Töpfer am linken Niederrhein (17.-19. Jahrhundert)

Michael Knieriem (Xanten)

Schüssel 'Das ist die Stadt Nurgena', Töpfer unbekannt, um 1750. (Niederrheinisches Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte Kevelaer)

1. Einleitung

Ken­ner und Kunst­lieb­ha­ber hal­ten die nie­der­rhei­ni­sche Ke­ra­mik für die ei­gen­stän­digs­te und ori­gi­nells­te Kul­tur­leis­tung des Nie­der­rheins. Das rhei­ni­sche Stein­zeug, vor­wie­gend Sieg­bur­ger, Wes­ter­wäl­der, Rae­re­ner oder Fre­che­ner Pro­ve­ni­enz, wur­de schon re­la­tiv früh zum Ob­jekt des For­schens und Sam­melns. Hin­ge­gen blieb die oft bun­te nie­der­rhei­ni­sche blei­gla­sier­te Ir­den­wa­re für lan­ge Zeit und zu Un­recht au­ßer­halb al­ler kunst­his­to­ri­schen und volks­kund­li­chen Be­trach­tung und In­ter­pre­ta­ti­on. Zu­dem präg­te der Kunst­his­to­ri­ker Jus­tus Brink­mann 1894 den un­glück­li­chen Be­griff der „Bau­ern­töp­fe­rei“,[1]  der bis in die 1970er Jah­re nicht hin­ter­fragt wur­de und zu­wei­len so­gar noch heu­te be­nutzt wird. Die Ge­brauchs­ke­ra­mik des Nie­der­rheins wur­de für tri­vi­al und bäu­risch-plump ge­hal­ten. Da­bei ver­weist aber das Be­stim­mungs­wort „Bau­ern“ wohl eher auf den Kreis der Ab­neh­mer sol­cher Ir­den­wa­re denn auf Aus­füh­rung und Mach­art.

Nach­fol­gend soll über Ir­den­wa­re, nicht je­doch über Stein­zeug re­fe­riert wer­den. Al­lein des­halb, weil Stein­zeug am un­te­ren Nie­der­rhein we­gen des Feh­lens der da­für be­nö­tig­ten fei­nen Ton­san­de nicht her­ge­stellt wer­den konn­te. Ir­den­wa­re wur­de in al­ler Re­gel von Be­rufs­töp­fern und nicht von Bau­ern ge­fer­tigt. Ih­re Pro­duk­te wa­ren glei­cher­ma­ßen für Kü­che, Kel­ler und Tisch bäu­er­li­cher wie städ­ti­scher Haus­hal­te be­stimmt.

 

2. Material und Raum

Ton ist ein was­ser­hal­ti­ges Alu­mi­ni­um­si­li­kat. Im feuch­ten Zu­stand han­delt es sich um ei­ne schwe­re, plas­ti­sche Mas­se, die beim Trock­nen fest wird und durch Tem­pe­ra­tur­ein­wir­kung in ein har­tes was­ser­dich­tes Ma­te­ri­al ver­wan­delt wer­den kann. Ton ist ein Mi­ne­ral mit kris­tal­li­ner Struk­tur. Er ent­stand als rei­nes Mi­ne­ral aus der Zer­set­zung erup­ti­ver Ge­stei­ne. Bei dem zer­setz­ten Stoff han­delt es sich nicht mehr um fes­tes Erup­tiv­ge­stein, son­dern um ein wei­ches ver­wit­ter­tes Ma­te­ri­al. Im Lau­fe der Um­la­ge­run­gen durch Flüs­se, Mee­re oder Eis wur­den die Ton­par­ti­kel zer­klei­nert und Ton­teil­chen glei­cher Grö­ße setz­ten sich in den La­ger­stät­ten ab.

Am lin­ken Nie­der­rhein, be­son­ders zwi­schen Kre­feld und Mo­y­land (Stadt Kle­ve), la­gert der Ton in fet­ter Ber­ger­de und in ma­ge­ren Bru­cher­de­schich­ten. Die hie­si­gen Ton­vor­kom­men ver­dan­ken ihr Ent­ste­hen der Ver­wit­te­rung des gra­nitähn­li­chen Feld­spats im frü­hen Ter­ti­är vor et­wa 25 Mil­lio­nen Jah­ren. Fet­te und ma­ge­re To­ne kön­nen so­wohl für sich als auch in ei­nem ent­spre­chen­den Mi­schungs­ver­hält­nis Ver­wen­dung fin­den. Das Töp­fer­hand­werk ent­wi­ckel­te sich stets dort, wo das Ar­beits­ma­te­ri­al Ton an­stand. Wir ken­nen nach­ste­hend auf­ge­führ­te nie­der­rhei­ni­sche Or­te, in de­nen zwi­schen 1620 und 1900 ein oder meh­re­re Pott­bä­cker ihr Hand­werk aus­üb­ten:

Al­de­kerk, Al­pen, Gen­nep, Goch, Ho­erst­gen, Hüls, Issum, Kam­per­brück, Ker­ven­heim, Lint­fort, Niep, Ot­ter­sum, Rhein­berg, Ray­en, Rheurdt, Scha­ephuy­sen, Se­ve­len, Sons­beck, St. Hu­bert, Till, Tö­nis­berg, Vluyn und Win­ne­ken­donk. Die Töp­fer­or­te im ehe­ma­li­gen Her­zog­tum Jü­lich: Glim­bach, Kör­ren­zig, Wick­rath und an­de­re blei­ben we­gen ih­rer Rand­lan­ge in die­ser Un­ter­su­chung un­be­rück­sich­tigt. 

Schüssel Schüssel 'Friedrich der Große', Töpfer Joris ter Buiken, um 1750. (Museum Burg Linn Krefeld)

 

3. Rohstoffe und Produktionsmittel

Die Töp­fer be­sorg­ten sich die Roh­stof­fe Ton und Holz auf dem frei­en Markt. Sie be­sa­ßen die Pro­duk­ti­ons­mit­tel: Werk­statt, Werk­zeu­ge, Brenn­ofen und Dreh­schei­be. Der Ver­le­ger gab le­dig­lich Art, Men­ge und Far­be vor. Er ga­ran­tier­te den kon­ti­nu­ier­li­chen Ab­satz und da­mit die wirt­schaft­li­che Si­cher­stel­lung des Töp­fers. Die Or­ga­ni­sa­ti­ons­form war die ei­nes „de­zen­tral ge­führ­ten Ver­lags“, wie sie im Tex­til­ge­wer­be längst gang und gä­be war.

