August Frickenhaus

Archäologe (1882-1925)

Markus Kirschbaum (Koblenz)

Darstellung auf einer Lenäenvase, Auszug aus Frickenhaus Publikation aus dem Jahr 1912. (Lenäenvasen. Zweiundsiebzigstes Programm zum Winckelmannfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1912)

Au­gust Fri­cken­haus wur­de in be­weg­te Zei­ten hin­ein­ge­bo­ren. Das 19. Jahr­hun­dert war das „gol­de­ne Zeit­al­ter“ der Ar­chäo­lo­gie. Es war die Epo­che der gro­ßen ar­chäo­lo­gi­schen Ex­pe­di­tio­nen und staat­lich ge­för­der­ter Aus­gra­bun­gen. Die Er­for­schung von Olym­pia, Per­ga­mon und Troia brach­te die wis­sen­schaft­li­che Welt in Auf­ruhr. Au­gust Fri­cken­haus dräng­te mit dem Wa­ge­mut gro­ßer Be­ga­bung vor­wärts, gab aber auch Irr­tü­mer stets of­fen zu. Das brach­te ihm die Ach­tung sei­ner Kol­le­gen ein, auch wenn er kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Dis­put scheu­te und nicht da­vor zu­rück­schreck­te, die Ko­ry­phä­en sei­ner Zeit zu kri­ti­sie­ren. Der Ers­te Welt­krieg er­schwer­te sei­ne Ar­beit er­heb­lich und brach­te ihn um vie­le Früch­te sei­ner For­schun­gen. Sein frü­her Tod ließ et­li­ches un­voll­endet und be­raub­te die Wis­sen­schaft ei­nes kri­ti­schen Geis­tes, von dem noch gro­ße Er­kennt­nis­se zu er­war­ten ge­we­sen wä­ren.

Au­gust Hein­rich Fri­cken­haus wur­de am 9.11.1882 in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) ge­bo­ren. Sei­ne El­tern, der Sa­ni­täts­rat Dr. med. Gott­fried Fri­cken­haus und Wil­hel­mi­ne Fri­cken­haus ge­bo­re­ne Tig­ler, er­füll­ten das El­tern­haus mit der At­mo­sphä­re ei­ner rei­chen und viel­sei­ti­gen Bil­dung. Fri­cken­haus wur­de durch die­ses Um­feld früh eben­so ge­prägt wie durch die Tra­di­tio­nen sei­ner Wup­per­ta­ler Hei­mat. Das Gym­na­si­um in El­ber­feld - es wur­de 1936 nach sei­nem be­rühm­ten Kol­le­gen Wil­helm Dör­pfeld be­nannt - , wo er 1901 die Rei­fe­prü­fung ab­leg­te, ließ die Saat die­ser frü­hen Prä­gung auf­ge­hen. Wäh­rend sei­ner Schul­zeit wur­de der Ober­leh­rer Karl Fried­rich Wil­helm Schmidt (1873-1951) sein Men­tor und weck­te in ihm die Be­geis­te­rung für die An­ti­ke. Über­dies scheint Schmidt für Fri­cken­haus auch ein Vor­bild in Hin­sicht auf Fes­tig­keit des Cha­rak­ters und Mann­haf­tig­keit ge­we­sen zu sein. Als Di­rek­tor des Staat­li­chen Gym­na­si­ums Greifs­wald soll­te sich Schmidt kon­se­quent dem NS-Re­gime wi­der­ste­hen, in­dem er sich wei­ger­te, Schü­ler sei­ner An­stalt zu­guns­ten von Mit­glie­dern der Hit­ler­ju­gend zu be­nach­tei­li­gen. In sei­nem Le­bens­lauf, den Fri­cken­haus 1905 sei­ner Dis­ser­ta­ti­on vor­an­stell­te, be­dank­te er sich aus­drück­lich für die vor­treff­li­chen Text­vor­schlä­ge Schmidts, der sich auch als Wis­sen­schaft­ler Ver­diens­te er­warb.

