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Die Stadt Mülheim an der Ruhr liegt dort, wo die Ruhr die letzten Ausläufer des Sauerländischen Gebirgszuges verlässt und in die Rheinische Tiefebene eintritt und dabei von allen Ruhrgebietsstädten nur hier direkt das Stadtzentrum durchfließt. Deshalb und weil die Geschichte Mülheims so eng mit der Ruhr verbunden ist, trägt die Stadt stolz den Zusatz “an der Ruhr”.
Von Mülheim an ist die Ruhr flussabwärts bis zu ihrer Mündung in den Rhein bei Ruhrort von alters her schiffbar gewesen, so dass sich hier eine Tradition der Schiffer und Bootsleute herausbilden konnte. Die günstigen Transportmöglichkeiten auf dem Wasserwege förderten schon früh die Herausbildung eines Umschlagplatzes für die im Stollen- und Tagebau geförderte Kohle, deren Flöze entlang der Ruhr an zahlreichen Stellen zutage traten und die in diesem Teil des Ruhrgebiets zunächst bis ins 19. Jahrhundert im bäuerlichen Nebenerwerb abgebaut wurde. Das starke Gefälle der Ruhr und ihrer in Mülheim zufließenden Gewässer ermöglichte hier darüber hinaus die Errichtung zahlreicher Wassermühlen und die Entstehung aller Arten des Mühlengewerbes. Nicht zuletzt gaben diese Mühlen der Ansiedlung auch ihren Namen.
Mülheim an der Ruhr blickt auf eine lange, mitunter bewegte Geschichte zurück. Schon um das Jahr 811 wird mit Menden erstmals ein späterer Mülheimer Stadtteil namentlich erwähnt. Auf das Ende des 9. Jahrhunderts geht vermutlich die Wehranlage des späteren Schlosses Broich zurück, die als Sperrfort gegen die Normannen errichtet wurde und den Hellwegübergang über die Ruhr sichern sollte. Sie bildete Jahrhunderte lang den Mittelpunkt der bergischen Unterherrschaft Broich, aus der die Stadt Mülheim an der Ruhr hervorging.
Die erste nachgewiesene urkundliche Erwähnung einer Gerichtsstätte Mulinhem auf der dem Schloss gegenüber liegenden Ruhrseite datiert aus dem Jahr 1093. Die besondere geographische Lage, die Zweiteilung der Ansiedlung rund um Schloss Broich auf der einen und um die Petrikirche auf der anderen Ruhrseite war schon immer bestimmend für die spätere "Stadt am Fluss". Zunächst war das Dorf Mülheim nur der größte Ort und das wirtschaftliche Zentrum der Herrschaft Broich, die außer Mülheim und Broich mit Saarn - das Dorf hatte sich um das 1808 säkularisierte Zisterzienserinnenkloster Mariensaal entwickelt - einen weiteren bedeutenden Siedlungskern umschloss. Im Gefolge der Eroberungen Napoleons und der damit einhergehenden Umwälzungen Europas zu Beginn des 19. Jahrhunderts gingen die Herrschaft Broich und die von ihr umschlossene kleine Herrschaft Styrum unter. Als Teil des nach französischem Vorbild organisierten napoleonischen Großherzogtums Berg wurde aus dem Gebiet der ehemaligen Herrschaften Broich und Styrum im Jahr 1808 die Munizipalität Mülheim. Da Mülheim erstmals eine selbständige Gemeinde wurde und gleichsam einen städtischen Rechtsstatus erhielt, galt und gilt 1808 als "Geburtsjahr" der Stadt Mülheim an der Ruhr. Zu dieser Zeit hatte die Munizipalität Mülheim nahezu 11.600 Einwohner. Nach dem Wiener Kongress wurde Mülheim an der Ruhr 1815 mit der später so genannten Rheinprovinz preußisch.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erlebte Mülheim einen zunächst langsamen, aber doch stetigen Aufstieg aus den bescheidenen Anfängen. Die Einwohnerzahl stieg auf rund 25.000 (1846) und mit Rathaus, Sparkasse, Krankenhaus, mehreren Elementar- und einer höheren Bürgerschule wuchs allmählich auch eine kommunale Infrastruktur. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt Mülheim eine Gasanstalt, so dass seit 1856 die Straßen mit Gaslaternen beleuchtet wurden. Als Mülheim schließlich 1862 mit der Eröffnung der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn Anschluss an das Eisenbahnnetz erhielt, beschleunigte sich das Wachstum der Stadt erheblich. Hatten die Mülheimer bis zu diesem Zeitpunkt recht gut von der Ruhrschifffahrt und dem Kohlenhandel gelebt, setzte nun ein industrieller Aufschwung ein, der die bisherige Entwicklung deutlich übertraf er später so genannten Rheinprovinz preußisch.
