Katholische Presse im preußischen Rheinland im 19. Jahrhundert bis zum Kulturkampf
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1. Einleitung
Phasenweise kaum existent, entwickelte sich im Presseboom des 19. Jahrhunderts nach und nach im preußischen Rheinland eine katholische Presse, die Otto von Bismarck (1815-1898) schließlich im Kulturkampf angesichts ihrer öffentlichen Resonanz sichtlich zu ärgern vermochte. Sie wurde Teil des viel diskutierten katholischen Milieus und stabilisierte es durch ihr Informations- und Deutungsangebot. Die Geschichte dieser Zeitungen und Zeitschriften ist erst teilweise geschrieben, denn es fehlen insbesondere für die zweite Jahrhunderthälfte sowohl Darstellungen zur Gesamtentwicklung als auch (neuere) Spezialstudien zu einzelnen zentralen Organen.
2. Zur Entwicklung einer katholischen Presse im preußischen Rheinland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Beim Übergang der nördlichen Rheinlande an das Königreich Preußen war eine katholische Presse in den Ländern des Deutschen Bundes kaum vorhanden. Damit sind Zeitungen und Zeitschriften gemeint, die ein spezielles Interesse an kirchenpolitischen, kirchlich-religiösen und theologischen Themen hatten, dabei durch Titel und Selbstverständnis der katholischen Kirche nahestanden und für sie in der Öffentlichkeit eintraten. Solche Organe erlebten erst ab Mitte der 1820er Jahre einen sich im folgenden Jahrzehnt noch beschleunigenden Aufschwung, wie die nebenstehende Grafik zeigt.[1]
Von dieser Gesamtentwicklung stach die Situation im Königreich Preußen insofern besonders ab, als dort weder in der mehrheitlich katholischen Rheinprovinz noch in anderen Regionen mit einem hohen katholischen Bevölkerungsanteil (Schlesien; Westfalen) bis in die beginnenden 1820er Jahre eine katholische Zeitschrift erschien. Es gab zwar katholische Drucker und Verleger, aber keine katholische Presse. Diese Situation erfuhr in der Rheinprovinz bis zur Kirche-Staat-Krise ab 1837 (sogenannte Kölner und Trierer Wirren) nur eine sehr geringfügige Veränderung. Erst als es unter König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, Regentschaft 1840-1858/1861) gelang, diese Krise mit einigen Zugeständnissen des Staates zu beruhigen, mehrte sich die Zahl der Neugründung katholischer Zeitschriften merklich. Zu diesen Zugeständnissen gehörte auch die 1843 erfolgte Abschaffung der Konzessionspflicht für monatlich erscheinende Zeitschriften. Der Aufschwung in der rheinischen katholischen Presselandschaft ist damit eindeutig als Reaktion auf diese Krise und als Ausdruck einer „zunehmende(n) Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ und der „Politisierung des religiösen Lebens“ zu bestimmen.[2]
Der Aufschwung wurde allerdings gebremst, denn dem Erscheinen katholischer Tageszeitungen legten die preußische Regierung und die nachgeordneten Behörden, insbesondere das Oberpräsidium in Koblenz, weiterhin unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Mehrere Versuche scheiterten, eine solche in Aachen (1837), Koblenz (1843), Köln (1844) und Trier (1844/1845) zu etablieren. Es gelang durch einen Leserstreik lediglich, bei der bereits vorhandenen Rhein-Mosel-Zeitung in Koblenz ab 1843 ein dezidiert katholisches Profil im Sinne des ultramontanen Koblenzer Kreises durchzusetzen. Der von Trier (August Reichensperger, Bischof Wilhelm Arnoldi) aus wohl mit Unterstützung des dortigen Apostolischen Administrators Johann Theodor Laurent (1804-1884) unternommene Versuch, über die Gründung einer Zeitung im benachbarten Luxemburg doch noch zu einer katholischen Zeitung zu gelangen, zeigte nur begrenzten Erfolg. Die 1844 neu gegründete Luxemburger Zeitung konnte ihren Sitz nicht nach Trier verlegen, da die preußische Regierung dies untersagte. Daran konnte auch eine 1845 in Trier auf den Weg gebrachte Petition nichts ändern. Nach nur einem Jahr unterdrückte die Luxemburger Regierung schließlich die nur eine kleine Abonnentenzahl (weniger als 500) aufweisende Zeitung trotz ihres politisch betont konservativen Kurses und ihrer vorwiegenden Beschäftigung mit nicht-luxemburgischen Themen, darunter vielen zur Lage im Rheinland. im Einzelnen stellte sich die Situation wie in der am Rand stehenden Tabelle dar.
Sieht man auf die Druckorte, so zeigt sich eine zentrale Stellung Kölns für den rheinischen Katholizismus, mögen Köln auch in anderer Hinsicht Aachen, Bonn, Düsseldorf oder Koblenz an die Seite gestellt werden können, namentlich was die Ausbildung einer strengkirchlich-ultramontanen Bewegung anbelangt. Als Druckzentren blieben diese rheinischen Städte in Restauration und Vormärz deutlich zurück. Bekannte Verleger wie Bachem, DuMont oder Schwann trugen zum Aufschwung der katholischen Presse wesentlich bei, wobei das Engagement des Verlags DuMont besonders auffällt. Joseph DuMont (1811-1861) war zwar als Katholik bekannt, sah sich aber nicht einfach als Parteigänger kirchlicher Interessen, wie vor allem die in seinem Verlag erscheinende Kölnische Zeitung belegt. Diese sehr erfolgreiche Zeitung wahrte in kirchenpolitischen Fragen lange eine betont neutrale Position und wurde ab 1843 Sprachrohr des rheinischen Liberalismus und galt vielen der neuen katholischen Zeitschriften im Rheinland als ausgemachte Gegnerin.
