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Die Trierer Bischofslisten nennen Agricius nach Eucharius, Valerius und Maternus als vierten Bischof von Trier. Ihm kommt für die Geschichte des frühen Christentums der Gallia Belgica besondere Bedeutung zu, da er als Teilnehmer des Konzils von Arles im Jahr 314 bezeugt ist.
Das Konzil von Arles regelte kurz nach Ende der Verfolgungen und nach den von den Kaisern getroffenen Vereinbarungen zur Tolerierung des christlichen Glaubens einen Konflikt, der in die Zeit der Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian (Regierungszeit 284-305) in den Jahren 303 bis 305 zurückreichte. Viele Christen hatten während dieser Verfolgungen das heidnische Opfer vollzogen, um sich der Verfolgung zu entziehen. Nach dem Ende der Verfolgungen stellte sich nun die Frage, wie mit diesen lapsi ("Gestrauchelten") umzugehen sei.
Größere Dimensionen nahm dieses Problem in Nordafrika an, als im Jahr 312 die Gültigkeit der Wahl des Bischofs Caecilianus (Episkopat ab 311) angezweifelt wurde, da einer der Konsekratoren ein traditor gewesen sei, er also die Heiligen Schriften übergeben und damit seinen Glauben verleugnet habe. Ein Konzil von 70 numidischen Bischöfen wählte daraufhin einen Gegenbischof, zunächst Maiorinus (gestorben 313), dann Donatus (gestorben um 355). Das Konzil von Arles bestätigte die Gültigkeit der Wahl des Bischofs Caecilianus und versuchte damit, die Einheit der Kirche zu wahren. Darüber hinaus beschäftigte sich das Konzil aber auch mit Fragen, die das Gemeindeleben betrafen, wie zum Beispiel mit der Festlegung eines einheitlichen Ostertermins, der Bindung der Kleriker an ihre Gemeinde, dem Kriegsdienst von Christen, dem Ausschluss von Rennfahrern und Schauspielern aus der Gemeinde, dem Umgang mit Kranken, den Christen im Staatsdienst, dem Sakrament der Ehe, der Hierarchie des Klerus und dem Umgang mit traditores und Apostaten.
Die Teilnahme des Trierer Bischofs am Konzil von Arles hat für die Geschichte der frühen Trierer Christengemeinde aber auch eine ganz "praktische" Bedeutung: Da man weder die genauen Lebensdaten der Bischöfe Eucharius und Valerius kennt und Maternus unter Umständen sogar aus der Trierer Bischofsliste gestrichen werden muss, hat man für Agricius erstmals einen zeitlichen Fixpunkt, der es erlaubt, die Anfänge einer bischöflich geführten Gemeinde in Trier in das 3. Jahrhundert zu setzen.
Agricius war demnach zur Regierungszeit Kaiser Konstantins Bischof von Trier. An ihn erging womöglich auch die "an die Vorsteher der Kirchen an allen Orten" gerichtete Aufforderung des Kaisers, "dass man auf ihren (das heißt der Kirchen) Bau alle Sorgfalt verwende und die bestehenden entweder wieder herstelle oder größer mache oder aber, wo die Not es heischt, ganz neue baue. Was hierzu notwendig ist, sollst du für dich selber und durch deine Vermittlung auch der übrige Episkopat von den Befehlshabern und von der Provinzstatthalterschaft verlangen [...]." [Eusebius, Vita Constantini 2,45f.].
Tatsächlich setzt die mittelalterliche Überlieferung den ersten Trierer Kirchenbau in die Zeit des Agricius. In der Helena-Vita des Almannus von Hautvillers (um 830-889) aus dem 9. Jahrhundert heißt es: "Die selige Helena also, aus Trier gebürtig, war von so hohem Adel [...], dass fast die ganze Stadt in ihrer ungeheuren Größe zum Areal ihres Grundbesitzes gerechnet wurde. Das beweist bis heute ihr Haus, das den größten Teil der Kirche ausmacht, die zu Ehren des seligen Apostelfürsten Petrus zum Bischofssitz der Metropole geweiht worden ist, dergestalt dass (dieser Sitz) der erste Sitz der Gallia Belgica genannt wird und es (auch tatsächlich) ist." (Vita S. Helenae I 9, Acta Sanctorum Aug. III. Paris 1867, S. 583, Übersetzung nach H. Heinen, Frühchristliches Trier, S. 99).Auch wenn diese Überlieferung dem Historiker interessante Aufschlüsse über das Selbstverständnis der Trierer Kirche im 9. Jahrhundert liefert, aber keine historisch verlässlichen Informationen für das 4. Jahrhundert, so ist die Frage nach der Kirche des Agricius infolge der Grabungen im weiteren Bereich des heutigen Trierer Domes und der Liebfrauenkirche wieder aufgegriffen worden. Diese Grabungen haben einen großen Baukomplex aus vier Basiliken ergeben, die nach Ausweis der Münzfunde hauptsächlich in den 330er Jahren errichtet wurden. Lediglich die Südwest-Basilika, die unter der heutigen Dominformation ergraben wurde, ist wohl bereits im zweiten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts errichtet worden, also zur Zeit des Bischofs Agricius. Da die Nutzung der nördlich anschließenden Basilika als Kirche dank christlicher Graffiti spätestens seit der Mitte des 4. Jahrhunderts zweifelsfrei erwiesen ist, liegt infolge der Verbindung dieser Basiliken zu einem größeren Baukomplex die Annahme nahe, dass auch die frühe Basilika bereits kirchlich genutzt worden ist. Ob man es hier mit der Kirche des Agricius zu tun hat, wird man jedoch nicht mit Sicherheit nachweisen können.
