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Amalie (Sr. Augustine) von Lassaulx leitete als erste Oberin den Aufbau des von Borromäerinnen geführten Johanneshospitals in Bonn. Da sie sich weigerte, das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit (1870) anzuerkennen, wurde sie aus der Kongregation ausgeschlossen. Sie gehörte zur altkatholischen Bewegung, aus der nach ihrem Tod die altkatholische Kirche hervorging.
Amalie von Lassaulx wurde am 19.10.1815 in Koblenz als Kind des Kreisbaumeisters Johann Claudius von Lassaulx und seiner Ehefrau Anna Maria geborene Müller (1780-1855) geboren. Das Mädchen, das als lebhaft beschrieben wird, wuchs mit fünf älteren Geschwistern auf. Es liebte mit dem Eislaufen eine für Mädchen damals noch ganz unübliche Sportart. Nach der Elementarschule besuchte es eine private höhere Töchterschule. Im kultivierten und gastfreien Elternhaus erhielt Amalie durch die Familie und deren zahlreiche Besucher eine vielseitige Bildung. Prägend war überdies die Begegnung mit den Borromäerinnen, die seit 1826 in Koblenz das Bürgerhospital führten. Diese katholische religiöse Frauengenossenschaft (Kongregation) war besonders in der Kranken- und Armenpflege tätig. Der Romantiker Clemens Brentano, auch ein Gast im Hause Lassaulx, hat sie mit seinem Buch über die „Barmherzigen Schwestern“ bekannt gemacht und junge Frauen zur Nachahmung angeregt.
Amalie dachte zunächst nicht an ein Ordensleben, sondern verlobte sich mit einem jungen Arzt. Nach einiger Zeit indes löste sie die Verlobung aus Enttäuschung über den Charakter des Mannes. Der Wunsch, sich einer caritativen Aufgabe zu widmen, ließ sie bei den Borromäerinnen um Aufnahme bitten. In deren Lebenskonzept trafen sich ihre religiöse Überzeugung und berufliche Interessen. Die 25-Jährige trat 1840 in das Noviziat in Nancy ein. Nach Ablauf des Probejahres empfing sie das Ordenskleid und den Ordensnamen Augustine. Im Mutterhaus wurde sie zur Apothekerin ausgebildet. Am 17.9.1843 legte sie ihre ewigen Gelübde ab. Damals arbeitete sie bereits im Spital in Aachen, wo sie sich mit Joseph Hubert Reinkens anfreundete, später ihr Biograph und erster altkatholischer Bischof.
1849 übernahmen die Borromäerinnen für den Bonner Hospitalverein die Krankenpflege und innere Verwaltung im neuen Bürgerhospital zum heiligen Johannes Baptist. Sr. Augustine wurde zur ersten Hausoberin bestimmt. Neben dem Leitungsamt betrieb sie die Hospitalapotheke und half in der Pflege. Rasch integrierte sie sich in die gebildete Bonner Gesellschaft. Sie stand mit Männern, darunter einige Geistliche, und Frauen in Kontakt, die ihren liberalen Katholizismus teilten. Der Kreis förderte das Hospital durch Stiftungen, befreundete Priester hielten die Messe und wirkten als Seelsorger.
Im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 ebenso wie im Krieg 1866 wurden die Borromäerinnen zur Kriegskrankenpflege herangezogen. Sr. Augustine erlebte die Schrecken beider Kriege an der Front. Aus Böhmen kehrte sie mit einem Herz- und Lungenleiden nach Bonn zurück.
1870 erhob das Erste Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen zum Dogma. Im Katholizismus hatte sich damit die ultramontane Richtung durchgesetzt, die die Kirche auf Rom ausrichten, klerikalisieren und von der modernen Welt abgrenzen wollte. Die Konzilsentscheidung rief unter Theologen und gebildeten Laien breiten Widerstand hervor. Bonn gehörte zu den Hauptorten dieser kirchlichen Opposition, die sich als Bewahrerin der alten katholischen Lehre verstand und in der Sezession der Altkatholiken mündete. Sr. Augustine beschäftigte sich von jeher mit theologischen und kirchenpolitischen Fragen. In der liberalen Augsburger Allgemeinen Zeitung verfolgte sie die Artikel des Münchner Theologen und Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger (1799-1890), der eine lehramtliche Unfehlbarkeit des Papstes verwarf. Sie verstand sich als entschiedene Katholikin, an das neue Dogma aber, konnte sie nicht glauben.