Sehr markant geht aus dem in der Tabelle dokumentierten Befund auch hervor, wie wenig gefestigt die verschiedenen Gründungen überwiegend waren, weshalb viele von ihnen bereits nach wenigen Jahren ihr Erscheinen einstellten beziehungsweise einstellen mussten. Diese Tendenz entsprach der allgemeinen Entwicklung im katholischen Zeitschriftenwesen dieser Jahrzehnte.
Von einer katholischen Presse zu sprechen, bedeutet nicht, den dazu gerechneten Organen einen einheitlichen Standort zuzuschreiben. In ihr repräsentierten sich vielmehr die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch deutlich ausgeprägten verschiedenen Strömungen innerhalb des überraschend pluralen Katholizismus. In der preußischen Rheinprovinz meint dies vor allem Spätaufklärer, Hermesianer und die strengkirchlich-ultramontanen Kreise in Aachen, Bonn, Düsseldorf und Koblenz. Waren die ersten Zeitschriften der 1820er Jahre im preußischen Rheinland noch von gemäßigt spätaufklärerischen oder hermesianisch orientierten Persönlichkeiten wie dem Trierer Domherrn Viktor J. Dewora (1774-1837), Oberpfarrer Wilhelm Smets (1796-1848) in Münstereifel oder den Bonner Professoren Godehard Braun (1798-1861) und Johann Achterfeld (1788-1877) geprägt, so dominierten in der Aufschwungphase der 1840er Jahre unübersehbar die strengkirchlich-ultramontanen Kreise, für die Namen wie Anton Binterim, Wilhelm Prisac (1803-1870) oder Franz X. Dieringer (1811-1876) stehen. Ein vergleichsweise uneindeutiges Organ wie der Nathanael, das sich dem streng antihermesianischen Kurs des Kölner Erzbischofs Johannes von Geissel und der nicht selten polemischen Agitation der Ultramontanen nicht bedingungslos anschloss, bildete eine Ausnahme und stand letztlich auf verlorenem Posten.
Wie schon die erwähnten Namen andeuten, waren die entscheidenden Figuren als Redakteure allesamt katholische Priester, die ihr journalistisches Engagement im Rahmen ihrer sonstigen amtlichen Tätigkeit ausübten. Katholische Journalisten als eigener Berufsstand auch von Laien gab es in dieser Form im Rheinland noch nicht. Die journalistischen Aktivitäten dieser Priester waren nicht zentral gelenkt und von den Bischöfen der rheinischen Diözesen initiiert, auch wenn Erzbischof Geissel oder sein Trierer Amtsbruder Wilhelm Arnoldi (1798-1864, Episkopat 1842-1864) in einzelne Projekte involviert waren und sie förderten – nicht immer mit Erfolg. Die verschiedenen Zeitschriften differierten auch in ihrem Typ, manche lassen sich in ihrem ausgeprägten Mischcharakter überhaupt nicht typisieren, wie die Chronik der Diözese Trier, die (kirchen-)historische Abhandlungen, seelsorglich-praktische Beiträge, Mitteilungen oder auch philosophische Erörterungen abdruckte. Der Typ der wissenschaftlich-theologischen Fachzeitschrift war mit der Bonner Zeitschrift der hermesianischen Bonner Professoren vertreten, ihr Gegenpol wurde dann Dieringers Katholische Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst. Dem Typ einer Erbauungszeitschrift kam der Rheinische Erzähler nahe. Was fehlte, war eine praktisch-theologische Zeitschrift für den Klerus. Dagegen erschienen in der Rheinprovinz schon vor 1848 mehrere Zeitschriften, die von der Forschung dem Kirchenblatttyp zugerechnet werden. Gemeint sind damit Publikationen, die gewöhnlich wöchentlich – in Preußen aus rechtlichen Gründen bis 1848 nur monatlich – erschienen. Sie wandten sich an ein breites Lesepublikum, engagierten sich in aktuellen kirchenpolitischen Debatten und suchten entschieden die katholische Kirche und ihre Lehren zu verteidigen. Das konnte sich gegen die liberale Presse, die neu aufkommenden sozialistischen Blätter oder auch gegen protestantische Organe richten. Die Kirchenblätter bewegten sich also zwischen Erbauungsliteratur und politischer Tagespresse und können mit Rudolf Pesch unter der Überschrift kirchenpolitische Blätter vereint werden. Die Redaktion des Rheinischen Kirchenblatts gab ganz in dieser Tendenz in einem programmatischen Vorwort 1844 das Ziel des eigenen Bemühens bekannt: „Belehrung über die Wahrheiten der katholischen Religion und über die Pflichten, die sie dem Christen vorschreibt, Befestigung im Glauben […] Warnung vor dem Schlechten, lehrreiche Mittheilungen aus der Geschichte […] überhaupt eine Lectüre, die zugleich Unterhaltung und Belehrung darbieten, den Sinn für Religion unter ihren Lesern erhalten und fördern, und zur Beschränkung der schädlichen und verderblichen Lectüre nach Kräften beitragen soll.“[3]
Angesichts der fehlenden katholischen Tageszeitungen und Vertriebsverboten für führende katholische Zeitschriften wie die Historisch-Politischen Blätter lag in der Rheinprovinz auf Kirchenblättern wie dem Nathanael, dem Rheinischen Kirchenblatt oder seinem Schwesterblatt, den Katholischen Blättern, die Hauptlast der Berichterstattung in aktuellen Fragen. Im oben zitierten Vorwort spiegelt sich das nur verklausuliert wider – bedingt auch durch die intensive Zensur. Diese zog nämlich enge Grenzen, welche die Redaktionen aber durch geschickte Strategien auszuhebeln suchten, etwa indem sie durch Berichte über Vorgänge im Ausland indirekt Kritik an den Zuständen im eigenen Land übten. Da das Rheinische Kirchenblatt und die Katholischen Blätter im selben Verlag unter der Redaktion der gleichen Personen erschienen, stimmte man die Erscheinungstermine aufeinander ab und offerierte die Möglichkeit, kostengünstig ein Doppelabonnement zu beziehen. So kam man dem rechtlich verwehrten Ziel wenigstens etwas näher, das Lesepublikum wöchentlich anzusprechen. Mit einer Auflagenhöhe von 1.500 Exemplaren fanden die beiden letztgenannten Zeitschriften 1845 eine auch in Relation zu vergleichbaren Zeitschriften in anderen Regionen beachtliche Resonanz. Das gilt umso mehr, als sie nicht nur von den eigentlichen Abonnenten gelesen wurden. Auf dem Weg über Lesezirkel und Lesegesellschaften vervielfachte sich die Zahl der Leser. Gleichwohl boten die Kirchenblätter kein volles Gegengewicht zu einer Tageszeitung wie der Kölnischen Zeitung mit einer weit höheren Auflage.
