Agricius

Bischof von Trier (vor 314–circa 330)

Andrea Binsfeld (Luxemburg)

Trierer Bischofsstab (Symbobild), Stab des Bischofs Arnold II. (um 1190 - 1259), Original in der Domschatzkammer Trier. (CC BY-SA 4.0 / Altera levatur)

Die Trie­rer Bi­schofs­lis­ten nen­nen Agri­ci­us nach Eu­cha­ri­us, Va­le­ri­us und Ma­ter­nus als vier­ten Bi­schof von Trier. Ihm kommt für die Ge­schich­te des frü­hen Chris­ten­tums der Gal­lia Bel­gi­ca be­son­de­re Be­deu­tung zu, da er als Teil­neh­mer des Kon­zils von Arles im Jahr 314 be­zeugt ist. 

Das Kon­zil von Arles re­gel­te kurz nach En­de der Ver­fol­gun­gen und nach den von den Kai­sern ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen zur To­le­rie­rung des christ­li­chen Glau­bens ei­nen Kon­flikt, der in die Zeit der Chris­ten­ver­fol­gun­gen un­ter Kai­ser Dio­kle­ti­an (Re­gie­rungs­zeit 284-305) in den Jah­ren 303 bis 305 zu­rück­reich­te. Vie­le Chris­ten hat­ten wäh­rend die­ser Ver­fol­gun­gen das heid­ni­sche Op­fer voll­zo­gen, um sich der Ver­fol­gung zu ent­zie­hen. Nach dem En­de der Ver­fol­gun­gen stell­te sich nun die Fra­ge, wie mit die­sen lap­si ("Ge­strau­chel­ten") um­zu­ge­hen sei. 

Grö­ße­re Di­men­sio­nen nahm die­ses Pro­blem in Nord­afri­ka an, als im Jahr 312 die Gül­tig­keit der Wahl des Bi­schofs Cae­ci­lia­nus (Epis­ko­pat ab 311) an­ge­zwei­felt wur­de, da ei­ner der Kon­se­kra­to­ren ein tra­di­tor ge­we­sen sei, er al­so die Hei­li­gen Schrif­ten über­ge­ben und da­mit sei­nen Glau­ben ver­leug­net ha­be. Ein Kon­zil von 70 nu­mi­di­schen Bi­schö­fen wähl­te dar­auf­hin ei­nen Ge­gen­bi­schof, zu­nächst Maio­ri­nus (ge­stor­ben 313), dann Do­na­tus (ge­stor­ben um 355). Das Kon­zil von Arles be­stä­tig­te die Gül­tig­keit der Wahl des Bi­schofs Cae­ci­lia­nus und ver­such­te da­mit, die Ein­heit der Kir­che zu wah­ren. Dar­über hin­aus be­schäf­tig­te sich das Kon­zil aber auch mit Fra­gen, die das Ge­mein­de­le­ben be­tra­fen, wie zum Bei­spiel mit der Fest­le­gung ei­nes ein­heit­li­chen Os­ter­ter­mins, der Bin­dung der Kle­ri­ker an ih­re Ge­mein­de, dem Kriegs­dienst von Chris­ten, dem Aus­schluss von Renn­fah­rern und Schau­spie­lern aus der Ge­mein­de, dem Um­gang mit Kran­ken, den Chris­ten im Staats­dienst, dem Sa­kra­ment der Ehe, der Hier­ar­chie des Kle­rus und dem Um­gang mit tra­di­to­res und Aposta­ten.

Die Teil­nah­me des Trie­rer Bi­schofs am Kon­zil von Arles hat für die Ge­schich­te der frü­hen Trie­rer Chris­ten­ge­mein­de aber auch ei­ne ganz "prak­ti­sche" Be­deu­tung: Da man we­der die ge­nau­en Le­bens­da­ten der Bi­schö­fe Eu­cha­ri­us und Va­le­ri­us kennt und Ma­ter­nus un­ter Um­stän­den so­gar aus der Trie­rer Bi­schofs­lis­te ge­stri­chen wer­den muss, hat man für Agri­ci­us erst­mals ei­nen zeit­li­chen Fix­punkt, der es er­laubt, die An­fän­ge ei­ner bi­schöf­lich ge­führ­ten Ge­mein­de in Trier in das 3. Jahr­hun­dert zu set­zen. 

