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Keimzelle der Stadt Essen ist das in der Mitte des 9. Jahrhunderts gegründete Stift. Diese Gründung erfolgte, wie archäologische Befunde zeigen, in einem bereits besiedelten Gebiet. Auch der Name „Astnide" ist wohl älteren Ursprungs. Er wird als „Ort im Osten" gedeutet, wobei eine Siedlung Westendorp der Gegenpol war.
Nördlich des Stiftsbezirks ließen sich Handwerker, Bauern und Kaufleute nieder. In einem Wunderbericht über den heiligen Liudger aus dem 11. Jahrhundert wird diese Ansiedlung zwar als „civitas" bezeichnet, doch die Entwicklung zur Stadt im Rechtssinn war erst im 13. Jahrhundert abgeschlossen. Die „Bürgergemeinde Essen" ist erstmals 1244 belegt. In diesem Jahr schließen Vertreter der Bürgerschaft einen Vertrag mit den Ministerialen der Äbtissin über den Bau der Stadtbefestigung ab. Beglaubigt ist die Urkunde mit dem großen Stadtsiegel, das bis zum Ende des Ancien Régime im Gebrauch gewesen ist. 1272 werden die zwölf „consules", die Ratsherren, bei einem Rechtsgeschäft namentlich genannt.
In der Folgezeit war die Stadt bemüht, sich aus der Herrschaft der Äbtissin zu lösen und die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. 1377 bestätigte Kaiser Karl IV. (Regierungszeit 1346-1378), dass Stadt und Bürger seit altersher unmittelbar dem Reich unterstellt gewesen seien, obwohl er fünf Jahre zuvor der Fürstäbtissin die Oberherrschaft über die Stadt bescheinigt hatte. Da beide Parteien ein kaiserliches Zeugnis besaßen, hielten die Auseinandersetzungen an. Auch mit dem 1399 geschlossenen „Scheidbrief" konnte der Streit nicht beigelegt werden.
Der Konflikt verschärfte sich, als sich die Stadt 1563 zum evangelischen Glauben bekannte. Ein von der Fürstäbtissin angestrengter Prozess brachte nach mehr als 100 Jahren Verhandlungsdauer keine Klarheit, denn das Urteil des Reichskammergerichts vom 4.2.1670 bestätigte zwar die Oberhoheit der Fürstäbtissin, erkannte aber zugleich alle Rechte der Stadt einschließlich des Religionsbekenntnisses an. So hielten die Auseinandersetzungen bis zum Ende des Alten Reiches an.
Essen war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit eine Kleinstadt ohne große Bedeutung. Auf dem ummauerten Areal von 37 Hektar lebten im 14. Jahrhundert etwa 3.000 Personen. Die Zahl erhöhte sich bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) auf 4.000-5.000, doch anschließend fiel sie wieder auf den alten Wert zurück.
Zwar war Essen über den so genannten Vorort Dortmund nominell Mitglied der Hanse, doch Essener Vertreter waren auf den Hansetagen nicht anwesend. Das führende Gewerbe war seit dem 16. Jahrhundert die Gewehrindustrie, die ihre Blütezeit während des Dreißigjährigen Kriegs erlebte. In der Folgezeit unterlag die Gewehrfabrikation starken Konjunkturschwankungen, ehe sie im 18. Jahrhundert in die völlige Bedeutungslosigkeit abglitt.
