me ei­nes Land­tags­man­dats, durch Ver­zicht („Nie­der­le­gung des Wahl­auf­tra­ge­s“) und durch Fort­fall der Wähl­bar­keits­vor­aus­set­zun­gen. Hier­zu ge­hör­te auch – ne­ben den Fol­gen ei­ner Ent­mün­di­gung oder der Ab­er­ken­nung der bür­ger­li­chen Eh­ren­rech­te – der Fort­zug aus dem Ge­biet des Wahl­kör­pers, al­so der je­wei­li­gen Pro­vinz. Die Zahl der Mit­glie­der, die je­der Wahl­kör­per zu wäh­len hat­te, wur­de un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­völ­ke­rungs­zah­len je­weils vom Staats­mi­nis­te­ri­um fest­ge­setzt. Hier­nach wa­ren von der Rhein­pro­vinz 1921 14, 1926 und 1930 15, 1933 er­neut 14 Mit­glie­der (be­zie­hungs­wei­se Stell­ver­tre­ter) in den Staats­rat zu ent­sen­den. Die Wahl der Staats­rats­mit­glie­der hat­te je­weils „re­gel­mä­ßig nach der Neu­wahl des Wahl­kör­pers in sei­ner ers­ten Ta­gun­g“ statt­zu­fin­den. Zu­gleich war die glei­che An­zahl von Stell­ver­tre­tern zu wäh­len, fer­ner ei­ne aus­rei­chen­de An­zahl von „Er­satz­män­nern“ vor­zu­se­hen, die im Fal­le, dass ein Stell­ver­tre­ter als Staats­rat­mit­glied nach­rück­te oder sonst wie aus­schied, als Stell­ver­tre­ter be­nannt wur­den.

2. Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Rheinprovinz im Staatsrat 1921 bis 1933 in der Rangfolge ihrer Wahl

Die fol­gen­de Über­sicht (PDF-Do­ku­ment) do­ku­men­tiert die Rang­fol­ge der Wahl der von der Rhein­pro­vinz ge­wähl­ten Mit­glie­der und Stell­ver­tre­ter des Staats­rats zwi­schen Mai 1921 und Früh­jahr 1933. Die syn­op­ti­sche An­ord­nung lässt zu­dem ge­nau er­ken­nen, wel­ches Mit­glied zu wel­cher Zeit durch wel­chen Stell­ver­tre­ter ver­tre­ten wur­de. Die­se Zu­sam­men­stel­lung stützt sich auf die ent­spre­chen­den Über­sich­ten in den Druck­sa­chen und Hand­bü­chern des Staats­rats. Hin­sicht­lich der 1926 vom Pro­vin­zi­al­land­tag be­schlos­se­nen Rei­hen­fol­ge der Mit­glie­der gibt sich in­des ei­ne nicht auf­lös­ba­re Dis­kre­panz, da die­se hin­sicht­lich ei­nes Teils der Zen­trums­ab­ge­ord­ne­ten of­fen­bar nicht in den Staats­rats­un­ter­la­gen bis 1930 be­rück­sich­tigt wor­den ist. Die von den Staats­rats­un­ter­la­gen ab­wei­chen­de Pla­cie­rung durch den Pro­vin­zi­al­land­tag wird durch ein­ge­klam­mer­te Zah­len un­ter­halb der lau­fen­den Num­mer ver­merkt.

Er­wähnt sei noch, dass die Prä­si­den­ten des Staats­rats durch­gän­gig aus der Rhein­pro­vinz stamm­ten: Kon­rad Ade­nau­er (bis 1933), Ro­bert Ley (1933).

