Zu den Kapiteln
Schlagworte
Änne Saefkow, geborene Anna Clementine Thiebes, gehört zu den vielen Widerstandskämpferinnen gegen den Nationalsozialismus, deren Wirken im Gegensatz zu den Männern im Widerstand bis heute unterschätzt wird. Ihre Mitgliedschaft in der KPD und spätere Funktionärstätigkeiten in der DDR dürften mit dazu beigetragen, dass sie insbesondere in ihrer rheinischen Heimat weitgehend unbekannt ist. So findet sie in den einschlägigen biographischen und bibliographischen Verzeichnissen Nordrhein-Westfalens keine Erwähnung. Dabei ist ihre frühe politische Prägung und Karriere auf das Engste mit ihrer Geburtsstadt Düsseldorf und den dortigen politischen Verhältnissen in der frühen Weimarer Republik verknüpft.
Als Tochter des Schreiners Wilhelm Thiebes (1872-1945) und der Näherin Elisabeth Thiebes (geb. Jansen, 1863-1917) am 12.12.1902 in Düsseldorf geboren, wuchs sie im dortigen traditionellen Arbeitermilieu im heutigen Stadtbezirk 2 auf; im Jahr 1909 wohnte ihre Familie in der Mülheimer Straße 31. Die Arbeiterbewegung in Düsseldorf hatte seit jeher eine radikale und revolutionäre Ausrichtung. Ausschlaggebend dafür waren einerseits einflussreiche lokale Sozialdemokraten wie Peter Berten (1873-1960), andererseits ist ein Arbeitermilieu in Düsseldorf erst verhältnismäßig spät entstanden und konkurrierte bei katholischen Arbeitern mit dem Zentrum um Wählerstimmen und Mitglieder. Noch um die Jahrhundertwende hatte die Sozialdemokratie dort kaum mehr als 350 Mitglieder. Als sich die Industrialisierung der Stadt verspätet, aber schnell entwickelte und die Mitgliederzahl der SPD bis 1914 auf fast 8.000 anstieg, erwuchs eine revolutionäre Orientierung „aus dem Nährboden einer jungen, unruhigen und mobilen Düsseldorfer Arbeiterschaft“.[1] Zudem galt das Verhältnis zwischen bürgerlichen Honoratioren und Unternehmern auf der einen und der Arbeiterschaft auf der anderen Seite in Düsseldorf traditionell als besonders vergiftet. Dass eine Frau wie Änne Saefkow sich zeitlebens politisch weit links orientierte, war also auch ein Resultat ihrer lokalen Prägung und Sozialisation. Nach dem Besuch der Volksschule besuchte Änne Saefkow 1916 Kurzkurse in Stenographie und Schreibmaschine an der Handelsschule Düsseldorf. Bis 1922 arbeitete sie als Hilfsarbeiterin bei Rheinmetall und Stenotypistin in einem Rechtsanwaltsbüro in ihrer Heimatstadt.
Schon 1919 trat Saefkow in die Vorgängerorganisation des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (KJVD) ein, drei Jahre später erfolgte der Beitritt zur KPD. Hier bewegte sie sich nicht in einem Randmilieu. Anders als im benachbarten Köln war in Düsseldorf zunächst die USPD und später die KPD innerhalb der Arbeiterbewegung dominierend und auch darüber hinaus eine starke politische Kraft. Bei der Reichstagswahl 1920 wurde die USPD mit 32,8 Prozent klar die stärkste Partei im Wahlkreis Düsseldorf-Ost, der auch noch die linken Hochburgen im Bergischen Land umfasste. In Düsseldorf selbst war das Ergebnis ähnlich. Bei den folgenden Reichstagswahlen kam die KPD, die seit 1922 die USPD im äußersten linken Spektrum endgültig überrundet hatte, in Düsseldorf-Ost immer auf Wahlergebnisse von über 20 Prozent. Damit war der Großraum Düsseldorf, neben Berlin und Teilen Sachsens und Thüringens, die kommunistische Hochburg in Deutschland schlechthin. Dies führte unter anderem dazu, dass sich in der Düsseldorfer Lokalpolitik, wiederum ganz anders als in Köln unter Konrad Adenauer, die politischen Fronten schon frühzeitig und lange vor dem Niedergang der Weimarer Republik verhärteten und radikalisierten: Hier gab es schon seit 1920 nur noch eine starke revolutionäre Linke, die KPD, eine weitgehend antirepublikanische Rechte, DVP, DNVP und ein rechtes Zentrum.
