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2. 1 Burg
Das 1317 erstmals genannte castrum (I 4) wahrscheinlich durch die Herren von Bergheim (III 1) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (für in der Literatur genanntes Jahr 1272 gibt es keinen Beleg) im Zuge der gleichzeitigen Stadtbefestigung (II 2) erbaut. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts Amts- und Kellnereisitz (III 9), 1689 stark beschädigt, in jüngster Zeit restauriert (Gaststätte und Kursaal).
2. 2 Vorstädtische Entwicklung, Siedlungsentwicklung, Befestigung
Existenz einer Siedlung vor der Klostergründung (um 830, IV 5) nach den Ergebnissen der archäologischen Ausgrabungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria (Scherben des VIII. Jh. in einer Grube unter dem 1. Kirchenbau. Vgl. W. Sölter, Archäologische Ausgrabungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria zu Münstereifel. In: Chateau Gaillard II, Köln Graz 1967, S. 87-93, S. 88) gesichert. Funktion der karolingischen Befestigungsanlage auf dem Quecken (I 2) und ihre Beziehung zur 1 km erftaufwärts gelegenen Siedlung momentan aufgrund der bisher vorliegenden Grabungsergebnisse noch unklar.
Siedlungsmittelpunkt wurde noch im 9. Jahrhundert das unmittelbar westlich einer Erftkrümmung inmitten der durch Mauern, Palisaden und (mindestens) drei Tore gesicherten Immunität (1221 monasterium gen., IV 5 Katharinenkapelle, 1367 emunitas, G. Rotthoff, Die Urkunden des Archivs der Pfarrkirche St. Chrysanthus und Daria in Münstereifel, Euskirchen 1959, nr 9) gelegene Benediktinerkloster. Wahrscheinlich Befestigungsverlauf: vom Markt nach Westen zur Stadtmauer, dieser nördlich folgend bis zur Höhe der Einmündung der Straße in der Langenhecke auf den Klosterplatz, nach Osten abbiegend bis zur Altegasse, dieser südlich folgend bis zum Markt. Drei Tore am südlichen (Markt) und nördlichen Ende (Closter portz, LAV NRW R JB III R ME 104 a = 1580), des Teilstückes der den Klosterplatz querenden Straße in der Langenhecke und an der Altegasse (Pistorey Thor, StaME Akt 6/81 = 1751); umwehrtes Areal von circa 2 (von insgesamt circa 15) ha. Neben Stiftskirche, altem Abteigebäude und drei Kapellen (IV 5) 1688 insgesamt 18 Kanonikerhäuser innerhalb der Immunität (StaME 18/29 und 22/422; LAV NRW R JB II 4879; Jak. Katzfey, Geschichte der Stadt Münstereifel und der nachbarlichen Ortschaften, 1. Teil, Köln 1854, S. 77 f; K. Hürten, Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel, Münstereifel 1926, S. 2 f sowie die Pläne bei W. Gugat, Verfassung und Verwaltung in Amt und Stadt Münstereifel von ihren Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Bonn 1969 und W. Löhr, Kanonikerstift Münstereifel. Von den Anfängen der Stiftskirche bis zum Jahre 1550, Buskirchen 1969, wobei letzterer im Westen zu korrigieren ist).
Zwischen Klostersiedlung und Erft entstand der 898 privilegierte Markt (III 3), auf dem gegenüberliegenden rechten Ufer erwuchs auf dem sich nach Süden verbreiternden (150 m) Ufersaum zwischen Erft und östlichem Berghang die engbebaute bürgerliche Siedlung mit dem Entenmarkt (II 5) am engen (50 m) nördlichen Ausläufer und der Bürgerkirche St. Johann (IV 1) am Johannistor.
Nördlich der Immunität links der Erft gelegenes Viertel Werth wahrscheinlich jüngster Ausbau (rechtwinklige Straßenführung), hier neun der 11 (erstmals 1396 genannten, AHVN 55, 1892, S. 227 f) Burglehen (LAV NRW R JB III R ME 104 a). Die Stadt war in nach den vier Toren (II 3) benannte Türme (= Viertel, erstmals 1465 genannt, M. Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung, I. Bd., Münstereifel 1894, S. 149) unterteilt; eher Bezirks- als „Untergemeinden“- Funktion (Gugat, Verfassung, S. 144; Steuer und Verwaltung, z. B. Türkensteuer 1568 = StaME 16/1 und Schatz um 1650 = LAV NRW R ME Jesuiten Akt 12).
