Zu den Kapiteln
Hinter dem (Hauptstadt-) Gau Berlin und dem Gau Hamburg lag der Gau Düsseldorf im Hinblick auf die Bevölkerungsdichte an dritter Stelle im Deutschen Reich und bot von daher seinen knapp 2,2 Millionen Einwohnern auf 2672 Quadratkilometern Fläche nur etwa ein Drittel des Raumes, den der 2,3 Millionen Menschen zählende Nachbargau Köln-Aachen besaß. Nimmt man hinzu, dass der nördliche Nachbargau Essen ähnlich groß und dicht bevölkert war wie der Gau Düsseldorf, dann ist leicht vorstellbar, dass die ständigen Machtkämpfe und Rivalitäten zwischen den rheinischen Gauleitern auch durch diese hohe Bevölkerungsdichte bedingt gewesen sind. Und vielleicht erklären sich auch daraus die beinahe komplexhaften Kompensationsanstrengungen, die der Düsseldorfer Gauleiter Friedrich Karl Florian Zeit seiner fast 16-jährigen Herrschaft unternommen hat, um seine Gauleiter-Kollegen in Köln und Essen (und Westfalen) durch den von ihm geträumten „Großgau Niederrhein“ entscheidend zu überflügeln.
Durch die Behinderungen der französischen Besatzungsmacht und die Konkurrenz des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“ in der Frühzeit der nationalsozialistischen Partei im Rheinland noch begrenzter in ihren Entwicklungsmöglichkeiten als in anderen Regionen Deutschlands, fasste die NSDAP im Gebiet des späteren Gaues Düsseldorf nur sehr schwer Fuß, so dass beispielsweise die erste Ortsgruppe in der Stadt Düsseldorf erst Mitte November 1922 gegründet wurde und – bedingt durch die ambivalente Hitlersche Haltung zum „Ruhrkampf“ und den letztlich lachhaft verlaufenen „Hitlerputsch“ – rund ein Jahr später gleich wieder zu zerfallen drohte. Dergestalt gezwungen, sich dem (hitlertreuen) „Völkisch-Sozialen Block“ beziehungsweise der später so genannten „Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung“ anzuschließen, konnte erst nach der am 27.2.1925 erfolgten offiziellen NSDAP-„Neugründung“ Hitlers und dem Abzug der französischen Truppen am 25. August desselben Jahres eine Düsseldorfer Ortsgruppe revitalisiert werden, während im nicht französisch besetzten Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) ein nordwestliches NSDAP-Zentrum um einen nun gebildeten „Gau Rheinland-Nord“ unter dem von Hitler ernannten alldeutschen Journalisten Axel Ripke als Gauleiter und dem gerade promovierten Dr. Joseph Goebbels als „Gaugeschäftsführer“ herum entstanden war.
Um die Jahreswende 1925/1926 wurde dieser nordwestliche NSDAP-Herrschaftsbereich, dessen Bezeichnung als „Gau“ sich erst jetzt durchzusetzen begann, von Karl Kaufmann geführt, der im Verbund mit Gregor Strasser (1892-1934) den (vergeblichen) Versuch unternahm, die nordwestdeutschen NS-Gruppierungen zur „Arbeitsgemeinschaft Nordwest“ gegen die Hitlersche „Münchner Richtung“ zusammenzuführen. Am 7.3.1926 vereinigten sich so der Gau Rheinland-Nord (unter Karl Kaufmann und dem „Gaugeschäftsführer“ Dr. Joseph Goebbels) und der von Franz Pfeffer von Salomon (1888-1968) geführte Gau Westfalen zu einem „(Groß-) Gau Ruhr“, der ab Sommer 1926 von Karl Kaufmann alleine geführt wurde, da Hitler den propagandistisch begabten Dr. Joseph Goebbels zum Gauleiter nach Berlin und Franz Pfeffer von Salomon zum Obersten SA-Führer („OSAF“) befördert hatte.