3. Das Ende des Staatsrats 1933 und der neue „Staatsrat“

Nach der Neu­wahl der Pro­vin­zi­al­land­ta­ge am 12.3.1933 wur­den die Wah­len zum Staats­rat lan­des­ein­heit­lich für den 10.4.1933 fest­ge­setzt. Die Wah­len zum Staats­rat führ­ten im Er­geb­nis da­zu, dass 61 (von 80) Staats­rats­mit­glie­der nicht wie­der­ge­wählt wur­den; noch dra­ma­ti­scher wa­ren die Ver­än­de­run­gen bei den Stell­ver­tre­tern: dort schie­den 76 (von 79 be­zie­hungs­wei­se 80) aus und wur­den er­setzt. Der neu ge­wähl­te Staats­rat trat dann nur noch zu zwei Sit­zun­gen zu­sam­men, zur kon­sti­tu­ie­ren­den Sit­zung am 26. April und zu ei­ner wei­te­ren Sit­zung am 18. Mai. In der Sit­zung am 18. Mai stimm­te der Staats­rat dann nur ei­nem Ge­setz zu, das dann gleich­sam sein En­de als Ver­fas­sungs­or­gan ein­läu­te­te: das preu­ßi­sche „Er­mäch­ti­gungs­ge­setz“, das das Staats­mi­nis­te­ri­um er­mäch­tig­te, beim Be­schluss von Ge­set­zen von der Lan­des­ver­fas­sung ab­zu­wei­chen, al­ler­dings mit der viel­sa­gen­den Ein­schrän­kung: „Ne­ben der Ein­rich­tung des Land­tags darf die des Staats­rats als sol­che von der Ge­setz­ge­bung nicht be­rührt wer­den.“ Dies war al­so kei­ne Be­stands­ga­ran­tie für das Ver­fas­sungs­or­gan Staats­rat, son­dern le­dig­lich für ei­ne so ge­hei­ße­ne Kör­per­schaft.

Mi­nis­ter­prä­si­dent Gö­ring kün­dig­te – im Zu­ge des or­ga­ni­sche[n] Um- und Aus­bau[s] des Staa­tes – in der Sit­zung des Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums am 29.5.1933 ei­ne Um­ge­stal­tung des Staats­rats an, der kei­ne par­la­men­ta­ri­schen Auf­ga­ben über­neh­men, son­dern die Staats­re­gie­rung le­dig­lich be­ra­ten sol­le. Das En­de des Staats­rats kam dann durch das am 8. Ju­li ver­kün­de­te Ge­setz über den Staats­rat. Die wei­ter­hin be­ste­hen­de Kör­per­schaft Staats­rat hat­te fort­hin das Staats­mi­nis­te­ri­um bei der Füh­rung der Staats­ge­schäf­te nur noch zu be­ra­ten. Die Mit­glie­der wur­den vom Mi­nis­ter­prä­si­den­ten er­nannt. Be­stimm­te Per­so­nen­grup­pen, dar­un­ter die für preu­ßi­sche Ge­biets­tei­le zu­stän­di­gen Gau­lei­ter, ge­hör­ten dem Staats­rat qua Amt oder Funk­ti­on an. Aus der Rhein­pro­vinz wur­den fol­gen­de Gau­lei­ter auf­grund ih­res Am­tes am 11.7.1933 in den Staats­rat be­ru­fen und ge­hör­ten ihm bis 1945 an: Fried­rich Karl Flo­ri­an, Gau­lei­ter Düs­sel­dorf, Jo­sef Grohé, Gau­lei­ter Köln-Aa­chenGus­ta­v ­Si­mon, Gau­lei­ter Ko­blenz-TrierJo­sef Ter­bo­ven, Gau­lei­ter Es­sen. Als sons­ti­ge um Staat und Volk ver­dien­te Män­ner wur­den aus ­der R­hein­pro­vinz als Staats­rä­te be­ru­fen:

Karl Jar­res, Ober­bür­ger­meis­ter, Reichs­mi­nis­ter a. D. (11.7.1933–1945)

Her­mann Frei­herr von Lü­ninck, Ober­prä­si­dent in Ko­blenz (12.10.1933–1935)

Max Ot­to Luy­ken, In­spek­teur West der SA (11.7.1933–1935)

Alois Spa­ni­ol, Lan­des­füh­rer der NS­DAP im Saar­ge­biet, 1934 Re­fe­rent im Mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Ar­beit, 1935 Bür­ger­meis­ter in An­der­nach (11.7.1933–1937)

Fritz Weit­zel, SS-Grup­pen­füh­rer, Po­li­zei­prä­si­den­t Düs­sel­dorf (11.7.1933–20.6.1940 †)

Kurt Mel­cher, Ober­prä­si­dent i. e. R., Düs­sel­dorf (11.7.1933–1945)

Fritz Thys­sen, In­ge­nieur (11.7.1933–17.11.1938) 