Zwischen den oppidum-Belegen von 1222 und 1299 (I 4) keine Siedlungsbezeichnung, 1222 vielleicht politisch (Prümer Anspruch gegen Ahrer Vögte, III 1 und Gugat, Verfassung, S. 37 ff) zu werten. 1252 Einlagerverpflichtung nach Münstereifel, (CDRhM II 148) wahrscheinlich Befestigungsbeginn ab Mitte des 13. Jahrhunderts, Mauerring umschließt Stadt in Form eines unregelmäßigen Fünfecks mit fast zwei gleichlaufenden Seiten in halber Höhe (280 und 290 m) der Talwände, Schmalseiten überqueren dazu rechtwinklig die Erft (Süden) und Talstraße (Norden). Nach Renard (Rhein. Städtebilder, S. 116) ist Münstereifel „das klarste und besterhaltene, freilich auch einzige Beispiel von systematischer Abmauerung eines ganzen Talabschnittes.“ (Riegelfunktion I 1)
Klostergründungen des 17. Jahrhunderts veränderten Stadtbild. Durch zwischen 1618-1670 insgesamt circa 50 (von insgesamt circa 370) aufgekaufte und niedergelegte Häuser Grundrissveränderungen im Bereich des Kapuzinerklosters (vier Häuser) im Werther Viertel und des Karmelitessenklosters (IV 5) am südwestlichen Ausläufer des Marktplatzes (circa 10 Häuser) im Heisterbacher Viertel sowie insbesondere auf dem Areal der Jesuitenniederlassung (33 Häuser und acht Gärten und Hausplätze, LAV NRW R ME Jesuiten Akt 12) im Viertel St. Johann, wobei je eine Häuserseite der Gassen auf der Dellen und am Teich sowie die Gasse am Voßbalch (II 5) ganz abgetragen wurde (vgl. hierzu insges. auch Scheins, Beiträge, S. 423 ff und Gugat, Verfassung, S. 158). In diesen Bereichen überliefert die Urkarte nicht den mittelalterlichen Grundriß, sondern den des ausgehenden 17. Jahrhunderts.
Die von Bärsch (ohne Beleg) stammende, von Katzfey ( Jak. Katzfey, Geschichte der Stadt Münstereifel und der nachbarlichen Ortschaften, 1. Teil, Köln 1854, S. 312 und Anm. 2) übernommene und bis in die Gegenwart (T. Hürten, Chronik Münstereifels in Daten von 1760-1816, Buskirchen 1969, S. 34) „fortgeschriebene“ Angabe von 3000 Einwohnern für 1627 ist demnach zu korrigieren. Orchheim mit ständig wachsender, St. Johann und Heisterbach mit ständig abnehmender Bebauungsdichte, im Viertel Orchheim wohnten 1744 die meisten Schöffen, Tuchscherer, Fuhrleute und Tagelöhner, Wollweber in Werth und Johann, Schuhmacher in Orchheim und Johann, hier auch Gerber, in Werth auch die meisten Leinenweber und Schuster; insges. Orchheim größtes, Heisterbach kleinstes Steueraufkommen.
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts bedeutsame (in der Urkarte von 1823) bauliche Veränderungen innerhalb des Stiftsbezirkes. 1752 Abbruch der Katharinenkapelle (IV 5) auf dem Friedhof unmittelbar südl. bis östl. der Stiftskirche (K. Hürten, Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel, Münstereifel 1926, S. 116), 1769 Abbruch der alten westlichen der Stiftskirche anschließenden Abteigebäude (ebda., S. 67), an ihrer Stelle 1777 Kapitelhaus erbaut, 1802 abgebrochen (ebda., S. 68), 1799 Abbruch des Pörzelings (Säulengang zwischen Stiftskirche und Markt, II 5) und der auf dessen Torgewölbe (am Markt) errichteten Michaelskapelle (StaME 8/66 und IV 5). 1808 Abbruch der westlich des Johannistores gelegenen Johanniskirche (StaME 20/6 b; vgl. hierzu und zum Folgenden Tafel 2, Grundriss).