Es ist durch­aus denk­bar, dass ei­ni­ge Ver­le­ger, um ei­ne noch en­ge­re wirt­schaft­li­che Bin­dung mit den ver­leg­ten Pott­bä­ckern ein­zu­ge­hen, Gla­sur und Far­ben, Blei­erz, Chrom-, Kup­fer­oxyd und Braun­stein lie­fer­ten. Auf­grund der Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis­se wa­ren die Töp­fer ge­zwun­gen, sich auf die­ses Ge­schäft ein­zu­las­sen. Letzt­lich kam die­ses Sys­tem ei­ner dop­pel­ten Aus­beu­tung der Pott­bä­cker gleich. Nor­ma­ler­wei­se wur­den die Töp­fer re­gel­mä­ßig von Wan­der­händ­lern auf­ge­sucht oder deck­ten in­di­vi­du­ell oder kol­lek­tiv bei ei­nem „Ma­te­ria­lis­ten“ (= Che­mi­ka­li­en­händ­ler) in der Stadt ih­ren Be­darf an Gla­sur und Far­ben. Le­dig­lich 1770 ist be­kannt, dass ein Sons­be­cker „Com­mer­ci­an­t“ mit ei­nem jähr­li­chen Um­satz von 600 Reichs­ta­lern die Töp­fer be­lie­fer­te.[2]

In ei­ner Stel­lung­nah­me an die Re­gie­rung in Kle­ve ga­ben die Sons­be­cker Töp­fer 1793 un­um­wun­den zu, dass nur die fet­te­re Is­su­mer Töp­ferer­de bes­ser als ih­re ei­ge­ne sei. Gleich­zei­tig be­haup­te­ten sie, dass an ih­ren Ton­er­den nichts zu ver­bes­sern sei und dass sie dar­über hin­aus al­le an­de­ren Ton­vor­kom­men im Her­zog­tum Kle­ve an Gü­te weit über­trä­fen.[3]  Der Ab­bau des Tons er­folg­te im Ta­ge­bau in Ton­gru­ben oder -kuh­len. Für die Ent­nah­me des Tons for­der­te die Re­gie­rung ein so­ge­nann­tes „Erd­gel­d“, das nach be­la­de­nen Kar­ren be­rech­net wur­de. Der Win­ter wur­de zum Gra­ben und Ab­trans­port, zur fach­ge­rech­ten La­ge­rung und Durch­mi­schung der Ton­schol­len ge­nutzt.

Gut ab­ge­la­ger­tes und tro­cke­nes Holz ist die Vor­aus­set­zung für das Ge­lin­gen des Bran­des. Da das Schla­gen von Holz den Päch­tern der Hö­fe in al­ler Re­gel ver­bo­ten war, be­zo­gen die Töp­fer von den ade­li­gen oder geist­li­chen Grund­be­sit­zern der Um­ge­bung das nö­ti­ge Brenn­holz oder er­stei­ger­ten es von den kur­k­öl­ni­schen be­zie­hungs­wei­se kö­nig­lich-preu­ßi­schen Forst­be­hör­den auf den jähr­lich statt­fin­den­den Holz­auk­tio­nen. Das Durch­trock­nen des Hol­zes ist nicht zu­letzt ab­hän­gig von den län­ger­fris­ti­gen kli­ma­ti­schen Be­din­gun­gen. Je­den­falls fällt auf, dass in be­stimm­ten Jah­ren Fehl­brän­de in­ner­halb ei­ner Re­gi­on ver­mehrt auf­tra­ten, die of­fen­sicht­lich feuch­ten und nie­der­schlags­rei­chen Som­mern ge­schul­det wa­ren.

Der Bau der Pott­ö­fen er­for­der­te ein er­heb­li­ches hand­werk­lich-tech­ni­sches Ge­schick. 1701 ord­ne­te der Sons­be­cker Ma­gis­trat an, dass ein qua­li­fi­zier­ter Mau­rer­meis­ter aus Issum den Bau ei­nes Ofens zu über­neh­men ha­be. We­gen der per­ma­nen­ten Brand­ge­fahr durch Fun­ken­flug muss­ten die un­mit­tel­ba­ren Nach­barn ih­re Zu­stim­mung er­tei­len, wenn ein neu­er Ofen er­rich­tet wer­den soll­te.[4]  Das un­er­laub­te heim­li­che Er­rich­ten ei­nes Pot­to­fens wur­de mit ei­ner emp­find­li­chen Geld­stra­fe be­legt, der neue Ofen ri­go­ros ab­ge­bro­chen.

Seit Be­ginn des 18. Jahr­hun­derts war es üb­lich ge­wor­den, das ei­gent­li­che Pott­haus ge­trennt vom Wohn­haus zu er­rich­ten. Sol­che Ein­schrän­kun­gen be­tra­fen sinn­vol­ler­wei­se nur die in der Stadt woh­nen­den Pott­bä­cker, wäh­rend die auf dem Land ar­bei­ten­den Töp­fer un­kon­trol­liert und un­ge­rügt blie­ben. Das An­zün­den, die In­be­trieb­nah­me der Öfen blieb auf die Zeit zwi­schen Früh­jahr und Herbst be­schränkt.

Das wohl wich­tigs­te Ar­beits­ge­rät war die Töp­fer­schei­be oder das Töp­fer­rad. Üb­lich wa­ren hier die so­ge­nann­ten Block­schei­ben. Durch Fuß-, ge­le­gent­lich auch durch Han­d­an­trieb wur­de die Schei­be in ro­tie­ren­de Be­we­gung ver­setzt. Der Töp­fer saß hin­ter der Dreh­schei­be auf ei­nem schräg an­ge­brach­ten Brett, der Bank, und setz­te mit bei­den Fü­ßen das Rad in Be­we­gung. Die­ser Kraft­auf­wand und das da­durch aus­ge­lös­te Schwan­ken des Ober­kör­pers ver­min­der­te die Leis­tungs­fä­hig­keit des Pott­bä­ckers beim For­men und Ge­stal­ten. Bei der Her­stel­lung gro­ßer und schwe­rer Stü­cke, die die vol­le Auf­merk­sam­keit des Töp­fers er­for­der­ten, wur­de die Schei­be von ei­nem Ge­hil­fen in Schwung ge­hal­ten.

Mit Hil­fe ei­ner klei­nen Holz- oder Me­tall­schie­ne, der so­ge­nann­ten Sche­en, und ei­nes Filz­lap­pens wur­den die Flä­chen ge­eb­net und ge­glät­tet. Ei­ne sol­che ge­zeich­ne­te Sche­en dien­te statt ei­ner Un­ter­schrift oft auch als Hand­mar­ke schreib­un­kun­di­ger Töp­fer.