Aufmerksamkeit verdient auch das Monatsblatt des Borromäusvereins, weil es das Resultat einer der wirksamsten aus dem preußischen Rheinland hervorgehenden publizistischen Initiativen war, eben des Borromäusvereins. Mit ihm sollte die breite Masse lesehungriger Katholiken und Katholikinnen gezielt zu einer guten, das heißt der katholischen Doktrin angepassten Lektüre hingeführt werden. Zwischen Borromäusverein und den die rheinische katholische Presse gestaltenden Persönlichkeiten bestand eine Fülle von Verbindungen. Ab 1846 war mit Dieringer einer der eifrigsten Publizisten sogar für Jahrzehnte Vorsitzender des Vereins. Neben Berichten über den Verein bot das Monatsblatt in den ersten Jahren auch allgemeine Informationen und passt insofern in die Riege der Kirchenblätter.
3. Die Weiterentwicklung der katholischen Presse im preußischen Rheinland nach 1848 bis zum Kulturkampf
Als eine Errungenschaft der am Ende gescheiterten Revolution von 1848 gilt die Aufhebung der Zensur am 17.3.1848 in Preußen sowie die durch die preußischen Verfassungen von 1848 und 1850 gesicherte Pressefreiheit – trotz neuerlicher Regelungen zur Kontrolle ab dem Sommer 1849. Katholische Kreise hatten auch im Rheinland frühzeitig dieses Element der sogenannten Märzforderungen unterstützt. Das war keineswegs selbstverständlich, denn Papst Gregor XVI. (1765-1846, Pontifikat 1831-1846) hatte das Grundrecht Pressefreiheit 1832 ausdrücklich in seiner Enzyklika „Mirari vos“ verurteilt. Trotz solcher Vorbehalte des Lehramts ergriffen rheinische Katholiken – Priester wie Laien – rasch die sich bietende Gelegenheit.
4. Das Kölner Dreigestirn: Rheinische Volkshalle, Deutsche Volkshalle, Kölnische Blätter/Kölnische Volkszeitung
Der entscheidende Anstoß ging vom Borromäusverein aus, in dem schon vor der Revolution 1848 dieses Anliegen erörtert worden war. Auch hatte ein Artikel im Monatsblatt des Vereins noch im Januar 1848 vehement den unkatholischen Geist der vorhandenen Tagespresse beklagt. Tatsächlich beschloss der Vorstand des Vereins auf Antrag des Trierer Ortsvereins schon am 11. April in Anwesenheit des Kölner Erzbischofs von Geissel (Protektor des Vereins), eine neue katholische Zeitung zu gründen, auch wenn der Verein selbst nicht als Herausgeber auftreten sollte. Das war die Geburtsstunde der Rheinische(n) Volkshalle, in gewisser Weise aber auch des bekannten Kölner Wahlprogramms. Tatsächlich gehörten nämlich die Mitglieder des Kölner Wahlkomitees weithin zum Kreis derer, die Tage zuvor die Zeitungsgründung beschlossen hatten. Wieder zeigt sich die Relevanz persönlicher und institutioneller Verflechtungen, die für die Netzwerkstruktur des rheinischen Katholizismus (Steffi Hummel) charakteristisch waren.
Am 13.5.1848 wurde das Programm der künftigen Zeitung öffentlich gemacht. Religiöse und kirchliche Fragen, aber auch die sozialen Nöte wurden als Themen anvisiert, letztere gar als ein Hauptgegenstand benannt. Die religiöse und kirchliche Perspektive sollte bei allen Gegenständen Beachtung finden. Nachdrücklich wurde ferner die Absicht ausgesprochen, in der Öffentlichkeit für die Freiheit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche einzutreten. In politischen Fragen sprach sich das veröffentlichte Programm für eine Verfassung mit klaren Bürgerrechten, ein Ende des bevormundenden Polizeistaats und eine ruhige Erörterung der Nationalitätsfrage aus. Platz sollte auch für die literarische Unterhaltung sein.