Von den zahlreichen Überschwemmungen sind insbes. die von 1416 (T. Hürten, Chronik Münstereifels in Daten von 1760-1816, Buskirchen 1969, S. 11 ff) und 1818 zu nennen. Letztere hatte die Verlegung des Friedhofes innerh. der Immunität vor die Stadt, den Abbruch des Werckes am Erfteinfluß (II 5) und die Niederlegung einer Häuserzeile vor dem Jesuitengymnasium an der Erft zur Folge (Heimatkalender 1969, S. 145 f).
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts Ausbau des rechtwinkligen Straßennetzes im Norden der Stadt in Richtung auf den 1890 vor dem Werther Tor erbauten Bahnhof hin. Seit den 1920er Jahren Entwicklung des Kurviertels (städt. Kneipp-Kurhaus und Kurpark) insbesondere im südlichen Teil des Westhanges, Umgehungsstraße B 51 am Osthang und Freizeitangebote südlich der Stadt (Badeanstalt, Campingplatz und Tennisplätze). Mittelalterliche Befestigungsanlagen vollständig erhalten bzw. restauriert.
2. 3 Vier Stadttore
1470 Heysterbacher portzen (LAV NRW R ME Stadt Akt 5) im Südwesten
1471 Werder portzen (ebda.), Torburg (viereckiger Mittelturm mit zwei rechts und links anschließenden halbrunden Flankentürmen) im Norden und Ouchemer portzen (ebda.) = Orchheimer Tor im Süden
1473 sent Johans porzen (ebda.) = Johannistor im Osten
2. 4 Türme
Neben vier Ecktürmen zwei an der Nord-, drei an der Süd- und je vier an der West- und Ostseite der Stadtbefestigung = insgesamt 17 Türme. Erftein- und -ausfluß waren durch auf Brückenbogen errichtete Wehrtürme mit Hebevorrichtungen für Fallgatter (Werck und Schoßpforte, s. u.) gesichert. Türme vom Magistrat zum Teil an Bürger verpachtet, dann nach ihren Bewohnern benannt.
1475 Fanckturm (LAV NRW R ME Stadt Akt 5)
1550 sent Mychaels Turm (ebda.)
1551 Trappenturm (ebda.)
1606 Ho(e)nsturm (LAV NRW R ME Stadt Akt 6)
1661 Hessen Grietgens und Wolfsturm (M. Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung, I. Bd., Münstereifel 1894, S. 262 und 271)
1663 Keutgens und Elsigs Turm (ebda., S. 289)
1664 Kellers Turm (ebda., S. 299)
1671 Duppers Turm (ebda., S. 360)
1672 Leyen Peters Turm (ebda., S. 366)
1691 Stumbgassen- und Pulverturm (StaME 18/31)
1706 St. Rochusturm (ebda. 8/30)
1718 Wasenmeisterturm (ebda. 18/50)
1744 Schoßpfortenturm (ebda. 18/80)
1773 Schwabenturm (ebda. 18/111)
1775 Hexenturm (ebda. 18/113)
2. 5 Straßen, Plätze, Gebäude
Urriss der Siedlung durch (karolingischen) Klosterbezirk bestimmt, der von zwei parallel N-S verlaufenden Straßenzügen tangiert wird: der westliche (In der Langenhecke und in ,der Heisterbach) quert den Klosterbezirk, der östliche (Altegasse und Orchheimer Str.) führt an der östlichen Mauer vorbei erftaufwärts. Beide werden an der Südseite des Klosterbezirkes von einem dort zum Marktplatz verbreiterten Straßenzug gekreuzt, der außerhalb der jüngeren Stadtmauern im Westen nach Nöthen und im Osten zum Ahrtal führte (Marktplatz Straßenkreuzung); die übrigen Querstraßen Zugangswege zur Erfttalstraße (Altegasse und Orchheimer Str.)