4. Die Vertretung zum Reichsrat

Ge­mäß Ar­ti­kel 63 der Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung war „die Hälf­te der preu­ßi­schen Stim­men“ im Reichs­rat von den Pro­vin­zi­al­ver­wal­tun­gen zu be­stel­len. Das preu­ßi­sche Ge­setz über die Be­stel­lung von Mit­glie­dern des Reichs­rats durch die Pro­vin­zi­al­ver­wal­tun­gen vom 3.6.1921 be­stimm­te zu Wahl­kör­pern die Pro­vin­zi­al­aus­schüs­se. Je­der Wahl­kör­per hat­te in ge­son­der­ten Sit­zung in ge­hei­mer Wahl je ein Mit­glied und ein stell­ver­tre­ten­des Mit­glied zu wäh­len. Ei­ne der Vor­aus­set­zun­gen der Wähl­bar­keit war ein min­des­tens ein­jäh­ri­ger Wohn­sitz im Be­zirk der Pro­vinz. Ge­wählt wur­de, wer mehr als die Hälf­te der ab­ge­ge­be­nen gül­ti­gen Stim­men er­hal­ten hat­te. Die so ge­wähl­ten Mit­glie­der üb­ten ihr Amt bis zum Ein­tritt des Nach­fol­gers aus. Die Neu­wahl des Mit­glieds und sei­nes Stell­ver­tre­ters hat­te un­mit­tel­bar nach der Neu­wahl der Wahl­kör­per zu er­fol­gen. So­fern ein Mit­glied vor­zei­tig aus­schied, trat an sei­ne Stel­le der Stell­ver­tre­ter, für den so­fort ein neu­er zu wäh­len war.

Die un­mit­tel­ba­re Ver­tre­tung der preu­ßi­schen Pro­vin­zen im Reichs­rat war ein Aus­fluss der in den Ver­fas­sungs­be­ra­tun­gen von 1919 an­ge­dach­ten stär­ke­ren Re­gio­na­li­sie­rung des Reichs, zu­dem als Mit­tel ge­dacht, ei­ne Do­mi­nanz Preu­ßens im Reichs­rat zu be­schrän­ken. Die preu­ßi­sche Staats­re­gie­rung er­kann­te sehr wohl die Ge­fahr, die der Ver­tre­tung der preu­ßi­schen In­ter­es­sen ge­gen­über dem Reich durch die Re­ge­lung droh­te, und ver­such­te mit al­len Kräf­ten, zu­min­dest ei­ne ein­heit­li­che Stimm­ab­ga­be sämt­li­cher preu­ßi­scher Stim­men im Reichs­rat zu ge­währ­leis­ten. Dies war ein Ver­such, im Rah­men des ver­fas­sungs­recht­lich noch Zu­läs­si­gen ei­ner durch die „frei­e“ Ab­stim­mung der Pro­vinz­ver­tre­ter durch­aus mög­li­chen Zer­split­te­rung (im Ex­trem­fall, wenn al­le 13 Pro­vinz­ver­tre­ter an­ders als die Re­gie­rungs­ver­tre­ter stimm­ten, so­gar Neu­tra­li­sie­rung) der preu­ßi­schen Stim­men im Reichs­rat vor­zu­beu­gen. Die­se Ge­fahr der Zer­split­te­rung war kei­nes­wegs nur theo­re­tisch: So stimm­ten die preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­ver­tre­ter im Reichs­rat re­la­tiv häu­fig an­ders als die von der Staats­re­gie­rung be­stell­ten Be­voll­mäch­tig­ten. Trotz der Tat­sa­che, dass das Staats­mi­nis­te­ri­um (zu­min­dest bis 1926 oder 1927) vor je­der Sit­zung des Reichs­rats ei­ne „ge­mein­sa­me Be­ra­tun­g“ an­be­raum­te, konn­te Preu­ßen zwi­schen dem 21.7.1921 und Mit­te Ju­li 1928 nur bei 48 von ins­ge­samt 259 Ab­stim­mun­gen sei­ne vol­le Stim­men­zahl zur Gel­tung brin­gen. In 63 Fäl­len führ­te es nur gleich vie­le (oder we­ni­ger) Stim­men wie Bay­ern, und in 54 Fäl­len wur­de die Staats­re­gie­rung im Reichs­rat über­stimmt, weil die Pro­vin­zi­al­ver­tre­ter in Gän­ze oder teil­wei­se ge­gen die Ver­tre­ter der Staats­re­gie­rung ge­stimmt hat­ten. Mi­nis­ter­prä­si­dent Ot­to Braun brand­mark­te im Ju­ni 1922 im preu­ßi­schen Land­tag die so er­fol­gen­de „Eli­mi­nie­rung der preu­ßi­schen Stim­men im Reichs­ra­t“. Bis 1932/1933 konn­te die­ses Pro­blem nicht im In­ter­es­se der preu­ßi­schen Re­gie­rung ge­löst wer­den.