Aufgeteilt in zehn „Bezirke“, darunter die Bezirke Essen (Josef Terboven), Bergisches Land (Erich Koch) und Niederrhein (Fritz Härtl), existierte dieser NSDAP-„(Groß-)Gau Ruhr“ lediglich bis Sommer 1928, als Hitler und Gregor Strasser sich entschlossen, das Gebiet in einen Gau Westfalen-Süd (Josef Wagner, 1899-1945) und die beiden (Groß-)“Bezirke“ Essen (Josef Terboven) und Bergisches Land/Niederrhein (Fritz Härtl) dreifach zu teilen, wodurch der einstige „Gau Rheinland-Nord“ in die beiden letztgenannten (Groß-) „Bezirke“ aufgespalten wurde, was wiederum „eine Quelle künftiger stetiger Querelen zwischen Terboven und seinem [zum damaligen Zeitpunkt noch „Bezirksleiter“ Bergisches Land/Niederrhein genannten] Düsseldorfer Kollegen [schuf], denn beide Seiten waren mit dieser Regelung unzufrieden.“ (Peter Hüttenberger). Dabei setzte sich der Bezirk Bergisches Land/Niederrhein aus den Kreisen Groß-Düsseldorf und Bergisches Industriegebiet/Niederrhein zusammen, und nachdem der Bezirksleiter Fritz Härtl im Oktober 1929 vom Gelsenkirchener NSDAP-Kreisleiter Friedrich Karl Florian abgelöst worden war, gelang diesem am 1.8.1930 die Umbenennung des bisherigen „Bezirkes Bergisches Land/Niederrhein“ in „Gau Düsseldorf“.
Dieser Gau Düsseldorf, entstanden aus der Gemengelage persönlicher Rivalitäten und den Richtungskämpfen zwischen dem völkisch-antisemitischen Kurs Hitlers und dem als profan-sozialistisch zu bezeichnenden Strasserschen Weg, reichte zwar von Grefrath im Nordwesten bis Opladen (heute Stadt Solingen) im Südosten und von Krefeld und Kempen im Norden bis Grevenbroich im Süden, zählte aber lediglich die neun NSDAP-Kreise Bergisch-Land (mit Lennep als Sitz der NSDAP-Kreisleitung), Düsseldorf, Gladbach-Rheydt (Rheydt), Krefeld-Uerdingen (Krefeld), Neuss-Grevenbroich (Neuss), Niederberg (Mettmann), Solingen, Viersen-Kempen (Kempen) und Wuppertal. Damit war der Gau Düsseldorf, wie einleitend bereits gesagt, der drittkleinste der 32 im Deutschen Reich existierenden Gaue, dicht gefolgt vom Nachbar-Gau Essen an viertletzter Stelle, weshalb diese beiden Gaue als quasi-städtische Gaugebiete bezeichnet worden sind, die vor allem durch die darin gelegenen Großstädte – im Gau Düsseldorf mit Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach, Remscheid, Solingen und Wuppertal immerhin sechs Städte über 100.000 Einwohner – geprägt waren.
Aus dieser Dichte und aus der geschilderten gemeinsamen Geschichte resultierten die Kompetenzkämpfe der rheinischen Gauleiter im allgemeinen und die der Düsseldorfer und Essener Gauleitungen im besonderen, wobei sich Friedrich Karl Florian ganz besonders hervortun zu müssen glaubte, was wohl dem Umstand geschuldet gewesen ist, dass sein Essener Dauerrivale Josef Terboven im April 1935 zusätzlich zu seinem nationalsozialistischen Gauleiteramt auch noch zum (staatlichen) Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt wurde. Dergestalt sich in einer Art Dauer-Defensive gedrängt fühlend, gelang es dem Düsseldorfer Gauleiter dennoch oder gerade deshalb, eine durchaus erfolgreiche Regionalpolitik zu betreiben, indem man ein gutes Verhältnis zur rheinischen Schwerindustrie pflegte und geschickt an alte rheinisch-bergische Traditionen rund um die alte Herzogtumshauptstadt Düsseldorf anknüpfte, wie der am Ende der Düsseldorfer „Kö“ aufgestellte riesige jülich-bergische (Holz-)Löwe, in den Passanten gegen einen „Parteigroschen“ Kupfernägel zimmern konnten, symbolhaft dokumentierte. Und auch die 1935 erfolgte Umbenennung der von Florian 1930 initiierten NS-Tageszeitung „Volksparole“ – die im Übrigen mit der Anfang 1934 errreichten Auflagenhöhe von annähernd 200.000 Exemplaren knapp den „Westdeutschen Beobachter“ des Nachbargaus Köln-Aachen übertrumpfte und auch von daher durchaus als propagandistisches Erfolgsmodell gelten durfte – in „Rheinische Landeszeitung“ muss im Kontext dieser verklärenden Reminiszenzen und verkrampften Revitalisierung der jülich-bergischen Herzogswürdigkeit im Gebiet des Gaues Düsseldorf gesehen werden.