Für die Schlick­ma­le­rei wur­de die Gieß­büch­se oder das Mal­horn ver­wandt. Es be­stand aus ei­nem ab­ge­säg­ten Kuh­horn, in des­sen durch­bohr­te Spit­ze ein Schilfs­tän­gel ge­steckt wur­de. Durch die­sen Stän­gel lief der Farb­brei, den der Töp­fer schnell und si­cher auf­brin­gen muss­te, weil spä­te­re Kor­rek­tu­ren nicht mög­lich wa­ren. Die ein­fa­chen Zie­r­ele­men­te wie Spi­ra­len, Krei­se und Wel­len­bän­der ver­lang­ten ei­ne si­che­re Hand und ei­ni­ges Ge­schick. Zum Ma­len wur­den Pin­sel aus Ha­sen­bart­haa­ren be­nutzt. Es ist durch­aus denk­bar, dass im Haus­halt le­ben­de Mäd­chen und Frau­en die­se fi­li­gra­nen Ar­bei­ten durch­führ­ten.

Schüssel 'Abraham opfert Isaak', Töpfer Wilhelm Librandt, 1798. (Museum Burg Linn Krefeld)

 

4. Fertigungsmethoden und Produkte

In Be­zug auf die An­zahl der Pott­bä­cker und ih­re Pro­duk­ti­ons­leis­tung sind al­ler­dings er­heb­li­che Un­ter­schie­de zu kon­sta­tie­ren. Im ge­nann­ten Zeit­raum ar­bei­te­ten nach­weis­lich al­lein in Sons­beck min­des­tens 181 und in Issum 75 Töp­fer. Als be­deu­ten­de Pro­duk­ti­ons­or­te sind noch Gen­nep und Hüls zu nen­nen. An den üb­ri­gen Fer­ti­gungs­stät­ten üb­ten oft nur ei­ne, zwei oder höchs­tens drei Pott­bä­cker­fa­mi­li­en ihr Hand­werk über Ge­ne­ra­tio­nen aus. Im länd­li­chen Be­reich sa­ßen die Töp­fer oft auf klei­nen Kat­stel­len. In den meis­ten Fäl­len war das zu­ge­hö­ri­ge Land ver­pach­tet oder wur­de durch die Töp­f­er­fa­mi­lie als Gar­ten­land ge­nutzt.

Si­cher hat es bis in das 18. Jahr­hun­dert hin­ein ein­zel­ne Bau­ern ge­ge­ben, die sich sai­so­nal zu so­ge­nann­ten Hof­com­pa­ney­en zu­sam­men­schlos­sen. Sie stell­ten im Kol­lek­tiv auf ge­nos­sen­schaft­li­cher Ba­sis ein­fa­che Tel­ler, Kan­nen und Töp­fe her und re­gel­ten auch de­ren Ver­kauf. Die­se Pro­duk­ti­ons­form setz­te ein ho­hes Maß an Or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beit vor­aus. Ein­zel­ne Ar­beits­schrit­te muss­ten auf meh­re­re Per­so­nen vor­aus­schau­end ver­teilt wer­den.

Mit Zu­nah­me aus­ge­bil­de­ter Töp­fer und der Er­rich­tung neu­er Brenn­öfen wur­de die­se Or­ga­ni­sa­ti­on der kol­lek­tiv aus­ge­üb­ten Ar­beit we­gen ih­rer man­geln­den Fle­xi­bi­li­tät ob­so­let. Hin­zu kam: Die Be­rufs­töp­fer konn­ten prak­tisch von Früh­jahr bis Herbst durch­gän­gig ih­rem Ge­wer­be nach­ge­hen, sie ent­wi­ckel­ten sehr bald ein si­che­res Ge­fühl für Stil, Form und Far­be und lern­ten Ar­beits­tech­ni­ken ken­nen, die sie den Töp­fer­com­pa­ney­en auch ge­ra­de in Be­zug auf die Rou­ti­ne der Fer­ti­gung und den künst­le­ri­schen An­spruch weit über­le­gen mach­ten. 

Her­ge­stellt wur­den klei­ne und gro­ße, fla­che und tie­fe Tel­ler, Schüs­seln mit und oh­ne Hen­kel, Töp­fe, Krü­ge, Be­cher, Scha­len, Back­for­men und Sie­be. Sie blie­ben ent­we­der un­ver­ziert oder wur­den mit flo­ra­lem oder abs­trak­tem De­kor, ge­mal­ten Li­ni­en, Krei­sen, Spi­ra­len oder mit Schli­cker­ver­zie­run­gen ge­schmückt oder in Ritz­tech­nik aus­ge­führt: Tie­re al­ler Art, Fi­sche, Hir­sche, Ha­sen und  Vö­gel. Tau­ben und Was­ser­vö­gel, aber auch Blu­men und Blü­tens­tem­pel wa­ren die be­vor­zug­ten Mo­ti­ve. Die Band­brei­te der Va­ria­tio­nen scheint schier un­end­lich.

Es liegt auf der Hand, dass die vie­len Pott­bä­cke­rei­en am Nie­der­rhein weit­aus mehr Wa­ren pro­du­zier­ten als das re­la­tiv dünn be­sie­del­te Um­land je­mals hät­te ab­neh­men kön­nen. Da­mals galt noch: Die Nach­fra­ge be­stimmt den Markt. Die Be­rufs­töp­fer ar­bei­te­ten wohl von An­fang an über­wie­gend für den Ex­port. Da­bei ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass rund um den Schorn­stein ei­ne lo­kal be­grenz­te Kund­schaft wei­ter kon­ti­nu­ier­lich mit be­nö­tig­ter Ir­den­wa­re ver­sorgt wur­de.

Si­cher­lich wur­den auch die fu­ß­läu­fig er­reich­ba­ren Wo­chen­märk­te der um­lie­gen­den grö­ße­ren Städ­te Kal­kar, Kle­ve, Kre­feld, Mo­ers, Rhein­berg und We­sel für ei­nen De­tail­han­del be­schickt. Hier konn­ten Pro­duk­te ab­ge­setzt wer­den, die in klei­ner und kleins­ter Auf­la­ge her­ge­stellt, sich an ei­ne sehr spe­zi­el­le Kund­schaft wand­ten: tö­ner­ne Schreib­gar­ni­tu­ren, Tin­ten­fäs­ser, Fi­di­bus­hal­ter, Kamm­la­den, Spar­schwei­ne, Weih­was­ser­be­cken, Pup­pen­ser­vice, Mur­meln, Tee­k­änn­chen, plas­tisch ge­stal­te­te Fi­gu­ren von Men­schen und Tie­ren, Ker­zen­hal­ter und an­de­res mehr.

