Zu den Kapiteln
Schlagworte
4. 1 Erste Erwähnung der Kirche/des Geistlichen
1254 plebanus (REK III 1799; vgl. Kottje, S. 81, 180)
1311 plebanus et decanus christianitatis nussiensis (Tücking, Einrichtungen, S. 331; REK IV 601)
1317 Äbtissin Lysa einigt sich mit den Kanonikern, darunter Lambert rector et plebanus ecclesie nostre, über die Teilung der Opfergaben vom Kreuzaltar (LAV NRW R N St. Quirin Urk 15 = REK IV 1006)
1414 rectoria ecclesie monasterii ..., que collegiata et parochialis existit (Sauerland VII 1044)
Der Ursprung der Pfarrei ist ungeklärt. Vermutlich entstand sie „im Zuge des karolingischen Ausbaus der ländlichen Pfarrorganisation, also um 800, wahrscheinlich aber schon erheblich früher“. Der ursprüngliche Eigentümer, der Kölner Erzbischof, könnte sie dem im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts gegründeten Benediktinerinnenkloster geschenkt haben. An der Stelle der karolingischen (Pfarr?)kirche entstand die Klosterkirche, in der auch der Gemeindegottesdienst stattfand. Für die Seelsorge dürfte die Äbtissin einen Weltgeistlichen berufen haben (Wisplinghoff IV, S. 4f.; IV 5 St. Quirin). Nach der Umwandlung des Klosters in ein Stift (1200) übernahm der Kanoniker, des dye weche was, die Pfarrseelsorge (Kottje, S. 81). Eine Neuregelung führte wohl vor 1254 Erzbischof Konrad von Hochstaden durch. Die Pfarrseelsorge wurde nun einem Kanoniker übertragen, der den Titel Pleban (Leutpriester) führte, dem jedoch weder der Name noch die Rechte eines Pfarrers zustehen sollten. Über eine Pfarrpfründe neben seinem Kanonikerbenefizium verfügte er nicht (Tücking, Einrichtungen, S. 59). Das Kollationsrecht lag nachweislich seit dem 14. Jahrhundert bei der Äbtissin (Kottje, S. 85). In den Jahren 1560 bis 1579 gab es offenbar keinen ordentlichen Pfarrseelsorger. Die Visitatoren des Erzbischofs, die 1569 das Einströmen protestantischer Flüchtlinge kritisierten, forderten darum die Inkorporation einer Präbende ad usum perpetui pastoris (Franzen, S. 284; Laux, S. 111)
1579 führt Erzbischof Gebhardt II. einen Vergleich mit der Stadt Neuss herbei, in dem sich Äbtissin und Stiftskapitel bereit erklären, der Pfarre ein Kanonikat zu inkorporieren; das Kollationsrecht der Äbtissin soll davon unberührt bleiben. Der hier so bezeichnete Pfarrer darf einen Kaplan anstellen, zu dessen Unterhalt die Stadt einen Beitrag zu leisten hat (StaN A.01 Urk 190; Tücking, Einrichtungen, S. 71-73; Kottje, S. 93f.). Die häufig zwischen Stadt und Stift umstrittene Frage der Verteilung der Baulast, die 1434 sogar das Baseler Konzil beschäftigt hatte, blieb weiterhin ungeklärt (ebd., S. 150f.; Wisplinghoff IV, S. 16)
Zur Baugeschichte vgl. IV 5 Baugeschichte von St.Quirin
4. 2 Patrozinium
1043 Quirinus. Fest am 30. April. Ein früheres Dionysiuspatrozinium kann nur vermutet werden (IV 5 St. Quirin)
4. 2 Altäre, Vikarien
Hochaltar und Schrein des hl. Quirinus
Die aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert stammende Nachricht, die Äbtissin Gepa habe 1050 die Gebeine des hl. Quirinus aus Rom übertragen, ist als Legende erwiesen (hierzu neuerdings H. Gilliam, Der heilige Quirinus in d. frühen Neusser Stadtgeschichte. In: Novaesium 2009, S. 65-98). Kottje (S. 25) vermutet, dass sie „um 1000“ nach Neuss gelangten. Der im Hoch- oder Quirinusaltar, vor dem die neuen Äbtissinnen ihren Eid leisteten, befindliche Schrein wurde 1585 von Anhängern des Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg zerstört. 1597 ließ Äbtissin Elisabeth Dobbe einen neuen Schrein anfertigen (Tücking, Einrichtungen, S. 58, 75f., 89, 119). 1667 gab Äbtissin Elisabeth Margarete von Bernsau einen neuen Quirinusaltar in Auftrag, in den ein von dem Kölner Christoph Engelhard gemaltes Bild eingesetzt wurde (ebd., S. 89). Nach der Säkularisation wurde 1806 der Stifts- oder Quirinusaltar abgebrochen. 1840 errichtete man nach einem Entwurf Ernst Friedrich Zwirners einen neuen Hochaltar aus weißem Marmor ()Bader, 1955, S. 186f.), 1904 durch einen von Wilhelm Mengelberg entworfenen Retabelaltar mit Baldachin ersetzt (I. Kähmer, Der Bildhauer Wilhelm Mengelberg – seine Altäre u. Kirchenausstattungen d. Historismus in Neuss u. Düsseldorf. In: DJb 77, 2007, S. 103-114).1900 fertigte der Aachener Goldschmied Bernhard Witte nach einem Entwurf von Wilhelm Felten und Karl Tücking einen neuen Quirinusschrein an (H. Hansen, Die Ausstattung d. St. Quirinuskirche zu Neuss im Laufe v. 9 Jahrhunderten. In: Almanach f. d. Kr. N 1982, S. 60f.). Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hochaltar zerstört. Altar und Sakramentshaus sind 1970-72 durch Ellmar Hillbrand neu gestaltet worden (Bader, 1978, S. 22). Der Quirinusschrein befindet sich heute in der Ostapsis
Kreuzaltar
1317 einigen sich Äbtissin und Kanoniker über die Teilung der Opfergaben am Kreuzaltar (REK IV 1006).
Der Kreuzaltar war für die Pfarrmesse bestimmt. Er befand sich im Mittelschiff vor dem Eingang zur Krypta. Er wurde 1806 durch einen neuen Hochaltar für den Pfarrgottesdienst in der Mitte des Hauptchors vor den Stufen, die zu dem alten Stiftsaltar führten, ersetzt (Tücking, Einrichtungen, S. 59, 119f., 313; Torsy, Weihehandlungen, S. 414).
Nebenaltäre, Vikarien
St. Quirin
1334 trifft Erzbischof Walram Bestimmungen über einen von dem verstorbenen Neusser Bürger Michael de Lyttore testamentarisch gestifteten Altar, der dann dem hl. Michael geweiht wurde. Das Präsentationsrecht für den rector perpetuus oder Vikar soll zu deren Lebzeiten der Witwe des Stifters zustehen, danach soll das Kollationsrecht bei der Äbtissin liegen. Die Lage des Altars ist ungeklärt (REK V 202; Kottje, S. 104f.)
1345 stiftet Äbtissin Katharina von Gennep einen Altar mit drei Messen wöchentlich, der sowohl als Passionsaltar als auch als Altar der Schmerzhaften Gottesmutter bezeichnet wird (ebd., S. 106)
1377 Altar des Evangelisten Johannes im Chor der Kanoniker erwähnt (ebd., S. 106f.)
1396 erste Erwähnung des den hl. Märtyrern Felix und Adauctus geweihten Altars im „Jungfernchor“ auf der Evangelienseite des Hauptaltars (ebd., S. 107)
1415 erste Erwähnung eines Sebastianusaltars (Sebastianus bild in dem Monster), vor dem die Meister der Sebastianusbruderschaft alle Sonn- und Heiligentage während der Kreuzmesse eine Wachskerze brennen lassen sollen. Das Kollationsrecht liegt beim Rat (Tücking, Einrichtungen, S. 68, 121f., 350; III 7 Quirinuswallfahrt)
1629 erwirken die nach Neuss gekommenen Observanten die Erlaubnis der Äbtissin, am Sebastianusaltar für sie Messe lesen zu lassen, solange sie keine eigene Kirche haben (Tücking, Einrichtungen, S. 217; Pfa St. Quirin Urk 85; IV 5 Franziskanerobservanten)
1448 stiftet die Äbtissin Klara von Moers einen Achatius-Altar. 1461 Stiftung einer Vikarie für diesen Altar, für die der Rat das Kollationsrecht besitzt (Tücking, Einrichtungen, S. 31f.; Kottje, S. 107-111)
1478 lässt Pfarrer Johann Kotte einen dem Pilgerpatron, dem Apostel Jakobus d. Ä., geweihten Altar errichten. Das Kollationsrecht steht zunächst der Äbtissin zu, nach 1522 nehmen es die Kanoniker in Besitz (ebd., S. 109)
1479 Vermächtnis des Pfarrers Johann Kotte für den Jodokusaltar in der Krypta, vor dem er begraben werden möchte. Das Kollationsrecht steht dem Rat zu (LAV NRW R N St. Quirin Urk 90; Tücking, Einrichtungen, S. 121; K. Remmen, Johannes Kotte – Ein Neusser Kleriker im späten 15. Jahrhundert. In: Novaesium 2005, S. 33-54)
1481 stiftet Äbtissin Jutta von Reifferscheid einen der hl. Dreifaltigkeit und der hl. Anna geweihten Altar, dessen Dienst die Kanoniker, denen dort das Kollationsrecht zusteht, versehen sollen (Tücking, Einrichtungen, S. 120f.; Kottje, S. 109f.)
Ab 1596 Erwähnung der Rektoren des Josephsaltars in der Krypta, Kollator ist der Rat (Tücking, Einrichtungen, S. 122)
Über die Stiftung weiterer in den Quellen genannter Altäre der Patrone Alexius, Antonius, Laurentius, Matthias, Nikolaus, Petrus, Remigius, Urban sowie über den sogenannten Bobbartsaltar gibt es keine genaueren Nachrichten. Möglicherweise haben einige dieser Patrozinien zu unter anderen Namen bekannten Altären gehört (vgl. Tücking, Einrichtungen, S. 119-123; Kottje, S. 104-111; Wisplinghoff IV, S. 106-110)
Kapelle des Gasthauses zum hl. Geist
1320 bestimmt Erzbischof Heinrich, dass in dem Neubau des Hospitals ein Altar errichtet wird. Er wurde dem hl. Achatius oder den 10.000 Märtyrern geweiht (REK IV 1160; Tücking, Einrichtungen, S. 283f.; IV 6 Hospital)
Nikolauskapelle
Neben dem Nikolaus- und dem Eligiusaltar besaß sie einen 1420 als neu bezeichneten Hieronymusaltar (Wisplinghoff IV, S. 32, 44)
Marienkapelle
1385 Wilhelm von Rees, Rektor der Marienkapelle, stiftet für deren Sakristei (Gerkammer) einen Magdalenenaltar (Tücking, Einrichtungen, S. 63, 65f.)
1457 wird der schon vor langer Zeit bestehende Altar zu den hl. Drei Königen durch ein Vermächtnis des Neussers Heinrich zum Hasen zu einen kirchlichen Benefizium erhoben. Es wird 1616 den Jesuiten übertragen (ebd., S. 62, 119)
Vor 1475 Gründung des Dreieinigkeitsaltars durch Johann Alberts; 1605 gelangt das Benefizium an die Jesuiten (ebd., S. 62f., 117)
1492 bestätigt der Generalvikar die Stiftung des Georgsaltars durch den Priester Konrad Greve. Nach der Zerstörung der Marienkapelle wird das Benefizium mit dem Jodokusaltar in der Krypta der Stiftskirche verbunden (Tücking, Einrichtungen, S. 63, 119)
Oberkloster (Augustinerchorherren)
Die 1583 zerstörte Kirche vor dem Obertor besaß einen Hauptaltar sowie acht Nebenaltäre (Wisplinghoff IV, S. 151). In der 1607 geweihten Kirche in der Brückstraße befanden sich vier Altäre; der Hauptaltar war Maria, den hl. Drei Königen und allen Heiligen, der mittlere dem Kreuz und allen Märtyrern, der zur Linken den Aposteln Petrus und Paulus und der zur Rechten dem hl. Augustinus und allen Bekennern geweiht. 1677 wurde ein tragbarer Altar (altare portatile) mit Reliquien der Gefährtinnen der hl. Ursula (societas s. Ursulae) aus St. Kunibert in Köln geweiht (Torsy, Weihehandlungen, S. 415)
Minoritenkirche
1399 Erwähnung des Märtyreraltars (LAV NRW R Berg Urk 924)
1442 Der Schöffe Dietrich von der Heghe verfügt testamentarisch, dass er vor dem Altar des Täufers Johannes begraben zu werden wünscht (ebd. N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 299v; vgl. Wisplinghoff IV, S. 213)
1505 wird die Eligiusbruderschaft an den Bartholomäusaltar verlegt (StaN B.01.10 Kopiar V 40 fol. 159). In einem Nebenchor besitzt die Kirche einen Marienaltar (Tücking, Einrichtungen, S. 214)
1607 Nach der Neuausstattung der Kirche wird der dem hl. Bartholomäus und dem hl. Franziskus geweihte Hauptaltar konsekriert (ebd., S. 215)
Klarissenkirche
1427 errichten die Testamentsvollstrecker Jakob von Gohrs genannt Vorman die von diesem gestiftete Vikarie am Katharinenaltar. Ihr Inhaber, den die Äbtissin und 2 Ratsherren zu präsentieren haben und der aus Neusser Familien kommen soll, hat dort wöchentlich 3 Messen zu lesen.
1789 sollen 2 kleinere, die Schönheit des Hauptaltars beeinträchtigende Altäre beseitigt, an geeigneterer Stelle wieder errichtet und neu geweiht werden (Torsy, Weihehandlungen, S. 416)
St. Michaelsberg
Vor 1475 besitzt der Konvent eine Kapelle und einen dem hl. Michael geweihten Altar (Wisplinghoff IV, S. 256)
Obertorkapelle
1475 Erwähnung der der Schmerzhaften Gottesmutter geweihten Kapelle im Obertor in der Chronik von Wierstraet (Wierstraet, S. 242; Tücking, Einrichtungen, S. 307f.)
Sebastianuskapelle, -kirche
1435 Weihe der den hl. Sebastianus und Antonius gewidmeten Altäre (Tücking, Einrichtungen, S. 246)
1491 wird die neu erbaute Kirche geweiht. Sie besitzt 4 Altäre, einen dem Herrenleichnam geweihten Hochaltar sowie Seitenaltäre zu Ehren des hl. Kreuzes, des hl. Antonius und der hl. Elisabeth (ebd., S. 248). Der heutige barocke Hochaltar stammt aus der Pfarrkirche St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim (www.kirche-des-monats.de)
Alexianerkapelle
(1504) errichten die Alexianer eine Kapelle mit einem dem hl. Alexius geweihten Altar (Tücking, Einrichtungen, S. 192; Wisplinghoff IV, S. 166)
Jesuitenkirche
1631 lassen die Jesuiten den Hauptaltar der von ihnen übernommenen Minoritenkirche abbrechen und durch einen 700 Rtl. teuren neuen Altar ersetzen. Die 2 großen Altarbilder zeigen die Anbetung Christi durch die hl. Drei Könige sowie seine Krönung im Himmel; sie werden eingerahmt durch Statuen des hl. Petrus und des hl. Paulus sowie des hl. Xaverius und des hl. Ignatius (Litterae Annuae, S. 61)
1787 wird die Kirche entsakralisiert. Die beiden noch brauchbaren Altäre Johannes des Täufers und des hl. Ignatius werden der Kirche in Gohr überlassen (Tory, Weihehandlungen, S. 415; Tücking, Einrichtungen, S. 274)
Observanten
1640 Weihe der 1639 fertiggestellten Kirche mit einem der Unbefleckten Empfängnis gewidmeten Hauptaltar sowie 2 Nebenaltären für den hl. Franziskus und den hl. Antonius.