Agri­ci­us war dem­nach zur Re­gie­rungs­zeit Kai­ser Kon­stan­tins Bi­schof von Trier. An ihn er­ging wo­mög­lich auch die "an die Vor­ste­her der Kir­chen an al­len Or­ten" ge­rich­te­te Auf­for­de­rung des Kai­sers, "dass man auf ih­ren (das hei­ßt der Kir­chen) Bau al­le Sorg­falt ver­wen­de und die be­ste­hen­den ent­we­der wie­der her­stel­le oder grö­ßer ma­che oder aber, wo die Not es heischt, ganz neue baue. Was hier­zu not­wen­dig ist, sollst du für dich sel­ber und durch dei­ne Ver­mitt­lung auch der üb­ri­ge Epis­ko­pat von den Be­fehls­ha­bern und von der Pro­vinz­statt­hal­ter­schaft ver­lan­gen [...]." [Eu­se­bi­us, Vi­ta Con­stan­ti­ni 2,45f.]. 

Tat­säch­lich setzt die mit­tel­al­ter­li­che Über­lie­fe­rung den ers­ten Trie­rer Kir­chen­bau in die Zeit des Agri­ci­us. In der He­le­na-Vi­ta des Al­man­nus von Haut­vil­ler­s (um 830-889) aus dem 9. Jahr­hun­dert hei­ßt es: "Die se­li­ge He­le­na al­so, aus Trier ge­bür­tig, war von so ho­hem Adel [...], dass fast die gan­ze Stadt in ih­rer un­ge­heu­ren Grö­ße zum Are­al ih­res Grund­be­sit­zes ge­rech­net wur­de. Das be­weist bis heu­te ihr Haus, das den grö­ß­ten Teil der Kir­che aus­macht, die zu Eh­ren des se­li­gen Apos­tel­fürs­ten Pe­trus zum Bi­schofs­sitz der Me­tro­po­le ge­weiht wor­den ist, der­ge­stalt dass (die­ser Sitz) der ers­te Sitz der Gal­lia Bel­gi­ca ge­nannt wird und es (auch tat­säch­lich) ist." (Vi­ta S. He­lenae I 9, Ac­ta Sanc­to­rum Aug. III. Pa­ris 1867, S. 583, Über­set­zung nach H. Hei­nen, Früh­christ­li­ches Trier, S. 99).Auch wenn die­se Über­lie­fe­rung dem His­to­ri­ker in­ter­es­san­te Auf­schlüs­se über das Selbst­ver­ständ­nis der Trie­rer Kir­che im 9. Jahr­hun­dert lie­fert, aber kei­ne his­to­risch ver­läss­li­chen In­for­ma­tio­nen für das 4. Jahr­hun­dert, so ist die Fra­ge nach der Kir­che des Agri­ci­us in­fol­ge der Gra­bun­gen im wei­te­ren Be­reich des heu­ti­gen Trie­rer Do­mes und der Lieb­frau­en­kir­che wie­der auf­ge­grif­fen wor­den. Die­se Gra­bun­gen ha­ben ei­nen gro­ßen Bau­kom­plex aus vier Ba­si­li­ken er­ge­ben, die nach Aus­weis der Münz­fun­de haupt­säch­lich in den 330er Jah­ren er­rich­tet wur­den. Le­dig­lich die Süd­west-Ba­si­li­ka, die un­ter der heu­ti­gen Do­min­for­ma­ti­on er­gra­ben wur­de, ist wohl be­reits im zwei­ten Jahr­zehnt des 4. Jahr­hun­derts er­rich­tet wor­den, al­so zur Zeit des Bi­schofs Agri­ci­us. Da die Nut­zung der nörd­lich an­schlie­ßen­den Ba­si­li­ka als Kir­che dank christ­li­cher Graf­fi­ti spä­tes­tens seit der Mit­te des 4. Jahr­hun­derts zwei­fels­frei er­wie­sen ist, liegt in­fol­ge der Ver­bin­dung die­ser Ba­si­li­ken zu ei­nem grö­ße­ren Bau­kom­plex die An­nah­me na­he, dass auch die frü­he Ba­si­li­ka be­reits kirch­lich ge­nutzt wor­den ist. Ob man es hier mit der Kir­che des Agri­ci­us zu tun hat, wird man je­doch nicht mit Si­cher­heit nach­wei­sen kön­nen.  