Gebäude
Ältestes Haus: sogenanntes Romanis ches Haus (12. Jahrhundert) Ecke In der Langenhecke-Klosterplatz
1307 porticus (LAV NRW R ME Stift 34) = 1562 (M. Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung, I. Bd., Münstereifel 1894, S. 64) portzing = Pörzeling = nach dem Kirchhof innerhalb der Immunität geöffnete Säulenhalle (mit Begräbnisstätten vornehmer Familien) als Verbindung von der Stiftskirche (Westwerk) zum Markt mit Tor. Gewölbe (mit Michaelskapelle, IV 5) als Abschluss (K. Hürten, Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel, Münstereifel 1926, S. 14; vgl. auch II 6)
1476 Gewandthuis uff dem marte (LAV NRW R ME Stadt Akt 5) = erster Rathausbau des 14. Jahrhunderts, 1550 burger huyß gen. (StaME 8/1)
1476 spital (vgl. IV 6) up der Bach (LAV NRW R ME Stadt Akt 5)
1477 batstoiff auf dem Deich (LAV NRW R ME Stadt Akt 5)
1479 Fleischhalle am Markt (ebda.), 1662 Ratsbeschluss, die vor vielen Jahren verfallene Fleischhalle (1588 noch gen., M. Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung, I. Bd., Münstereifel 1894, S. 161) wieder aufzubauen (ebda., S. 285)
1487 Gaffel (= Schützenhaus, vgl. III 8) im Wehrturm am Werck (ebda., S. 295)
1550 Zweiter Rathausbau unmittelbar neben dem Gewandhaus am Markt, das newe huyß genannt (StaME 8/1)
1598 stadtgadtem (zweigeschossiges(Kauf)Haus auf dem Markt (gegenüber dem Rathaus) vom Magistrat an privaten Anlieger verkauft (LAV NRW R ME Stadt Akt 6)
1675 Farbhaus (der Tuchfärber) auf dem Deich (StaME 81 a)
1872 Rathausneubau am Klosterplatz (ebda. 22/244)
1886 städtisches Schlachthaus (vgl. III 2 Viehmärkte) erbaut (StaME 22/244)
Straßen und Plätze
Sehr schlechte Überlieferung, Ausbau des innerstädt. Straßennetzes wahrsch. XIV. Jh. abgeschlossen
1455 Stumpgasse (VI 2 b, S. 142) = 1823 Stumfgasse, heute Stumpfgasse
1465 zu Heysterbach (VI 2 b, S. 149) = 1470 Heysterbacher Str. (LAV NRW R ME Stadt Akt 5) = 1823 in der Heisterbach, heute Heisterbacher Str.
Außerdem:
1470 alde gasse, Entenmarkt = 1823 und heute Alte Gasse, Entenmarkt
1471 Oirchemer und Werder Str., Vnholde, uff dem Werck (vgl. II 4) = 1823 und heute Orchheimer und Werther Str. sowie Unnen- bzw. Unnaustr.
1472 uff dem Dijch, uff der Dellen, sent Johansgasse = 1823 auf dem Teich, auf der Dellen, Johann Str., heute Teichstr., Delle, Johannisstr.
1473 uff dem marte = 1823 Auf dem Markt, heute Marktstraße
1475 Langenhecken = 1823 In der Langenhecke, heute Langenhecke
1476 an dem Vuylputz (insges. LAV NRW R ME Stadt Akt 5) = 1580 Klostergasse (ebda. JB III R ME 104 a) = 1712 langs den Kapuzinern (StaME 18/44) = 1823 und heute Kapuziner Str. bzw. -gasse
1478 an deme Viehemarte, Keutenbreuwers gasse (LAV NRW R ME Stadt Akt 5), heute unbekannt, letztere viell. Kettengasse (s. u.)
1480 Gewanthusgasse (LAV NRW R ME Stadt Akt 5) = 1567 Fueffengasse (VI 2 b, S. 65) = 1823 und heute Fibergasse
1517 in der, an dem Voisbalch (ebda., S. 159), beim Bau der Jesuitenniederlassung eingezogen (II 2)
1531 Keutengasse (StaME Sebastianusbruderschaft) = 1823 und heute Kettengasse
1580 Borchgasse (LAV NRW R JB III R ME 104 a)
2. 6 Rechtsdenkmäler
1307 geistliches Gericht (Send) des Stiftsdechanten in porticu = Pörzeling (II 5)
1665 hölzerner Esel vor dem Rathaus neben dem Pfahl- und Schließstock aufgestellt (StaME 18/17)
1713 Trillhäusgen zur Bestrafung von Garten- und Felddiebstählen vor dem Karmelitessenkloster (neben dem Rathaus) am Markt errichtet (ebda. 18/45 f), 1716 auf Ersuchen der Nonnen versetzt (ebda. 18/49)
2. 7 Größe des umwehrten Areals
Westen-Osten circa 300 m, Norden-Süden circa 550 m = circa 15-16 Hektar
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Flink, Klaus, Rheinischer Städteatlas Münstereifel. Teil 2: Topographie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-muenstereifel.-teil-2-topographie/DE-2086/lido/5dea10fb9b8510.30924283 (abgerufen am 06.12.2024)