1754 werden die Nebenaltäre unter Beibehaltung der Patrozinien durch neue ersetzt (Torsy, Weihehandlungen, S. 415f.)
Sepulchrinerinnen
(1662) werden Kirche und Altar dem hl. Johann Nepomuk geweiht (Tücking, Einrichtungen, S. 186)
1759 wird die neuerbaute (ex fundamentis exstructa) Kirche geweiht (Torsy, Weihehandlungen, S. 416)
4. 2 Kirmes- bzw. Kirchweihtermine
Vor 1339 Walburgistag (1. Mai), der Tag nach dem Quirinusfest (Lau, S. 114*; StaN B.01.03, 1493 fol. 52). Heute werden Quirinusfest und Maimarkt als Frühkirmes, die mit dem Schützenfest verbundene Kirmiss sancti Bartholomaei am letzten Wochenende im August als Spätkirmes bezeichnet (J. Lange, Bürger u. Bürgerssöhne, 1998, S. 14)
4. 3 Patronats- und Zehntherr
Der Kölner Erzbischof als der ursprüngliche Patronats- und Zehntherr hat seine Rechte vermutlich schon im letzten Drittel 10. Jahrhundert an die Äbtissin von St. Quirin abgetreten. Sie hatte sie bis 1802 inne.
4. 4 Kapellen
Marienkapelle
(1308) Capella b. Marie infra Nussiam (Liber Valoris, S. 69)
1419 capella b. M. v. oppidi nussiensis (Tücking, Einrichtungen, S. 61 Anm. 177)
Über Entstehungszeit, Erbauer und ursprüngliche Funktion der am Südwestende der Stiftsimmunität am Markt gelegenen einschiffigen gotischen Hallenkirche ist nichts bekannt. Ob sie eine Gründung der Bürgerschaft (so Lau, S. 4*, danach Remmen, Neuss, S. 202-205) oder des Stifts war, dessen Äbtissin über das Rektorat verfügte, muss offen bleiben. Als Pfarrkirche lässt sie sich nicht in Anspruch nehmen. In ihrem Chor tagte jedoch zeitweise das Sendgericht. Beim Stadtbrand von 1586 wurde sie zerstört (Wisplinghoff IV, S. 2-4, 28-31; zur Lage Tafel 4, Braun/Hogenberg). Möglicherweise gab es einen romanischen Vorgängerbau (S. Sauer, Die ehemalige Marienkirche am Neusser Markt. In: Almanach f. d. Kr. N 1988, S. 39-48)
Zu den Altären vgl. IV 2 Altäre
Zum Sendgericht vgl. III 1 Sendgericht
Nikolauskapelle
(1255/59) capella, que sita est juxta domum nostrum in opido Nusciensi (Lau, S. 36; vgl. IV 6 Hospital)
1302 Hartlevin rector capellae beati Nicolai in Nussia (Tücking, Einrichtungen, S. 333f.)
Die einschiffige Kirche war die Kapelle des an der Nordseite des Stifts gelegenen erzbischöflichen Hofes (Tafel 4, Braun/Hogenberg). 1586 wurde sie stark beschädigt und danach nicht mehr als Gotteshaus benutzt. Die Einkünfte überwies Kurfürst Ferdinand 1616 den Jesuiten. (Tücking, Neuss, S. 362f.; Tücking, Einrichtungen, S. 268; Kubach/Verbeek, S. 836; Wisplinghoff IV, S. 31f.)
Kamperhofkapelle
(1295) Errichtung einer Kapelle in der Neusser Kurie (REK III 3454; Eckertz, Fontes II, S. 366; Tücking, Einrichtungen, S. 138; IV 5)
Hospitalkapelle
1320 Erwähnung eines zu errichtenden Altars (REK IV 1160; vgl. IV 6 Hospital)
Barbarakapelle beim Leprosenhaus
1414 vermacht der Neusser Bürger Hilger Kamp dem Rektor des Leprosenaltars 6 solidi (Tücking, Einrichtungen, S. 295f.)
Obertorkapelle
1424 erste Erwähnung als Ort der Liebfrauenbruderschaft (LAV NRW R N Gnadental Urk 45; III 7)
Korneliuskapelle
1573 stattet die Schwester des Wilhelm von Reuschenberg, kurkölnischen Lehnsträgers, die Kapelle zugunsten der Neusser Minoriten mit 94 ¾ Mg Land aus. (50 Jahre N-Reuschenberg 1932-1982, 1982, S. 166)
1628 überweist Kurfürst Ferdinand sie den Jesuiten (Tücking, Einrichtungen, S. 268f.)
1730 lässt das Jesuitenkolleg der Kapelle ein neues Aussehen geben. Der Hauptaltar erhält ein Bild des hl. Kornelius, für die 3 Nebenaltäre werden Antependien beschafft (Litterae Annuae, S. 262)
1912 geht die Kapelle in den Besitz der Stadt über (Brandts, Selikum 127)
1944 wird sie schwer beschädigt. 1950 wird ein Neubau errichtet (W. Godde, Die Wallfahrt z. Kornelius-Kapelle in Neuss-Selikum, 1990, S. 24)
Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die Kapelle im 13. Jahrhundert als Eigenkirche des Selikumer Rittersitzes errichtet wurde. Das Alter des Patroziniums ist ungeklärt (Godde, S. 14-17)
Kapelle des Gesellenhauses
1910 nach einem Entwurf von Peter Behrens errichtet, wird sie nach dem Zweiten Weltkrieg in den Neubau des Quirinus-Gymnasiums einbezogen (Dehio NRW I, S. 1007)
4. 4 Pfarrbezirk
Der Pfarrbezirk umfasste die Stadt und den Burgbann (III 4); nur die Häuser an der Grimlinghauser Erftbrücke gehörten zur Cyriakuspfarrei Grimlinghausen, der Nierenhof bei Selikum zur Martinuspfarrei Holzheim (Tücking, Neuss, S. 299; J. Lange, 100 Jahre Katholische Pfarrgemeinde St. Marien zu Neuss 1896-1996, 1996, S. 7; zur ungeklärten Frühgeschichte der Pfarrei vgl. IV 1). 1803 Kantonalpfarrei mit den Sukkursalen (Hilfspfarreien) Holzheim, Grefrath, Glehn, Norf, Rosellen, Kaarst, Büttgen, Büderich, Heerdt, Grimlinghausen, Uedesheim (E. Kahlenborn in: AHVN 92, 1912, S. 35). Die Bevölkerungszunahme seit dem 19. Jahrhundert führte zur Erschließung neuer Wohnflächen und erzwang die Gründung neuer Seelsorgebezirke. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden folgende Pfarreien
1896 Genehmigung des Rektorats St. Marien als eigenständiger Seelsorgebezirk im nördlichen Stadtgebiet, im Bahnhofsviertel. 1898 Erhebung zur Pfarrei. 1902 Weihe der nach Plänen von Julius Busch als dreischiffige Hallenkirche errichteten Marienkirche. Nach Kriegszerstörung ab 1949 nach Plänen von Willy Weyres in vereinfachter Form wieder aufgebaut (J. Lange, 100 Jahre Katholische Pfarrgemeinde St. Marien zu Neuss 1896-1996, S. 11f.)
1911 wird der Seelsorgebezirk hl. Dreikönige südlich des Nordkanals zum Rektorat, 1915 zur Pfarrei erhoben. Die nach Plänen von Eduard Endler erbaute dreischiffige Dreikönigenkirche wird 1915 konsekriert.
1933 Weihe der Kirche St. Barbara als Filialkirche von St. Marien. Architekt Hermann Schagen. 1953 Rektoratspfarrei, seit 2005 wieder Filialkirche von St. Marien.
1938 Gründung der Rektoratspfarrei St. Konrad in Neuss-Gnadental. 1957 selbstständige Kirchengemeinde. Konsekration der Kirche St. Konrad 1958. Architekt Gottfried Böhm.
1939 Gründung der Rektoratspfarrei St. Elisabeth in Reuschenberg. 1951 Erhebung zur Pfarrei sowie Konsekration der Kirche St. Elisabeth. Architekt Fritz Johannbroer.
1955 erst kann die schon vor dem Ersten Weltkrieg angeregte Gründung einer Rektoratspfarrei in der Nordstadt verwirklicht werden. Fertigstellung des Gotteshauses 1955. Architekt Alfons Leitl. 1960 Konsekration der Pfarrkirche Christ König.
1962 wird auf Antrag der Pfarrei St. Elisabeth die Pfarrgemeinde St. Hubertus in Neuss-Reuschenberg gegründet. Konsekration der Kirche 1962. Architekt Ernst Schiffer.
1966 entsteht die Pfarrei St. Pius X. mit der von den Architekten Margot und Joachim Schürmann entworfenen Kirche.
1966 Gründung der Rektoratspfarrei St. Thomas Morus in Neuss-Vogelsang. 1973 Konsekration der Kirche. Architekt Norbert Hartmann.
1967 Gründung der Rektoratspfarrei Heilig Geist in Neuss-Weißenberg. 1973 Weihe der Kirche. Architekt Nikolaus Rosiny.
**1979 **Gründung der Pfarrei St. Kornelius. Weihe der Kirche 1980. Architekt H. J. Lohmeyer.
Heute sind die Neusser Kirchengemeinden zu Seelsorgebereichen oder Pfarrverbänden zusammengeschlossen. Den Seelsorgebereich Neuss-Nord bilden die Kirchengemeinden Christ König, St. Thomas Morus, Heilig Geist und St. Joseph, den Seelsorgebereich Neuss-Mitte Hl. Dreikönige, St. Marien, St. Pius X. und St. Quirinus, den Seelsorgebereich Nord-Rund um die Erftmündung St. Konrad, St. Cornelius, St. Cyriakus, St. Martinus Uedesheim, den Seelsorgebereich Neusser Süden St. Peter Hoisten, St. Andreas, St. Peter Rosellen, St. Paulus, zum Seelsorgebereich Neuss West/Korschenbroich gehören St. Stephanus, St. Martinus Holzheim, St. Elisabeth und St. Hubertus (Angaben nach Lange; Ch. Frommert, 50 Jahre Pfarrgemeinde Christ König in Neuss, 1955-2005, 2005; J. Metzdorf, „Der Macht der Finsternis trotzen“. Zur Konsekration d. Neusser Barbarakirche am 13. Juni 1933 im Kontext d. Reichskonkordats. In: Novaesium 2008, S. 61-79; Handbuch d. Erzbistums Köln, 26. Ausg., Bd. 2, Köln 1966; Dehio NRW I, S. 1005-1007; Institutions-Schematismus f. d. Erzbistum Köln 2009 www.erzbistum-koeln.de; www.meinestadt.de/neuss; zu den Kirchenbauten vgl. U. Glasmacher, Katholische Kirchen d. Nachkriegszeit in Neuss. In: N.er Jb 2002/2003, S. 78-85; H. Körner/J. Wiener (Hg.), Frömmigkeit u. Moderne. Kirchenbau d. 20. Jh. an Rhein u. Ruhr, 2008, S. 108-111, 224-228)
4. 4 Bistums- und Dekanatszugehörigkeit
Erzbistum Köln, Dekanat Neuss. Dieses unterstand dem Kölner Domdekan als Archidiakon und war wohl dem Stift St. Quirinus verliehen (Kottje, S. 96f.). Dekan war spätestens seit dem 15. Jahrhundert in der Regel der Pleban (IV 1). Nach dem Liber Valoris gehörten zum Decanatus Nussiensis Pfarreien rechts und links des Rheins (Liber Valoris, S. 64-69). 1621 verlor das 68 Pfarreien umfassende Dekanat die 31 rechtsrheinischen Pfarreien (Molitor, S. 295, 316; Hegel, IV, S. 144; Binterim/Mooren 2II, S. 437f. mit falschem Datum)
1802-21 Bistum Aachen, 1821 Erzbistum Köln, 1827 Dekanat Neuss, aufgeteilt seit 1850 in 2 Definitionen mit insgesamt 20 Pfarreien (Tücking, Einrichtungen, S. 315; Bär, Behördenverfassung, S. 512-534; Statistik u. Hand-Adreßbuch d. Rheinprovinz f. d. Jahr 1842 <Avenarius>, S. 247). 1956 Teilung des Dekanats Neuss in die Dekanate Neuss-Nord und Neuss-Süd; heute Dekanat Neuss/Kaarst mit insgesamt 26 Kirchengemeinden (Handbuch d. Erzbistums Köln, 26. Ausg., Bd. 2, 1966, S. 406-423; Neuss im Wandel, S. 348; Hegel, V, S. 182-187; Institutions-Schematismus f. d. Erzbistum Köln 2009 www.erzbistum-koeln.de)
4. 5 Klöster und Stifte
4. 5 Kloster und Stift St. Quirin (letztes Drittel 10. Jahrhundert-1802)
An der Stelle eines archäologisch nachgewiesenen spätantiken Baus, möglicherweise einer Memorialkapelle (Cella memoriae) (kritisch hierzu S. Ristow, Frühes Christentum im Rheinland, 2007, S. 98-102), und einer karolingischen, vielleicht St. Dionysius geweihten Kirche (S. Sauer, Hl. Dionysius oder Quirin? Zur Frage d. ersten Patroziniums. In: Quirinus, S. 147-155) wurde wohl im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts die St. Quirinus geweihte Kirche eines Benediktinerinnenklosters errichtet (Kottje, S. 19, 39f.; H. Borger, Die Anfänge d. mittelalterlichen Stadt Neuss. In: Neusser Jb 1965, S. 19-22; O. Engels, Klöster u. Stifte v. d. Merowingerzeit bis um 1200 <Geschichtl. Atlas d. Rheinlande, Beiheft IX/2>, 2006, S. 65f.). Während dessen Gründung durch ein Ehepaar aus dem klevischen Grafenhaus eine Legende ist, auch das Grab im südlichen Seitenschiff einem Gründer nicht eindeutig zugewiesen werden kann (Remmen, Neuss, S. 129), bleibt es umstritten, ob sie dem Erzbischof von Köln (so Kottje, S. 8f.) oder einem Adligen, dessen Erbe „sehr bald“ die Erzbischöfe übernahmen (so Wisplinghoff I, S. 40f.), zuzuschreiben ist.
1043 Kaiser Heinrich III. schenkt ecclesie de Nvissi in honore beati Quirini martiris constructe einen Hof in Boppard (I 3).
(1050) Lantberts „Vita Heriberti“ berichtet, kurz vor seinem Tod (1021) habe Erzbischof Heribert portum Nussiae, celebrem beati Quirini martyris merito et nomine aufgesucht (I 3).
(1220) Der Neusser Kanoniker Radbodo bezeugt, dass die geistliche Beaufsichtigung der monialium Nuxiensium dem Abt von Gladbach zusteht (E. Brasse, Urkunden u. Regesten z. Geschichte d. Stadt u. Abtei Gladbach, 1914, Nr. 69).