Andererseits bediente man mit Bedacht die nationalsozialistischen Mythen der „Kampfzeit“ und versuchte, wie im „Buch der deutschen Gaue“ von 1938 nachzulesen ist, von Beginn des „Dritten Reiches“ an den „Grenzgau“ Düsseldorf „mit dem Namen des Freiheitshelden Albert Leo Schlageter auf innigste“ zu verbinden. Dabei forcierte man den Kult um den in Schönau im Schwarzwald geborenen und auch dort beerdigten Freikorpskämpfers, zu dessen Ehren man bereits 1931 ein Denkmal eingeweiht und im Mai 1933 eine Gedenkkundgebung veranstaltet hatte, so sehr, dass die im Verlaufe der 30er Jahre immer häufiger gebrauchte Phrase „Düsseldorf, Schlageterstadt“ vom Regierungspräsidenten und vom Reichsminister des Innern ausdrücklich missbilligt wurde.
Dennoch trugen solche Aktionen wie auch die von Gauleiter Florian betriebenen „NS-Beratungsstellen“ ebenso zur Popularisierung des Regimes bei wie die große, vom 8.5. -17.10.1937 veranstaltete „Reichsausstellung Schaffendes Volk“, die zwar den Düsseldorfer Haushalt gnadenlos belastete und wegen des zeitgleichen „Esch-Skandals“ vom Volksmund als „Reichsausstellung Beiseite-Schaffendes Volk“ glossiert wurde, aber mit sieben Millionen Gästen und dem Besuch der gesamten NSDAP-Prominenz des Reiches zeigte, dass sich der Gau Düsseldorf als „Herz der rheinisch-westfälischen Wirtschaft und Industrie“, wie die Selbst-Charakterisierung im „Buch der deutschen Gaue“ lautete, verstand. Dieses Herz aber verbrannte in den seit 1942 nicht mehr verlöschenden Feuerstürmen des Bombenkrieges, und als die 97. US-Infanteriedivision am 17.4.1945 kampflos in die Gauhauptstadt Düsseldorf einmarschierte, waren Wirtschaft und Industrie des Gaues Düsseldorf zu Trümmerwüsten verkohlt.
Literatur
Düwell, Kurt, Regionalismus und Nationalsozialismus am Beispiel des Rheinlands, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 59 (1995). S. 194-210.
Fetkötter, Heinrich, Der Gau Düsseldorf, in: Das Buch der deutschen Gaue. Fünf Jahre nationalsozialistische Aufbauleistung, Bayreuth 1938, S. 203-211.
Der Gau Köln-Aachen im Vergleich zu einigen anderen Gauen sowie dem Reichsganzen. Strukturelle Feststellungen unter einigen grossen Gesichtspunkten [Manuskript, circa 1936].
Görgen, Hans-Peter, Düsseldorf und der Nationalsozialismus, Köln 1968.
Hüttenberger, Peter, Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP, Stuttgart 1969.
Hüttenberger, Peter, Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20. Jahrhundert) (Geschichte der Stadt Düsseldorf 3), Düsseldorf 1989.
Pommerin, Reiner, Die räumliche Organisation von Staat und Partei in der NS-Zeit, Köln 1992, Karte und Beiheft (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande. V/3).
Reichsorganisationsleiter der NSDAP (Hg.), Partei-Statistik. Stand: 1. Januar 1935, Band 3, München [1935].
Völkischer Verlag [Hg.], 4 Jahre Völkischer Verlag. Die NS-Presse im Gau Düsseldorf. Kampf und Aufbau, Düsseldorf [1938].
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Wallraff, Horst, Gau Düsseldorf, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/gau-duesseldorf/DE-2086/lido/623aefdec174a5.45310428 (abgerufen am 05.12.2024)