Das Stu­di­um von 1901-1905 leg­te Fri­cken­haus breit ge­fä­chert an. Er hör­te ar­chäo­lo­gi­sche, his­to­ri­sche, kunst­ge­schicht­li­che, phi­lo­lo­gi­sche, phi­lo­so­phi­sche und theo­lo­gi­sche Vor­le­sun­gen in Ba­sel, Ber­lin und vor al­lem in Bonn. So wur­de Fri­cken­haus von vie­len be­deu­ten­den Leh­rern auf den un­ter­schied­li­chen Ge­bie­ten der Al­ter­tums­wis­sen­schaft ge­schult. In Bonn in­spi­rier­ten ihn bau­in­schrift­li­che Übun­gen bei Ge­org Ka­ro (1872-1963) zu sei­ner Dis­ser­ta­ti­on über die Mau­ern von Athen im 4. Jahr­hun­dert v. Chr.

 

Nach dem Stu­di­um zog es Fri­cken­haus hin­aus in die Welt der Grie­chen. Er kam 1906 nach Athen an das dor­ti­ge In­sti­tut, dem Wil­helm Dör­pfeld vor­stand und an dem Ge­org Ka­ro zwei­ter Di­rek­tor war. Wäh­rend der zwei­jäh­ri­gen For­schungs­zeit als Rei­ses­ti­pen­di­at des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts sam­mel­te Fri­cken­haus prak­ti­sche Er­fah­run­gen an der „Matsch­kan­te“. Mit Dör­pfeld grub er in Ti­ryns, nahm an den gro­ßen Aus­gra­bun­gen Theo­dor Wie­gan­ds (1864-1936) in Mi­let teil und ar­bei­te­te mit sei­nem Mit­s­ti­pen­dia­ten und Freund Wal­ter Mül­ler (1877-1952) in Kleo­nai. Hat­te Fri­cken­haus be­reits sei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Be­ga­bung nach Athen mit­ge­bracht, so schärf­ten die Aus­gra­bun­gen sei­ne Fä­hig­kei­ten noch wei­ter. Mü­he­los eig­ne­te er sich den Spür­sinn für to­po­gra­phi­sche Pro­ble­me an. Gleich­falls wuchs sei­ne Hin­ga­be an das Land der Grie­chen und an sei­ne Kunst. Sei­nem aus­ge­präg­ten In­stinkt für das We­sen der al­ten Hel­le­nen ent­sprang ein tie­fes Ver­ständ­nis für die Grie­chen sei­ner Zeit. Er be­reis­te die gan­ze Ar­go­lis mit dem Plan, ei­ne ar­chäo­lo­gi­sche Orts­kun­de zu er­stel­len. Die­ses Vor­ha­ben konn­te er nicht mehr um­set­zen, die Idee wur­de von Dör­pfeld für sei­ne Bil­dungs­rei­sen, die als „Dör­pfeld-Rei­sen“ be­rühmt wur­den, auf­ge­grif­fen.