Ganz an­ders ver­hielt es sich mit der Her­stel­lung der gro­ßen Schau­tel­ler und -schüs­seln. Sie wur­den im All­ge­mei­nen an­läss­lich  be­son­de­rer Er­eig­nis­se in der Fa­mi­lie als Hoch­zeits- oder Ver­lo­bungstel­ler ge­fer­tigt. Hier han­del­te sich um rei­ne Auf­trags­ar­bei­ten aus dem fa­mi­liä­ren oder so­zia­len Um­feld des Töp­fers. Sie wa­ren fast im­mer mit ei­ner Jah­res­zahl, dem Na­men des Töp­fers und des Braut­paars, zu­min­dest aber mit de­ren In­itia­len ver­se­hen. Sie wur­den nicht im Haus­halt be­nutzt, son­dern als Wand- oder Ka­min­schmuck sorg­fäl­tig in der Fa­mi­lie ge­hü­tet.

Sehr be­liebt wa­ren auch re­li­giö­se Mo­ti­ve aus der Bi­bel. Zu­sätz­lich wur­den Hei­li­ge, auch Sze­nen aus de­ren Le­ben dar­ge­stellt. Und was in ei­ner rö­misch-ka­tho­lisch do­mi­nier­ten Um­welt und der Nä­he zum Wall­fahrts­ort Keve­la­er nicht ver­wun­dern darf, im­mer wie­der die Mut­ter Got­tes. Ei­ni­ge Pott­bä­cker ver­leg­ten sich auf die Dar­stel­lung ak­tu­el­ler po­li­ti­scher und mi­li­tä­ri­scher Er­eig­nis­se. Bei den welt­li­chen und bib­li­schen Mo­ti­ven fehl­te es nicht an er­klä­ren­den Sinn­sprü­chen und Volks­weis­hei­ten. Dies al­les blieb je­doch nur ei­ne rei­ne Ni­schen­tä­tig­keit, von de­ren Ver­kauf kein Pott­bä­cker le­ben konn­te.

Schüssel 'Kreuzigung', Töpfer Jan Andreae, 1737. (Hetjens-Museum Düsseldorf)

 

5. Soziale und berufsständische Bedingungen

Ei­ner Ein­woh­ner­lis­te der Acker­bür­ger­stadt Sons­beck aus dem Jahr 1769[5]  las­sen sich fol­gen­de An­ga­ben ent­neh­men: In die­sem Stich­jahr gab es 28 Töp­fer, da­von be­sa­ßen 18 ein ei­ge­nes Haus, fünf ver­füg­ten noch zu­sätz­lich über ei­ne Scheu­ne und sechs hiel­ten je ei­ne Kuh im Stall. Es wur­den aber nur 13 Öfen ge­zählt. Zwei oder drei Töp­fer­meis­ter teil­ten sich die Nut­zung ei­nes Ofens. Bei et­li­chen Töp­fern oh­ne Haus­be­sitz wird es sich um ver­hei­ra­te­te Ge­sel­len, im da­ma­li­gen Sprach­ge­brauch Pott­bä­cker­knech­te, ge­han­delt ha­ben. Es ist je­doch nicht im­mer mög­lich, ei­ne kla­re Gren­ze zwi­schen ei­ner über­wie­gend land­wirt­schaft­li­chen Exis­tenz mit ei­nem ge­werb­li­chen Ne­ben­er­werb der Töp­fer oder um­ge­kehrt zu zie­hen. Ge­ne­rell gilt: nur die we­nigs­ten Pott­bä­cker brach­ten es zu wirk­li­chem Wohl­stand.

Die An­zahl der Brenn­öfen war zu­min­dest in den Städ­ten nicht be­lie­big ver­mehr­bar. So konn­te es nicht aus­blei­ben, dass meh­re­re Töp­fer ge­mein­sam ei­nen Ofen nutz­ten. Es galt, durch ei­ne ge­schick­te Hei­rats­po­li­tik das Ei­gen­tum an den Öfen in der Fa­mi­lie zu hal­ten. Fes­te Re­geln be­stimm­ten auch die be­ruf­li­che Si­cher­stel­lung. Die Meis­ter­söh­ne ar­bei­te­ten so­lan­ge als Ge­sel­len, vor­zugs­wei­se in den Werk­stät­ten von Ver­wand­ten, bis sie den vä­ter­li­chen Be­trieb über­neh­men konn­ten oder die Chan­ce er­hiel­ten, die Wit­we oder Toch­ter ei­nes Meis­ters zu hei­ra­ten.

Bei der Tau­fe trat meist ein Be­rufs­ge­nos­se des Va­ters als Pa­te auf. So war ge­währ­leis­tet, dass beim vor­zei­ti­gen Ab­le­ben des Va­ters die be­ruf­li­che Aus­bil­dung des Soh­nes si­cher­ge­stellt blieb. Das konn­te na­tür­lich nicht im­mer ge­lin­gen. Durch Hei­rats­ver­trä­ge wur­de ge­nau fest­ge­legt, dass bei ei­ner zwei­ten Ehe­schlie­ßung ei­nes ver­wit­we­ten Pott­bä­ckers die Söh­ne aus der ers­ten Ehe sei­ner zwei­ten Frau ei­ne Ga­ran­tie er­hiel­ten, zum Töp­fer aus­ge­bil­det zu wer­den. Über die Ein­hal­tung sol­cher Ver­ein­ba­run­gen wach­ten die Schöf­fen be­zie­hungs­wei­se der Ma­gis­trat.

Das Feh­len von Zünf­ten oder Gil­den mit ein­deu­ti­gen An­ord­nun­gen und Sta­tu­ten macht es un­mög­lich, zu kla­ren Aus­sa­gen zu kom­men. Es sind je­doch Töp­fer­ord­nun­gen von Sieg­burg, Rae­ren und Lan­ger­we­he er­hal­ten, die zum Ver­gleich her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

Im Ver­gleich zu an­de­ren Ge­wer­ken war die Lehr­zeit ziem­lich lang, sie dau­er­te sechs oder sie­ben Jah­re. Aus ge­le­gent­li­chen Ein­trä­gen der Abend­mahl­gäs­te oder der ein­ge­brach­ten Kir­chen­zeug­nis­se kann zu­min­dest für die evan­ge­lisch-re­for­mier­ten Pott­bä­cker­ge­sel­len un­zwei­fel­haft nach­ge­wie­sen wer­den, dass sie wäh­rend ih­rer Ge­sel­len­zeit in­ner­halb ei­nes ge­wis­sen Nah­be­reichs wan­der­ten. Es ist an­zu­neh­men, dass es ih­re ka­tho­li­schen Be­rufs­kol­le­gen ge­nau so hiel­ten. Nach Er­rei­chen der Voll­jäh­rig­keit mit 24 Jah­ren konn­te ein Ge­sel­le sich als Meis­ter nie­der­las­sen.