Die mit­tel­al­ter­li­che Über­lie­fe­rung nennt Bi­schof Agri­ci­us auch im Zu­sam­men­hang mit der Über­füh­rung von Re­li­qui­en nach Trier. Die­sel­be He­le­na-Vi­ta des Al­man­nus von Haut­vil­lers be­rich­tet näm­lich, dass He­le­na ei­nen Kas­ten mit Re­li­qui­en zu­sam­men­ge­stellt ha­be, zu de­nen auch das Abend­mahls­mes­ser ge­hör­te; die Dop­pel­vi­ta der He­le­na und des Agri­ci­us aus dem 11. Jahr­hun­dert nennt noch wei­te­re Re­li­qui­en, die He­le­na dem Agri­ci­us mit auf den Weg gab. Ne­ben dem Abend­mahls­mes­ser wa­ren das auch ei­ner der Nä­gel, mit de­nen Chris­tus ge­kreu­zigt wor­den war, so­wie die Re­li­qui­en des Apos­tels Mat­thi­as. Auch auf den Hei­li­gen Rock wird in der Agri­ci­us-Vi­ta wohl erst­mals an­ge­spielt, wenn es hei­ßt, dass ein Mönch er­blin­det sei, als er ver­such­te, den Schrein, den Agri­ci­us nach Trier ge­bracht hat­te, zu öff­nen, um fest­zu­stel­len, ob dar­in die Tu­ni­ka Chris­ti sei. 

Die­se und wei­te­re mit­tel­al­ter­li­che Über­lie­fe­run­gen, die von ei­ner Rei­he von Re­li­qui­en in Trier spre­chen, ver­su­chen, für die in Trier auf­be­wahr­ten Re­li­qui­en ein mög­lichst ho­hes Al­ter nach­zu­wei­sen, um auf die­se Wei­se den An­spruch der Trie­rer Kir­che auf den Pri­mat von Gal­li­en und Ger­ma­ni­en zu un­ter­mau­ern, für das 4. Jahr­hun­dert ge­ben sie je­doch kei­ne ver­läss­li­chen In­for­ma­tio­nen. Da­bei ist je­doch nicht aus­zu­schlie­ßen, dass Trier als ei­ne der Kai­ser­re­si­den­zen der Spät­an­ti­ke über ei­ne Her­ren­re­li­quie ver­füg­te. Christ­li­che Graf­fi­ti, die in die Chor­schran­ken der Ba­si­li­ka ge­ritzt wa­ren, die sich un­ter der heu­ti­gen Lieb­frau­en­kir­che be­fand, be­zeu­gen den Be­such von Gläu­bi­gen und las­sen auf­grund von Par­al­le­len zum Pe­trus­grab in Rom und zu an­de­ren Pil­ger­or­ten ver­mu­ten, dass auch hier ei­ne Her­ren­re­li­quie ver­ehrt wur­de. Da­bei ist je­doch nicht an den Hei­li­gen Rock, son­dern eher an ei­ne Kreu­zes­re­li­quie zu den­ken. 

