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Adolf Eichmann war einer der entscheidenden Vorreiter des Völkermordes an den europäischen Juden. Nicht in der ersten Reihe der nationalsozialistischen Führungsriege stehend, gelang dem unscheinbaren SS-Obersturmbannführer der Aufstieg zu einem der mächtigsten Funktionäre im NS-Staat. Nach Kriegsende wurde sein Name zum Inbegriff des gewissenlosen Technokraten und Schreibtischtäters.
Adolf Eichmann wurde am 19.3.1906 in Solingen als Sohn des Buchhalters Karl Adolf Eichmann und dessen Frau Maria Schefferling geboren. 1914 übersiedelte die Familie nach Linz in Österreich, wo der Vater eine Stellung als Leiter des städtischen Elektrizitätswerks übernommen hatte. Nach der Volksschule besuchte Eichmann die Staatliche Oberrealschule sowie die höhere Bundeslehranstalt für Maschinenbau in Linz, erwies sich dort jedoch als schlechter Schüler und blieb ohne Abschluss. 1925 begann er eine kaufmännische Lehre bei der „Oberösterreichischen Elektrobau AG", und war von 1927 bis 1933 mit mäßigem Erfolg als Reisevertreter für die Wiener „Vacuum Oil Company AG" tätig.
Die entscheidende Wende nahm Eichmanns Leben erst mit dem Eintritt in die NSDAP. Bereits in den 1920er-Jahren hatte der überzeugte Antisemit die Nähe rechtsradikaler Organisationen gesucht und sich 1927 der „Vereinigung Deutsch-Österreichischer Frontkämpfer" angeschlossen. Am 1.4.1932 wurde er Mitglied der österreichischen NSDAP. Als Angehöriger der SS, der er gleichzeitig beigetreten war, durchlief Eichmann eine vierzehnmonatige militärische Ausbildung im bayrischen Lechfeld, ehe er am 1.10.1934 in das Hauptamt des Sicherheitsdienstes (SD) nach Berlin berufen wurde. Als zuständiger Referent der Abteilung II/112 zeichnete er dort ab 1935 für die Überwachung und Terrorisierung jüdischer Organisationen ebenso verantwortlich wie für die Zwangsaussiedlung und Enteignung vornehmlich wohlhabender jüdischer Einzelpersonen. Dank seines gleichermaßen akribischen wie skrupellosen Vorgehens empfahl sich der überzeugte Nationalsozialist Eichmann dabei bald für höhere Aufgaben.
Nach der Eingliederung Österreichs in das Staatsgebiet des Deutschen Reiches wurde Eichmann 1938 der Aufbau und die Leitung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien übertragen. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges forcierte Eichmann hier nicht nur die Zwangsaussiedlung von 150.000 österreichischen Juden, sondern auch die rigoros betriebene „Sicherstellung" ihrer Vermögenswerte. Im Auftrag des Leiters des Reichsicherheitshauptamtes (RSHA) Reinhard Heydrich (1904-1942) richtete Eichmann 1939 eine weitere Auswanderungsstelle für das Protektorat Böhmen und Mähren ein und übernahm die Leitung der Reichszentrale für jüdische Auswanderung in Berlin.
Der schnelle, unvermindert anhaltende Aufstieg und die plötzliche Machtfülle blieben nicht ohne nachhaltige Auswirkungen auf Eichmanns Persönlichkeit, der lange Zeit als devoter und unauffälliger Außenseiter gegolten hatte. So gab der ehemalige Leiter des Palästinaamtes in Berlin, Dr. Franz Elieser Mayer, 1961 zu Protokoll: „Ich sagte sofort zu meinen Freunden, dass ich nicht weiß, ob ich mit diesem Mann schon zusammengekommen bin, so schrecklich war die Veränderung. Früher war er ein kleiner Beamter, ein guter Bürokrat. Hier plötzlich saß ein Mann, der in seiner Unverschämtheit Herr über Leben und Tod war, uns grob anraunzte. Wir durften uns überhaupt nicht seinem Tisch nähern, wir mussten die ganze Zeit über stehen."
Bei der Planung und Durchführung des nach dem Einmarsch in Polen einsetzenden Völkermordes an den europäischen Juden fiel Eichmann, der mittlerweile zum SS-Obersturmbannführer ernannt worden war und seit März 1941 an der Spitze des Referats IV B 4 des Reichsicherheitshauptamts für „Judenangelegenheiten und Räumungsangelegenheiten" stand, erneut eine Schlüsselrolle zu. Die auf der Wannseekonferenz am 20.1.1942 von Spitzenfunktionären des NS-Regimes festgelegte Vorgehensweise zur „Endlösung der Judenfrage" beruhte im Wesentlichen auf den Konzepten und Vorarbeiten von Eichmanns Dienststelle. Er selbst war in seinem Amt als Judenreferent an den Terrormaßnahmen im Reichsgebiet und in den besetzten Gebieten ebenso beteiligt, wie an den Planungen zur Errichtung der Konzentrationslager und der Entwicklung und Erprobung verschiedener Vergasungsmethoden. Bis 1944 war er als der „große Spediteur des Todes" maßgeblich an der Koordination und logistischen Umsetzung der Deportationen der europäischen Juden verantwortlich, die Erfassung und Deportation der jüdischen Bevölkerung Ungarns leitete er 1944 an der Spitze eines Sondereinsatzkommandos persönlich.
Kurz vor Kriegsende verließ Eichmann seine Berliner Dienststelle, um sich der drohenden Verhaftung durch alliierte Truppen zu entziehen. Mit gefälschten Papieren ausgestattet, führte ihn seine Flucht zunächst nach Altaussee im Salzkammergut, ehe er in der Nähe von Ulm in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet, aber unerkannt blieb. Anfang 1946 gelang ihm die Flucht aus dem Gefangenenlager Oberdachstetten, woraufhin er sich zunächst in Norddeutschland versteckt hielt. 1950 setzte er sich nach Argentinien ab und lebte dort unter dem Namen Ricardo Klement mehrere Jahre unbehelligt unter einfachen Verhältnissen.
Erst Ende der fünfziger Jahre wurde Eichmann in Buenos Aires aufgespürt. Am 11.5.1960 gelang es einer Spezialeinheit des israelischen Geheimdienstes, ihn zu verhaften und nach Israel zu verschleppen, wo ihm ab dem 11.4.1961 vor einem Gerichtshof in Jerusalem der Prozess gemacht wurde. Sich während der Verhandlungen auf seinen Befehlsnotstand berufend und in allen Anklagepunkten für unschuldig erklärend, wurde Eichmann am 15.12.1961 „wegen der Verbrechen gegen das jüdische Volk" und „der Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte am 1.6.1962 im Gefängnis von Ramleh bei Tel Aviv. Im Anschluss wurde der Leichnam verbrannt und die Asche ins Meer gestreut.
Quellen
Lang, Jochen von, Das Eichmann-Protokoll – Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre, Berlin 1982.
Nellessen, Bernd, Der Prozess von Jerusalem – Ein Dokument, Düsseldorf 1964.
Literatur
Arendt, Hannah,_ _Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 1986.
Cesarani, David, Adolf Eichmann – Bürokrat und Massenmörder, Berlin 2004.
Kempner, Robert M. W., Eichmann und seine Komplizen, Zürich 1961.
Safrian, Hans, Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt a.M. 1993.
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Thomann, Björn, Adolf Eichmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-eichmann-/DE-2086/lido/57c69f8c34be20.45354517 (abgerufen am 14.12.2024)