Es ist zu be­zwei­feln, dass sie je­mals ein Meis­ter­stück vor­le­gen muss­ten. Es fehl­te schlicht­weg ei­ne In­stanz, die dies zu be­gut­ach­ten in der La­ge ge­we­sen wä­re. Den Wer­de­gang ei­nes nie­der­rhei­ni­schen Pott­bä­ckers hat man sich wohl so vor­zu­stel­len: Be­ginn der Leh­re mit cir­ca 13 Jah­ren, dann folg­ten sechs oder sie­ben Lehr­jah­re. Be­ginn der Ge­sel­len­zeit im 19. oder 20. Le­bens­jahr. War er voll­jäh­rig ge­wor­den, moch­te er die Wit­we oder Toch­ter ei­nes Meis­ters hei­ra­ten oder spä­ter ein­mal das Er­be sei­nes Va­ters an­tre­ten, in­dem er des­sen Werk­statt über­nahm. Der Meis­ter­ti­tel wur­de al­so we­ni­ger durch per­sön­li­ches Kön­nen und ei­ne Prü­fung er­wor­ben als viel­mehr da­durch, dass ein voll­jäh­ri­ger Ge­sel­le in den Be­sitz ei­ner Werk­statt kam. Ein ex­tre­mes Bei­spiel da­zu ist aus dem Ems­land be­kannt: Ich, Gerd Hin­drik Berndsen bin als Töp­fer­meis­ter an­ge­fan­gen als ich 18 Jah­re alt war im Jah­re 1822 [...].[6]

Es ist be­mer­kens­wert, dass in den be­nach­bar­ten nie­der­län­di­schen Städ­ten Töp­fer weit frü­her ge­nannt wer­den und sich so­gar zu be­rufs­stän­di­schen Kor­po­ra­tio­nen zu­sam­men­ge­schlos­sen hat­ten. Erst im 18. Jahr­hun­dert lässt sich in Sons­beck ei­ne Töp­fer­gil­de nach­wei­sen. Al­ler­dings sind die Quel­len mehr als spär­lich über­lie­fert. So­viel scheint in­des fest­zu­ste­hen: Der ka­tho­li­sche Pas­tor no­tier­te 1737, dass die Töp­fer ih­re al­te Gil­de neu er­rich­tet und bei ihm ein fei­er­li­ches Amt am Mi­chae­lis­tag (29. Sep­tem­ber) für 12 Stüber be­stellt hät­ten.[7]  Al­so muss schon vor­her ei­ne Gil­de be­stan­den ha­ben. Die neue Töp­fer­gil­de re­prä­sen­tier­te wohl kaum ei­ne be­rufs­stän­di­sche Or­ga­ni­sa­ti­on. Wahr­schein­lich han­del­te es sich um ei­ne geist­li­che Bru­der­schaft, die die rö­misch-ka­tho­li­schen Pott­bä­cker zeit­wei­se ver­ein­te, die re­for­mier­ten Be­rufs­kol­le­gen aber aus­schloss.

Schüssel 'Sündenfall', Töpfer Hermann van Betteray, 1714. (Museum Burg Linn Krefeld)

 

6. Massenproduktion, Organisation des Handels

Wer den Han­del im gro­ßen Stil or­ga­ni­sier­te, ist bis­her un­be­kannt. So viel kann in­des ge­sagt wer­den: Ur­sprüng­lich hat­ten die so­ge­nann­ten Pot­ten­krä­mer den Han­del in ih­re Hän­de ge­nom­men. Ob es sich hier­bei in je­dem Fal­le um Ver­le­ger-Kauf­leu­te han­del­te, die bei den lo­ka­len Töp­fern die Wa­ren so­wohl hin­sicht­lich der Qua­li­tät als auch der Quan­ti­tät in Auf­trag ga­ben, kann nicht ein­deu­tig ent­schie­den wer­den. Be­reits zu Be­ginn des 17. Jahr­hun­derts gab es en­ge Be­zie­hun­gen von Kauf­leu­ten aus Enk­hui­zen zu den weit ent­fernt lie­gen­den Töp­fe­rei­zen­tren an der Wer­ra. Es liegt auf der Hand, dass das re­la­tiv nah ge­le­ge­ne Pro­duk­ti­ons­zen­trum am Nie­der­rhein in das von den Nie­der­lan­den aus­ge­hen­de eng­ma­schi­ge Han­dels­ge­flecht ein­be­zo­gen war.

Die Ver­le­ger-Kauf­leu­te ga­ben über lo­ka­le Agen­ten vor, wann wel­che Wa­ren an den Rhein zu schaf­fen wa­ren. Sie wuss­ten, wel­che Schif­fe für die Be­la­dung in­fra­ge ka­men, wann sie Xan­ten an­lie­fen und in wel­chem Be­stim­mungs­ha­fen die Fracht ge­löscht wer­den soll­te. Sie ent­schie­den auch, ob die Ir­den­wa­re auf dem lo­ka­len Markt ver­kauft oder mög­li­cher­wei­se en gros von dort aus wei­ter­ver­han­delt wer­den soll­te.

Ein sol­cher Pot­ten­krä­mer wird be­zeich­nen­der­wei­se in un­se­rem Raum 1611 erst­ma­lig in den Pro­to­kol­len der heim­li­chen nie­der­län­disch-re­for­mier­ten Flücht­lings­ge­mein­de in Goch ge­nannt.[8]  Zwei­fel­los ge­lang­ten mit den nie­der­län­di­schen Glau­bens­flücht­lin­gen seit der Mit­te des 16. Jahr­hun­derts nicht nur neue Im­pul­se zu cal­vi­nis­ti­schen Denk- und Le­bens­wei­sen ins Kle­ver Land. Sie be­wirk­ten vor al­lem auch ei­ne wirt­schaft­li­che Neu­ori­en­tie­rung im Sin­ne ei­nes sich ver­än­dern­den ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­winn- und Er­werbs­stre­bens. In Ams­ter­dam wird 1675 so­gar ei­ne ei­ge­ne Gil­de der Topf­ver­käu­fer ge­grün­det.

Der um 1589 auf ei­nem Kup­fer­stich von Frans Ho­gen­berg dar­ge­stell­te Köl­ner _Döp­pen­kre­mer _re­prä­sen­tiert eher den Ty­pus ei­nes Stein­zeug-Klein­händ­lers, der sei­ne Wa­ren im Hau­sier­han­del ver­treibt. Die gän­gi­ge Ir­den­wa­re des Nie­der­rheins aber war ein Mas­sen- und Bil­lig­pro­dukt. Die nie­der­rhei­ni­schen (und west­fä­li­schen?) Töp­fer hat­ten sich seit dem 18. Jahr­hun­dert nach­weis­lich in Ams­ter­dam als un­an­ge­foch­te­ne Markt­füh­rer der nied­rigs­ten Preis­klas­se qua­li­fi­zie­ren kön­nen.