Wie vi­sio­när und bril­lant Fri­cken­haus´ Ana­ly­sen an­ge­sichts ei­nes ar­chäo­lo­gi­schen Be­fun­des wa­ren, zeig­te sich bei den Aus­gra­bun­gen in Ti­ryns von 1906-1907 un­ter der Lei­tung von Dör­pfeld. Auf der höchs­ten Er­he­bung be­fand sich in der my­ke­ni­schen Epo­che (cir­ca 17.-10. Jahr­hun­dert v.Chr.) die Kö­nigs­burg, wel­che in geo­me­tri­scher Zeit (cir­ca 10.-7. Jahr­hun­dert v. Chr.) ei­nem Brand zum Op­fer fiel. In den Trüm­mern des Zen­tral­rau­mes der Burg, des Me­ga­rons, ent­stand in die­ser geo­me­tri­schen Epo­che ein Tem­pel, den be­reits Dör­pfeld wäh­rend sei­ner Kam­pa­gne mit Hein­rich Schlie­mann (1822-1890) in den Jah­ren 1884-1885 aus­ge­gra­ben hat­te. Aus der Ty­po­lo­gie des Tem­pels in Ti­ryns und dem ar­chi­tek­to­ni­schen Be­fund vor Ort schloss Fri­cken­haus, dass Me­ga­ron und Tem­pel ei­ne Ent­wick­lungs­li­nie dar­stell­ten. Die geo­me­tri­schen Bau­ten stan­den dem­nach hin­sicht­lich Be­deu­tung und Funk­ti­on in ei­ner Ver­bin­dung mit den letz­ten my­ke­ni­schen Ge­bäu­den. Eben­so ver­mu­te­te er ei­ne my­ke­nisch-geo­me­tri­sche Kul­tur­tra­di­ti­on und ent­wi­ckel­te die Vor­stel­lung, der grie­chi­sche Tem­pel an sich ha­be sich aus dem Me­ga­ron ent­wi­ckelt. Die­se Fol­ge­run­gen wur­den sei­ner­zeit von der Wis­sen­schaft als viel zu kühn ver­wor­fen. Noch sein Bon­ner aka­de­mi­scher Leh­rer Ge­org Ka­ro ver­merk­te die­se an­geb­li­che Fehl­ein­schät­zung be­dau­ernd in sei­nem Nach­ruf auf Fri­cken­haus. Heu­te gibt es je­doch kei­nen Zwei­fel mehr an ei­ner my­ke­nisch-geo­me­tri­schen Kul­tur­tra­di­ti­on. Gleich­falls gilt als si­cher, dass sich aus den pro­por­tio­na­len Ver­hält­nis­sen des my­ke­ni­schen Me­ga­rons die klas­si­schen grie­chi­schen Tem­pel ent­wi­ckelt ha­ben. Die­ses Er­geb­nis war für die Wis­sen­schaft von gro­ßer Trag­wei­te, wenn auch nicht von der Dra­ma­tik an­de­rer Un­ter­neh­mun­gen des „he­roi­schen“ Zeit­al­ters der Ar­chäo­lo­gie.

Fri­cken­haus stand wis­sen­schafts­ge­schicht­lich hin­ge­gen in bes­ter Tra­di­ti­on Edu­ard Ger­hards (1795-1867). Die­ser Ti­tan der Al­ter­tums­for­schung war der Me­dia­tor zwi­schen zwei wi­der­stre­ben­den Po­si­tio­nen. Auf der ei­nen Sei­te stan­den die An­ti­qua­re, die der Form der Ge­gen­stän­de und ih­rer Ent­wick­lung be­son­de­re Auf­merk­sam­keit schenk­ten. Auf der an­de­ren die Phi­lo­lo­gen, die nach der Art Theo­dor Momm­sens (1817-1903) in den Ar­chäo­lo­gen ei­ne Art An­alpha­be­ten der Ge­schich­te se­hen woll­ten. Dem setz­te Ger­hard sein Plä­doy­er für die Ar­chäo­lo­gie ent­ge­gen, die zwar ei­ne Schwes­ter der Phi­lo­lo­gie, aber doch ent­schie­den selb­stän­dig sei. Da­mit war Ger­hard ei­ner der Ge­burts­hel­fer der Ar­chäo­lo­gie als po­si­ti­vis­ti­scher Wis­sen­schaft, die sich auf kon­kre­te Er­geb­nis­se stütz­te. Die grie­chisch-rö­mi­sche Sicht der Ver­gan­gen­heit stell­te für den Ar­chäo­lo­gen so­mit ei­nen Auf­ruf zur Be­schei­den­heit, zum Zwei­fel und zur Quel­len­kri­tik dar. Nichts Ge­rin­ge­res als die Er­neue­rung von Ger­hards Le­bens­werk in ver­än­der­ter Form wähl­te sich Fri­cken­haus zum Mot­to sei­ner Pu­bli­ka­ti­on über Le­nä­en­va­sen 1912, bei der er ein­mal mehr un­be­ach­te­te Pro­ble­me deut­lich mach­te und zu de­ren Lö­sung auf­rief. Die auf die­sen at­ti­schen Va­sen, die in klas­si­scher Zeit (5. und 4. Jahr­hun­dert v. Chr.) mas­sen­haft ex­por­tiert wur­den, ge­zeig­ten Sze­nen stel­len die Le­nä­en dar, ein at­ti­sches Dio­ny­sos­fest, wel­ches nach iu­lia­ni­schem Ka­len­der un­ge­fähr im Ja­nu­ar und Fe­bru­ar statt­fand. Fri­cken­haus ver­band die Sze­ne­rie mit dem al­tat­ti­schen Gott Dio­ny­sos Or­thos, der die Athe­ner das Wein­mi­schen ge­lehrt hat­te. Er lo­ka­li­sier­te das Le­nai­on, das Hei­lig­tum des Got­tes, au­ßer­halb der the­mis­to­klei­schen Stadt­mau­er un­mit­tel­bar vor dem Di­py­lon-Tor. Die­se La­ge er­gab sich aus den li­te­ra­ri­schen Quel­len eben­so wie aus dem Um­stand, dass die Le­nä­en, wie sie sich auf den Sze­nen der Va­sen zeig­ten, The­ba­ni­schen Ur­sprungs wa­ren, und die Stra­ße aus The­ben in das Di­py­lon-Tor mün­de­te. 