(1200) wird, wie Kottje (S. 49) wahrscheinlich macht, die Umwandlung des Benediktinerinnenklosters in ein Stift vollzogen. Der erste urkundliche Beleg stammt erst von 1349 (Tücking, Einrichtungen, S. 26; Kottje, S. 50)
1548 beschließt das Kapitel in Fortschreibung älterer Statuten Statuta ecclesiae utriusque sexus collegiatae Novesiensis, die offenbar der Wiederherstellung der Ordnung dienen sollen (LAV NRW R N St. Quirin Akt 1 fol. 45-64; vgl. Tücking, Einrichtungen, S. 40-47)
1556 wird die Zahl der Kanonissen, die im 14. und 15. Jahrhundert durchweg 15 betragen haben dürfte, auf 20 beschränkt, liegt im 16. Jahrhundert gelegentlich darüber, später belief sie sich wohl auf 10-12; seit Mitte des 14. Jahrhunderts mussten sie aus dem niederen ritterbürtigen Adel stammen, während die Äbtissinnen bis zum E des Mittelalters meist aus dem hohen Adel kamen. Die Zahl der für die Seelsorge zuständigen Kanoniker betrug 1188 4, seit 1317 7. Weder die Stiftsdamen, denen jährlich ein mehrwöchiger Urlaub zustand, noch die ebenfalls urlaubsberechtigten Kanoniker, die nicht selten noch Pfründen außerhalb von Neuss besaßen, waren ständig anwesend (Wisplinghoff IV, S. 64-73)
Schenkungen des unbekannten Gründers, Kaiser Heinrichs III., der Kölner Erzbischof, der Kanonissen sowie niederer Adliger führten dazu, dass St. Quirin (1500) seinen vermutlich größten Besitzstand erreichte, der in den folgenden Jahrhunderten wohl wieder zurückging, den Insassen aber meist ein auskömmliches Leben ermöglichte (Kottje, S. 123-143; Wisplinghoff IV, S. 91-98; III 1 Grundherrschaft Stift St. Quirin). Einkünfte flossen dem Stift auch aus den ihm inkorporierten Kirchen zu, an denen der Äbtissin das Kollationsrecht zustand (vgl. Kottje, S. 99-104; Wisplinghoff IV, S. 98-100). Bei der Aufhebung des Stifts am 21. September 1802 gehörten ihm noch 7 Kanonissen und 6 Kanoniker an (W. Löhr, Die Säkularisation d. Stifts St. Quirin. In: Quirinus, S. 187-189)
Baugeschichte von St. Quirin
Wohl im 9. oder 10. Jahrhundert wurde über einer dreischiffigen karolingischen Kirche ein dreischiffiger Neubau mit einer Krypta errichtet. Mitte des 11. Jahrhundert erfolgte der Neubau des Chores und einer darunter liegenden nunmehr fünfschiffigen Krypta. Später, wohl (1100), erhielt die Krypta aufwändigere Schmuckformen an Säulen und Kapitellen. Danach erfolgte ein Neu- oder Umbau des Langhauses. Der Kreuzgang an der Nordseite der Kirche ist vermutlich nach 1050 entstanden. An seine Ost-, Nord- und Westseite lehnten sich die Wohngebäude an. Der wohl zunächst von einem Graben umgebene Immunitätsbezirk wurde im 11. Jahrhundert durch eine Mauer eingeschlossen, die man im 13. Jahrhundert wieder beseitigte. Ende des 11. Jahrhunderts wurde ein Westbau mit 2 Türmen in Angriff genommen, der jedoch unvollendet blieb. Denn 1209 legte Meister Wolbero, wie ein Urkundenstein an der Innenseite des Südportals angibt, den Grundstein für einen Neubau der nun wohl in ein Stift umgewandelten Kirche, bei dem nur Teile der jetzt erweiterten Krypta erhalten blieben. Zunächst wurden das Langhaus, der Westbau mit dem Westmittelturm, die Vierung und vermutlich auch der Dreikonchenchor gebaut. Vollendet war der Bau mit seinen spätromanischen und frühgotischen Stilelementen (1240). An der Nordseite des Hauptturms ließ Äbtissin Jutta von Reifferscheid (gestorben 1485) nach 1481 eine Annakapelle errichten. Bei einem Brand im Jahre 1741 wurde die Kirche stark beschädigt; danach nahm man einschneidende bauliche Veränderungen vor. Der zerstörte gotische Spitzhelm des Westturms wurde durch ein flaches Pyramidendach ersetzt; die 4 Ecktürme des Kleeblattchors, die Giebel des Chors und der Kreuzarme sowie die 2 Zwerchgalerien der Apsiden wurden nicht wieder hergestellt. Der Vierungsturm erhielt nun ein Kuppeldach, das ein Standbild des hl. Quirinus krönte. Nach der Säkularisation des Stifts brach man den Kreuzgang und die Stiftsgebäude ab. 1853 brachte man an der Westfassade Sandsteinskulpturen der Apostelfiguren Petrus und Paulus von Julius Bayerle an. Bei der 1898/99 nach Plänen von Julius Busch durchgeführten Restaurierung des Kleeblattchores hat man die 4 Flankentürme, die Zwerchgalerien, die Dächer und Giebel rekonstruiert. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Ostkonche und die Gewölbe des Kleeblattchores zerstört. Der Wiederaufbau wurde 1950 abgeschlossen. Von der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ausstattung haben sich neben Resten des Chorgestühls des 15. Jahrhunderts mit bemerkenswertem Schnitzwerk ein Gabelkruzifix von (1360), eine Standfigur der Mutter Gottes von (1420) sowie verschiedene barocke Kunstgegenstände erhalten. Die Ausmalung von Chor und Kuppel 1806-08 durch Peter Cornelius wurde 1838 wieder beseitigt. Die östlichen Wände der Kirche versah Franz Ittenbach 1859-64 mit Heiligendarstellungen. 1938 erfolgte die Farbfassung des Innenraums in Anlehnung an spätromanische Vorbilder; ab 1986 Gesamtrestaurierung (Clemen, S. 66-85; Bader, 1955; Bader, 1979; Borger, Anfänge, S. 23-27; Kottje, S. 109f.; Kubach/Verbeek, S. 827-836; G. Binding, Vorromanische Kirchenbauten <Geschichtl. Atlas d. Rheinlande, Beiheft XII/3>, 1996, S. 56; S. Sauer, Die ehemalige Marienkirche am N.er Markt. Baugeschichtliche Untersuchungen 1986/87 mit einem Beitr. z. Befestigung d. Neusser Immunitätsbezirks. In: Almanach f. d. Kr. N 1988, S. 39-48; Dehio NRW I, S. 999-1005; S. Sauer, Verborgene Reste d. Damenstifts v. St. Quirin. In: Jb f. d. Kr. N 2002, S. 40-49; zur Lage vgl. Tafel 4, Braun/Hogenberg)
4. 5 Oberkloster (Reguliertes Augustiner-Chorherrenstift) (1181-1802)
1181 bekundete Erzbischof Philipp von Heinsberg, dass er gottesfürchtigen Männern priesterlichen Standes, die sich zu einer brüderlichen Gemeinschaft (fraterna societas) zusammengeschlossen haben, in suburbio Nuxiae einen Wohnplatz auf erzbischöflichem Grund angewiesen habe. Den von ihnen gewählten Sigewinus setzte er als Propst ein. Diesen stattete er mit 5 Mg Land und einer Armenspende, die Brüder (communes) mit unter anderem 100 Mg Land aus. Die Lage des Klosters wenige 100 Meter vor dem Obertor verschaffte ihm die volkstümliche Bezeichnung „Oberkloster“ (REK II 1160; Annales, Sp. 556f.; O. Engels, Klöster u. Stifte v. d. Merowingerzeit bis um 1200 <Geschichtl. Atlas d. Rheinlande, Beiheft IX/2>, 2006, S. 66). 1335 stellte Erzbischof Walram preposito et [capitulo] ecclesie regularis b. Marie extra muros Nussienses eine Urkunde aus (REK V 297). Im 14. Jahrhundert ist ein Verfall der Klosterzucht und, vielleicht dadurch bedingt, der ökonomischen Lage festzustellen.
1398 begannen mit der Übersiedlung einiger Brüder aus dem Kloster Zwolle nach Neuss Reformen im Sinne der Devotio moderna. 1402 wurde Johann von Pütz aus Zwolle Propst. Unter ihm entwickelte sich das Kloster seit 1407 zum Zentrum eines Klosterverbandes, dessen Statuten Erzbischof Friedrich III. 1412 bestätigte (Sauerland VII 935). 1430 schloss sich das N.er Kapitel der Windesheimer Kongregation an (Annales, Sp. 600f.). Der Propst nannte sich nun als Zeichen der Demut Prior. 1474 schlug Karl der Kühne sein Hauptquartier im Oberkloster auf. Im Kölnischen Krieg mussten die Regulierherren 1583 auf Drängen des Rats in das Minoritenkloster umziehen, während ihre Klostergebäude, die dem Feind als Stützpunkte hätten dienen können, zerstört wurden (vgl. Tafel 6, Plan der Umgebung 1586, dort als zerbrochen closter eingezeichnet). 1585 zogen sich die meisten Kanoniker in das Kölner Kloster Herrenleichnam zurück. Nach ihrer Rückkehr konnte erst ab 1603 ein neues Kloster an der östlichen Seite der Brückstraße errichtet werden, dessen Kirche 1607 geweiht wurde. Die 1622 aufgrund falscher Anschuldigungen vom Papst angeordnete Aufhebung der Kanonie wurde erst 1628 rückgängig gemacht. Nach der Aufhebung 1802 wurde die Kirche abgebrochen und im Kloster zunächst eine Heeresbäckerei, später eine Ölmühle eingerichtet.
Insassenzahlen: Nach den von Prior Werner Breuer aus Titz verfassten Jahrbüchern (Annales Novesienses) war das Kloster für 15 Insassen gegründet worden (ebd. Sp. 556); 1335 sollte die Zahl auf 8 herabgesetzt werden (ebd. Sp. 585). In der Neuzeit dürfte sie in der Regel 12 nicht überschritten haben.
Baugeschichte: Das 1583 zerstörte Kloster bestand aus einer einschiffigen Kirche mit einem Querhaus. An sie lehnte sich das als ambitus (Kreuzgang) bezeichnete anscheinend zweigeschossige Klostergebäude an; parallel dazu lag ein zweigeschossiges Haus, das wohl Anfang des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. Die 1607 geweihte Kirche war einschiffig; das geräumige zweigeschossige Konventsgebäude schmückten 2 dreigeschossige Türme mit Zwiebelhauben (Tücking, Einrichtungen, S. 149-171; Wisplinghoff IV, S. 120-153).
4. 5 Kamperhof (12. Jahrhundert-1802)
1128 werden Kamper Zisterziensermönche in Neuss erwähnt. Vermutlich noch im 12. Jahrhundert erwarb die Abtei einen Hof in Neuss (Tafel 4, Braun/Hogenberg). 1573-84 Aufenthalt des Abtes und einiger Mönche in Neuss, die 1585 nach Köln flohen. Die 1629 von Kufürst Ferdinand erteilte Genehmigung, die Abtei nach Neuss zu verlegen, scheiterte; die Kurie blieb zeitweiliger Rückzugsort für einzelne Mönche (Tücking, Einrichtungen, S. 138-141)
4. 5 Minoritenkloster (1234-1615)
Nach einer Inschrift in der Sakristei der 1788 abgebrochenen Neusser Franziskanerkirche kamen die Minoriten 1234 nach Neuss (zur Lage vgl. Tafel 4, Braun/Hogenberg). Der erste namentlich bekannte prior nodatorum Nusiensium, Hendenricus, ist 1236 bezeugt (NrhUB II 211). 1237 wird die ecclesia fratrum minorum in Neuss erwähnt (H. Schubert <Hg.>, Urkunden u. Erläuterungen z. Geschichte d. Stadt Mülheim an d. Ruhr <776-1508>, 1926, S. 30). Die Existenz mehrer Bruderschaften an ihrer Kirche (III 7) und Legate der Bürgerschaft zeigen, dass die seelsorgerischen Dienste der Minoriten geschätzt waren. Die Mitgliederzahl der Niederlassung war allerdings gering. Das Visitationsprotokoll von 1569 vermerkt, dass Guardian und Lektor über fehlenden Nachwuchs klagten (Franzen, S. 289)
Die zwischen der Oberstraße, der heutigen Mühlenstraße und der heutigen Rottelsgasse gelegene Klosteranlage, deren zunächst einschiffige Kirche Ende des 13. Jahrhunderts um ein Seitenschiff erweitert wurde, übernahmen 1615 die Jesuiten, nachdem Kurfürst Ferdinand die Minderbrüder aus Neuss abberufen hatte; der Guardian und 3 Brüder siedelten in das Kölner Mutterhaus über (Tücking, Einrichtungen, S. 212-216; Wisplinghoff IV, S. 209-221)
4. 5 Abtei Gnadental (vor 1250-1802)
Vor der Mitte des 13. Jahrhunderts gründete der Ritter Hermann von Forst, Truchsess des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden, ein Frauenkloster in Gnadental an der Südostgrenze des Neusser Burgbanns, das nach der Benediktinerregel lebte ((REK III 1560, 1798, 1799); zur Lage vgl. Tafel 6, Plan der Umgebung 1586; Tafel 2, Uraufnahme). 1252 beauftragte der päpstliche Legat Hugo von St. Sabina den Abt von Heisterbach, das Kloster auf Wunsch von Priorin und Konvent dem Zisterzienserorden zu inkorporieren. 1310 stimmte das Generalkapitel des Ordens förmlich zu (F. Schmitz <Bearb.>, Urkundenbuch d. Abtei Heisterbach, 1908, Nr. 123, 222) . Seit dem späten 13. Jahrhundert unterstand der von Heisterbacher Priestern betreute Konvent einer Äbtissin. Die nicht sehr reich ausgestattete Abtei, zu der eine einfache einschiffige, der Mutter Gottes geweihte Kirche gehörte, erlitt im Neusser und im Kölnischen Krieg erhebliche Schäden. Die Insassenzahl scheint bei maximal 25, in der Regel bei etwa 10 gelegen zu haben. Nach der Aufhebung der Abtei 1802 wurde die Kirche abgerissen, Kloster und Wirtschaftsgebäude wurden verkauft (Tücking, Einrichtungen, S. 141-148; Wisplinghoff IV, S. 193-198; zu den Klostergebäuden S. Sauer, Zur römischen u. klösterlichen Vergangenheit v. Gut Gnadental. In: Jb f. d. Rhein-Kr. N 2006, S. 16-23)
4. 5 Klarissenkloster (1283-1802)
1283 bestätigte Erzbischof Siegfried von Westerburg die Gründung des Klarissenklosters (monasterium sanctmonialium ordinis clare) im Hause des 1242 gestifteten, jedoch nicht zustande gekommenen Hospitals durch die Witwe Wendemůde von Cothausen und ihre Söhne Hermann und Johann (REK III 3003; Tafel 4, Braun/Hogenberg). Die geistliche Betreuung lag meist in den Händen von Minoriten. Durch den bei der Rückeroberung von Neuss durch Alexander Farnese 1586 entstandenen Stadtbrand wurden Kirche und Klostergebäude weitgehend zerstört, aber bald wieder aufgebaut. Nach der Besetzung der Stadt durch die Hessen 1642 fanden die Nonnen zeitweise in Düsseldorf Zuflucht. Die ziemlich umfangreiche Klosteranlage an der Nordseite der Klarissenstraße verfügte über eine schlichte einschiffige Kirche, deren Chor an die Oberstraße stieß.
Insassenzahlen: Nach einer Anordnung von Papst Bonifaz VIII. von 1296 durfte das Kloster mehr als 30 Personen aufnehmen (Sauerland I 30). Im 17. Jahrhundert scheint es zeitweise 33 Insassen gehabt zu haben. 1788 beherbergte es noch 14 Konventualinnen und eine Laienschwester. 1802 wurde das Kloster aufgehoben, die Kirche 1806 abgerissen (Tücking, Einrichtungen, S. 224-235; Wisplinghoff IV, S. 222-252)
4. 5 Beginenkonvente (1328-1802)
Zwischen 1308 und 1313 werden 3 in Neuss lebende Beginen erwähnt (Tücking, Urkunden 34, 38, 40). 1328 ist ein Beginen konvent an der Oberstraße belegt (Brandts, Falkenstein 84). Aus einem Testament von 1384 geht hervor, dass es damals in Neuss 4 Beginenkonvente gab, von denen 3 namentlich bekannt sind, der 1343 bezeugte Beginenkonvent an der Oberstraße gegenüber den Minoriten, der nach seinem mutmaßlichen Stifter auch Udemans-Konvent genannt wurde und vielleicht mit dem 1328 erwähnten identisch ist, der nur 1356 erwähnte Fulmans Convent an der Oberstraße sowie der 1365 zuerst erwähnte sog. Hunenkonvent (conventus beginarum dictus hunenkonvent) (Brandts, Falkenstein 228; Tücking, Einrichtungen, S. 235f., 285f.). Da der Udemans-Konvent 1382 als der neue Konvent bezeichnet wurde, könnte der vielleicht nach einem Mitglied der Familie Hune oder Huno benannte Hunenkonvent schon (1300) entstanden sein (Lau, S. 56, 462). Nach einer Urkunde von 1365 lag er an der Straße Hinterhoven (retro curias) (LAV NRW R N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 94). Hierin könnte ein Hinweis auf die ursprüngliche Lage des Konvents liegen, da in Urkunden von 1376 und 1388 von dem Hunen Convent an der Oberstraße die Rede ist (Brandts, Falkenstein 347, 408)
Der Udemans-Konvent unterstand einer als Mutter (Matersche) oder Meisterin bezeichneten Leiterin, die von der Stiftsdechantin bestellt wurde. Einen Anschluss an einen Orden hat er nicht vollzogen. Nach den Statuten von 1773 sollte er aus höchstens 7 Schwestern bestehen (StaN B.02.01, VII, Nr. 86; Tücking, Einrichtungen, S. 285-291; Wisplinghoff IV, S. 323f.)