Für den Pott­bä­cker kam es dar­auf an, mög­lichst vie­le Schüs­seln, Tel­ler oder Töp­fe glei­chen Typs in ei­nem Ar­beits­gang se­ri­ell her­zu­stel­len. Es wi­der­spricht je­dem wirt­schaft­li­chen Den­ken, dass der Töp­fer auf ei­ne va­ge Ver­kaufs­er­war­tung hin auf Vor­rat ge­fer­tigt hät­te. Au­ßer­dem be­stand im­mer die Ge­fahr, an den Kun­den­wün­schen vor­bei zu pro­du­zie­ren, wenn auch die De­ko­re und Mo­ti­ve schein­bar zeit­los blie­ben.

Un­ge­klärt bleibt bis­her: Such­ten die Pott­bä­cker ih­re Ab­neh­mer auf, um im Hau­se des Ver­le­gers Art und Um­fang ein­zel­ner Auf­trä­ge zu be­spre­chen und ei­nen Ab­schluss zu tä­ti­gen oder reis­te der Kauf­mann be­zie­hungs­wei­se des­sen Agent zu sei­nen Pott­bä­ckern? Ei­nen ge­wis­sen Hin­weis bie­ten die Rats­pro­to­kol­le von Sons­beck: Für Töp­fer­meis­ter, die in das Amt ei­nes Quar­tier­meis­ters ge­wählt wur­den, fällt ih­re häu­fi­ge Ab­we­sen­heit ex­tra op­pi­dum wäh­rend der Ma­gis­trats­sit­zun­gen auf.[9]

Ei­ne sehr de­tail­lier­te Be­schrei­bung der fran­zö­si­schen Be­hör­den aus dem Jahr 1803 nennt für Sons­beck noch zehn Töp­fer­werk­stät­ten und dass es in Hamb viel Ton gä­be. Zur Aus­fuhr hei­ßt es un­miss­ver­ständ­lich und la­pi­dar: Die ir­de­nen Töp­fer­wa­ren, die in Sons­beck ge­macht wer­den, ge­hen nach Hol­land.[10]

7. Export in die Niederlande

Der Ex­port setz­te in je­dem Fall ei­ne straf­fe über­ört­li­che Len­kung vor­aus. Of­fen­sicht­lich wa­ren die hie­si­gen Töp­fer nicht in der La­ge, die­sen selbst in die Hand zu neh­men. Klein­han­del und der Trans­port in Kie­pen moch­ten sich in­ner­halb ei­nes ge­wis­sen Nah­be­reichs dort loh­nen, wo kei­ne na­tür­li­chen Ver­kehrs­we­ge zur Ver­fü­gung stan­den. Aus West­fa­len ist be­kannt, dass Ton­wa­ren mit Fracht­fuhr­wer­ken über Land ge­führt wur­den.

Hier aber bo­ten Rhein und Maas idea­le na­tür­li­che Was­ser­stra­ßen nach Hol­land. In­ner­halb der Nie­der­lan­de gab es noch wei­te­re Schiff­fahrts­we­ge, die ei­ne ra­sche Dis­tri­bu­ti­on er­mög­lich­ten: IJs­sel und Waal. Al­lein das Bin­nen­land von West­flan­dern war mit Fluss­schif­fen aus Deutsch­land nicht zu er­rei­chen. Die üb­ri­ge dicht be­sie­del­te Nord­see­küs­te konn­te von den Pro­duk­ti­ons­zen­tren von Stein­zeu­gen und Ir­den­wa­re glei­cher­ma­ßen be­quem er­reicht wer­den.

Wie sehr sich die­ser Ex­port so­gar in der nie­der­län­di­schen Spra­che wi­der­spie­gel­te, zeigt der im 19. Jahr­hun­dert noch je­dem Nie­der­län­der ge­läu­fi­ge Be­griff: Keul­se Pot­ten. Da­mit wur­den graue Stein­zeugtöp­fe be­zeich­net, die mit blau­en Blu­men de­ko­riert wa­ren und als Ein­mach­töp­fe, Senf­töpf­chen und so wei­ter dien­ten.[11]  Da­zu ge­hör­te ge­wiss auch das Fre­che­ner Stein­zeug, das durch­weg braun en­go­biert und nicht blau be­malt war.

Die Aus­gangs­hä­fen Köln und Xan­ten stan­den als pars pro to­to, so­zu­sa­gen als Gat­tungs­na­men für die Mach­art. Die Nie­der­län­der be­zeich­ne­ten in den Zoll­lis­ten mit dem Be­griff Keul­se pot­ten oder scho­tels aus­schlie­ß­lich das hö­her zu be­wer­ten­de Stein­zeug und un­ter­schie­den pe­ni­bel da­von das San­der aar­de­werk. Nur Ir­den­wa­re aus Xan­ten wur­de so be­zeich­net.

Für das Stein­zeug ist be­legt, dass es zu 90 Pro­zent tat­säch­lich auch in Köln ver­frach­tet wur­de. Mit der Aus­he­be­lung des Sta­pel­rechts die­ser Stadt wäh­rend der fran­zö­si­schen Ok­ku­pa­ti­on ka­men seit dem En­de des 18. Jahr­hun­derts Stein­zeu­ge in stei­gen­dem Ma­ße aus den ver­kehrs­güns­ti­ger lie­gen­den Rhein­hä­fen Bonn, An­der­nach, Val­len­dar und Ko­blenz per Schiff in den Nie­der­lan­den an.

Ex­port­ha­fen für Ir­den­wa­re, die in den Her­zog­tü­mern Kle­ve , Gel­dern (Ober­quar­tier), dem Fürs­ten­tum ­Mo­ers und im kur­k­öl­ni­schen Amt Rhein­berg her­ge­stellt wur­de, blieb un­an­ge­foch­ten die kle­vi­sche Stadt Xan­ten. Im Orts­teil Beek gab es ei­ne aus­ge­bau­te An­le­ge­stel­le und zeit­wei­se so­gar ei­ne Zoll­sta­ti­on mit ei­ni­gen La­ger­schup­pen. Aus­ge­nom­men von die­sem Han­dels­sys­tem blie­ben die Stadt Gen­nep und das Dorf Ot­ter­sum. Die hier er­zeug­te Ir­den­wa­re wur­de un­mit­tel­bar auf der Maas be­zie­hungs­wei­se der Niers wei­ter­ver­frach­tet.

Dass die drei preu­ßisch-bran­den­bur­gi­schen Fürs­ten­tü­mer Kle­ve, Gel­dern und Mo­ers aus­schlie­ß­lich Xan­ten als Ver­frach­tungs­ha­fen nutz­ten, er­scheint ei­ni­ger­ma­ßen plau­si­bel. Aber auch die Töp­fer des kur­k­öl­ni­schen Am­tes Rhein­berg ver­schiff­ten ih­re Pro­duk­te über Xan­ten. 1787 sup­pli­zier­ten die Töp­fe­fa­bri­kan­ten des Am­tes Rhein­berg an die kur­k­öl­ni­sche Hof­kam­mer in Bonn er­folg­los um Ver­rin­ge­rung der Zoll­ab­ga­ben.

