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Die Missionierung des Maaslandes begann während der Römerzeit. Sitz des ersten maasländischen Bistums war Tongern, der Vorort der „Civitas Tungrorum" in der Provinz „Germania inferior". Im 6. Jahrhundert wurde das wohlhabende Maastricht bevorzugte Bischofsresidenz. Die Ausdehnung des Bistums Tongern war beträchtlich. Grob gesehen reichte es von der Niedermaas im Norden zur Semois im Süden und von der Dijle im Westen bis in den Aachener Raum im Osten. Entscheidend für seine weitere Entwicklung war die Ermordung Bischof Lambertus’ (Landibertus) um 705 in seiner „villa" Lüttich, unweit des Zusammenflusses von Ourthe und Maas. Die Gebeine des als Märtyrer verehrten Lambertus wurden zwar zuerst in Maastricht beigesetzt, dann aber um 717/718 nach Lüttich überführt. In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts verlegte man auch den Bischofssitz von Maastricht nach Lüttich.
Im Zuge der karolingischen Neuordnung der Metropolen wurde der Bischof von Lüttich wohl zu Beginn des 9. Jahrhunderts Suffragan des Erzbischofs von Köln. Bereits um die Mitte des 10. Jahrhunderts besaß der Lütticher Bischofsstuhl Güter und Rechte in den wichtigsten Städten des Maaslandes (Lüttich, Tongern, Maastricht, Huy, Namur und Dinant) sowie ländliche Grundherrschaften und Eigenklöster (Saint-Hubert, Lobbes). Bischof Notker (972-1008) erwirkte 980 von Kaiser Otto II. ein allgemeines Immunitätsprivileg, das sämtliche Besitzungen der Kirche von Lüttich der Jurisdiktionsgewalt der Grafen entzog. 985 verlieh Otto III. ihm zudem die Grafschaft Huy, 987 folgten die Abtei Gembloux und eine weitere Grafschaft, der zwischen Dijle und Jette gelegenen „Brunnengeruut". Damit wurde der Bischof von Lüttich zum Reichsfürsten. Heinrich III. übertrug Bischof Nithard (1037-1042) 1040 noch die zwischen Maas und Geer gelegene Grafschaft „Haspingia" (Hespengau). Seit 1071/1076 war auch die Grafschaft Hennegau ein Lütticher Kirchenlehen. Bischof Otbert (1091-1119) erwarb 1096 Burg und Herrschaft Bouillon. Abgerundet wurde das fürstbischöfliche Territorium mit dem Erwerb der Stadt Sint-Truiden (1227) und der Grafschaft Loon (1366). Abgesehen von der Abtretung Bouillons an Frankreich (1697) sowie geringfügigen Grenzkorrekturen in den Jahren 1772, 1780 und 1785 blieb das fürstbischöfliche Territorium bis zu seiner Annektierung durch die Französische Republik im Jahre 1795 unverändert. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das in elf Distrikte unterteilte, seit 1500 dem Niederrhein-Westfälischen Reichskreis angehörige Fürstbistum auf einer Gesamtfläche von 569.719 ha noch 23 Städte und über 600 Dörfer mit insgesamt ca. 350.000 Einwohnern, von denen zwei Fünftel einer frühindustriellen Tätigkeit, zum Beispiel im Bergbau, nachgingen. Während im nördlichen Landesteil das Niederländische vorherrschte, gehörte der Süden zum französischen Sprachraum.
Trotz ihres frühen Eindringens konnte die Reformation im Fürstbistum nicht dauerhaft Fuß fassen. Unter den Fürstbischöfen Ernst, Ferdinand und Max Heinrich von Bayern (1581-1688) setzte sich die Gegenreformation endgültig durch. Lediglich im Ostteil der 1559 um über 600 Pfarreien verkleinerten Diözese blieben einige wenige protestantische Gemeinden bestehen.
Die Erinnerung an das Fürstbistum lebt nicht nur in prächtigen Baudenkmälern – wie der zwischen 1514 und 1538 erbauten Bischofsresidenz – sondern auch in einem insbesondere für die Stadt Lüttich typischen Partikularismus, „l’esprit principautaire", fort. Die St. Lambertus – Kathedrale, die größte Bischofskirche nördlich der Alpen, wurde in französischer Zeit abgebrochen.
Literatur
Minke, Alfred, Artikel „Lüttich", in: Erwin Gatz (Hg.), Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches. Von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg i.Br. 2003, S. 370-387 (hier auch Quellen- und Literaturverzeichnis).
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Minke, Alfred, Fürstbistum Lüttich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/fuerstbistum-luettich/DE-2086/lido/57d119198767a3.48748162 (abgerufen am 06.12.2024)