Am 3.8.1802 besetzten preußische Truppen die Stadt, die zusammen mit dem Stift und der Abtei Werden sowie dem Reichsstift Elten als Entschädigung für die verloren gegangenen linksrheinischen Gebiete 1803 an Preußen fiel. 1806 kam Essen zum Rheindepartement des Großherzogtums Berg. Nach 1815 war Essen ebenso wie die umliegenden Bürgermeistereien Teil des gleichnamigen Landkreises, der aber 1823 mit dem Landkreis Dinslaken zum Landkreis Duisburg vereinigt wurde. 1873 wurde die Stadt von dem 1859 wiederhergestellten Landkreis Essen abgetrennt und damit kreisfrei. Obwohl Franz Dinnendahl, ein Pionier des Dampfmaschinenbaus, hier seine Werkstatt einrichtete und Friedrich Krupp seine ersten Versuche zur Herstellung von Gussstahl tätigte, war Essen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein kleines Landstädtchen mit 8.000 Einwohnern (1846). Die Entwicklung zur Großstadt (1896) verlief im amerikanischen Tempo und beruhte auf drei von einander abhängigen, sich gegenseitig verstärkenden Faktoren: dem Aufschwung des Bergbaus nach der erfolgreichen Durchstoßung der Mergeldecke, dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und dem Aufstieg der Kruppschen Gussstahlfabrik zum Weltkonzern. Alfred Krupp erfand nicht nur den nahtlosen Radreifen – seine wohl bedeutendste Erfindung –, sondern seine Firma lieferte auch Schienen sowie Achsen und Federn für die Waggons. Ferner trugen zum Wachstum des Krupp-Konzerns die Herstellung von billigem Massenstahl dank des Bessemer-Verfahrens und die Rüstungsproduktion bei. Vor allem letztere wurde von der Öffentlichkeit stark beachtet und machte Essen zur „Kanonenstadt". Essen war aber auch eine Stadt des Bergbaus, denn viele Zechengesellschaften und Bergbauverbände (1858: Verein für die bergbaulichen Interessen; 1893: Rheinisch-Westfälisches Kohlensyndikat; 1906: Zechenverband) hatten hier ihren Sitz.
Die Eingemeindungen von 1901 (Altendorf), 1905 (Rüttenscheid), 1908 (Huttrop), 1910 (Rellinghausen), 1915 (Borbeck, Altenessen, Bredeney) und 1929 (Steele, Werden, Heisingen, Kupferdreh, Überruhr, Kray, Frillendorf, Schonnebeck, Stoppenberg, Katernberg, Karnap) machten Essen zur größten Stadt des Ruhrgebiets. Es festigte seine Position als „Metropole des Reviers", die in den 1920er Jahren in vielen Bereichen einen beachtlichen Aufschwung erlebte. Folkwang sollte zum überregional bekannten Markenzeichen künstlerischen Schaffens werden. Die in diesen Jahren errichteten Bauten (Börse, Verwaltungsgebäude des Ruhrsiedlungsverbandes, Lichtburg, Deutschlandhaus) fanden allgemein Anerkennung. Die Schachtanlage 12 der Zeche Zollverein, eine Ikone der Bergbauarchitektur von 1932, nahm die UNESCO 2002 in die Liste des Weltkulturerbes auf.
Wegen ihrer zentralen Lage stand die Stadt stets im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen, so während der Revolutionszeit 1918/1919, des Ruhrkampfes 1920 und der Ruhrbesetzung 1923-1925. Essen, das im NS-Staat als „Waffenschmiede des Reiches" gefeiert wurde, obgleich die Rüstungsproduktion bei Krupp keineswegs die Rolle gespielt hat, wie es die Propaganda vermuten ließ, war im Zweiten Weltkrieg Ziel zahlreicher Großangriffe, die die Innenstadt zu 93% zerstörten. Von den ehemals 660.000 Einwohnern lebten am Kriegsende nur noch 285.000 in der Stadt. Nach dem Krieg unterlag Essen einem grundlegenden Strukturwandel. Krupp produzierte keinen Stahl mehr, der Bergbau geriet seit den späten 1950er Jahre in eine Krise, sodass eine Zeche nach der anderen schließen musste. Als am 23.12.1986 auf Zollverein die Förderung eingestellt wurde, endete eine lange Tradition, die die Stadt entscheidend geprägt hatte. Stattdessen gewannen Handel und Dienstleistungen größeres Gewicht.
Essen, dessen Stadtgebiet sich durch die Eingemeindungen von Burgaltendorf (1970) und Kettwig (1975) nochmals vergrößerte, ist seit 1958 Bischofssitz und seit 1973 Universitätsstadt.
Der Modernisierungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Die erfolgreiche Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 2010 wird ihn ebenso voranbringen wie die Verlegung der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp von Düsseldorf nach Essen.
Literatur
Borsdorf, Ulrich (Hg.), Essen. Geschichte einer Stadt, Essen 2002.
Gerchow, Jan (Hg.), Die Mauer der Stadt. Essen vor der Industrie 1244 bis 1865, Bottrop/Essen 1995.
Wisotzky, Klaus, Vom Kaiserbesuch zum Euro-Gipgel. 100 Jahre Essener Geschichte im Überblick, Essen 1996.
Online
Informationen und Dokumente zur Stadtgeschichte (Website der Stadt Essen). [Online]
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Wisotzky, Klaus, Stadt Essen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/stadt-essen/DE-2086/lido/57d11f99629534.85466161 (abgerufen am 07.10.2024)