Die Rhein­ber­ger Töp­fer emp­fan­den es als un­ge­recht­fer­tigt, dass die ober­län­di­schen To­ne für das Stein­zeug, ob­gleich viel fei­ner und teu­rer, dem grö­be­rem Erd­werk ta­rif­mä­ßig gleich ge­setzt wa­ren. Seit 1733 wur­de ei­ne mit ei­nem Pferd ge­zo­ge­ne zwei­räd­ri­ge mit Ton­er­de be­la­de­ne Kar­re mit sechs Stübern be­las­tet. Die Pott­bä­cker ba­ten, die­sen Zoll um ei­nen Stüber pro Kar­re zu re­du­zie­ren. Wei­ter führ­ten sie aus:

[...] Und da wir seit lan­gen Jah­ren die Zoll­ein­nah­me von dem Amt Rhein­berg in Pach­tung ge­nom­men hat­ten, schien es, als ob uns die­se so drän­gen­de Last nicht fühl­bar drück­te. Da aber seit ei­ni­gen Jah­ren uns sol­ches aus der Hand ge­nom­men, mit­hin auch un­se­re Wa­ren in den preu­ßisch-kle­vi­schen Län­dern müs­sen ab­ge­lie­fert, all­wo auch die sel­bi­ge Fa­bri­que ge­trie­ben wer­den, müs­sen auch al­le aus­län­di­schen Ton­fa­bri­quen von je­der Pfer­de­last an­noch merk­li­che Ab­ga­ben be­zah­len [...].[12] 

Ur­sprüng­lich wa­ren es im Amt Rhein­berg die Töp­fer selbst, die den Kar­ren­zoll durch Pach­tung an sich ge­bracht hat­ten. Sie moch­ten ih­re Pacht pünkt­lich be­zahlt ha­ben. Die Kon­trol­le in­des, wie vie­le Kar­ren mit frisch ab­ge­sto­che­nem Ton tat­säch­lich Stra­ßen pas­siert hat­ten, blieb da­mit der Re­gie­rung ent­zo­gen. So klag­te auch der Kell­ner des Am­tes, vie­le Un­ter­schlei­fe [sei­en] zum Nach­teil des Zolls ent­stan­den. In die­sem Zu­sam­men­hang bleibt fest­zu­hal­ten: Die Pott­bä­cker des Am­tes Rhein­berg wa­ren seit et­li­chen Jah­ren ge­zwun­gen, ih­re Ex­port­pro­duk­te ins Her­zog­tum Kle­ve zu lie­fern. Dies war wohl prak­ti­schen Er­wä­gun­gen ge­schul­det: Der Rhein hat­te im 18. Jahr­hun­dert sei­nen Lauf weg von der Ha­fen-, Zoll- und Fes­tungs­stadt Rhein­berg ver­legt.

Die Töp­fer brach­ten ih­re Töp­fe, Tel­ler und Kan­nen, sorg­fäl­tig mit Stroh­sei­len um­wi­ckelt und in Stroh ge­bet­tet, auf ei­nem zwei­räd­ri­gen Pfer­de­kar­ren nach Xan­ten-Beek an den Rhein. 1709 wur­de ei­ne Töp­fer­kar­re aus Sons­beck ar­res­tiert. Weil die Stadt Sons­beck die Zin­sen ei­nes ge­lie­he­nen Ka­pi­tals jah­re­lang nicht be­dient hat­te, sah sich die Stadt Xan­ten zu die­sem Ar­rest ge­nö­tigt. Bei der Kar­re wur­de der Töp­fer Go­ert Giet­mann (1671-1749) zur Be­wa­chung zu­rück­ge­las­sen, bis der Sons­be­cker Bür­ger­meis­ter Ger­hard von Goor (Amts­zeit 1706-1710) die An­ge­le­gen­heit im Sin­ne der Stadt und der be­trof­fe­nen Töp­fer ge­re­gelt hat­te.[13]

An die­ser stark fre­quen­tier­ten An­le­ge­stel­le in Beek wur­den die Pro­duk­te auf klei­ne­re Schiffs­ein­hei­ten, Ar­ken, Na­chen, Leich­ter, Schu­ten und Snee­ks ver­la­den. Lo­ka­le Steu­er­leu­te, die le­dig­lich als Fracht­füh­rer, nie­mals aber als Be­sit­zer der La­dung er­schei­nen, brach­ten die Ir­den­wa­re zu ver­schie­de­nen nie­der­län­di­schen Rhein­hä­fen von Arn­heim bis an die Nord­see­küs­te, nach Ams­ter­dam, Rot­ter­dam und Dor­drecht. Ei­ne Durch­sicht der Arn­hei­mer Zoll­re­gis­ter von 1801-1810[14]  zeigt fol­gen­des Bild: Durch­schnitt­lich er­reich­ten jähr­lich 15 Schif­fe aus Xan­ten mit Ir­den­wa­re be­la­den die Stadt Arn­heim. Oft wur­den die Ton­wa­ren als Bei­ladung zu Ge­trei­de­trans­por­ten an Bord ge­nom­men. Et­wa die Hälf­te der Schif­fe lösch­te ih­re Fracht in Arn­heim, die an­de­ren se­gel­ten di­rekt wei­ter nach Ams­ter­dam, Rot­ter­dam oder Dor­drecht. Ei­ni­ge Schif­fe be­fuh­ren auch die IJs­sel, um Städ­te wie Zu­t­phen, Deven­ter, Zwol­le und Kam­pen zu ver­sor­gen. Auch in Deven­ter wur­de zu­fol­ge ei­nes Nach­lassin­ven­tars ei­nes Kauf­manns aus dem Jah­re 1708 zwi­schen Keul­se scho­tels und Zan­der aar­de­werk un­ter­schie­den.[15]  Von den gro­ßen See­städ­ten Ams­ter­dam, Rot­ter­dam und Dor­drecht wur­den ge­wis­se Quan­ti­tä­ten wei­ter nach Skan­di­na­vi­en und Eng­land ver­frach­tet.