Am 1.10.1848 erschien im Verlag Bachem, der ein eigenes älteres Projekt zwischenzeitlich aufgegeben hatte, die erste Nummer der Rheinischen Volkshalle, als deren Hauptredakteur der Schriftsteller und Journalist Wilhelm von Chézy (1806-1865) auf Empfehlung des prominenten Münchener Theologen und Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger (1799-1890) tätig wurde. Erhebliche inhaltliche Differenzen in den Kreisen um die Volkshalle und zwischen diesen und der Redaktion führten schnell zu massiven Problemen. Mit Fortschreiten der Revolution verschärfte sich nämlich der großdeutsche, antipreußische und demokratische Kurs in der Redaktion der Zeitung, welche die aufoktroyierte Verfassung ablehnte und eine weitere Stufe der Revolution verlangte. Das aber ging auch maßgeblichen katholischen Akteuren im Borromäusverein entschieden zu weit, so dass dieser sich öffentlich davon distanzierte. Auch im Episkopat war man mit dieser Tendenz der Volkshalle unzufrieden, während der Verwaltungsrat der die Volkshalle tragenden Aktiengesellschaft jenseits der engeren kirchenpolitischen Forderungen politisch völlig gespalten war. Das entsprach weitestgehend der Situation im rheinischen und deutschen Katholizismus und stand quer zu manchen Erwartungen, so etwas wie eine alle Katholiken einigende katholische Politik herbeiführen zu können. Geschäftlich war die Volkshalle trotz einer durchaus nicht unerheblichen Abonnentenzahl (zwischen 2.000 und 3.000) nicht erfolgreich. Deshalb musste die Auflösung der Gesellschaft trotz finanzieller Zuwendungen aus dem Borromäusverein am 12.9.1849 beschlossen werden, zumal sich auch die Lage in der Redaktion chaotisch darstellte.
Fast nahtlos schloss in Köln eine Neugründung (14.9.1849) an, die schon in der Namensgebung eine klare Kontinuität zum Vorgängerorgan zum Ausdruck brachte: Deutsche Volkshalle. Die am selben Tag veröffentlichte Erklärung des provisorischen Verwaltungsrats der neuen Gesellschaft betonte diese Kontinuität ausdrücklich und machte das Programm des untergegangenen Blatts zu dem des neuen. „Ewiges Recht und wahre Freiheit zu bewahren und ein einiges, großes und mächtiges Deutschland zu schaffen“, wurden als übergeordnete Ziele deklariert.[4] Man konnte das als Absage sowohl an eine radikale Demokratisierung als auch an eine kleindeutsche Lösung der Nationalfrage lesen, zumal auch vom „ganzen Vaterland“ die Rede war. Diesem Ziel diente auch die Umbenennung. Kirchenpolitisch sprach sich das Gremium für die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat aus und vermied so das strittige Thema einer förmlichen Trennung von Kirche und Staat, gegen die sich auch die deutschen Bischöfe zwischenzeitlich ausgesprochen hatten. Als konkrete Einzelforderung wurde lediglich die vollständige Unterrichtsfreiheit genannt, was sich – unausgesprochen – vornehmlich gegen Eingriff des Staates in die Priesterausbildung in den Priesterseminaren und an den Universitäten richtete, aber auch als Verteidigung der kirchlichen Stellung im Schulwesen gegen den wachsenden Einfluss des Staates gelten darf. In innerkirchliche, theologische Fragen sollte sich das Blatt nicht einmischen, allerdings war der hinter der Deutschen Volkshalle stehende Personenkreis strengkirchlich-ultramontan ausgerichtet. Im Oktober 1849 erschien das neue Blatt – wieder im Haus Bachem und mit Joseph Bachem als Geschäftsführer. Die alten Probleme begleiteten auch das neue Projekt, wenn auch etwas abgemildert: Eine anfänglich zu schwache finanzielle Basis sowie Reibereien zwischen Verwaltungsrat und Redaktion mit daraus resultierenden häufigen personellen Wechseln. Hinzu kam, dass die obrigkeitliche Gängelung der Presse in Preußen in den 1850er Jahren ebenso zunahm wie erneute konfessionelle Spannungen. Angesichts dieser Entwicklung formierte sich 1851 auch ein Katholisch-konservativer Preßverein in Düsseldorf. Er bestand zunächst vornehmlich aus Angehörigen des rheinischen und westfälischen katholischen Adels, weitete sich dann aber rasch. Allgemeines Ziel war es, der schlechten Tagespresse durch Förderung der guten Tagespresse in enger Verbindung mit dem Episkopat entgegenzuwirken. Die Deutsche Volkshalle zählte zur vom Pressverein unterstützten Gruppe. Der Preis dafür war, zeitweilig sehr enge ständisch-adlige Anliegen vertreten zu müssen.