4. 5 Kloster St. Michaelsberg (1418-1802)
Aus dem Hunenkonvent ging wohl (1400) die 1418 erstmals bezeugte Schwesterngemeinschaft hervor, die nach der 3. Regel des hl. Franziskus lebte (LAV NRW R N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 73v; Tafel 4, Braun/Hogenberg). Aus dem Jahre 1435 ist die Professformel überliefert, die neu aufzunehmende Frauen zu sprechen hatten (Tücking, Einrichtungen, S. 236f.). 1467 begegnet erstmals die Bezeichnung conventus montis Michaelis (LAV NRW R N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 56). 1475 erhielten die Schwestern die Genehmigung des Neusser Pastors zum Bau einer neuen, dem hl. Michael geweihten Kapelle, an deren Altar täglich eine Messe gelesen werden durfte. Erzbischof Hermann IV. verlieh ihnen 1481 die Privilegien, Rechte und Freiheiten, die die anderen religiösen Genossenschaften in Neuss besaßen. Geleitet wurde der Konvent von einer Meisterin oder Rektorin; die geistliche Betreuung wird bis etwa 1475/81 bei dem Pastor, später bei Angehörigen des Franziskanerordens gelegen haben.
Die Zahl der Insassinnen dürfte lange Zeit um 25 betragen haben; 1799 werden noch 10 genannt. Der Plan von Braun und Hogenberg (Tafel 4) lässt eine an die heutige Michaelstraße stoßende Kirche mit einem Dachreiter, an die sich nördlich ein gleich hoher Längsbau schließt, erkennen, bei dem es sich nach neueren archäologischen Erkenntnissen um Dormitorium und Wirtschaftsgebäude handelt (Tücking, Einrichtungen, S. 235-244; Wisplinghoff IV, S. 253-269; Remmen, Klosterlandschaft, S. 116-120)
4. 5 Sebastianuskonvent (nach 1422-1802)
1427 erhielten einige Männer, die nach der 3. Regel des hl. Franziskus lebten, von Erzbischof Dietrich von Moers die Erlaubnis, sich durch einen von ihnen zu wählenden Beichtiger außer zu Ostern und auf dem Sterbebett die Kommunion reichen zu lassen, sobald ihre Niederlassung aus 12 Personen bestehe (Tafel 4, Braun/Hogenberg). Auf einem 1422 der Sebastianusbruderschaft (III 7) von Vogt Heinrich von Neersen und seinem Sohn übertragenen Grundstück hatten sie bald danach eine Kapelle errichtet. 1428 übertrug ihnen der Rat das mittlerweile in seine Verfügungsgewalt gelangte Grundstück. Nachdem die Kapelle 1435 zu Ehren der hl. Sebastianus und Antonius geweiht worden war, konnte 1433 ein Pater gewählt werden. Seine kirchliche Selbstständigkeit erreichte der Sebastianuskonvent 1487. Mit Zustimmung des Plebans (Pastors) entließ ihn Erzbischof Hermann IV. aus dem Pfarrverband. Der Konvent ersetzte nunmehr die Kapelle durch eine größere 1491 geweihte Kirche. 1586 wurden die Kirche und die Konventshäuser durch Brand schwer beschädigt. 1607 wurde die Kirche neu geweiht. Mit Genehmigung des Rats bezog der Konvent 1718 einen leeren Hausplatz in die Immunität ein und errichtete dort bis 1720 eine neue Kirche, einen Backsteinbau mit einem laternenbekrönten Schweifgiebel und einer durch Pilaster gegliederten Schauseite an der Niederstraße.
Der von einem Superior geleitete Konvent erreichte wohl erst im 15. Jahrhundert. die ursprünglich vorgesehenen 12 Mitglieder; 1799 gehörten ihm noch 10 Konventualen an. Nach der Aufhebung 1802 wurde die Kirche Annexkirche der Pfarrkirche St. Quirinus. Die Klostergebäude dienten zunächst als Fabrik; 1852 wurde dort ein erzbischöfliches Knabenseminar (IV 11), 1874 ein städtisches Invalidenhaus eingerichtet, bis 1943 unter der Leitung der Barmherzigen Schwestern. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg stellte Architekt Joachim Schürmann die Kirche wieder her; dabei wurde der ursprünglich zweischiffige Innenraum in einen einschiffigen Saalbau umgewandelt, während das Hauptportal von der Ost- an die Nordseite versetzt wurde. Schürmanns Werk ist auch das moderne Klostergebäude mit Kapelle und Kreuzgang, das von 1967 bis 1994 die Eucharistiner beherbergte. Seit 1994 bewohnen es Mitglieder des Ordens Missionare Identes, die auch die Seelsorge in St. Sebastianus wahrnehmen (Tücking, Einrichtungen, S. 245-259; Wisplinghoff IV, S. 270-278; Clemen, S. 88f.; Dehio NRW I, S. 1007; www.kirche-des-monats.de)
4. 5 Kloster Marienberg (1439-1802)
1439 gründete Adelheid v Stade, die Witwe Philipps des Jüngeren von Tüschenbroich, eines ehemaligen Neusser Bürgermeisters, eine Klause (Inclusorium) für regulierte Chorfrauen (Tafel 4, Braun/Hogenberg). Die seelsorgerische Betreuung der von einer Priorin geleiteten Augustinerinnen übernahmen in der Regel Geistliche des Oberklosters. Von Anfang an gehörte der Konvent, der in den Annales Novesienses zum Jahr 1462 als monasterium virginum regularium, quod mons Mariae vocatur erscheint, der Windesheimer Kongregation an (Annales, Sp. 607)
Die im Winkel zwischen Rheinstraße und Glockhammer erbaute Kapelle wurde kurz vor 1464 erweitert und neu geweiht. Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Pastor Johann Kotte (Druck: Tücking, Einrichtungen, S. 173f.) wurde sie 1464 von allen pfarrherrlichen Rechten befreit. Die Kirche war ein schlichter einschiffiger Backsteinbau.
Bei der Aufhebung 1802 gehörten der Kanonie 12 Konventualinnen an. Nach der Säkularisation wurde das Gotteshaus 1804 den Evangelischen übereignet (IV 9). Die Klostergebäude mit der Front zum Glockhammer, die im 17. und 18. Jahrhundert mehrmals erweitert worden waren, gingen in Privatbesitz über (Tücking, Einrichtungen, S. 171-180; Wisplinghoff IV, S. 154-160; Dehio NRW I, S. 1006)
4. 5 Alexianer (seit 1451)
1451 übertrug Hermann von Scherfhausen fratribus pauperes voluntarij proprie willige Armen, die in der Brückstraße wohnten, 1 Mark aus seinem Haus (LAV NRW R N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 218; Tafel 4, Braun/Hogenberg). Das Gründungsdatum dieser von den Kölner Alexianern abhängigen Gemeinschaft ist nicht bekannt. 1490 schloss der Leiter der Kölner Niederlassung einen Vertrag mit dem Neusser Rat, der den Brüdern ihr Wohnhaus zur Verfügung gestellt hatte; danach wurde es ihnen gestattet, sich eine Regel zu geben. Ihre Zahl wurde auf 8 begrenzt. Sie waren verpflichtet, neben der Krankenpflege die Bestattung der Toten zu übernehmen. (1504) errichteten sie eine Kapelle. 1531 stiftete der Oberküster und Vikar an St. Quirin, Gotthard Giesen, Messen an 4 Wochentagen. Das Präsentationsrecht für den Offizianten stand dem Rat zu. Die bis zum 18. Jahrhundert vorgenommenen Erweiterungen der Klostergebäude sollten vor allem die Aufnahme einer wachsenden Zahl von Geisteskranken ermöglichen.
Als Krankenpflegeorden blieben die Alexianer von der Säkularisation verschont. 1869 wurde ein neues Klostergebäude vor dem Obertor eingeweiht. Es diente als Heil- und Pflegeanstalt für männliche Geisteskranke. 1944 erlitt es schwere Bombenschäden. Der Wiederaufbau wurde 1959 mit der Weihe der Kirche abgeschlossen. 2008 Zusammenschluss der Alexius-Provinz Aachen und der St. Josef-Provinz Neuss zur Alexiusprovinz Deutschland. Die Neusser Ordensprovinz zum hl. Josef verfügte über Einrichtungen in Berlin, Bonn, Dessau, Neuss, Potsdam Siegburg und Wittenberg (Tücking, Einrichtungen, S. 188-210; Lau, S. 107*; Wisplinghoff IV, S. 165-172; Engels, S. 49f.; Lange, S. 72-78; Remmen, Klosterlandschaft, S. 104-112; www.alexianerkloster.de)
4. 5 Jesuiten (1615-1773)
1615 übertrug Kurfürst Ferdinand dem Jesuitenorden das Kloster der aus Neuss ausgewiesenen Minoriten an der Oberstraße. Einzelne Mitglieder des Ordens waren bereits seit 1587 gelegentlich dort tätig gewesen; 1591 hatten Jesuiten das Haus „Zum Kaiser“ in der Krämerstraße erworben. Volksmissionen zur Advents- und Fastenzeit übernahmen sie seit 1597 oder 1599. 1616 bestätigte Papst Paul V. die Übertragung des Minoritenklosters, das sich in schlechtem baulichen Zustand befand, an das Jesuitenkolleg, in dem im gleichen Jahr ein Gymnasium eröffnet wurde (IV 11). Ausgestattet wurde die Niederlassung 1616 unter anderem mit dem Vermögen einiger Neusser Bruderschaften (III 7) sowie der Nikolaus- und der Marienkapelle, außerdem – zunächst auf 40 Jahre – der Katharinenvikarie der Klarissenkirche; 1628 schenkte der Kurfürst den Patres die Korneliuskapelle in Selikum mit 24 Mg Ackerland (IV 2)
Insassenzahlen: 1617 gehörten dem Konvent 9 Mitglieder, je 3 Priester, Lehrer und Laienbrüder an. Die höchste Zahl wurde 1665/66 mit 28 erreicht; im 18. Jahrhundert hatte er meist 16-17 Mitglieder.
Die Gebäude wurden immer wieder erneuert; 1771 entworfene Pläne für einen Neubau konnten nicht mehr verwirklicht werden (Litterae Annuae, S. 324). Das Neusser Vermögen des 1773 aufgelösten Ordens verwendete der Kurfürst gegen die Einwände der Stadt vor allem für die Ausstattung der Bonner Universität. Die Kirche wurde 1785 verkauft und 1788 abgerissen. Vom Kolleg blieb der „Jesuitenturm“, ein Türmchen mit geschweiftem Kuppeldach erhalten (Tücking, Einrichtungen, S. 259-274; Wisplinghoff IV, S. 293-322; Gilliam, S. 118-127; Clemen, S. 86f.)
4. 5 Franziskanerobservanten (1624-1802)
1624 entsandte der Provinzial des Ordens auf Betreiben Kufürst Ferdinands einige Observanten in das damals leer stehende Oberkloster, das diese allerdings 1628 wieder verlassen mussten; sie kamen zunächst in dem Haus eines Stiftsherrn unter. 1627 wurden die Mönche der kölnischen Ordensprovinz inkorporiert. 1632 erteilte Kurfürst Ferdinand den Observanten die Erlaubnis, in Neuss ein Kloster einzurichten. Nachdem der dem Projekt zunächst widerstrebende Rat 1635 seine Zustimmung gegeben hatte, konnte die 1637-39 am unteren Markt erbaute schlichte Kirche 1640 geweiht werden, während die Klostergebäude erst 1655 fertig gestellt wurden. Neben den seelsorgerischen Aufgaben, die der Orden in der Stadt wahrnahm, betrieb er seit 1699 – mit Unterbrechungen – ein philosophisches Ordensstudium (IV 11). 1783 übernahm er das ehemalige Jesuitengymnasium. Der von einem Guardian geleiteten Niederlassung gehörten 1672 12 Patres, 2 Kleriker, 5 Laienbrüder, 1744/45 32 Personen, 1790 21 Patres, 4 Laienbrüder an.
Nach der Aufhebung des Ordens 1802 wurden Kirche und Kloster der Stadt zugesprochen. Das Kloster blieb Schulgebäude, die profanierte Kirche wurde 1826-64 von der Garnison als Zeughaus genutzt. Seit 1925 beherbergte das Gebäude das Rheinische Städtebundtheater (IV 11), seit 1949 dient es als Konzert- und Festsaal (Tücking, Einrichtungen, S. 217-224; Wisplinghoff IV, S. 279-292; J. Kistenich, Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, S. 1239-1262; Clemen, S. 87f.; Lange, S. 128-130; Dehio NRW I, S. 1006f.)
4. 5 Sepulchrinerinnen (1654-1802)
1654 bat die Priorin des Jülicher Sepulchrinerinnenklosters den Neusser Rat, die Gründung einer Kanonie zu genehmigen, die sich der Mädchenerziehung widmen sollte. Nach längerem Zögern stimmte der Rat zu. Erst 1680 konnte eine Einigung über die Zusammenfügung der zwischen Brückstraße und Hymgasse gelegenen Gebäude und Grundstücke zu einem geschlossenen Komplex erreicht werden. Dem kleinen Konvent gehörten meist nicht mehr als 6 Mitglieder an. Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts neu gebaute, dem hl. Nepomuk geweihte schlichte einschiffige Backsteinkirche wurde nach der Aufhebung des Klosters 1802 Hospitalkirche (IV 6 Hospital). Sie wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und nicht wieder aufgebaut (Tücking, Einrichtungen, S. 180-186; Wisplinghoff IV, S. 173-176; Clemen, S. 86)
4. 5 Neue Ordensniederlassungen seit dem 19. Jahrhundert
4. 5 Barmherzige Schwestern nach der Regel des hl. Augustinus (Augustinerinnen) (seit 1844)
Die Düsseldorfer Cellitin Johanna, geb. Magdalena Etienne, die 1844 die Leitung des Hospitals übernommen hatte, wurde die Gründerin der Neußer Genossenschaft der Cellitinnen nach der Regel des hl. Augustinus, die 1845 die Anerkennung des Erzbischofs und 1852 von der preußischen Regierung das Korporationsrecht erhielt. Sie übernahmen die Leitung verschiedener Pflegeeinrichtungen in Neuss (IV 6). 1927-35 Neubau des Mutterhauses Kloster Immaculata in der Augustinusstraße (K. Kreiner, Geschichte d. Neusser Augustinerinnen, 1957; C. Chehab, Zum 200. Geburtstag d. Neusser Ordensgründerin Johanna Etiene. In: Novaesium 2005, S. 223-225; zur Lage vgl. Tafel 11, Stadtplan 1957)
4. 5 Schwestern vom armen Kinde Jesus, PIJ (seit 1855)
1855 übernahmen 2 Schwestern vom armen Kinde Jesus aus Aachen die Betreuung des neuen Neusser Waisenhauses. 1857 zogen sie in das frühere Kloster Marienberg ein (vgl. Tafel 7, Stadtplan 1873). 1877 zwang die Kulturkampfgesetzgebung die Nonnen, Neuss zu verlassen, Rückkehr 1887 (IV 6; IV 11). 2003 8 Ordensfrauen.