Aus die­ser Pu­bli­ka­ti­on spra­chen die zwei Merk­ma­le, die für Fri­cken­haus´ ana­ly­ti­schen Ver­stand ty­pisch wa­ren. Zum ei­nen die scharf­sin­ni­ge Be­weis­füh­rung, die al­le ver­füg­ba­ren In­for­ma­tio­nen in ein Ge­samt­bild über­führ­te, was nur bei ge­nau­er Kennt­nis des Ma­te­ri­als mög­lich war. Zum an­de­ren die Prä­fe­renz für ein The­ma, für das die Wis­sen­schaft die­ser Zeit we­nig In­ter­es­se hat­te. Fri­cken­haus stell­te sich hier ganz of­fen in die Tra­di­ti­on Ger­hards, in­dem er den Ver­lust des Zu­sam­men­hangs von Phi­lo­lo­gie und Ar­chäo­lo­gie be­klag­te, wenn es um die Be­hand­lung der at­ti­schen Ke­ra­mik ging. Im Dis­kurs der Er­for­schung von at­ti­schen Fes­ten und Kul­ten galt zu die­ser Zeit die selb­stän­di­ge Kennt­nis der Va­sen als un­nö­tig und gar schäd­lich. Aber ge­ra­de die­se Iso­la­ti­on war un­wis­sen­schaft­lich. Mit sei­ner Pu­bli­ka­ti­on woll­te Fri­cken­haus er­neut das Band stär­ken, wel­ches die Phi­lo­lo­gie und die Ar­chäo­lo­gie ver­knüpf­te. Er wand­te Ger­hards Me­tho­dik streng und bei­spiel­haft auf die Va­sen­for­schung an. Oh­ne ar­chäo­lo­gi­sches Ori­gi­nal­ma­te­ri­al konn­te kei­ne Fest­kun­de ge­schrie­ben wer­den.