Die Volkshalle war nicht speziell auf Köln oder die Rheinprovinz ausgerichtet, vielmehr umfassten rheinische und preußische Angelegenheiten insgesamt nur einen Teil der Berichterstattung. Unter den zahlenden Beziehern (1849: 2.291; Höchststand 1853: 3.705) - ein Teil der Druckauflage wurde kostenlos abgegeben - waren Abonnenten aus den großen rheinischen Städten Aachen, Bonn, Düsseldorf und Köln nur zu einem kleineren Teil vertreten. Von der räumlichen Verteilung der Leserschaft über das ganze Bundesgebiet hinweg sowie im Blick auf die breite Streuung der durch Beiträge aktiv Mitwirkenden war der im Titel aufscheinende Anspruch, eine deutsche Zeitung zu sein, eingelöst. Ein wirkliches Zentralorgan für alle Katholiken aber war sie angesichts der begrenzten Zahl der Abonnenten jedoch nicht, auch stand dem zeitweilig der einseitige redaktionelle Kurs entgegen. Am 10.7.1855 wurde die Deutsche Volkshalle schließlich von der preußischen Regierung unterdrückt, der sie schon länger durch ihren kirchenpolitischen und allgemein politischen Kurs (großdeutsche Haltung) missfiel. Ein Hintergrund war die klare katholische Positionierung der Volkshalle gegen die badische Regierung im oberrheinischen Vorläufer des Kulturkampfs, ferner der Kampf gegen die Raumerschen Erlasse in Preußen von 1852, womit sie zur weiteren öffentlichen Mobilisierung der Katholiken beitrug. Der Ruf nach Abschaffung dieser Erlasse erfolgte im Rekurs auf die Verfassung, denn die Erlasse wurden nicht ohne Grund als Beschränkung der verfassungsmäßig eingeräumten Freiheit der Kirche wahrgenommen. Problematisch war allerdings, dass in der Volkshalle selbst jahrelang grundsätzlich gegen geschriebene Verfassungen, auch die preußische, zugunsten eines monarchischen Autoritätsprinzips angeschrieben worden war. Aus der ‚Konkursmasse‘ der Volkshalle ging in gewisser Weise noch im gleichen Jahr ein weiterer Versuch hervor, eine große zentrale katholische Tageszeitung zu etablieren. Heinrich Eikerling, der schon in der Rheinischen Volkshalle und dann in der Deutschen Volkshalle zur Redaktion gehört hatte, gründete in Frankfurt am Main die Zeitung Deutschland. Gefördert wurde sie vom genannten Pressverein, aber als unerwünschtes potentielles Konkurrenzunternehmen vom ehemaligen Trägerkreis der Volkshalle abgelehnt, der auf ein Wiederaufleben der eigenen unterdrückten Zeitung hoffte. Eikerlings Versuch, seine Gründung durch enge Anbindung an deutsche Bischöfe, darunter ausdrücklich den Kölner Erzbischof, abzusichern, scheiterte 1857 auch am fehlenden Interesse der angesprochenen Bischöfe. Otto von Bismarck erreichte 1857 das Verbot der Zeitung in Preußen wegen angeblicher antimonarchistischer Tendenzen und ihrer antipreußischen, ultramontanen Haltung. Nach diesem Rückschlag brachten dann interne Streitigkeiten und unüberwindbare wirtschaftliche Schwierigkeiten 1858 das endgültige Aus des vorher in Preußen einige Resonanz findenden Deutschland. Die ambitionierten, immer wieder auch auf den jährlichen Katholikentagen vorgetragenen Pläne, eine große, zentrale katholische Tageszeitung zu schaffen, waren einmal mehr gescheitert.
In Köln schlug damit erneut die Stunde Joseph Bachems. Mit den Kölnische(n) Blätter(n) setzte der Verleger in bewusster Reflexion der Gegebenheiten (es gibt keinen Zentralort des katholischen Deutschlands; ein Zentralorgan ist nicht finanzierbar; die innerkatholischen Strömungen namentlich in der Politik sind disparat) auf eine stärker lokale Ausrichtung. Sie kamen im April 1860 heraus und erhielten 1869 den Namen Kölnische Volkszeitung, unter dem sie im rheinischen Katholizismus bis in das 20. Jahrhundert hinein bekannt waren. Diese Zeitung galt im Kreis katholischer Tageszeitungen im preußischen Rheinland und darüber hinaus als ein herausragendes Organ, das auch in den zeitgenössischen Debatten über den Zustand der katholischen Presse positiv gewürdigt wurde. Das machte sich auch in der wachsenden Zahl von Abonnenten bemerkbar. Bis 1866 hatte sich die Abonnentenzahl von bescheidenen 1.650 auf 6.500 erhöht.
Die Kölnischen Blätter positionierten sich in der hitzigen katholischen Pressedebatte der 1860er Jahre als entschiedene Gegnerin einer zentralen katholischen Tageszeitung unter Leitung eines Zentralkomitees oder der Bischöfe und als Verfechterin eines freien katholischen Journalismus, der nicht in erster Linie der linientreuen Indoktrination dienen sollte. Politisch standen sie der sich im preußischen Landtag bildenden katholischen Fraktion nahe und in kritischer Opposition zur preußischen Politik. Die Krise um das neue Unfehlbarkeitsdogma (1869/1870) beschwor auch in der Redaktion einen Umbruch herauf, da wichtige Mitglieder sich dem Dogma verweigerten und daher aus der Redaktion ausscheiden mussten.