4. 5 Karmelitinnen (1869-75)
In die 1868 von den Alexianern aufgegebenen Klostergebäude an der Brückstraße zogen 1869 10 Schwestern des Karmelitinnenordens ein. Sie unterrichteten Mädchen in Haushalts- und Handarbeiten und sorgten für arme Familien. Das Kloster fiel 1875 der Kulturkampfgesetzgebung zum Opfer.
4. 5 Benediktinerinnen (1899)
1899 wurde Kloster Kreitz in Neuss-Holzheim von Benediktinerinnen gegründet und 1901 zum Priorat erhoben. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Heute leben dort 23 Schwestern (www.benediktinerinnen-neuss.de)
4. 5 Töchter vom Heiligen Kreuz (1909-59)
1908 übernahmen die Töchter vom Heiligen Kreuz die Leitung des Neusser von einem katholischen Fürsorgeverein getragenen Notburgahauses an der Preußenstraße, einer Erziehungsanstalt für schulentlassene weibliche Fürsorgezöglinge. 1959 musste der Orden das Haus wegen Schwesternmangel aufgeben; das Haus übernahm das Collegium Marianum (IV 11).
4. 5 Kamillianer (1910-97)
1910/11 entstand am Glehner Weg nach den Plänen des Architekten Klaus Röhlinger das Kamillushaus des Kranken- und Seelsorgeordens der Kamillianer; im Ersten Weltkrieg Lazarett. Nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bis 1953 Wiederaufbau des Klosters in vereinfachter Form. Nach dem Ersten Weltkrieg richtete man ein Internat für Ordensschüler ein, das nach Schließung durch die Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eröffnet werden konnte. 1973 Einsegnung der St. Kamillus-Kirche (Festschrift z. Einsegnung d. St. Kamillus-Kirche in Neuss, 1973; IV 11: Tafel 10-11, Stadtpläne 1925 u. 1957)
4. 5 St. Vinzenz-Kloster (1912-28)
Seelsorgeeinrichtung der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria Mainz
4. 5 Karmelitinnen vom Göttlichen Herzen Jesu, Carmel DCJ (seit 1928)
1928 kamen die Karmelitinnen vom Göttlichen Herzen Jesu von Düsseldorf nach Neuss-Weckhoven, wo sie ein Kinderheim (Theresienheim) sowie einen Kindergarten und einen Kinderhort gründeten.
4. 5 St. Elisabeth-Kloster (1930-95)
Altenheim der Franziskusschwestern der Familienpflege Essen
4. 5 Töchter vom Herzen Mariä (1955-87)
1947 Eröffnung des St. Lioba-Altenheims; seit 1987 vom Caritas-Verband getragen (Angaben in diesem Abschnitt nach Lange; StaN D.04.L.04 Sammlung Joseph Lange; W. Schaffer, Ordensentwicklung seit d. 19. Jahrhundert <Geschichtl. Atlas d. Rheinlande, Beiheft IX/5>, 2008, S. 71f.; www.erzbistum-koeln.de/orden)
4. 6 Hospital/Krankenhäuser/Armenwesen
1242
errichten die Eheleute Sibert und Gisela von Dülken ein Hospital, dessen Verwaltung sie 1245 dem Deutschen Orden übertragen. 1250 scheitert die Gründung am Widerspruch ihrer Erben, denen ein Schiedsspruch Erzbischof Konrads einen Teil der Stiftungsgüter zuspricht (REK III 1065, 1156, 1194, 1578; K. van Eickels, Die Deutschordensballei Koblenz u. ihre wirtschaftliche Entwicklung im Mittelalter, 1995, S. 35-37)
Hospital oder Gasthaus zum hl. Geist
(1255/59) wird eine auf 1074 datierte Urkunde Erzbischof Annos II. gefälscht, nach der die Verwaltung des möglicherweise kurz zuvor gegründeten Neusser Hospitals (provisio hopitalis opidi Nusciensis) der Äbtissin von St. Quirin zustehen soll (Lau, S. 37; zur Datierung der Fälschung Wisplinghoff IV, S. 112-119; Tafel 4, Braun/Hogenberg)
1320 genehmigt Erzbischof Heinrich II. die Verlegung des bei dem Bürgerhaus gelegenen Hospitals (situm sub domo communi scabinorum et consulum Nussiensium) auf ein von Rat und Bürgerschaft gestiftetes Grundstück an der Oberstraße. Die Verwaltung erfolgt durch 2 von der Äbtissin, Schöffen und Rat ernannte Provisoren. Es sollen nicht mehr als 40 Kranke aufgenommen werden. Tatsächlich wurden im Hospital nur durchschnittlich 16 Pfründner versorgt (REK IV 1160; Lau II 22; Wisplinghoff I, S. 692-712)
Das neue Gasthaus
1438 Stiftung für dat neuwe gasthuis zur Speisung von armen Aachenpilgern (LAV NRW R N St. Michaelsberg Akt 1 fol. 306, 319). In der Neuzeit wurden seine Mittel für die Armenpflege verwendet (Wisplinghoff I, S. 712-714)
Das Spendhäuschen
Seine Errichtung am Freithof ermöglichte eine Spende des 1527 verstorbenen Kirchmeisters Hermann von Olpe genannt Wetzel. Diese und weitere Legate kamen der Armenpflege zugute (Lau, S. 121*f.; Wiplinghoff I, S. 715-718)
Kilianskonvent
1360 erste Erwähnung des wohl schon länger bestehenden conventus dictus kelards convent an der Oberstraße, der mittellose alte Frauen aufnahm. Nach 1586 an die Hamtorstraße verlegt, nun als villa pauperum s. Kiliani bezeichnet. Die Aufsicht führten 2 vom Rat ernannte Provisoren. Zahl der Insassen (1700) zwischen 7 und 11 (Lau, S. 122*; Wisplinghoff I, S. 726f.)
Entwicklung des Armen- und Hospitalwesens seit dem 19. Jahrhundert.
1801 wird auf Anordnung des Krefelder Unterpräfekten ein Wohltätigkeitsbüro eingerichtet, das die für die Versorgung der Hausarmen bestimmten Mittel zusammenfasst und verwaltet (StaN B.02.02, 415). Angesichts seiner unzureichenden finanziellen Ausstattung und der wachsenden Zahl von Bedürftigen sah sich der Stadtrat seit 1832 gezwungen, der Armenverwaltung einen Zuschuss anzuweisen. Der Anteil der aus Armenmitteln unterhaltenen Familien betrug 1849 12%, er sank erst nach der Einführung der Sozialgesetzgebung in den 1880er Jahren. In der Weltwirtschaftskrise stieg er bis auf 7,3 % (Engels, S. 44-49)
1802 wird eine Hospitalkommission eingerichtet, die für die Verwaltung des Heilig-Geist-Hospitals sowie der Güter der Alexianer (IV 5) zuständig ist.
1808 Verlegung des Hospitals in das Gebäude des aufgehobenen Sepulchrinerinnenordens (C. Hudemann-Simon, L’État et les Pauvres. L’assistance et la lutte contre la mendicité dans les quatre départements rhénans, 1794-1814, 1997, S. 148f.; IV 5; Tafel 1, Grundriss).1822 erwirbt die Stadt den Klosterkomplex vom preußischen Staat, danach Umbau und Ausbau des Bürgerhospitals, das bis 1855 auch Waisenhaus (s. u.) und noch länger Armenhaus bleibt. Dieses wird 1874 in das ehemalige Sebastianuskloster verlegt (Tücking, Einrichtungen, 254). Die Leitung des Hospitals übernimmt 1844 die Düsseldorfer Cellitin Johanna Etienne, 1852 deren neu gegründete Ordensgemeinschaft (IV 5 Barmherzige Schwestern). 1911 Auflösung des Hospitals und Eröffnung des städtischen Krankenhauses an der Preußenstraße. 1966 Umbenennung in Krankenanstalten Neuß – Lukaskrankenhaus. 1986 beendet der Augustinerinnenorden seine Trägerschaft zugunsten der Stadt. Seit 1988 Städtische Kliniken Neuss – Lukaskrankenhaus (Ch. Frommert, Das Neusser Lukaskrankenhaus, 2005)
1858 erwerben die Barmherzigen Schwestern (IV 5) ein Landgut vor dem Obertor, das sog. „Gütchen“, und richten dort eine Pflegeanstalt für geisteskranke Frauen ein. 1871 wird deren Umwandlung in eine später sog. Heil- und Pflegeanstalt zum hl. Josef (St. Josef-Kloster) genehmigt (zur Lage vgl. Tafel 7, Stadtplan 1873; Tafel 9, Stadtplan um 1909). 1884 Einweihung der im neugotischen Stil erbauten St. Josef-Kapelle. Das St. Josef-Krankenhaus an der Augustinusstraße gehört heute zur St. Augustinus-Kliniken gGmbH.
1874 beziehen Barmherzige Schwestern das Herz-Jesu-Kloster an der Michaelstraße und richten dort eine Krankenpflegeanstalt ein. 1909-68 betreiben sie dort auch eine Krankenpflegeschule (K. Kreiner, Geschichte d. Neusser Augustinerinnen, 1957). 1968 entsteht in der Nordstadt das Johanna-Etienne-Krankenhaus der Augustinerinnen. Die Trägerschaft liegt seit 2002 bei der Johanna-Etienne-Krankenhaus GmbH, seit 2004 bei der St. Augustinus-Kliniken gGmbH, zu der auch das Alexiuskrankenhaus (IV 5 Alexianer) am Alexianerplatz gehört (www.johanna-etienne-krankenhaus.de).
1913-40 St. Anna-Hospiz der Barmherzigen Schwestern für Arbeiterinnen und Dienstmädchen
1955 Liobaheim der Töchter vom Herzen Mariä Dortmund (Alten- und Mädchenwohnheim), heute getragen vom Caritasverband Stadtdekanat Neuss
1973 Haus Nordpark, Alten- und Pflegeheim der Franziskanerinnen-Missionärinnen Wien, heute der Vinzenzgemeinschaft Neuss (weitere Alten- und Pflegeheime unter www.neuss.de/soziales und bei Schaffer unter IV 5)
4. 6 Leprosenhaus
1346 wird erstmals ein Siechenhaus erwähnt (Brandts, Falkenstein 162), 1365 als domus Leprosorum bezeichnet (Lau, S. 107* Anm. 4). Beaufsichtigt durch 2 Provisoren aus dem Kreis der Schöffen und Ratsherren. Es lag vor dem Rheintor an der Mündung eines alten Rheinarms, des Siepen, in die Erft (Straßer, S. 139, 244)
1474/75 wird es schwer beschädigt, nach 1496 wieder aufgebaut, 1586 erneut zerstört.
1637 Errichtung eines neuen Siechenhauses beschlossen
1712 wird das Haus auf Anordnung des Kölner Domkapitels abgerissen (Tücking, Einrichtungen, S. 84, 298, 361f.)
4. 6 Pest und andere Epidemien in Neuss
1483 fuit magna pestilentia in […] Neuss (Eckertz, Fontes II, S. 408; weitere Pestjahre in: Rhein. Städtebuch, S. 320; Wiplinghoff I, S. 152, 709)
1676 Ruhrepidemie (Rhein. Städtebuch, S. 320)
1849 12 Choleratote (StaN B. 02.03, 935; Ch. Frommert, Die „wandernde Weltwende“ erreicht Neuss. Cholera, Stadthygiene u. Gesundheitswesen zwischen 1830 u. 1850. In: Novaesium 2004, S. 37-48)
4. 6 Waisenhaus
1855 wird auf Initiative eines bürgerschaftlichen Comitees in einem Haus am Münsterplatz/Ecke Münsterstraße ein Erziehungsheim für arme Kinder, zunächst auf Mädchen beschränkt, eröffnet, nachdem die Unterbringung der Waisenkinder im Bürgerhospital und seit 1832 auch in Neusser Familien sich als unzuträglich erwiesen hatte. 1856 erwarb der provisorische Waisenhausvorstand das ehemalige Marienbergkloster. Die Leitung übernahmen Schwestern vom armen Kinde Jesus (IV 5). Die Finanzierung erfolgte durch die Stadt sowie durch Spenden und Zinsen aus Eigenkapital. 1862 Anbau einer St. Anna-Kapelle. 1909 gelangt die Marienbergkirche (IV 9) wieder in den Besitz des Klosters, das auch eine Höhere Mädchenschule beherbergt (IV 11). 1872 lebten im Waisenhaus 105 Kinder. 1909 Eröffnung eines für 250 Kinder ausgelegten Neubaus an der Rheydter Straße. 1927 Umbenennung des katholischen Waisenhauses in Kinderheim St. Anna. 1931 Einweihung einer neuen Kapelle. Neubau 1973-78, durch den 7 Kinderhäuser und ein neues Hauptgebäude an die Stelle des alten Hauses treten (J. Lange, 1855 Waisenhaus Kinderheim 1980, 1981). 1995 Schließung des Kinderheims.
4. 6 Ärzte und Chirurgen/Barbiere
1313 Henricus chirurgicus dictus Garnoll (Brandts, Falkenstein 16)
(1330) Erwähnung eines Arztes, dem die Stadt freie Wohnung gewährt (Lau, S. 105*, 59 Anm. 2)
1493 Rembolt Bartscherre (Wisplinghoff I, S. 534 Anm. 76)
1494 behandelt Meister Johannes Werdener Mönche (LAV NRW R Werden Akt 10,1 fol. 91v; Wisplinghoff I, S. 552)
1501 und 1506 stat medicus Meister Symon (Lau, S. 105*, 425)
1538 Meister Heinrich von Sittard wird der Turm am Judensteg als Wohnsitz angewiesen (ebd., S. 105*), noch 1554 nachgewiesen. Seit dem 17. Jahrhundert scheint es stets einen Stadtarzt in Neuss gegeben zu haben, seit 1780 2 (Wisplinghoff I, S. 551-555)
1561 Wundarzt Dumgin (ebd., S. 556)
1573 Amtsbrief für die 6 Wundärzte der Stadt (Lau II 233)
4. 6 Hebammen
1563 wird dem Ehemann der Hebamme das Bürgergeld erlassen (StaN B.01.01 Rat 1530-1563 fol. 233)
Seit 1633 werden Hebammen vor dem Pastor und dem Bürgermeister vereidigt (Lau, S. 106* Anm. 16)
1762 Prüfung der Hebammen durch den Stadtarzt angeordnet; ab 1763 erhalten sie ein Gehalt von der Stadt (ebd., S. 106* mit Anm. 17)
4. 6 Apotheker
(1381) apoteca super cimiterium Nussie (heute Freithof, II 5 Plätze) (F. Ehlen, Die Prämonstratenser-Abtei Knechtsteden. Geschichte u. Urkundenbuch, 1904, Urkundenbuch, S. 128f.)
Vor 1421 Apotheke von Lambert situm in Cimiterio (Das Neusser Totenbuch. Liber animarum capituli monasterii sancti Quirini Nussiensis, bearb. v. R. Nagel, Eintrag zum 30.1.)
Vor 1431 Erwähnung der apotheca des Johannes Schabben (ebd. zum 10.11.)
1482 Testament des Apothekers Claes Ebels (StaN B.01.10 Kopiar V 40 fol. 244-245)
1552 Apotheker Cosmas Faber als Bürger aufgenommen, länger als 30 Jahre nachweisbar (Wisplinghoff I, S. 558)
Nach 1586 durchweg Apotheker nachweisbar (G. Holtz, Die Geschichte d. Gesundheitswesens in Neuß bis 1850, 1939)
Entwicklung der medizinischen Versorgung seit dem 19. Jahrhundert.