Nach die­sen Jah­ren des Gra­bens und For­schens gab Fri­cken­haus ein ganz kur­zes Gast­spiel als Leh­rer an sei­nem al­ten El­ber­fel­der Gym­na­si­um, um dann als Pri­vat­do­zent nach Ber­lin zu wech­seln. 1913 er­hielt er den Ruf auf den Lehr­stuhl für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie der Uni­ver­si­tät Straß­burg. Dort trat er die Nach­fol­ge Franz Win­ters (1869-1930) an, der Ge­org Loeschcke (1852-1915), ein wei­te­rer aka­de­mi­scher Leh­rer Fri­cken­haus´, auf den Bon­ner Lehr­stuhl folg­te. Wäh­rend die­ses Le­bens­ab­schnit­tes wand­te sich Fri­cken­haus´ For­schungs­in­ter­es­se auch der gro­ßen Plas­tik zu. Sei­ne Ar­bei­ten über die klas­si­schen Bild­hau­er der 5. Jahr­hun­derts Ha­ge­la­das, Phidi­as und Ko­lo­tes wirk­ten auf­grund der von Fri­cken­haus bis zu Meis­ter­schaft ver­voll­komm­ne­ten Ver­bin­dung phi­lo­lo­gisch-his­to­ri­scher und ar­chäo­lo­gi­scher An­schau­ungs­wei­se er­hel­lend auf den heu­ti­gen For­schungs­stand.  Den Ers­ten Welt­krieg er­leb­te Fri­cken­haus ak­tiv im Ran­ge ei­nes Haupt­manns als Füh­rer ei­ner Bat­te­rie an der West­front. Über sei­ne per­sön­li­chen Be­weg­grün­de ist nichts zu sa­gen, aber er ging die un­hei­li­ge Al­li­anz von Geist und Macht eben­so wie vie­le an­de­re ein. Er ge­hör­te zu den Un­ter­zeich­nern der „Er­klä­rung der Hoch­schul­leh­rer des Deut­schen Rei­ches“ vom 16.10.1914, die von Ul­rich von Wil­amo­witz-Mo­el­len­dorff (1848-1931) ver­fasst und in wel­cher der Krieg als Ver­tei­di­gungs­kampf der deut­schen Kul­tur an­ge­se­hen wur­de. Die Ge­ne­sung von ei­ner schwe­ren Ver­wun­dung nutz­te Fri­cken­haus für ein For­schungs­se­mes­ter, wäh­rend des­sen er das Ma­te­ri­al für sei­ne Pu­bli­ka­ti­on über die at­ti­sche Büh­ne sam­mel­te. Sein Werk pu­bli­zier­te er 1917. Durch die Schre­cken des Krie­ges wur­den die Mög­lich­kei­ten der wis­sen­schaft­li­chen Re­cher­che ein­ge­schränkt, nicht aber Fri­cken­haus´ En­er­gie und Scharf­sinn. Eben­so we­nig ver­lor er an­ge­sichts des er­lit­te­nen Grau­ens sei­ne Fä­hig­keit, scharf und ve­he­ment zu kri­ti­sie­ren. oh­ne ver­let­zend zu wer­den. Die at­ti­sche Büh­ne ver­stand er, ganz sei­nem We­sen ent­spre­chend, ei­ner­seits als ei­nen Wech­sel auf die Zu­kunft, an­de­rer­seits als Nach­weis da­für, dass Wil­helm Dör­pfeld in sei­nem Werk über das at­ti­sche Thea­ter von 1896 nur die hal­be Wahr­heit her­aus­ge­fun­den hat­te. 

Aber selbst im Krieg gab es hel­le Ta­ge. Bei Fri­cken­haus´ Hoch­zeit mit Ka­tha­ri­na Dehio (1885-1974) am 10.9.1915 hielt der Va­ter der Braut, der be­deu­ten­de Kunst­his­to­ri­ker Ge­org Dehio (1850-1932) die Re­de auf das Hoch­zeits­paar. Aus der Ehe ging die Toch­ter Eli­sa­beth (1920-1997) her­vor. Ge­org Dehio wid­me­te den ers­ten Band der Deut­schen Kunst­ge­schich­te un­ter an­de­rem auch Au­gust Fri­cken­haus, den er aus­drück­lich un­ter sei­ne „Söh­ne in Krieg und Ge­fan­gen­schaft 1916“ zähl­te.