Durch Er­lass vom 31.3.1921 wies der Preu­ßi­sche Mi­nis­ter des In­nern den Lan­des­haupt­mann der Rhein­pro­vinz an, im Hin­blick auf die Ver­tre­tung ge­ra­de der be­setz­ten Lan­des­tei­le im Reichs­rat die Wahl der Ver­tre­ter zum Reichs­rat bis spä­tes­tens 1. Ju­li durch­zu­füh­ren. Am 14.7.1921 wähl­te der Pro­vin­zi­al­aus­schuss der Rhein­pro­vinz als Be­voll­mäch­tig­ten der Rhein­pro­vinz zum Reichs­rat den Köl­ner Land­ge­richts­rat und Stadt­ver­ord­ne­ten Pe­ter ge­nannt Paul Schu­ma­cher, zu sei­nem Ver­tre­ter den Lan­des­rat Paul Ger­lach. Nach­dem Schu­ma­cher am 26.11.1925 ge­stor­ben war, stand ei­ne Neu­wahl des Be­voll­mäch­tig­ten der Rhein­pro­vinz. Ei­ne kurz­fris­tig vom Lan­des­haupt­mann für den 16. De­zem­ber vor­ge­schla­ge­ne Wahl durch den Pro­vin­zi­alau­schuss fand, wohl auch im Hin­blick auf die erst kurz zu­vor (am 29. No­vem­ber) er­folg­te Neu­wahl des Pro­vin­zi­al­land­ta­ges, im Gre­mi­um kei­ne Zu­stim­mung. Erst am 27. Ja­nu­ar wähl­te der Pro­vin­zi­al­rat den Trois­dor­fer Stu­di­en­rat und Zen­trums­po­li­ti­ker Dr. Wil­helm Ha­ma­cher zum neu­en Be­voll­mäch­tig­ten der Rhein­pro­vinz zum Reichs­rat. Gleich­zei­tig wur­de der stell­ver­tre­ten­de Be­voll­mäch­tig­te Paul Ger­lach be­stä­tigt. Bei der tur­nus­mä­ßig fäl­li­gen Neu­wahl der Reichs­rats­ver­tre­ter nach den Pro­vin­zi­al­land­tags­wah­len vom 17.11.1929 wur­den die Man­da­te von Ha­ma­cher und Ger­lach am 21.3.1930 er­neu­ert. Ha­ma­cher ge­hör­te zu den nicht mehr zahl­rei­chen Mit­glie­dern des Reichs­rats, die sich im No­vem­ber 1932 und er­neut im Fe­bru­ar 1933 zwar mit Nach­druck, aber ver­geb­lich für die Rech­te der durch die Reichs­kom­mis­sa­re für das Land Preu­ßen zur Be­deu­tungs­lo­sig­keit ver­ur­teil­te „Ho­heits­re­gie­run­g“ Braun-Se­ve­ring ein­setz­te.

Nach der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­er­grei­fung in Ber­lin wur­den auch die Pro­vin­zi­al­land­ta­ge auf­ge­löst, die Neu­wah­len fan­den am 12. März zu­sam­men mit den Kom­mu­nal­wah­len statt. Der neu be­stell­te Pro­vin­zi­al­aus­schuss wähl­te in sei­ner Sit­zung am 11. April den Köl­ner Gau­lei­ter Jo­sef Grohé zum Be­voll­mäch­tig­ten und den Duis­bur­ger Berg­werks­di­rek­tor Erich Win­na­cker zum stell­ver­tre­ten­den Be­voll­mäch­tig­ten der Rhein­pro­vinz zu­m ­Reichs­rat. Am 19.6.1933 teil­te Win­na­cker dem Lan­des­haupt­mann mit, dass er in­fol­ge der Er­nen­nung zum Ober­berg­haupt­mann (zu­gleich Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor im Preu­ßi­schen Mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Ar­beit) sein Man­dat nie­der­leg­te. Als Nach­fol­ger für Win­na­cker be­stell­te der Pro­vin­zi­al­aus­schuss am 11. Sep­tem­ber den Es­se­ner Chef­re­dak­teur Eber­hard Graf von Schwe­rin. Grohé und Graf Schwe­rin fun­gier­ten bis zur Auf­he­bung des (po­li­tisch oh­ne­hin be­deu­tungs­los ge­wor­de­nen) Reichs­rats durch Ge­setz vom 14.2.1934 als Be­voll­mäch­tig­ter be­zie­hungs­wei­se stell­ver­tre­ten­der Be­voll­mäch­tig­ter der Rhein­pro­vinz.