Die mittelalterliche Überlieferung nennt Bischof Agricius auch im Zusammenhang mit der Überführung von Reliquien nach Trier. Dieselbe Helena-Vita des Almannus von Hautvillers berichtet nämlich, dass Helena einen Kasten mit Reliquien zusammengestellt habe, zu denen auch das Abendmahlsmesser gehörte; die Doppelvita der Helena und des Agricius aus dem 11. Jahrhundert nennt noch weitere Reliquien, die Helena dem Agricius mit auf den Weg gab. Neben dem Abendmahlsmesser waren das auch einer der Nägel, mit denen Christus gekreuzigt worden war, sowie die Reliquien des Apostels Matthias. Auch auf den Heiligen Rock wird in der Agricius-Vita wohl erstmals angespielt, wenn es heißt, dass ein Mönch erblindet sei, als er versuchte, den Schrein, den Agricius nach Trier gebracht hatte, zu öffnen, um festzustellen, ob darin die Tunika Christi sei.
Diese und weitere mittelalterliche Überlieferungen, die von einer Reihe von Reliquien in Trier sprechen, versuchen, für die in Trier aufbewahrten Reliquien ein möglichst hohes Alter nachzuweisen, um auf diese Weise den Anspruch der Trierer Kirche auf den Primat von Gallien und Germanien zu untermauern, für das 4. Jahrhundert geben sie jedoch keine verlässlichen Informationen. Dabei ist jedoch nicht auszuschließen, dass Trier als eine der Kaiserresidenzen der Spätantike über eine Herrenreliquie verfügte. Christliche Graffiti, die in die Chorschranken der Basilika geritzt waren, die sich unter der heutigen Liebfrauenkirche befand, bezeugen den Besuch von Gläubigen und lassen aufgrund von Parallelen zum Petrusgrab in Rom und zu anderen Pilgerorten vermuten, dass auch hier eine Herrenreliquie verehrt wurde. Dabei ist jedoch nicht an den Heiligen Rock, sondern eher an eine Kreuzesreliquie zu denken.
In den Bereich der Legende sind auch die Angaben zu Herkunft des Agricius aus Antiochien oder Erzählungen von einem Martyrium der Bürger Triers zu verweisen (Vita Agritii II 9, Acta Sanctorum Ian. II. Paris 1863, S. 55-56). Glaubwürdig ist dagegen die Information der Agricius-Vita, dass der Bischof auf dem nördlichen Gräberfeld Triers im Bereich der ehemaligen Benediktiner-Abtei St. Maximin (Vita Agritii II 10, Acta Sanctorum Ian. II. Paris 1863, S. 57) bestattet wurde, der genaue Ort der Grablege kann jedoch nicht lokalisiert werden. Vermutet wurde, dass Agricius in unmittelbarer Nähe seines Amtsnachfolgers Maximinus bestattet war. In der Innenkrypta der Abteikirche St. Maximin stieß man im Jahr 1937 tatsächlich auf drei Sarkophage, die den Bischöfen Agricius, Maximinus und Nicetius zugeschrieben wurden. Einer der Sarkophage war geschmückt mit Darstellungen von Adam und Eva, den drei Jünglingen im Feuerofen und der Figur des guten Hirten in der Mitte. Von der Forschung wird dieser Sarkophag in die ersten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts datiert. Nicht geklärt werden kann jedoch, ob einer der frühen Trierer Bischöfe, also Maximinus oder Agricius, in diesem Sarkophag bestattet war. Inschriften, die im Umfeld von St. Maximin gefunden wurden und eine Bestattung ad sanctos (bei den Heiligen) erwähnen, sind möglicherweise auf die dort bestatteten Bischöfe Agricius und Maximinus zu beziehen.
Quellen
Eusebius von Caesarea, De Vita Constantini, Übersetzt und kommentiert von Andreas Bigelmair, Kempten/München 1913 (BKV 1,9).
Literatur
Anton, Hans Hubert/Heinen, Heinz/Weber, Winfried (Hg.), Im Umbruch der Kulturen – Spätantike und Frühmittelalter (Geschichte des Bistums Trier 1), Trier 2003, S. 28-43.
Binsfeld, Andrea, Vivas in deo. Die Graffiti der frühchristlichen Kirchenanlage in Trier, Trier 2006.
Heinen, Heinz, Frühchristliches Trier. Von den Anfängen bis zur Völkerwanderung, Trier 1996.
Neyses, Adolf, Die Baugeschichte der ehemaligen Reichsabtei St. Maximin bei Trier, 2 Bände, Trier 2001.
Pohlsander, Hans A., Die Anfänge des Christentums in der Stadt Trier. in: Trierer Zeitschrift 60 (1997), S. 255-301.
Ristow, Sebastian, Frühes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse der archäologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel, Köln 2007.
Sauser, Ekkart, Artikel "Agricius", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 14 (1998), Sp. 688.
Weber, Winfried, Neue Forschungen zur Trierer Domgrabung. Die archäologischen Ausgrabungen im Garten der Kurie von der Leyen, in: Ristow, Sebastian (Hg.), Neue Forschungen zu den Anfängen des Christentums im Rheinland, Münster 2004, S. 225-234.
Online
Conrad, Joachim, Agricius, in: Saarländische Biografien Online. [Online]
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Binsfeld, Andrea, Agricius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/agricius/DE-2086/lido/57a9c0a1c40757.60944378 (abgerufen am 06.12.2024)