5. Weitere katholische Tageszeitungen
Die sich selbst als älteste, die katholischen Interessen vertretende politische Zeitung der Rheinprovinz bezeichnende Rhein-Mosel-Zeitung war bis Anfang 1848 nach einer Bemerkung August Reichenspergers der einzige Halt der Katholiken in der rheinischen Tagespresse gewesen. Sie lag mit der Kölnischen Zeitung in einer Art Dauerfehde und hatte sich noch 1847 ein erbittertes Duell mit ihr um die Grundzüge einer katholischen Politik geliefert. Umso enttäuschter waren ihre Verantwortlichen als man in Köln die beschriebene Neugründung einer katholischen Tageszeitung realisierte. Wie befürchtet, verlor das Koblenzer Organ an sie Abonnenten, selbst im heimischen Klerus, und trat auch in der öffentlichen Wahrnehmung stärker in den Hintergrund. Die Rhein- und Moselzeitung geriet schließlich durch behördliche Entziehung des Postvertriebs ab 1850 in Schwierigkeiten und suchte durch einen flammenden öffentlichen Aufruf ihre Reputation als katholisches politisches Tagesblatt auf der Basis der Verfassung und der katholischen Wahrheit herauszustellen, um neue Leser zu gewinnen.[5] Vergeblich. Ihr Nachfolgeblatt wurde 1853 der ebenfalls in Koblenz verlegte Rhein- und Moselbote, der für das Gebiet des Mittelrheins und der Mosel bis in den Trierer Raum als dezidiertes Lokalblatt seine Stimme in einer für jedermann verständlichen Sprache erheben wollte. Vom katholischen Standpunkt aus sollten alle politischen Tagesfragen besprochen werden, ohne einer speziellen Partei zu folgen. Für die verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten und gegen Sozialismus und falschen Liberalismus wollte diese Zeitung eintreten. Zudem galt es, der freien, ungehemmten Wirksamkeit der katholischen Kirche nach allen Richtungen hin das Wort [zu] reden und deshalb, dem Staate gegenüber, das Prinzip der Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche zu verteidigen.[6] Der Rhein- und Moselbote geriet trotz prominenter Mitarbeiter wie der Brüder Reichensperger in finanzielle Schwierigkeiten und wurde dann ein Opfer der verschärften preußischen Pressepolitik. Der herausgebende Buchhändler und Verleger Hölscher stellte sie unter dem Eindruck wiederholter Verwarnungen Ende 1855 ein und kam so einem Entzug der Konzession zuvor.
Die Revolutionsjahre mit der gewonnenen Freiheit beflügelten vielerorts in der Rheinprovinz die Gründung kleiner lokaler katholischer Zeitungen im Zusammenspiel von Verlegern und Klerus. Viele davon hielten sich nur sehr kurz, auch durch schikanöse behördliche Praktiken bedingt (besonders Entzug des Postvertriebs/Postdebits). Anführen lassen sich etwa die Essener Volkshalle, das Katholische Kirchen- und Volksblatt in Koblenz oder in Trier der Katholische Volksbote. Alle drei mussten schon 1850 wieder aufgeben. Im Aachener Raum gab es mit dem Aachener Anzeiger ab 1848 ebenfalls einen Neuanfang in der Revolutionszeit, allerdings gelang es der ab 1850 unter dem Namen Echo der Gegenwart erscheinenden Zeitung, sich als angesehene Regionalzeitung katholischer Tendenz bis in die NS-Zeit zu halten. Der Aachener Fall wie auch die Entwicklung der Crefelder Volksblätter, ab 1859 eine Tageszeitung, verdeutlichen, wie sich Blätter hin zu einer entschiedenen katholischen Position verändern konnten, die anfangs eine weniger eindeutige Stellung eingenommen hatten. An der Geschichte der letztgenannten Zeitung lässt sich allerdings auch ablesen, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelte und folglich mit Änderungen in Verlag und Redaktion nach wenigen Jahren auch eine weitere Neuausrichtung erfolgen konnte. Als dezidiert katholisches Presseorgan präsentierte sich von Anfang an die in Essen ab 1868 erscheinende Essener Volkszeitung. Klerus und katholische örtliche Verleger waren die Initiatoren. Sie sollte eine katholische Volkszeitung, ein politisches Blatt, das vom katholischen Standpunkt geschrieben ist, sein.[7]
6. Kirchenblätter und der bunte Reigen katholischer Zeitschriften
Im Verlauf der skizzierten Entwicklung wurden die Kirchenblätter „aus Stellvertretern der katholischen Tagespresse zu deren Gehilfen“[8] . Damit sollen die sich auch auf diesem Gebiet vollziehenden Aufbrüche keineswegs negiert werden. So traten 1848 noch vor der Rheinischen Volkshalle zwei neue Kirchenblätter ins Leben: Klemens August, oder Katholische Stimme am Rhein beziehungsweise Pius IX. Christlich-demokratische Wochenschrift. Vom Erstgenannten ist nichts weiter bekannt, das Letztere firmierte als Vereinsorgan des Kölner Piusvereins, einer Frucht der katholischen politischen Mobilisierung in der Revolutionsära, und erreichte eine Auflagenhöhe von immerhin 3.000-4.000 Exemplaren. Ihr Lesepublikum fand sie in der Masse der weniger gebildeten Katholiken. Schon im Verlauf des Jahres 1849 wurde im Titel die explizit christlich-demokratische Ausrichtung getilgt, was zur allgemeinen Tendenz passt, die Piusvereine zu entpolitisieren. Als Vereinsorgan bestand das Blatt bis zum Kulturkampf.