In den Be­reich der Le­gen­de sind auch die An­ga­ben zu Her­kunft des Agri­ci­us aus An­tio­chi­en oder Er­zäh­lun­gen von ei­nem Mar­ty­ri­um der Bür­ger Triers zu ver­wei­sen (Vi­ta Agri­tii II 9, Ac­ta Sanc­to­rum Ian. II. Pa­ris 1863, S. 55-56). Glaub­wür­dig ist da­ge­gen die In­for­ma­ti­on der Agri­ci­us-Vi­ta, dass der Bi­schof auf dem nörd­li­chen Grä­ber­feld Triers im Be­reich der ehe­ma­li­gen Be­ne­dik­ti­ner-Ab­tei St. Ma­xi­min (Vi­ta Agri­tii II 10, Ac­ta Sanc­to­rum Ian. II. Pa­ris 1863, S. 57) be­stat­tet wur­de, der ge­naue Ort der Grab­le­ge kann je­doch nicht lo­ka­li­siert wer­den. Ver­mu­tet wur­de, dass Agri­ci­us in un­mit­tel­ba­rer Nä­he sei­nes Amts­nach­fol­ger­s Ma­xi­mi­nus be­stat­tet war. In der In­nen­kryp­ta der Ab­tei­kir­che St. Ma­xi­min stieß man im Jahr 1937 ­tat­säch­lich auf drei Sar­ko­pha­ge, die den Bi­schö­fen Agri­ci­us, Ma­xi­mi­nus und Ni­ce­ti­us zu­ge­schrie­ben wur­den. Ei­ner der Sar­ko­pha­ge war ge­schmückt mit Dar­stel­lun­gen von Adam und Eva, den drei Jüng­lin­gen im Feu­er­o­fen und der Fi­gur des gu­ten Hir­ten in der Mit­te. Von der For­schung wird die­ser Sar­ko­phag in die ers­ten Jahr­zehn­te des 4. Jahr­hun­derts da­tiert. Nicht ge­klärt wer­den kann je­doch, ob ei­ner der frü­hen Trie­rer Bi­schö­fe, al­so Ma­xi­mi­nus oder Agri­ci­us, in die­sem Sar­ko­phag be­stat­tet war. In­schrif­ten, die im Um­feld von St. Ma­xi­min ge­fun­den wur­den und ei­ne Be­stat­tung ad sanc­tos (bei den Hei­li­gen) er­wäh­nen, sind mög­li­cher­wei­se auf die dort be­stat­te­ten Bi­schö­fe Agri­ci­us und Ma­xi­mi­nus zu be­zie­hen. 

Quellen

Eu­se­bi­us von Cae­sarea, De Vi­ta Con­stan­ti­ni, Über­setzt und kom­men­tiert von An­dre­as Bi­gel­mair, Kemp­ten/Mün­chen 1913 (BKV 1,9).

Literatur

An­ton, Hans Hu­bert/Hei­nen, Heinz/We­ber, Win­fried (Hg.), Im Um­bruch der Kul­tu­ren – Spät­an­ti­ke und Früh­mit­tel­al­ter (Ge­schich­te des Bis­tums Trier 1), Trier 2003, S. 28-43.
Bins­feld, An­drea, Vi­vas in deo. Die Graf­fi­ti der früh­christ­li­chen Kir­chen­an­la­ge in Trier, Trier 2006.
Hei­nen, Heinz, Früh­christ­li­ches Trier. Von den An­fän­gen bis zur Völ­ker­wan­de­rung, Trier 1996.
Ney­ses, Adolf, Die Bau­ge­schich­te der ehe­ma­li­gen Reichs­ab­tei St. Ma­xi­min bei Trier, 2 Bän­de, Trier 2001.
Pohlsan­der, Hans A., Die An­fän­ge des Chris­ten­tums in der Stadt Trier. in: Trie­rer Zeit­schrift 60 (1997), S. 255-301.
Ris­tow, Se­bas­ti­an, Frü­hes Chris­ten­tum im Rhein­land. Die Zeug­nis­se der ar­chäo­lo­gi­schen und his­to­ri­schen Quel­len an Rhein, Maas und Mo­sel, Köln 2007.
Sau­ser, Ek­kart, Ar­ti­kel "Agri­ci­us", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 14 (1998), Sp. 688.
We­ber, Win­fried, Neue For­schun­gen zur Trie­rer Dom­gra­bung. Die ar­chäo­lo­gi­schen Aus­gra­bun­gen im Gar­ten der Ku­rie von der Ley­en, in: Ris­tow, Se­bas­ti­an (Hg.), Neue For­schun­gen zu den An­fän­gen des Chris­ten­tums im Rhein­land, Müns­ter 2004, S. 225-234.

Online

Con­rad, Joa­chim, Agri­ci­us, in: Saar­län­di­sche Bio­gra­fi­en On­line. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Binsfeld, Andrea, Agricius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/agricius/DE-2086/lido/57a9c0a1c40757.60944378 (abgerufen am 25.04.2024)