Be­voll­mäch­tig­te:

Pe­ter ge­nannt Paul Schu­ma­cher, Ober­lan­des­ge­richts­rat (11.7.1921–25.11.1925†)

Paul Ger­lach, Lan­des­rat, Düs­sel­dorf (25.11.1925–27.1.1926)

Dr. Wil­helm Ha­ma­cher, Stu­di­en­rat (27.1.1926–April 1933)

Jo­sef Grohé, Gau­lei­ter (11.4.1933–Fe­bru­ar­1934) 

Stell­ver­tre­ter

Paul Ger­lach, Lan­des­rat, zeit­wei­se MdR, Düs­sel­dorf (11.7.1921–25.11.1925, 27.1.1926–April 1933)

Erich Win­na­cker, Berg­werks­di­rek­tor, Duis­burg (11.4.–19.6.1933)

Graf Eber­hard von Schwe­rin, Es­sen (11.9.1933–Fe­bru­ar 1934) 

Literatur

Ade­nau­er Kon­rad (jr.), Kon­rad Ade­nau­er als Prä­si­dent des Preu­ßi­schen Staats­rats, in: Steh­käm­per, Hu­go (Hg.), Kon­rad Ade­nau­er. Ober­bür­ger­meis­ter von Köln, Fest­ga­be der Stadt Köln zum 100. Ge­burts­tag ih­res Eh­ren­bür­gers am 5. Ja­nu­ar 1976, Köln 1976, S. 355–404.
Bay­er, Heinz-Die­ter, Der Staats­rat des Frei­staa­tes Preu­ßen, Ber­lin 1992.
Lil­la, Joa­chim, Die Ver­tre­tung der Rhein­pro­vinz im Preu­ßi­schen Staats­rat und im Reichs­rat 1921 bis 1933, in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 68 (2004), S. 141–171.
Lil­la, Joa­chim:,Der Preu­ßi­sche Staats­rat 1921 bis 1933. Ein Bio­gra­phi­sches Hand­buch. Mit ei­ner Do­ku­men­ta­ti­on der im „Drit­ten Reich“ be­ru­fe­nen Staats­rä­te, Düs­sel­dorf 2005.
Lil­la, Joa­chim, Der Reichs­rat 1919 bis 1934. Ver­tre­tung der deut­schen Län­der bei der Ge­setz­ge­bung und Ver­wal­tung des Reichs 1919–1934. Ein Bio­gra­phi­sches Hand­buch. Un­ter Ein­be­zie­hung des Bun­des­ra­tes Nov. 1918–Febr. 1919 und des Staa­ten­aus­schus­ses Febr.–Aug 1919, Düs­sel­dorf 2006.
Lil­la, Joa­chim, „Un­lös­ba­re Ano­ma­lie in­ner­halb der Or­ga­ni­sa­ti­on des Staa­tes Preu­ßen?“ Die Ver­tre­tung der preu­ßi­schen Pro­vin­zen im Reichs­rat 1921 bis 1934 (Ers­ter Teil), in: For­schun­gen zur Bran­den­bur­gi­schen und preu­ßi­schen Ge­schich­te (Neue Fol­ge) 16 (2006), S. 233–256; (zwei­ter Teil) 17 (2007), S. 123–145.
Mi­chel, Klaas, Der Staats­rat als Ver­tre­tungs­or­gan der Pro­vin­zen? Ei­ne Un­ter­su­chung über die Rol­le des Staats­rats im Ver­fas­sungs­le­ben des Frei­staats Preu­ßen, Neu­ried 1998.

 
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Lilla, Joachim, Die Vertretung der Rheinprovinz im Preußischen Staatsrat (1921 bis 1933) und im Reichsrat (1921 bis 1934), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-vertretung-der-rheinprovinz-im-preussischen-staatsrat-1921-bis-1933-und-im-reichsrat-1921-bis-1934/DE-2086/lido/57d134b9cef831.78033735 (abgerufen am 10.11.2024)