Dagegen blieb die im Verlag von Leonhard Schwann (1778-1867) in Köln und Neuss auf den Weg gebrachte Gründung des Christliche(n) Stadt- und Landbote(n), der zwei Mal in der Woche erschien und wie vorher das Piusblatt mit dem älteren Rheinischen Kirchenblatt in Verbindung stand, wenig dauerhaft. Dieses Schicksal teilte er mit den 1853/1854 in Düsseldorf aufgelegten Katholische(n) Blätter(n) für Stadt und Land, die sich mit nur 300 Abonnenten lediglich eines mäßigen Zuspruchs erfreuten. In den 1860er Jahren ging von einer Gruppe Düsseldorfer Priester eine neue Initiative aus, die 1867 zur Gründung des Düsseldorfer Sonntagsblatt(s) führte, das sich als Interessenvertretung der katholischen Bevölkerung besonders gegenüber dem zeitgenössischen Liberalismus verstand. Als ähnliche Produkte seien der Eucharius Sonntagsblatt für die Diöcese Trier (ab 1861-1882) oder das Aachener Sonntagsblatt (ab 1866-1907) genannt. Der Eucharius war wie das Düsseldorfer Blatt in Ermangelung einer katholischen Tageszeitung im Trierer Raum ein wichtiges Kommunikationsmedium, in dem neben Aufsätzen zu Glaubens- und Moralfragen oder auch zu (kirchen-)historischen Themen auch Platz für politische Nachrichten und Erzählungen war. Er wollte schützen, belehren und warnen. Politisch stand der Eucharius der preußischen Politik unter Bismarck kritisch gegenüber, was ihn verschiedentlich in Auseinandersetzungen mit den Behörden verstrickte. Erster Redakteur war der Trierer Diözesanpriester Sebastian Georg Schäffer (1828-1901), der Adolph Kolping und seinen Gesellenvereinen nahestand und ab 1866 auch ein von Kolping gegründetes Wochenblatt als Herausgeber und Redakteur fortführte.
Während der Eucharius sich an eine bürgerliche, gebildete Leserschaft richtete, wie Themen und Sprache zeigen, und damit die Masse der Gläubigen kaum erreichte, zielten sogenannte Volksblätter genau auf sie ab. Das meint einen Typ billiger, lokal verankerter und im kleinen Oktavformat erscheinender Zeitschriften, die damit auch für jene erschwinglich waren, die sich zwar informieren und unterhalten wollten, denen aber das Geld für die teuren Tageszeitungen fehlte. Für die katholischen Produkte war es auch charakteristisch, dass sie von Priestern herausgebracht wurden. Als Produkte der Revolutionsperiode waren am Niederrhein 1848 das Clever Volksblatt (bis 1850; 1854 Clevisches Volkblatt) und in Rees der Niederrheinische Volksbote entstanden. Das im Titel zum Ausdruck kommende Bemühen um Anschluss an die breite Bevölkerung, war für derartige Gründungen üblich.
Idealtypisch realisiert wurde der Typ des katholischen Volksblatts in den von Adolph Kolping, dem Wegbereiter der katholischen Handwerkerbewegung (Gesellenvereine), verantworteten Rheinische(n) Volksblätter(n) für Haus, Familie und Handwerk. 1854 kamen sie in Köln als billige Wochenzeitschrift mit 16 Seiten Umfang heraus. Sie wollten kurz, das heißt ohne unnöthiges Raisonnement, über das politische Tagesgeschehen informieren, ohne selbst Politik zu treiben. Oft wollen sie unterhalten, immer belehren, weniger predigen, nie schimpfen, wie es in der Ankündigung Kolpings heißt.[9] Auch praktische Tipps für das Hauswesen und das Handwerk gehörten zum Stoff sowie Mitteilungen aus Kolpings Gesellenverein. Kirchliche Themen stellt der Aufruf nicht zentral und die Kirche regieren wolle die Zeitschrift ausdrücklich nicht, doch war die religiöse Perspektive insgesamt leitend. Alles sollte in einfacher Sprache daherkommen, weshalb die Zeitschrift auch nicht von Professoren geschrieben werde. Zielpublikum war der mittlere Bürgerstand. 1861 erreichten die Volksblätter mit einer Auflage von 6.100 Exemplaren ihren Höchststand. Damit gelang im Kreis der katholischen Presse ein großer Erfolg und sogar ein solider Ertrag. Die Leser lebten zwar überwiegend in der Rheinprovinz (rund 1.000 in Köln) und Westfalen, doch fanden sich auch überaus viele Abonnenten in anderen katholischen Gebieten des Deutschen Bundes. Redakteur war für die ersten zwölf Jahrgänge Kolping allein, der schon redaktionelle Erfahrung aus seiner Arbeit für das Rheinische Kirchenblatt mitbrachte. Zudem lieferte er in diesen Jahren regelmäßig fast die Hälfte der Beiträge. Im Laufe der Zeit nahm die Bedeutung der politischen Themen zu und rückte an die Spitze der behandelten Gegenstände, blieb aber stets eingebettet in die ultramontane religiöse Welt- und Sinndeutung. Dementsprechend war auch für Kolpings Zeitschrift die Kölnische Zeitung ein steter Anstoß zur heftigen Auseinandersetzung. Sie galt ihm 1859 als eine Misère und eine Schande […] für unsere katholische Stadt und unser katholisches Land.[10]
Das Angebot an katholischen Zeitschriften wuchs auch jenseits der Kategorien Tagespresse beziehungsweise Kirchen- und Volksblätter und differenzierte sich mit dem weiteren Ausbau katholischer Organisationen und Institutionen weiter aus. Zu erwähnen sind etwa die diversen Missionszeitschriften, von denen im Rheinland das oben genannte Jahrbuch des Xaveriusvereins ein besonders frühes Beispiel war. Auch im Bereich der pastoraltheologisch-seelsorgerischen und fachtheologischen Zeitschriften entstanden neue Publikationsorgane. Angeführt sei hier nur das Pastoralblatt: Zeitschrift für den Klerus über Pastoral, Theologie, Diözesangeschichte mit amtlichen Verlautbarungen des Heiligen Stuhles und der Erzdiözese, das ab 1867/1868 bis 1914 in Köln bei Bachem erschien und unter leicht verändertem Titel bis heute fortbesteht. Als einflussreiche theologische Zeitschrift etablierten sich ab 1865 die von Jesuiten verantworteten Stimmen aus Maria Laach. Als wichtiges Rezensionsorgan für die wissenschaftliche Theologie ist das in Bonn ab 1866 von Heinrich Reusch (1825-1900) herausgegebene Theologische Literaturblatt zu nennen. Eine viel beachtete Stellung gleichsam als zentrales Publikationsorgan der sozial-karitativen und sozialpolitischen Bewegung im deutschen Katholizismus erlangten die Christlich-soziale(n) Blätter. Sie erschienen seit 1868 in Aachen und Neuss. Eine systematische Erforschung dieses weiten Feldes katholischer Zeitschriften ist noch immer ein Desiderat.