Wenn auch die Ruhrschifffahrt, verdrängt durch die Eisenbahn, innerhalb weniger Jahre nahezu bedeutungslos wurde, so blieb Mülheim doch ein Zentrum erfolgreicher Handels- und Kaufleute. Bis heute haben namhafte Handelshäuser wie zum Beispiel Schmitz-Scholl / Tengelmann ihren Sitz in Mülheim an der Ruhr. Mülheimer Unternehmer wie der Reeder Mathias Stinnes – der “Gründervater” einer bedeutenden Industriellenfamilie, der mit Hugo Stinnes (1870-1924) einer der weltweit mächtigsten Industriellen des frühen 20. Jahrhunderts angehörte – haben immer wieder weit über den engen Raum ihrer Heimatstadt hinaus gewirkt und so die Wirtschaft maßgeblich geprägt. Neben den Handelshäusern lockten Bergbau und Lederherstellung ebenso wie Betriebe der Eisen- und Stahlherstellung und deren Weiterverarbeitung Tausende Arbeitskräfte nach Mülheim. Sie wurden hier sesshaft und wohnten in den zahlreich entstehenden Werkssiedlungen, zum Beispiel des Mülheimer Bergwerksvereins oder der Firma Thyssen. Die steigende Einwohnerzahl zog dabei mit dem städtischen Wasserwerk (1875), dem Amtsgericht (1879), der neuen Hauptpost am Viktoriaplatz oder der ersten elektrischen Straßenbahn (beide 1897) einen weiteren Ausbau der Infrastruktur nach sich. Im Jahr 1908 konnte Mülheim schließlich das 100-jährige Jubiläum der Stadtwerdung ebenso wie die Geburt des 100.000. Einwohners feiern. Damit war Mülheim zur Großstadt geworden und mit Stadtbad, Rathaus und Stadthalle konnten bedeutende öffentliche Bauten errichtet beziehungsweise geplant werden.
Doch der Erste Weltkrieg und die sich daran anschließenden politisch wie wirtschaftlich schwierigen Jahre markierten eine Zäsur in der Stadtgeschichte, die für Mülheim und seine Einwohner zunächst ein Ende des Wachstums bedeutete. So litten die Bewohner in den Kriegs- und Nachkriegsjahren nicht nur unter der schlechten Versorgungslage, sondern auch unter Ruhrbesetzung, Inflation und Weltwirtschaftskrise. Dennoch konnten ab Mitte der 1920er Jahre große öffentliche Baumaßnahmen durchgeführt werden: So entstanden das Stadtbild so prägende Bauten wie die Stadthalle, der Wasserbahnhof, die katholische Pfarrkirche St. Mariae Geburt und die heutige Realschule Stadtmitte.
Mit der Machtergreifung der NSDAP 1933 begann ein weiteres, dunkles Kapitel der Stadtgeschichte. Im Vergleich zu anderen Ruhrgebietsstädten erzielte die NSDAP in Mülheim eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung, wie die Wahlergebnisse der Reichstagswahlen 1932 und 1933 zeigen. Während der folgenden Jahre der NS-Diktatur führten die anfangs noch verdeckten Kriegsvorbereitungen des Regimes mit ihrer Konjunkturbelebung zunächst zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung der Lage. Zugleich wurde jedoch auch in Mülheim die Opposition in Verwaltung, Presse, Politik und Gesellschaft ausgeschaltet und am 9.11.1938 die Synagoge angezündet, zahlreiche Mülheimerinnen und Mülheimer wurden verschleppt und ermordet. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs mussten schließlich auch in Mülheim bis zu 25.000 Ukrainer, Polen, Belgier, Franzosen und Menschen anderer Nationalität Zwangsarbeit leisten.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Mülheim wiederholt Ziel alliierter Bombenangriffe, bei denen mehr als 1.000 Menschen ihr Leben verloren und zahlreiche Gebäude für immer zerstört oder schwer beschädigt wurden. So wiesen nach dem schwersten Bombenangriff im Juni 1943 rund 77 Prozent der innerstädtischen Gebäude Kriegsschäden auf.
Nach dem Ende des Krieges waren die ersten Jahre von Improvisation und Sorge um das Lebensnotwendigste geprägt. Galt es zunächst, die Not leidende Bevölkerung mit Wohnraum, Lebensmitteln, Medikamenten und dergleichen zu versorgen, rückten bald schon Fragen des praktischen aber auch des moralischen und politischen Wiederaufbaus in den Mittelpunkt.