8. Niedergang des Gewerbes

Am Nie­der­rhein war es nicht zur Bil­dung de­zen­tral oder zen­tral ge­führ­ter Ir­den­wa­ren­ma­nu­fak­tu­ren ge­kom­men. Das mag da­mit zu­sam­men­hän­gen, dass sich je­der Pott­bä­cker die nö­ti­gen Roh­stof­fe Ton, Holz, Che­mi­ka­li­en pro­blem­los be­sor­gen konn­te. Für den ein­zel­nen Pott­bä­cker be­deu­te­te es kei­nen Vor­teil, Ton und Holz von Drit­ten zu er­hal­ten. Es gab auch kei­nen zwin­gen­den Grund, durch den Ein­tritt in ei­ne Ma­nu­fak­tur zu­sätz­li­che Ab­hän­gig­kei­ten ein­zu­ge­hen. Der Töp­fer hät­te nicht län­ger frei über sei­ne Ar­beits­zeit ver­fü­gen kön­nen. Zu­dem hät­te er sich per­ma­nen­ter Kon­trol­len hin­sicht­lich sei­nes Ar­beits­ei­fers und Flei­ßes ge­gen­wär­ti­gen müs­sen. So war die Blu­men­topf­fa­brik Iven in Tö­nis­berg we­der ei­ne zen­tra­le Ma­nu­fak­tur ge­schwei­ge denn ei­ne Fa­brik. Es han­del­te sich nur um ei­nen gut durch­struk­tu­rier­ten Hand­werks­be­trieb.[16]  Das Feh­len be­rufs­stän­di­scher Kor­po­ra­tio­nen, die die In­ter­es­sen der Pott­bä­cker wirk­sam nach au­ßen ver­tre­ten konn­ten, mag den Pro­zess der Ein­fluss­nah­me durch Ver­le­ger be­güns­tigt ha­ben.

Völ­lig falsch be­ur­teil­te der Sons­be­cker Bür­ger­meis­ter J. L. Everts (auch Evers, Amts­zeit 1758-1784) die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on, als er 1773 schrieb, die Töp­fe­rei ha­be vor dem Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg flo­riert, seit­dem je­doch die köl­ni­schen Töp­fer ih­re Wa­ren frei nach We­sel lie­fern könn­ten, wür­den die Sons­be­cker ge­hin­dert, ih­re Fa­bri­ka­te auf den Wo­chen­märk­ten en de­tail zu ver­kau­fen.[17]  Das Ge­gen­teil war der Fall: In den Dez­en­ni­en zwi­schen 1760 bis 1780 er­leb­ten die nie­der­rhei­ni­schen Pott­bä­cker den ab­so­lu­ten Hö­he­punkt ih­rer Pro­duk­ti­on. Im Köl­ner Um­land wur­den aus­schlie­ß­lich Stein­zeu­ge her­ge­stellt, die zwar sehr be­gehrt, aber auch we­sent­lich teu­rer wa­ren. Ei­ne Aus­nah­me bil­de­te Fre­chen: Hier wur­den Stein­zeu­ge und Ir­den­wa­re par­al­lel her­ge­stellt. Das Stein­zeug stand nicht wirk­lich in Kon­kur­renz zur Ir­den­wa­re, je­den­falls nicht für die brei­te Schicht un­ver­mö­gen­der Kon­su­men­ten, für die sich der Kauf von Stein­zeu­gen von vorn­her­ein ver­bot.

Die preu­ßi­sche Re­gie­rung in Kle­ve hat­te durch will­kür­li­che und kurz­sich­ti­ge Ent­schei­dun­gen nicht un­er­heb­lich da­zu bei­ge­tra­gen, den Nie­der­gang des Töp­fer­ge­wer­bes zu be­schleu­ni­gen. Sie schränk­te die Ent­nah­me von Ton ein, als sie den Sons­be­cker Töp­fern 1780 ver­bot, wei­ter­hin in der Pir­lo­er Hei­de Ton zu ste­chen.[18]  Ber­lin un­ter­nahm auch nichts, um der ein­sei­ti­gen dras­ti­schen Er­hö­hung des Ein­fuhr­zolls der Nie­der­län­der 1771 auf di­plo­ma­ti­schem Weg zu be­geg­nen. Nicht we­ni­ge nie­der­rhei­ni­sche Töp­fer ver­leg­ten dar­um kon­se­quen­ter­wei­se ih­re Werk­stät­ten in die Nie­der­lan­de jen­seits der Maas oder zo­gen we­nigs­tens in de­ren Nä­he nach Gen­nep, das vor 1815 noch zum Her­zog­tum Kle­ve und da­mit zu Preu­ßen ge­hör­te. Die Quel­len be­rich­ten über­ein­stim­mend, dass Zoll­de­frau­da­tio­nen gang und gä­be wa­ren. Die nie­der­län­di­schen Töp­fer stan­den in ste­ter Kon­kur­renz zu ih­ren nie­der­rhei­ni­schen Kol­le­gen.

Sie er­wirk­ten bei ih­rer Ob­rig­keit ei­ne Er­hö­hung des Zolls für Im­port­wa­re zu Las­ten der nie­der­rhei­ni­schen Töp­fer. Schon frü­her hat­ten sie be­gon­nen - wenn auch nicht ge­ra­de nie­der­rhei­ni­sche Pro­duk­te - Ir­den­wa­re aus Hes­sen mit be­acht­li­chem Er­folg zu imi­tie­ren. Dies al­les, aber vor al­lem auch die Än­de­rung der Kon­sum­ge­wohn­hei­ten und ganz all­ge­mein hö­he­rer An­sprü­che an das Ma­te­ri­al, führ­ten zu ei­nem ra­schen Nie­der­gang des Töp­fer­ge­wer­bes am Nie­der­rhein - ein Pro­zess, der an der Wen­de vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert ab­ge­schlos­sen war.

Vor ei­ni­gen Jah­ren hat sich ein in­for­mel­ler Kreis von Samm­lern, Wis­sen­schaft­lern und Ama­teu­ren un­ter dem Na­men ANI (Ar­beits­kreis Nie­der­rhei­ni­sche Ir­den­wa­re) ge­bil­det, der sich re­gel­mä­ßig zum Ge­dan­ken­aus­tausch trifft, Aus­stel­lun­gen or­ga­ni­siert und Pu­bli­ka­ti­ons­vor­ha­ben vor­be­rei­tet und un­ter­stützt. In die­sem Kon­text ist auch die­se Ver­öf­fent­li­chung ent­stan­den. Aus­künf­te kön­nen aus dem In­ter­net ab­ge­ru­fen wer­den: www.nie­der­rhei­ni­sche-ir­den­wa­re.eu.

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Online

In­for­ma­tio­nen auf der Web­site des Ar­beits­kreis Nie­der­rhei­ni­sche Ir­den­wa­re. [On­line]

Schüssel 'Madonna Kevelaer', Töpfer Johann Henrich Renne, 1770. (Museum Burg Linn Krefeld)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Knieriem, Michael, Töpfer am linken Niederrhein (17.-19. Jahrhundert), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/toepfer-am-linken-niederrhein-17.-19.-jahrhundert/DE-2086/lido/57d12e7fdc21b3.21972846 (abgerufen am 05.12.2024)