Die Gesundheitspolitik der Franzosen knüpfte mit ihrer Tendenz zur Professionalisierung der Heilberufe (Qualifikationsvorschriften, Prüfungen, bürokratische Erfassung des Personals) an die kurkölnische Politik des späten 18. Jahrhundert an (C. Hudemann-Simon, Zur staatlichen Gesundheitspolitik in d. Rheinlanden während d. französischen Zeit. In: Napoleonische Herrschaft in Deutschland u. Italien – Verwaltung u. Justiz, hg. v. Ch. Dipper u. a., 1995, S. 121-139). Preußen setzte die Modernisierungspolitik nach 1815 fort.
1806 1 officier de santé, 1 maître en chirurgie, 1813 2 docteurs en médecine, 1 officier de santé, 2 maîtres en chirurgie (LAV NRW R Roerdep. 2117 fol. 291v, 406f.)
1842 3 Ärzte, 2 Wundärzte, 2 Apotheker und 1 Tierarzt, 1861 2 Apotheken, die 2 Gehilfen und 2 Lehrlinge beschäftigten. Es gibt 6 Zivil- und 2 Militärärzte sowie 2 Heilgehilfen, 5 Hebammen und 1 Tierarzt 1. Klasse (Statistik u. Hand-Adreßbuch d. Rheinprovinz f. d. Jahr 1842, S. 163-167; LAV NRW R LA Neuss 6)
4. 7 Wallfahrten
Quirinuswallfahrten
1021 Die (1050) entstandene Vita Heriberti des Deutzer Mönchs Lantbert berichtet, Erzbischof Heribert habe angesichts seines nahenden Todes die heiligen Stätten (sancta loca) besucht. Nach der Landung in Neuss (applicuerat portum Nussiae, celebrem beati Quirini martyris merito et nomine) habe ihn ein Fieber auf das Krankenlager geworfen (MGH SS IV, S. 751; REK I 682)
Nach 1209 entsteht ein Doppelkapitell im 5. Arkadenbogen von Osten der Südempore von St. Quirin, das Kranke darstellt, die die Hilfe des Heiligen suchen (Bader, 1955, S. 52, 161-163)
(1220) Caesarius von Heisterbach berichtet über einen nordfranzösischen Zisterziensermönch, der trotz des Verbotes seines Abtes nach Neuss pilgerte und dort Heilung fand (Die Wundergeschichten d. Caesarius v. Heisterbach, hg. v. A. Hilka III, 1933, S. 285)
1317 einigen sich Äbtissin und Kanoniker über die Teilung der Opfergelder, die unter anderem einkommen, wenn der Schrein des hl. Quirinus umhergetragen wird (Tücking, Einrichtungen, S. 60f.; REK IV 1006)
(1470) lässt man einen tschechischen Magnaten, der auf seiner Reise durch Europa auch Neuss besucht, aus der Hirnschale des Heiligen, vermutlich einem Edelmetallgefäß, in das die Reliquie eingearbeitet war, trinken (H. Finger, „Helpen sall uns der gud sent quiryn“ – Der Neusser Quirinskult im Kontext mittelalterlichen Wallfahrtswesens. In: Quirinus, S. 88f.)
1475 Nach der Aufhebung der Belagerung durch Karl den Kühnen bringen Kaiserliche und Burgunder, die an der Stadtmauer Quirinszeichen erworben haben und damit auch zur Verbreitung des Kults beitragen, dem Heiligen ihre Opfer dar (Wierstraet, S. 281-285; Finger, S. 93-95). Die Quirinusprozession wurde nunmehr vom 1. Mai, dem Tag nach dem Patronatsfest, auf den Freitag vor Pfingsten verlegt. Heute findet die Prozession am 1. Sonntag nach dem Patronatstag (30. April) statt (M. Zender, Die Verehrung d. hl. Quirinus in Kirche u. Volk, 1967, S. 18, 27)
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kam es zu einem Rückgang der Pilgerfahrten. 1559 weigerte sich der Rat wohl unter dem Druck der Vierundzwanziger, der Äbtissin Träger für die Reliquien zur Verfügung zu stellen (Lau, S. 35*). Im 17. Jahrhundert scheinen die Jesuiten für eine Wiederbelebung der Quirinusverehrung gesorgt zu haben (W. Felten, Der hl. Martyrer u. Tribun Quirinus, Patron d. Stadt Neuss, 1900, S. 36-39; Wisplinghoff IV, S. 101f.)
Wallfahrten zur Korneliuskapelle in Neuss-Selikum
Sie sind seit Anfang des 17. Jahrhunderts belegt, reichen aber mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurück. Nachdem die Jesuiten die Betreuung der Kapelle 1628 von den Minoriten übernommen hatten, scheint die Zahl der Wallfahrten erheblich zugenommen zu haben. Sie ist bis heute ein beliebtes Wallfahrtsziel (IV 4; Godde, S. 36-66)
Weitere Wallfahrten und Prozessionen (Auswahl)
Insbesondere die Jesuiten veranstalteten Wallfahrten und Prozessionen in die nähere und weitere Umgebung, unter anderem nach Gnadental, Kloster St. Nikolaus bei Dyck, St. Tönis, Düsseldorf-Bilk oder St. Matthias in Trier (Wisplinghoff IV, S. 309f.; Tücking, Einrichtungen, S. 125). Die Neusser Pilgerfahrt nach Kevelaer, die wohl erstmals 1649 stattfand, „gehört zu den ältesten Kevelaer-Prozessionen überhaupt“ (P. Dohms, 350 Jahre Kevelaer-Wallfahrt in Stadt u. Kreis Neuss. In: Jb f. d. Kr. N 2000, S. 85; vgl. auch LAV NRW R LA Geldern 8). Im 19. Jahrhundert ist außerdem eine Prozession nach Gerresheim belegt (Rhein. Städteatlas XI Nr. 59: Gerresheim, 1994, S. 12)
Außer der Quirinusprozession fanden innerstädtische Prozessionen am Karfreitag, am Fronleichnamstag und am Freitag vor Pfingsten statt. 1366 erste Erwähnung der Fronleichnamsprozession in Neuss. 1787 genehmigte der Generalvikar der Matthiasbruderschaft, eine Prozession am Fest St. Peter und Paul zu halten (Tücking, Einrichtungen, S. 127; Wisplinghoff IV, S. 77; Janssen II, 2, S. 344 Anm. 44)
4. 8 Juden, Synagoge, Friedhof, Privilegierung
1096 Juni 3. Nach Ausschreitungen gegen die Kölner Juden im Zuge des ersten Kreuzzugs lässt Erzbischof Hermann III. sie in 7 Orte seines Sprengels, darunter Neuss, verbringen. In Neuss werden jedoch am 24. Juni 1096 etwa 200 Juden von Kreuzfahrerhorden sowie von Menschen, die zum Johannistag in die Stadt gekommen waren, erschlagen (REK I 1216; Quellen z. Geschichte d. Juden in Deutschland II, 1892, S. 117f., 160; III, 1898, S. 98, 133f., 273; Germania Judaica I 1, S. 243; Rohrbacher, S. 14-16; vgl., auch zum Folgenden, F.-J. Ziwes, Jüdische Niederlassungen im Mittelalter <Geschichtl. Atlas d. Rheinlande, Beiheft XII/1b>, 2002)
1197 löst die Tötung eines christlichen Mädchens durch einen geistig verwirrten Juden Vergeltungsaktionen gegen die Neusser Juden aus, die anscheinend bereits als Gemeinde organisiert sind (Datierung nach M. Brann, Das zweite Martyrium v. Neuss. In: Monatsschrift f. Geschichte u. Wissenschaft d. Judenthums 1893-1894, H. 7 <1894>, S. 318-323; Germania Judaica I 1, S. 344f.; anders REK II 1279)
1285 unterstützen Neusser Juden den „falschen Kaiser Friedrich II.“, Tile Kolup, mit bedeutenden Geldmitteln (Germania Judaica II 2, S. 581; REK III 3061, 3073)
1291 Erwähnung eines ehemals einem Juden gehörenden Hauses juxta stegam Judeorum (LAV NRW R Eppinghoven Urk 34) oder Judensteg, eine damals von Juden bevorzugte Gasse am östlichen Ende des Fischmarkts (vgl. Brandts, Falkenstein 244, 302; Germania Judaica III 2, S. 957; Habel, Neuss, S. 148f.; II 5 Straßen). Die Synagoge (synagoga Judeorum) befand sich nach dem Zinsregister der Nikolauskapelle von 1467 am Glockhammer (LAV NRW R Kk II 2337 fol. 12; vgl. Lau, S. 70* Anm. 8), einer im 15. Jahrhundert von Juden bewohnten Straße (II 5 Straßen).
1346 verbietet der Rat, Judenschuldbriefe amtlich zu siegeln, stellt es Schöffen und Ratsherren jedoch frei, sie mit ihrem eigenen Siegel zu versehen (Lau II 46)
1349 werden im Zuge der sogenannten Pestpogrome im Rheinland, insbesondere im Gefolge des Kölner Pogroms vom 23./24. August unter anderem auch in Neuss Juden getötet (Germania Judaica II 2, S. 581f.; REK V 1552; vgl. auch ebd. VI 3)
1404 sowie 1421/22 sind 5 jüdische Familien in Neuss ansässig (Germania Judaica III 2, S. 956)
1421/22 beträgt die jährliche Steuer, die die Juden von Andernach, Ahrweiler, Bonn, Neuss, Uerdingen, Rheinbach, Lechenich und Linn an den das Judenregal beanspruchenden Erzbischof entrichten, 286 Gulden (A. Kober, Cologne, 1940, S. 132; vgl. Janssen II 2, S. 589f., 599f.)
1424 Vertreibung der Neusser Juden, die nach Deutz ausweichen, jedoch bald zurückkehren können. Die Synagoge soll in eine Marienkapelle umgewandelt worden sein (Rohrbacher, S. 28)
1430 verpfändet Erzbischof Dietrich von Moers dem Meyer, unsem Jude zo Neuss, für 900 fl. die nächste Schatzung des Amtes Kempen (Lau, S. 71* Anm. 1; Kober, Cologne, S. 142)
1436/37 nimmt die Stadt Duisburg bei jüdischen Geldverleihern in Neuss Kapital auf, für das sie 9 Silberschalen als Pfand hinterlegt (M. Mihm/A. Mihm, Mittelalterliche Stadtrechnungen im historischen Prozess. Die älteste Duisburger Überlieferung (1348-1449), Bd. 1, 2007, S. 140, 589, 659)
1463 verhandeln Bürgermeister, Schöffen und Rat mit dem in Neuss weilenden Erzbischof Ruprecht über die Neusser Juden; das Ergebnis – vielleicht die Sanktionierung der erfolgten oder geplanten Ausweisung, deren Datum nicht zu ermitteln ist, – wird schriftlich festgehalten (StaN B. 01.10 Kopiar I fol. 26; vgl. Lau, S. 71* Anm. 2)
1475 berichtet Wierstraet dann in seiner Chronik: Dye yoedscafft was verdreuen uyt nuyssz der guder stat (Wierstraet, S. 74f.)
1546 beschließt der Rat, Juden keine Erlaubnis (geleit) zum kurzfristigen Aufenthalt in der Stadt zu erteilen (StaN B.01.01 Rat 1530-1563 fol. 52v). Später wird das Geleit meist nur gegen die Entrichtung hoher Gebühren erteilt; das Niederlassungsrecht wird bis 1794 stets verweigert (Wisplinghoff I, S. 304-306)
1654 behauptet die Stadt gegenüber dem Kurfürsten, es sei ihr altes Recht, dass sich kein Jud in hiesige Stadt und Burban ohne ein von dem Magistrat erhaltenes Geleit begeben dürfe (StaN B.02.01 VII 135)
1808 lässt sich der Metzger Josef Grossmann in Neuss nieder (Rohrbacher, S. 46)
1808 Einrichtung des Krefelder jüdischen Konsistoriums, das auch für die Neusser Juden zuständig ist (Graumann, S. 221)
1813 sind 5 jüdische Familien in Neuss ansässig (LAV NRW R Roerdep. 1799 I fol. 19v)
1816 genehmigt das Konsistorium die Einrichtung einer Betstube im Hause von Josef Grossmann in der Neustraße (Rohrbacher, S. 47f.)
1834 Antijüdische Ausschreitungen, deren Ausweitung durch den Einsatz von Militär verhindert wird (ebd., S. 72-78)
1834 wird der Gottesdienst in ein 1841 für die Gemeinde erworbenes Wohnhaus an der Michaelstraße verlegt (ebd., S. 79f., 103f.)
1858 genehmigt der Oberpräsident der Rheinprovinz die auf der Grundlage des „Gesetzes über die Verhältnisse der Juden“ von 1847 aufgestellten Statuten der Synagogengemeinde Neuss mit den Filialgemeinden Zons, Dormagen, Nettesheim, Rommerskirchen und Glehn (LAV NRW R LA Neuss 380 fol. 1-20; vgl. Rohrbacher, S. 99-103)
1863 Gründung einer jüdischen Beerdigungsbrüderschaft (Chewra Kadischa) (Monumenta Judaica, S. 590)
1867 Einweihung der nach dem Entwurf des Neusser Baurates Friedrich Weise auch mit Unterstützung durch die Stadt erbauten einschiffigen Synagoge an der Promenadenstraße (Tafel 9, Stadtplan um 1909). In der Pogromnacht 1938 Zerstörung der Synagoge durch Brandstiftung; anschließend Bunkerbau auf dem Gelände. Heute steht dort das Gebäude der Sparkasse Neuss. An der Promenadenstraße erinnert seit 1995 ein von Ulrich Rückriem geschaffenes Mahnmal an die Neusser Juden (Rohrbacher, S. 104-108, 189; Pracht-Jörns, Jüd. Kulturerbe II, S. 486-488)
Bis 1941 fliehen 69 Neusser Juden vorwiegend nach Belgien und den Niederlanden, von dort werden die meisten nach der deutschen Besetzung nach Auschwitz deportiert.
1941 Deportationen von Neusser Juden nach Lodz (24) und Riga (25)
1942 nach Theresienstadt (11) (Rohrbacher, S. 212, 214f.; Welfens, S. 122f.)
Jüdische Friedhöfe
1829 Eine aquarellierte Federzeichnung von 1829 bietet den ersten Beleg für die Existenz des jüdischen Friedhofs an der Düsseldorfer Straße in der Nähe des früheren Leprosenhauses und der Barbarakapelle (Neusser Juden. Spuren ihrer Geschichte, 1988, Nr. 48)
1890 Schließung des Friedhofs und Eröffnung eines neuen Begräbnisplatzes am Glehner Weg. 1920 werden die Grabsteine vom Friedhof an der Düsseldorfer Straße hierher verbracht (Pracht-Jörns, Jüd. Kulturerbe II, S. 489)
Zu den jüdischen Einwohnerzahlen vgl. IV 10
Zum jüdischen Schulwesen vgl. IV 11
4. 9 Einführung der Reformation, Evangelische Gemeinde
Hinweise auf Berührungen der Stadt mit reformatorischen Strömungen geben ein 1530 umb etzliche deyfferye geschiet aus Neuss verwiesener Bürger (StaN B.01.01 Rat 1530-1563 fol. 1) sowie ein Zug von aus dem Herzogtum Jülich stammenden Täufern, die 1534 auf ihrem Weg nach Münster in Neuss ein Schiff bestiegen (StaN B.02.01 VII 6). Vereinzelte Täufer scheinen sich bis in die 1620er Jahre gelegentlich in Neuss aufgehalten zu haben, aber rasch wieder vertrieben worden zu sein (Lau, S. 31*. 35* Anm. 6, 36* Anm. 3; vgl. Gilliam, S. 10f., 19, 113f.; Laux, S. 119)
Hinweise auf eine reformatorische Bewegung in Neuss begegnen seit 1545, als die Vierundzwanziger angeblich auf Druck der Bevölkerung, aber gegen den Willen des Rats, Kurfürst Hermann von Wied um die Entsendung lutherischer Prediger baten. Anhaltende konfessionelle und politische Spannungen veranlassten den Kurfürsten im Juni 1546, einen die Religions- und Verfassungsordnung der Stadt regelnden Rezess zu erlassen. Danach sollte in dieser unser stat durch gotselige und getreuwe predicanten ... das wort Gottes rein, klair und unvermischt mit menschlicher lehr ... gelehrt und gepredigt werden (Lau, S. 221f.). Als Prediger entsandte er Johannes Praetorius (Gilliam, S. 14 Anm. 68). Der Amtsverzicht Hermanns von Wied beendete die religiösen und politischen Auseinandersetzungen nicht, verhinderte aber die Durchsetzung der reformatorisch orientierten Kräfte (Wisplinghoff IV, S. 10-15; Gilliam, S. 10-17; Laux, S. 118-169). Diese lebten wieder auf, als reformierte niederländische Flüchtlinge in Neuss eine Zuflucht fanden (Franzen, S. 284). Spätestens seit 1572/73 bildeten sie mit Düsseldorfer Glaubensgenossen eine Gemeinde. Enge Kontakte pflegten sie auch mit Kölner Reformierten. Seit 1576 nahm der Druck der kurfürstlichen Regierung auf den Rat, die Protestanten auszuweisen, zu; es wurde ihm aber nur zögerlich entsprochen. Ausweisungen größeren Umfangs gab es 1576, 1584, 1606 und 1608 (Gilliam, S. 17-21, 111-118; Wisplinghoff IV, S. 49-54). Noch 1617/18 lässt sich die seelsorgerische Tätigkeit eines Düsseldorfer Geistlichen in Neuss nachweisen (Protokolle d. Presbyteriums d. Reformierten Gemeinde Düsseldorf 1609-1632, hg. v. R. Löhr, 1974, S. 173, 207). Danach scheint es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur noch vereinzelte Protestanten in Neuss gegeben zu haben.