Die Amtskirche setzte das Dogma mit massivem Druck durch. Priester, die die Unterwerfung verweigerten, wurden wegen Häresie suspendiert und exkommuniziert. Davon waren auch einige der Professoren betroffen, die bis dahin im Johanneshospital die Messe gefeiert hatten und weiterhin im Hause verkehrten. Diese Besuche zogen eine Denunziation bei der Ordensleitung nach sich. Daraufhin unterzog die Trierer Novizenmeisterin Sr. Augustine im Oktober 1871 einer Gesinnungsprüfung. Da diese erklärte, sie sei dem alten katholischen Glauben treu, glaube jedoch weder an die Unbefleckte Empfängnis (Dogma von 1854) noch an die päpstliche Unfehlbarkeit, eskalierte der Konflikt. Im November 1871 musste sich Sr. Augustine vor der Generaloberin Mechtilde de Rozière (1810-1872) und der Trierer Provinzialoberin Xaveria Rudler erneut rechtfertigen. Sie beugte sich nicht, so dass sie im November 1871 ihres Amtes enthoben wurde. Die Absetzung erregte über Bonn hinaus öffentliches Aufsehen. Denn Sr. Augustine genoss hohes Ansehen, nicht nur wegen ihrer Verdienste um das Hospital und die Bedürftigen, sondern als kluge Persönlichkeit. Angebote, bei Freunden oder Verwandten unterzukommen, schlug sie aus, um ihrer Profess treu zu bleiben. Sie wollte die Kongregation nicht verlassen. Da es ihr Gesundheitszustand nicht erlaubte, mit den beiden Oberinnen nach Nancy zum Generalmutterhaus zu reisen, durfte sie ein Zimmer im Hospital der Borromäerinnen in Vallendar beziehen. Mit der dortigen Hausoberin Hedwig Cornelius (1822-1887) war sie befreundet. Den Mitschwestern blieb Sr. Augustines theologischer Standpunkt unverständlich. Sie selbst erwartete, dass das Unfehlbarkeitsdogma eines Tages zurückgezogen werde. Im Dezember 1871 wurde Amalie von Lassaulx von der Generaloberin wegen Unbeugsamkeit aus der Kongregation ausgeschlossen. Damit einher ging die Anordnung, das Ordenskleid abzulegen.
Am 28.1.1872 ist Amalie von Lassaulx in Vallendar gestorben. Im Wissen, dass ihr ein katholisches Begräbnis verweigert werden würde, hatte sie verfügt, im Familiengrab in Weißenthurm beigesetzt zu werden. Damit entlastete sie Hedwig Cornelius. Professor Franz Heinrich Reusch (1825-1900), bis zu seiner Suspension Amalies Beichtvater, betete in bürgerlicher Kleidung am Grab und würdigte die Verstorbene. Im Sarg trug Amalie von Lassaulx kein Ordensgewand. In der Presse wurden die Borromäerinnen deswegen diffamiert, sie hätten der ausgestoßenen Schwester den Habit zu Lebzeiten geradezu vom Leib gerissen, um die Kritikerin in den eigenen Reihen zu entehren. Tatsächlich hatte die Kranke das schwere Gewand erst zwei Tage vor ihrem Tod aus eigenem Antrieb gegen bequemere Kleidung getauscht. Denn Hedwig Cornelius hatte sich souverän über die Anweisung der Generaloberin hinweggesetzt und Sr. Augustine bis zuletzt als Mitschwester respektiert.
Literatur
Berlis, Angela, Das Ordenskleid der Borromäerin Amalie Augustine von Lasaulx (1815-1872), Mittel der Disziplinierung oder Symbol des Protests, in: Hartlieb Elisabeth [u.a.] (Hg.), Das neue Kleid: feministisch-theologische Perspektiven auf geistliche und weltliche Gewänder, Sulzbach 2010, S. 119-131.
Ennen, Edith, Amalie von Lassaulx, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 19 (1993), S. 461-472.
Hoiningen-Huene, Christine Freiin von, Erinnerungen an Amalie von Lasaulx, Schwester Augustine, Oberin der Barmherzigen Schwestern im St. Johannishospital zu Bonn, 4. Auflage, Gotha 1891.
Reinkens, J[ohann] H[ubert], Amalie von Lasaulx, Eine Bekennerin, Bonn 1878.
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Ostrowitzki, Anja, Amalie von Lassaulx, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/amalie-von-lassaulx/DE-2086/lido/57c93dba9c6930.93465839 (abgerufen am 14.12.2024)