In diesem kommunistisch geprägten Umfeld begann Änne Saefkow ihre Tätigkeit im Apparat der KPD. Nach einem kurzen Intermezzo bei der KPD-Bezirksleitung Niedersachsen in Hannover arbeitete sie als Stenotypistin bei der KPD-Bezirksleitung Niederrhein unter dem politischen Leiter Theodor Neubauer (1890-1945). Im Rahmen innerparteilicher Auseinandersetzungen wurde der „ultralinke“ Neubauer 1925 nach Berlin versetzt; es ist davon auszugehen, dass Saefkows Übersiedlung nach Berlin und ihre dortige Tätigkeit bei der KPD-Reichsleitung und der Revolutionären Gewerkschafs-Opposition (RGO) von 1926 bis 1933 auf eben diese Konflikte zurück zu führen waren.
In Berlin lernte sie den RGO-Funktionär Wilhelm Weiß (1901-1946) kennen, mit dem sie von 1927 bis 1938 verheiratet war; aus der Ehe ging 1928 Tochter Edith hervor. Politisch war sie als Bezirksverordnete in Prenzlauer-Berg (1928-1929) aktiv, auch wenn sie dieses Mandat nur als Nachrückerin wahrnahm. Ihr Heimatbezirk war im „roten Berlin“ eine der kommunistischen Hochburgen, bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung 1929 erreichte die KPD dort 29 Prozent.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Januar 1933 beteiligte sie sich an der illegalen Parteiarbeit der KPD, indem sie ausländische Nachrichtensendungen mitstenographierte, die als Informationsquelle und Basis für Flugblätter dienten. Sie war Mitarbeiterin von Neubauer, geriet aber zunächst nicht in die Fänge der Gestapo und nahm eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft auf. Während ihrer Arbeit im Widerstand lernte sie den erst 1939 nach sechsjähriger Haft aus dem KZ Dachau entlassenen KPD-Funktionär Anton Saefkow (1903-1944) kennen, den sie 1941 heiratete. Im März 1943 wurde ihre zweite Tochter Bärbel geboren. Am bekanntesten ist das Ehepaar Saefkow heute aufgrund seiner führenden Rolle in der „Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe“.
Der Versuch der KPD, ihren Parteiapparat in die Illegalität zu überführen, war bis spätestens 1937 fast vollständig gescheitert. Die Gestapo hatte zahlreiche regionale Gruppen aufgerollt und sowohl die inländischen Verbindungen als auch Kontakte ins Ausland weitgehend gekappt, nur noch einzelne isolierte Gruppen konnten sich unerkannt halten. An den vielen, letztlich gescheiterten Versuchen, zentrale Leitungsstrukturen wiederaufzubauen, war auch die Gruppe um die Saefkows beteiligt. Seit November 1941 versuchten ehemalige Funktionäre der KPD aus Berlin (Fritz Lange, Wilhelm Guddorf, Martin Weise) und Hamburg (Robert Abshagen, Klaus Bästlein), ihre lokalen Verbindungen zu vernetzen. Nachdem auch dieser Reorganisationsversuch zunächst von der Gestapo zerschlagen worden war, stieß der aus der Strafanstalt Plötzensee geflohene Bästlein (1894-1944) im Winter 1943/1944 zu einer neuen Untergrundleitung um Anton Saefkow. Inhaltlich orientierte sich die Gruppe am Konzept der „Volksfront“, also einer Zusammenarbeit mit allen sozialistischen und demokratischen Kräften auch über den Krieg hinaus. Inwieweit dies Taktik oder Überzeugung war, ist rückblickend nicht abschließend zu beurteilen. Bei der Betrachtung der Gruppe um die Saefkows entsteht jedoch nicht der „Eindruck, es mit stalinistischen Hardlinern und rücksichtslosen Funktionären zu tun zu haben, sondern mit Persönlichkeiten, die durch die bitteren Erfahrungen der Zeit politisch gereift waren.“[2]
Vorgesehen war, konspirative Zellen insbesondere auf der Betriebsebene und in der Wehrmacht aufzubauen. Das gelang zwar nur in geringem Umfang, doch konnten Mitglieder der Gruppe einige Sabotageakte in Rüstungsbetrieben verüben. Im Sommer 1944 schließlich traf Anton Saefkow gemeinsam mit seinem Genossen Franz Jacob (1906-1944) mit den Sozialdemokraten Julius Leber (1891-1945) und Adolf Reichwein (1898-1944) zusammen, über die es Verbindungen zu den Kreisen des 20. Juli um Klaus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) gab. Bei dieser Kontaktaufnahme unterlief Saefkow, der als unvorsichtig und ungeduldig galt, ein tragischer Fehler. Entgegen der Absprache hatte er einen weiteren Genossen, Ernst Rambow, zu dem konspirativen Treffen mitgebracht. Rambow entpuppte sich als Spitzel der Gestapo, die Gruppe mit über 400 Mitgliedern wurde in kürzester Zeit zerschlagen, mehr als 90 von ihnen fanden den Tod. Anton Saefkow wurde, nachdem er vom Volksgerichtshof am 5.9.1944 zum Tode verurteilt wurde, am 18. September in Brandenburg hingerichtet.