7. Kurzbilanz
Eine katholische Presse in der preußischen Rheinprovinz entwickelte sich erst spät und zögerlich, um dann ab 1848 in bemerkenswerter Dynamik zu wachsen. Dabei erfuhr der Aufbruch mit der preußischen Restauration ab spätestens 1850 allerdings eine Dämpfung und die staatlichen Maßnahmen gegen die aufstrebende katholische Presse zeigen, dass in Preußen keineswegs eine störungsfreie Allianz zwischen Thron und Altar entstanden war.
Der Aufbruch war das Resultat einer Vielzahl von Initiativen einzelner Personen und kleiner Gruppen. Entgegen dem auch teilweise in der historischen Forschung gezeichneten Bild einer strikt von der Hierarchie bestimmten und nach einheitlichen Maßstäben funktionierenden Kirche kann von einer langfristigen Strategie und einer obrigkeitlichen Lenkung keine Rede sein – ganz im Gegenteil. Beiträge zeitgenössischer katholischer Experten beklagten schon in den 1860er Jahren den Wildwuchs, die damit einhergehende unnötige Konkurrenz, Eifersüchteleien und Intrigen. Eine übergeordnete Koordination und ein strategisch abgestimmtes Vorgehen ist selbst im begrenzten Raum der preußischen Rheinprovinz, erst recht nicht im Blick auf die verschiedenen Länder des Deutschen Bundes zu erkennen. Streng genommen gab es „die“ katholische Presse überhaupt nicht, so wenig wie „den“ sozialen Katholizismus.
Der Klerus spielte in diesem Geschehen allerdings gleichwohl eine wichtige Rolle, aber es waren einfache Diözesanpriester, nicht selten auch junge Kapläne, welche die Initiative ergriffen. Sie fanden Unterstützung bei einzelnen Verlegern (zum Beispiel Bachem, DuMont, Schwann) und einer Schar interessierter, engagierter Laien. Der Beruf eines katholischen Journalisten war aber bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch kaum etabliert. Damit in Verbindung steht die bereits von Zeitgenossen beklagte fehlende Professionalität vieler Akteure, so dass die beiden hier behandelten Phasen in der Geschichte der rheinischen katholischen Presse als Phasen des Experimentierens, von Versuch und Irrtum erscheinen. Konflikte auch in den Redaktionen und Aufsichtsgremien oder zwischen ihnen gehörten daher zum gängigen Erscheinungsbild.
Die Katholiken in der Rheinprovinz hatten seit 1848 auf jeden Fall deutlich mehr Möglichkeiten, sich mit Presseprodukten zu versorgen. Trotz mancher Erfolge gelang es der sich nun etablierenden katholischen Tagespresse allerdings nur begrenzt, das vorhandene Potential des katholischen Lesepublikums auszuschöpfen, was an den recht bescheiden bleibenden Abonnements- und Verkaufszahlen abzulesen ist. Insofern blieben auch andere Presseprodukte wie die Volksblätter und Kirchenblätter von erheblicher Bedeutung. Voll konkurrenzfähig war die katholische Presse, namentlich die Tagespresse, auch in der Rheinprovinz nur eingeschränkt. Sie kämpfte nahezu ständig auch wirtschaftlich um das Überleben.
Von der räumlichen Verteilung fällt auf, dass der Regierungsbezirk Trier, insbesondere die Bischofsstadt, nur schwach repräsentiert war und die ersten beiden Aufschwungphasen der rheinischen katholischen Presse kaum wesentlich mitgestaltet hat. Erst im Kulturkampf sollte sich das ändern.
Literatur
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- 1: Die Grafik ist entnommen aus Schneider, Katholiken, S. 46.
- 2: Pesch, Presse, S. 16.
- 3: Zitiert nach Pesch, Presse, S. 272.
- 4: Zitiert nach Bachem, Josef Bachem, Band 2, S. 473-475, Zitat S. 473.
- 5: Der Aufruf zitiert nach Bachem, Josef Bachem. Band 2, S. 476-478.
- 6: Das Zirkular zitiert nach Bachem, Josef Bachem, Band 2, S. 479-480.
- 7: Leitartikel zum Jahr 1869, zitiert nach Bringmann, Tagespresse, S. 69.
- 8: Pesch, Presse, S. 195.
- 9: Ankündigungsschreiben 1854 zitiert nach Schmolke, Kolping, S. 314-316, hier S. 315.
- 10: Zitiert nach Schmolke, Kolping, S. 217.
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Schneider, Bernhard, Katholische Presse im preußischen Rheinland im 19. Jahrhundert bis zum Kulturkampf, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/katholische-presse-im-preussischen-rheinland-im-19.-jahrhundert-bis-zum-kulturkampf/DE-2086/lido/63c119a3f1b358.74710012 (abgerufen am 05.12.2024)