Ab 1800 Einwanderung evangelischer Fabrikanten und Arbeiter aus dem Herzogtum Berg
1804 stellt Napoleon den reformierten Protestanten die Klosterkirche Marienberg zur Verfügung. Die im Dezember gegründete Gemeinde soll zur Konsistorialkirche Krefeld gehören (C.-H. Peter, Kämpfe u. Einungen. Die evangelische Kirchengemeinde Neuss v. ihrer Gründung 1804 bis zum Jahre 1840, 1984, S. 37)
1805 Bildung eines aus Reformierten und Lutheranern bestehenden Kirchenvorstands. 1806 Einweihung der Kirche am Glockhammer (200 Jahre, S. 127-135; Peter, S. 39-54; LAV NRW R Roerdep. 250)
1808 verständigen sich Reformierte und Lutheraner durch Losentscheid über die Konfession des zu wählenden Pfarrers. Dieser erhält von der Stadt einen jährlichen Gehaltszuschuss von 300 Francs (200 Jahre, S. 136; Wisplinghoff IV, S. 117; Peter, S. 57-63). 1816 Einführung der altpreußischen Konsistorialverwaltung. Neuss gehörte nun zum Synodalbezirk Gladbach (Bär, Behördenverfassung, S. 154, 508f.; J. Metzdorf, „Wo Freiheit allen Überzeugungen gegönnt ist.“ Die Gründerjahre d. evangelischen Gemeinde in Neuss u. d. Konfessionskonflikte im katholischen Rheinland 1802-1842. In: Novaesium 2006, S. 54-72)
1906 Einweihung der Christuskirche in der Breite Straße im historisierenden spätromanisch-frühgotischen Stil. Architekt Moritz Korn. Die Kirche Marienberg wurde 1909 an das katholische Waisenhaus verkauft (200 Jahre, S. 81, 373)
1950 Einrichtung des 2. Pfarrbezirks Nordstadt. 1962 Einweihung der Reformationskirche am Berliner Platz (ebd., S. 375)
1951 Einrichtung des 3. Pfarrbezirks (Neuss-Reuschenberg mit Weckhoven, Holzheim und Norf). Die zunächst errichtete Notkirche wird 1972 durch einen Neubau, die „neue“ Erlöserkirche, ersetzt. Architekt Jörg Springer.
1963 beschließt das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde in Neuss die Aufteilung der Gemeinde in 5 Gemeinden zum 1. Januar 1964, 3 davon im damaligen Neusser Stadtgebiet (1) die Christuskirchengemeinde, (2) die Reformationskirchengemeinde, in der 1966 als weiteres Gotteshaus die Versöhnungskirche (Architekt Otto Saarbourg) entsteht, (3) die Gemeinde Neuss-Süd mit der Erlöserkirche, der dann folgen: die Kreuzkirche in Gnadental (geweiht 1965; Architekt Walter Siepmann), die Auferstehungskirche in Weckhoven (geweiht 1884; Architekt Otto Saarbourg) und die Friedenskirche in Uedesheim (geweiht 1964; Architektengemeinschaft Bornemann und Kußler), (4) im damaligen Kreis Grevenbroich die Gemeinde Norf-Nievenheim mit der Friedenskirche in Norf (geweiht 1961; Architekt Karl Sander) und der Trinitatiskirche in Rosellerheide (geweiht 1984; Architektengemeinschaft Wolff und Reimar Kirchhoff), (5) die Gemeinde Kaarst-Büttgen mit der Markuskirche in Grefrath (geweiht 1986; Architekt Karlhans Pfleiderer).
1964 schließen sich die Christuskirchengemeinde, die Reformationskirchengemeinde und die Gemeinde Neuss-Süd zum Verband der Evangelischen Kirchengemeinden in der Stadt Neuss zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben zusammen. Heute gehört diesem außerdem die Kirchengemeinde Norf-Nievenheim an. Diese Gemeinden gehören zum Kirchenkreis Gladbach-Neuss, einem der 44 Kirchenkreise der Evangelischen Kirche im Rheinland (Angaben nach A. Platz, Neuss–Evangelisch. Die evangelischen Kirchengemeinden in Neuss u. ihre Einrichtung, 1989; www.neuss.de/gesundheit/soziales; evangelische Chronik in: http-blank://schule.erzbistum-koeln.de)
Zum protestantischen Friedhof vgl. II 2 Friedhöfe
4. 10 Konfessionszahlen
Informationen über die Konfessionszahlen entnehmen Sie der Tabelle auf der rechten Seite.
4. 11 Schulen und Bildungseinrichtungen
4. 11 Rektoratsschule/Lateinschule
1302 rector scholarum Nussiensium in der Gründungsurkunde der Bruderschaft der Armen Kleriker erwähnt (Archiv Schram H 16, Memorienbuch Arme Kleriker fol. 39v; vgl. Tücking, Gymnasium, S. 7; Wisplinghoff I, S. 665). Genauere Nachrichten über den Träger der Schule (Stift, Stadt oder beide) fehlen.
1548 beschließt der Rat eine loiblige schoill alhie zo halden und uffzorichten (StaN B.01.01 Rat 1548 fol. 55), nachdem Kurfürst Hermann von Wied 1546 Klagen der Gemeinde über den scholmeister zum Anlass genommen hatte, die Stadt zur Bestellung von gotzfurchtigen, fromen und gelerten scholmeisteren aufzufordern (Lau, S. 226f.). Die anscheinend nach dem Vorbild des 1545 gegründeten Düsseldorfer Gymnasiums eingerichtete städtische Lateinschule, an der zeitweise 3 Lehrkräfte (Rektor, Konrektor und Schulmeister) tätig sind, verliert mit der Errichtung des Jesuitengymnasiums an Bedeutung und fungiert nur noch als Vorbereitungsanstalt, die mit einer Lehrkraft auskommen muss (Wisplinghoff I, S. 663-680; Laux, S. 104)
1693 beschließt der Rat eine Ordnung, die den Kirchendienst des Rektors genauer regelt (StaN B.01.01 Rat 1692-1703 fol. 45; Tücking, Gymnasium, S. 56-58)
4. 11 Jesuitengymnasium und Nachfolgeeinrichtungen
1616 Eröffnung des Gymnasium Marianum unter dem Präfekten Goswin Nickel mit zunächst 3 Klassen. 1619 verfügt die Anstalt über 5 Klassen. Die Schülerzahl steigt von 20 im Jahre 1616 auf zeitweise mehr als 250, liegt im Allgemeinen bei etwa 150. Der Einzugsbereich der Schule umfasst den gesamten Niederrhein. Die Einrichtung eines Internats lehnt der Rat 1701 aus Sorge um die Einnahmen der Quartier gebenden Einwohner ab. Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 führen 5 ehemalige Jesuiten den Unterricht zunächst weiter.
1782 entzieht der Kurfürst der Anstalt ihre Mittel zugunsten der Bonner Akademie. Den Unterricht übernehmen 1783 auf Anordnung des Kurfürsten die Neusser Franziskanerobservanten in ihrem eigenen Gebäude. Die Kirche und ein Teil des Jesuitenklosters werden abgerissen (Tücking, Gymnasium, S. 73-98; Wisplinghoff I, S. 680-687; H. Gilliam in: Litterae Annuae, S. 333-352; IV 5)
1802 Aufhebung des Klosters der Franziskanerobservanten; der Unterricht wird im laufenden Jahr in beschränktem Umfang durch 2 bisherige Lehrkräfte fortgesetzt (Tücking, Gymnasium, S. 99f.)
1803 Auf Antrag Bürgermeister Franz Jordans wird in den Räumen des Klosters eine provisorische Sekundärschule mit insgesamt 4 Lehrern eingerichtet; die Lateinschule wird ihr einverleibt (ebd.)
4. 11 Philosophisches Studium der Franziskanerobservanten
1699 Einrichtung - zunächst vorübergehend - eines philosophischen Ordensstudiums, seit 1786/87 auch öffentliche Veranstaltungen (J. Kistenich, Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, S. 1243-1262)
4. 11 Deutsche Schule
1485 Stadtschule in Neuss erwähnt (StaK Zunft Dep. Urk 1/15 b)
1509 verzeichnet die Stadtrechnung eine Zuwendung an den neuen Scholmeister (StaN B.01.03 1509 fol. 39). Die seit dem 16. Jahrhundert bezeugte deutsche Schule dürfte jedoch älter sein (Tücking, Gymnasium, S. 63-68). Jungen und Mädchen werden dort gemeinsam unterrichtet.
1701 beschließt der Rat, Jungen und Mädchen getrennt unterrichten zu lassen (StaN B.01.01 Rat 1692-1703 fol. 282v; vgl. Tücking, Gymnasium, S. 70-73; Wisplinghoff I, S. 688f.)
Seit dem späten 18. Jahrhundert unterstützte die Stadt neben der deutschen Schule private Schreib- und Rechenschulen (Tücking, Gymnasium, S. 96-98)
4. 11 Mädchenschulen
1638 Auf Betreiben der Jesuiten wird eine Mädchenschule in Neuss gegründet (Litterae Annuae, S. 86). Über ihre Lebensdauer ist nichts bekannt.
1662 übernehmen die Sepulchrinerinnen (IV 5) die Verpflichtung, Mädchen kostenlosen Unterricht zu erteilen, scheinen ihr aber nur unzureichend gerecht geworden zu sein (Tücking, Einrichtungen, S. 182f.; Tücking, Gymnasium, S. 71; A. Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften u. d. katholische Mädchenbildung im Rheinland <16.-18. Jahrhundert>, 2006, S. 166)
1708 Jungfer Oepen am Zolltor erteilt Mädchen Privatunterricht (StaN B.01.01 Rat 1704-1714 fol. 592) 1720 erhält sie aus Gasthausmitteln Unterstützung (ebd. B.02.01, VII 240 H. 27 <1720>). Mädchenerziehung durch „geistliche Jungfern“ ist bis 1790 belegt (Tücking, Gymnasium, S. 71f.; Wisplinghoff I, S. 688f.)
4. 11 Französischunterricht
1630 erhält Arnoldt Brandt die Erlaubnis, die iugendt mit der französischen Sprach zu instruiren (StaN B.01.01 Rat 1630 fol. 516-519v)
1792 lässt sich ein französischer Sprachmeister in Neuss nieder, dem der Rat freie Wohnung gewährt (StaN B.01.01 Rat 1790-1793 fol. 167v, 169v)
4. 11 Sonntagsschule
(1740) beginnt Kaplan Anton Kux, Kindern armer Eltern an Sonn- und Feiertagen Elementarunterricht zu erteilen (Tücking, Gymnasium, S. 69f.)
1743 dotieren der Türwärter [Stadtschreiber] Dionys Küper und Maria Elisabeth Willems das Unternehmen mit einem jährlich 100 Taler an Zinsen abwerfenden Kapital. Die Schule besteht bis in die 1880er Jahre, nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht als Nachhilfeschule für entlassene Schulkinder (Hermanns, S. 26-38; Wisplinghoff I, S. 691; Engels, S. 320)
4. 11 Schulen seit dem 19. Jahrhundert
Elementarschulen
1802 an der aufgrund des Schulgesetzes vom 1. Mai eingerichteten Primärschule unterrichten 1809 6 Lehrer Deutsch und Rechnen (LAV NRW R Roerdep. 2727 fol. 6-7)
1811 beschließt die evangelische Gemeinde die Errichtung einer eigenen Schule, die aber nur bis 1814 bestanden zu haben scheint (Tücking, Einrichtungen, S. 323)
1814 unterrichten 5 Primärschullehrer, daneben existieren 5 „Winkel“- oder private Nebenschulen (LAV NRW R Gen.gouv. NuM 1313 I fol. 320v)
1821 besteht eine katholische Elementarschule, in der in 3 Klassen 271 Jungen und Mädchen räumlich getrennt unterrichtet werden; 1829 organisatorische Trennung der Jungen- und Mädchenschule (Engels, S. 315). 1822 besuchen nur 466 von 1143 schulpflichtigen Kindern eine Schule, vor allem als Folge der verbreiteten Kinderarbeit (G. Schulz, Schulbesuch u. Kinderarbeit in Neuss in d. ersten Hälfte d. 19. Jh. In: Almanach f. d. Kr. N 1982, S. 151f.)
1822 wird eine evangelische Schule gegründet, 1826 wird sie mit der katholischen Schule zusammengelegt, 1832 wird das Simultaneum (Gemeinschaftsschule) wieder aufgehoben. 1845/46 errichtet die Stadt für die evangelische Schule ein eigenes Gebäude am Hamtorwall (200 Jahre, S. 143-149, 158)
1829 Gründung einer kostenlosen „Freischule“, die 1849 nach der Einführung des kostenlosen Elementarschulunterrichts geschlossen wird (Engels, S. 317f.)