Stadt- und Verkehrsplanung nutzten nach der Beseitigung von Schutt und Kriegstrümmern die Gelegenheit, Mülheim nach den damals geltenden Vorstellungen neu entstehen zu lassen, war doch das alte Mülheim im Krieg untergegangen. Das Stadtbild änderte sich in diesen Jahren deutlich, zum Beispiel durch den Ausbau der Leineweberstraße oder den Bau von mehr als 3.200 neuen Wohnungen allein zwischen den Jahren 1950 und 1954. Diese Zeit ist inzwischen selbst Teil der Stadtgeschichte, die damals neu errichteten Gebäude Zeugnisse einer nunmehr historischen Epoche der Architektur- und Baugeschichte geworden.
Den Aufbau- und Wirtschaftswunderjahren, in denen auch die in Mülheim ansässige Industrie florierte, folgten schwierige Zeiten des Umbruchs. Im Jahre 1966 endete die Mülheimer Bergbaugeschichte, als auf Zeche “Rosenblumendelle” die Förderung eingestellt und Mülheim als erste Ruhrgebietskommune “zechenfrei” wurde. Der Strukturwandel, der das Ruhrgebiet seit den 1970er Jahren erfasste, begann hier bereits Ende der 1960er Jahre. Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsmaßnahmen wie zum Beispiel die Hafenerweiterung, der Bau des Rhein-Ruhr-Einkaufszentrums oder des Hans-Böckler-Platzes bestimmten die 1970er Jahre. In diesem Jahrzehnt erreichte Mülheim mit beinahe 193.000 Einwohnern (1972) auch die bislang höchste Einwohnerzahl seiner Geschichte. Damalige Prognosen, in absehbarer Zeit den 200.000 Einwohner verzeichnen zu können, erfüllten sich jedoch nicht.
Einen wichtigen Impuls erhielt die Stadtentwicklung durch die Landesgartenschau MüGa 1992. Damals konnten Brachflächen an der Ruhr zu einem bis heute bestehenden und beliebten innerstädtischen Naherholungsgebiet ausgebaut werden. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts rückt das Stadtentwicklungsprojekt “Ruhrbania” die Ruhr erneut in den Mittelpunkt des Interesses. Ebenso wie die neu gegründete Hochschule Ruhr West – Mülheim ist gemeinsam mit Bottrop seit 2008 Hochschulstandort - wird “Ruhrbania” in Zukunft durch die Ansiedlung hochwertiger Gewerbe- und qualitätsvoller Wohnquartiere das Gesicht der Stadt erneut verändern. Im Jahre 2010 leben in Mülheim rund 170.000 Menschen, die besonders die reizvolle Lage der “kleinen Großstadt” zwischen Essen und Düsseldorf schätzen.
Stadtgeschichtliche Zeitschrift
Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins 1 ff. (1906ff.)
Mülheimer Jahrbuch [seit 1950 jährlich unter diesem Titel; von 1940 bis 1949 unregelmäßig als “Heimatkalender”]
Literatur
Barleben, Ilse, Mülheim an der Ruhr. Beiträge zu seiner Geschichte von der Erhebung zur Stadt bis zu den Gründerjahren, Mülheim an der Ruhr 1959.
Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr (Hg.),Zeugen der Stadtgeschichte. Baudenkmäler und historische Orte in Mülheim an der Ruhr. Essen 2008.
Krapp, Franz R., Vom Wiederaufbau und Wachstum einer Stadt. Mülheim an der Ruhr nach 1945. Mülheim an der Ruhr 1982.
Redlich, Otto R., Mülheim an der Ruhr. Seine Geschichte von den Anfängen bis zum Übergang an Preußen 1815, Mülheim an der Ruhr 1939.
Rheinischer Städteatlas IX Nr. 50: Mülheim a. d. Ruhr, bearb. von Kurt Ortmanns, Köln/Bonn 1989.
Wessel, Horst A. (Hg.), Mülheimer Unternehmer: Pioniere der Wirtschaft. Unternehmergeschichte in der Stadt am Fluss seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Essen 2006.
Online
Homepage des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr mit zahlreichen Texten, Tafeln und Abbildungen zur Stadtgeschichte. [Online]
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Rawe, Kai, Stadt Mülheim an der Ruhr, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/stadt-muelheim-an-der-ruhr/DE-2086/lido/57d120a82c8f16.57464155 (abgerufen am 07.10.2024)