Änne Saefkow wurde am 5. Juli, einen Tag nach ihrem Mann, verhaftet und im März 1945 in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Beim Evakuierungs- oder Todesmarsch aus dem KZ wurde sie am 1.5.1945 schließlich von der Roten Armee befreit, kurz darauf macht sie sich wieder auf den Weg nach Hause: „Berliner Frauen machen sich auf den Weg in ihre Heimatstadt. […] Es gibt keine Transportmöglichkeiten, weder Bahn noch Lastwagen. So marschieren sie bei herrlichem Sonnenschein die Landstraßen entlang. Sie sind zwölf Frauen und ein Mann aus Wien. Änne Saefkow ist dabei und Mieze Krüger […]. Hinter sich ziehen sie eine kleine Karre, ihrer aller ‚Gepäck‘ bedeckt kaum den Boden des kleinen Gefährts. Am 9. Mai kommen sie in Berlin an.“[3]
Obwohl durch ihre Haft gesundheitlich geschwächt, blieb Änne Saefkow in der DDR weiter politisch aktiv. Von 1945 bis 1947 war sie zuerst Bezirksrätin für Sozialwesen und dann 2. Bürgermeisterin im Bezirksamt Berlin-Pankow, von 1953 bis 1956 Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Prenzlauer Berg und 1950 bis 1961 Mitglied der Volkskammer der DDR. Ihr größtes Interesse galt aber dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, wofür sie sich als Berliner Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und als Leitungsmitglied im Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR engagierte. Ihre Lebensleistung wurde in der DDR angemessen gewürdigt: 1954 erhielt sie eine Medaille für ausgezeichnete Leistungen sowie die Clara-Zetkin-Medaille, 1955 den Vaterländischen Verdienstorden in Silber, 1958 die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933 bis 1945. Trotz dieser Auszeichungen wurde sie doch stark auf ihre Rolle als Ehefrau reduziert: „So hast Du als die Lebens- und Kampfgefährtin unseres Anton Saefkow an der Erfüllung des Vermächtnisses unserer Helden des deutschen Widerstandskampfes mit allen Deinen Kräften gearbeitet.“[4] Änne Saefkow starb am 4.8.1962 in Berlin. Zum Gedenken an sie und ihren Mann wurde an ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Trelleborger Straße 26 in Berlin-Pankow eine Gedenktafel angebracht.
Literatur
Sandvoß, Hans-Rainer, Die „andere“ Reichshauptstadt. Widerstand aus der Arbeiterbewegung in Berlin von 1933 bis 1945, Berlin 2007.
Szepansky, Gerda, Frauen leisten Widerstand: 1933-1945. Lebensgeschichten nach Interviews und Dokumenten, Frankfurt am Main 2001.
Hüttenberger, Peter, Die Industrie- und Verwaltungsstadt (= Düsseldorf. Geschichte der Stadt von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Band 3), Düsseldorf 1989.
Online
Pankower Pionierinnen in Politik und Wissenschaft. Begleitbroschüre zur Wanderausstellung des Frauenbeirats Pankow, 2. Auflage, Berlin 2012, S. 11 [Online]
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv [Online]
Handbuch der deutschen Kommunisten [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Kühne, Tobias, Aenne Saefkow, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/aenne-saefkow/DE-2086/lido/5e43d0dd86bae5.29113613 (abgerufen am 03.12.2024)