1833 3 katholische Elementarschulen mit 3 Lehrern und 6 Hilfslehrern sowie 3 Privatschulen mit 5 Lehrern (LAV NRW R Reg. Düsseldorf 2586 fol. 165-168)
1897 4 katholische Volksschulen für Knaben, 3 für Mädchen, 1 katholische Waisenhausschule sowie 1 evangelische und 1 jüdische Volksschule (ebd. 42490 fol. 573v-576; IV 11 Jüdische Schule)
1913 9 katholische sowie 1 evangelische Volksschule, die katholische Waisenhausschule und 1 Hilfsschule (VB 1913-1924, S. 197)
1939 Umwandlung der bestehenden konfessionellen Schulen in Gemeinschaftsschulen (Engels, S. 319)
1946 werden die konfessionellen Volksschulen nach einer Elternabstimmung wiederhergestellt. Es werden 11 katholische und 1 evangelische Volksschule eingerichtet (Neuss im Wandel, S. 337)
2008/09 gibt es 10 katholische, 2 evangelische und 13 Gemeinschaftsgrundschulen, 5 Hauptschulen sowie 5 Förderschulen (www.neuss.de; www. landesdatenbank.nrw.de)
4. 11 Kleinkinderbewahrschulen/Kindergärten
1849 richtet der Vinzenz-Verein in der Brückstraße die erste Bewahrschule ein (Neuss im Wandel, S. 278; Engels, S. 50)
1924 unterhält der Vinzenz-Verein, unterstützt durch städtische Zuschüsse, 6 Bewahranstalten (Neuss im Wandel, S. 278). 1928 sind es 8. Sie werden von durchschnittlich 50 Kleinkindern besucht (VB 1913-1924, S. 213; VB 1924-1928, S. 114
2008 72 Kindergärten und Kindertagsstätten im Stadtgebiet (www.neuss.de)
4. 11 Höhere Schulen
1803 Eröffnung einer Sekundärschule in den Räumen des Oberservantenklosters (IV 5), das 1804 in den Besitz der Stadt übergeht, seit 1806 mit einem Pensionat verbunden, seit 1809 als Collège de Neuss bezeichnet (Tücking, Gymnasium, S. 100-113)
1814 als Kollegium oder höhere Stadtschule mit 5 Lehrern weitergeführt, seit 1847 unter der Bezeichnung Progymnasium (ebd., S. 114-122, 142; LAV NRW R Gen.Gouv. NuM 1313 I fol. 326v)
1852 im Zusammenhang mit der Eröffnung eines erzbischöflichen Knabenkonvikts im ehemaligen Sebastianuskloster (IV 5) Erhebung zum Vollgymnasium (Tücking, Gymnasium, S. 150-159)
1875 wird die Anstalt als „königliches Gymnasium“ vom Staat übernommen (ebd., S. 187-189). 1889 erhält die Schule einen Neubau an der Breite Straße. 1930 Quirinus-Gymnasium, 1937 Oberschule für Jungen, seit 1956 wieder Quirinus-Gymnasium (H. Gilliam in: Litterae Annuae, S. 338-352). Das Erzbischöfliche Konvikt in der Breite Straße, in dem traditionell zahlreiche ein theologisches Studium anstrebende Schüler leben, wird während des Zweiten Weltkriegs geschlossen und 1949/50 als Zentrum des 2. Bildungsweges (Erzbischöfliches Abendgymnasium) neu eröffnet. 1959/62 verzieht es von der Breite Straße in das ehemalige Notburgahaus (IV 5) an der Preußenstraße. 2006 wird es in das Gebäude des Collegium Albertinum in Bonn verlegt (StaN D.04.L.04 Sammlung Joseph Lange)
1904 Einrichtung einer sechsklassigen Realschule, die 1908 als Oberrealschule Vollanstalt wird und einen Schulkomplex an der Schwann- und Tückingstraße bezieht. Im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1966 Wiedererrichtung als Theodor-Schwann-Gymnasium; 1992 geschlossen. Heute Janusz-Korczak-Gesamtschule (Engels, S. 331; www.jkg-neuss.de)
1807-26 existiert eine Privatschule mit Pensionat für Mädchen. 1814 werden dort 15 Pensionärinnen und 25 N.er Bürgertöchter unterrichtet (LAV NRW R Gen.Gouv. NuM 1313 I fol. 327v). 1830 wird eine von der Stadt bezuschusste Schulanstalt für „Töchter aus den höheren und mittleren Ständen“ gegründet, 1846 von der Stadt übernommen und als „höhere Klasse“ der Elementarschule für Mädchen angegliedert (Engels, S. 331f.)
1857 übernehmen die Schwestern vom armen Kinde Jesus die höhere Schulbildung für Mädchen im ehemaligen Kloster Marienberg (IV 5). 1909 staatliche Anerkennung als Höhere Mädchenschule, 1912 Lyzeum Marienberg. 1877-88 und 1940-45 müssen die Schwestern die Schule aus politischen Gründen aufgeben (Neuss im Wandel, S. 225; Engels, S. 332-336). 1991 übernimmt das Erzbistum Köln die Schule.
(1919) Eröffnung eines Internats für Ordensschüler der Kamillianer, 1997 geschlosssen (Festschrift z. Einsegnung d. St. Kamillus-Kirche in Neuss, 1973; StaN D.04.L.04 Sammlung Joseph Lange)
2008/09 5 Realschulen, 6 Gymnasien und 2 integrierte Gesamtschulen (www.neuss.de; www. landesdatenbank.nrw.de)
4. 11 Lehrerfortbildungsanstalten
1913 Gründung eines staatlichen Lehrerseminars mit Präparandenanstalt im alten Hospital an der Brückstraße. 1916 erhält das Königliche Lehrerseminar einen Neubau an der Jostenallee. Es wird 1926 aufgelöst (Neuss im Wandel, S. 286)
1962 Eröffnung der Pädagogischen Hochschule Neuss im Collegium Marianum in der Breite Straße (LAV NRW R NW 122-115). 1965 Abteilung der Pädagogischen Hochschule Rheinland. 1970 Fertigstellung des Neubaus in der Humboldtstraße. Architekt Hans Schwippert (Neusser Jb 1970, S. 5-13). 1980 Eingliederung in die Universität Düsseldorf (Jb f. d. Kr. N 2001, S. 234)
4. 11 Handwerker- und kaufmännische Fortbildungsschulen für Jungen
1820 gliedert die Stadt dem Kollegium (s. oben Höhere Schulen) eine Zeichenschule für Handwerker an; der Unterricht findet an Sonntagen statt (Hermanns, S. 41-49)
1885Nachdem Fortbildungseinrichtungen unter geistlicher Leitung für katholische Gesellen (seit 1852) und Lehrlinge (seit 1865) 1880/82 eingegangen sind, beschließt die Stadtverordnetenversammlung die Errichtung einer Handwerkerfortbildungsschule auf freiwilliger Basis, deren Unterricht überwiegend an Wochenabenden stattfindet
1906 Umwandlung in eine obligatorische gewerbliche Fortbildungsschule, seit 1922 unter der Bezeichnung Berufsschule mit Vor- oder Nachmittagsunterricht (Hermanns, S. 49-109)
1903 gründen die beiden Neusser Kaufmannsvereine 2 kaufmännische Fortbildungsschulen, an denen in Abendkursen unterrichtet wird (LAV NRW R LA Neuss 159 fol. 93f., 116; Engels, S. 324)
1905 richtet die Stadt eine kaufmännische Fortbildungsschule (auch als kaufmännische Berufsschule bezeichnet) ein, an der an einem Wochentag unterrichtet wird (ebd.)
1927 gründet die Stadt eine Handelsschule für Knaben im 1926 errichteten Gebäude der kaufmännischen Berufsschule am Hamtorwall (VB 1924-1928, S. 65-67; Neuss im Wandel, S. 285; Engels, S. 326f.)
1998 Die Handelsschule wird Bestandteil des Berufskollegs für Wirtschaft und Informatik (s. u.)
4. 11 Mädchenfortbildungsschulen
1880 Gründung der Näh- und Haushaltungsschule des St. Anna-Arbeiterinnenvereins, 1885 einer Näh- und Strickschule für schulpflichtige und schulentlassene Mädchen, 1890 der Nähschule der evangelischen Gemeinde, 1894 der Krawattennähschule des Vereins für Gemeinwohl, 1896 der Kochschule des St. Anna—Arbeiterinnenvereins und der städtischen Kochschule
1913 richten die Schwestern vom armen Kinde Jesus am Lyzeum Marienberg einen berufsvorbereitenden Handelskurs ein; 1925 staatliche Anerkennung als zweijährige Handelsschule; 1940 geschlossen, 1952 wieder eröffnet; 1991 Übernahme durch das Erzbistum Köln. 2006 wird die Anstalt mit dem sozialpflegerischen St. Marienhaus, in dem die Barmherzigen Schwestern von 1906 bis 1922 unter anderem einen Kindergarten betrieben hatten, in dem 1970 die private Fachschule der katholischen Kirchengemeinden des Stadtdekanats Neuss untergebracht war und das 1992 vom Erzbistum Köln übernommen worden war, zum Erzbischöflichen Berufskolleg Neuss zusammengeschlossen (www.berufskolleg-marienberg.de)
1919 Errichtung einer Mädchenberufsschule mit 6 Stunden wöchentlichem Unterricht; von 1922 an Einrichtung von Fachklassen (VB 1913-1924, S. 209f.)
1926 werden die kaufmännischen weiblichen Lehrlinge der kaufmännischen Berufsschule zugewiesen (VB 1924-1928, S. 64f.)
1954 gibt es eine Städtische Mädchenberufsfachschule in der Hafenstraße, bei der es sich um eine Fürsorgeerziehungsanstalt handelt (LAV NRW R NW 226-107)
4. 11 Berufsbildende Schulen seit 1997
1997 Neuordnung des berufsbildenden Schulwesens durch das Berufskolleggesetz NRW
Seit 1998 Berufskolleg für Technik und Informatik Neuss-Hammfeld mit unter anderem Berufsschule des dualen Systems (www.btineuss.de); Berufskolleg Wirtschaft Informatik Weingartstraße mit unter anderem kaufmännischen Berufsschulen (www.berufskolleg-neuss.de), Erzbischöfliches Berufskolleg (s. o.). Zu Anzahl der Schulen, Klassen und Schüler/innen 2008/09 vgl. www.landesdatenbank.nrw.de
4. 11 Landwirtschaftliche Schule
1908 eröffnet die Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz eine landwirtschaftliche Winterschule (VB 1913-1924, S. 205f.; VB 1924-1928, S. 63f.)
4. 11 Volkshochschule
1919 wird in Zusammenarbeit mit den Parteien, den Gewerkschaften und kulturellen Institutionen unter der Leitung von Georg Raederscheidt eine Volkshochschule gegründet. Nach anfänglichen Erfolgen geht sie 1922 aus Mangel an Interesse ein (VB 1913-1924, S. 204f.; Neuss im Wandel, S. 303)
1946 kommt es auf Weisung der Militärregierung zu einer Neugründung (ebd., S. 343), 2006 Verlegung der VHS von der Oberstraße an die Hafenstraße.
4. 11 Jüdische Schule
1812 gibt es in Neuss 6 jüdische Kinder, die von einem aus Nettesheim kommenden Schulmeister unterrichtet werden (Rohrbacher, S. 48)
1826 Bestellung eines jüdischen Lehrers, über dessen Amtsdauer keine Nachrichten vorliegen (Engels, S. 316). 1835-36 wird ein großer Teil der schulpflichtigen Kinder in einer jüdischen Schule unterrichtet, die meisten übrigen in den christlichen Schulen; 1837 wird kein jüdischer Lehrer mehr registriert (LAV NRW R Reg. Düsseldorf 2634 fol. 177-179)
1843 Einrichtung einer Schule in dem auch als Synagoge (IV 8) dienenden Haus an der Michaelstraße (Rohrbacher, S. 118f.)
1846 liegt der Anteil jüdischer Schüler am Gymnasium bei 3,25 %, 1870 bei 4,24 %, 1888 bei 4,38. Nach 1904 bevorzugen die jüdischen Schüler die Oberrealschule; ihr Anteil dort liegt 1914 bei 3,19 %, 1928 bei 2,42 % (Tücking, Gymnasium, S. 139, 177f., 196f.; VB 1913-1924, S. 200f.; VB 1924-1928, S. 61)
1863 von den 41 schulpflichtigen jüdischen Kindern besuchen 24 eine christliche und 14 die jüdische Schule; 1865 beträgt das Verhältnis bei 54 schulpflichtigen Kindern 29:20 (LAV NRW R Reg. Düsseldorf 2639)
1873 Umzug der jüdischen Schule in das ehemalige Scheibenhaus der Neusser Schützen an der Promenade (Pracht-Jörns, Jüd. Kulturerbe II, S. 488)
1882 Neubau eines Schulhauses an der Michaelstraße, das durch einen schmalen Gang mit der Synagoge verbunden ist. 1885 wird die Schule von 61, 1886 von 63, 1896 von 33, 1906 von 18 Kindern besucht. 1890 Anerkennung als öffentliche Volksschule. 1913 wegen rückläufiger Schülerzahl eingestellt (Rohrbacher, S. 118-120; Monumenta Judaica, S. 379)
4. 11 Stadtbibliothek
1907 Eröffnung der „Lese- und Bücherhalle“ im alten Kaufhaus als Präsenzbibliothek, ab 1908 Ausleihbetrieb. 1912 Umzug in das städtische Museum, 1926 in die Friedhofschule, im Zweiten Weltkrieg zerstört.
1946 Wiedereröffnung, 1961 Umbenennung in „Stadtbücherei“
1987 Eröffnung des Neubaus von Helmut Bungenberg am Neumarkt, Umbenennung in „Stadtbibliothek“ (A. Müller-Jerina, 100 Jahre Stadtbibliothek Neuss. In: Novaesium 2008, S. 188-194)
4. 11 Stadtarchiv
1244 Erwähnung des archivum publicum Nussie (REK III 1112)
1590 der gemeinen burgerschaft archivium (Lau I 7)
1895/96 Neuordnung des Archivs durch Richard Bettgenhäuser (AHVN 34, 1897, S. 209f.)
1912 wird das Archiv im städtischen Museum untergebracht und dessen Leiter unterstellt, 1939 getrennte Haushalte, seit 1961 ständig unter eigener Leitung.
1967 Unterbringung im Gebäude der ehemaligen Postmeisterei an der Oberstraße
4. 11 Musikleben
1835 Gründung des „Musikvereins“, der im Kaufhaussaal Konzerte veranstaltet, 1847 aufgelöst
1847 Konzertverein, 1851 aufgelöst
1844 Gründung des „Männergesangvereins Neuss“, ab 1852 „Städtischer Männergesangverein“, 1935 umbenannt in „Städtischer Musikverein“
1858 Eröffnung der Tonhalle, 1901 abgebrannt
4. 11 Theater
Seit 1791 ist das Auftreten von Wanderbühnen in Neuss nachweisbar. 1830 erhält die Düsseldorfer Schauspielgesellschaft die Genehmigung für Gastspiele, die allerdings erst seit 1859 belegt sind (Huck, Kultur, S. 11, 92f., 263f.)
1925 Gründung des Rheinischen Städtebundtheaters mit Sitz in Neuss. Die Aufführungen finden im Zeughaus statt (VB 1913-1924, S. 219; 1924-1928, S. 76-79). 1937 aufgelöst (Engels, S. 341)
1938 Gründung des Rheinischen Landestheaters Neuß e. V. (Welfens, S. 179).1950 Neugründung unter gleichem Namen; wegen Kriegszerstörung des Zeughauses Eröffnung eines Neubaus an der Drususallee, 2000 des neuen Schauspielhauses an der Oberstraße.
1907 Inbetriebnahme des 1. Kinos („Kino Novesia“) (Huck, Kultur, S. 266f.)
4. 11 Museen
1845 werden die bei Ausgrabungen im Süden der Stadt gefundenen Altertümer als städtische Sammlungen im Gymnasium, 1856 im Rathaus, vor 1900 im Obertor untergebracht.
1912 Errichtung eines städtischen Museums im Stil eines antiken Tempels am Markt, nachdem Pauline Sels, die Witwe von Clemens Sels, der Stadt dessen Sammlungen und 250.000 Mark vermacht hat. 1950 nach Clemens Sels benannt.
1975 nach Kriegszerstörung Errichtung eines durch eine Brücke mit dem Obertor, das nach 1945 die geretteten Sammlungen aufgenommen hatte, verbundenen Neubaus nach Entwürfen von Harald Deilmann (Engels, S. 345f.; Huck, Kultur, S. 108-111, 178-183; www.clemens-sels-museum-neuss.de)
1987 Eröffnung des von Karl-Heinrich Müller begründeten privaten Museums Insel Hombroich in Neuss-Holzheim, seit 1995 um die ehemalige Raketenstation erweitert.
2004 Eröffnung des nach Plänen von Tadao Ando errichteten Kunst- und Ausstellungsbaus der Langen Foundation in der Nähe der Raketenstation (www.inselhombroich.de)
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Müller, Klaus, Rheinischer Städteatlas Neuss. Teil 4: Kirche, Schule, Kultur und Gesundheitswesen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-neuss.-teil-4-kirche-schule-kultur-und-gesundheitswesen/DE-2086/lido/5c8909aee87237.20868410 (abgerufen am 10.10.2024)