Am 26.9.1917 lud der Ge­ne­ral­se­kre­tär des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts Hans Dra­gen­dorff (1870-1941) al­le lei­ten­den Mit­glie­der zu ei­ner Ver­samm­lung, die rück­bli­ckend an das „Tref­fen in Telg­te“ er­in­nert. Wie in Gün­ter Grass´ Er­zäh­lung, die im Jahr 1647 spielt, tra­fen sich ein Jahr vor Kriegs­en­de Män­ner des Geis­tes, um die Per­spek­ti­ven der Frie­dens­zeit im Va­ter­land zu er­ör­tern. Die Zu­sam­men­kunft im Ber­lin des Jah­res 1917 war aber ein Er­eig­nis von ma­ka­brer Rea­li­tät. Im Ver­lauf des Jah­res 1917 stell­te sich die Kriegs­la­ge für Deutsch­land und Ös­ter­reich-Un­garn güns­tig dar. Eng­land war prak­tisch bank­rott, Frank­reich kriegs­mü­de und sei­ne Sol­da­ten meu­ter­ten re­gi­men­ter­wei­se nach den ka­ta­stro­pha­len Er­geb­nis­sen der Of­fen­si­ven an der Ais­ne, und Russ­land war durch Un­ru­hen und Re­vo­lu­ti­on im Fe­bru­ar nur noch be­dingt kriegstüch­tig. Der Kriegs­ein­tritt der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka im April wirk­te sich erst spät auf die La­ge aus. Im Herbst war die Si­tua­ti­on zwar an­ge­spannt, aber die Hoff­nung auf ei­ne star­ke Po­si­ti­on Deutsch­lands bei et­wai­gen Frie­dens­ver­hand­lun­gen durch­aus be­rech­tigt. Al­so gin­gen die Her­ren, un­ter ih­nen Fri­cken­haus, vol­ler Zu­ver­sicht an künf­ti­ge Auf­ga­ben, so dass die Sze­ne­rie in Ber­lin ex eventu doch et­was Ge­spens­ti­sches hat­te. Als ers­te Maß­nah­men nach dem Krieg wur­de die Er­for­schung des früh­rö­mi­schen La­gers Augs­burg und des Le­gi­ons­la­gers Mainz ins Au­ge ge­fasst. An­de­rer­seits wur­de aber den ak­tu­el­len Er­for­der­nis­sen in­so­fern Rech­nung ge­tra­gen, da man die Al­ter­tü­mer in den be­setz­ten Ge­bie­ten, vor al­lem in Bel­gi­en, in den For­schungs­be­reich ein­be­zog. Fri­cken­haus reg­te an, auch das rück­wär­ti­ge Front­ge­biet in Frank­reich zu be­rück­sich­ti­gen, da die Be­ob­ach­tun­gen in fran­zö­si­schen Mu­se­en viel­ver­spre­chend ge­we­sen sei­en. Theo­dor Wie­gand, der Ent­de­cker des Markt­to­res von Mi­let, schlug dies­be­züg­lich vor, dass For­schungs­rei­sen an die Front am bes­ten von ei­nem Ar­chäo­lo­gen in Of­fi­ziers­rang, wie Fri­cken­haus, un­ter­nom­men wer­den soll­ten.

Fri­cken­haus´ Pro­fes­sur in Straß­burg en­de­te mit dem Un­ter­gang ei­ner gan­zen Epo­che. Der er­eig­nis­rei­che 9.11.1918 ver­lief in Straß­burg eher ru­hig. Nach dem Waf­fen­still­stand von Com­pièg­ne am 11. No­vem­ber muss­te das deut­sche Mi­li­tär El­saß-Loth­rin­gen bin­nen 15 Ta­gen räu­men. Am 22. No­vem­ber fand die Pa­ra­de der ein­rü­cken­den Fran­zo­sen statt und die neu­en Ver­wal­ter mach­ten sich so­gleich an die Ar­beit. Als ei­ne der ers­ten Maß­nah­men wur­den neue Päs­se aus­ge­stellt, die es in vier Ka­te­go­ri­en gab. Fri­cken­haus als Deut­scher fiel un­ter die Ka­te­go­rie D, sein Schwie­ger­va­ter Ge­org Dehio als ge­bür­ti­ger Rus­se un­ter C. Der Stadt­kom­man­dant von Straß­burg, der kom­man­die­ren­de Ge­ne­ral der 4. Ar­mee Hen­ri Jo­seph Eu­gè­ne Gour­aud, er­hielt am 1. De­zem­ber vom Hoch­kom­mis­sar Alex­and­re Mil­lerand die An­wei­sung, al­le Deut­schen und Staats­an­ge­hö­ri­ge mit Frank­reich nicht ver­bün­de­ter Na­tio­nen so­wie miss­lie­bi­ge Per­so­nen aus­zu­wei­sen. Am 3.12.1918 ver­lie­ßen die ers­ten Pro­fes­so­ren die Stadt. Fast die ge­sam­te rest­li­che Pro­fes­so­ren­schaft, dar­un­ter Fri­cken­haus und Dehio, die mit den Fa­mi­li­en noch ein letz­tes Weih­nachts­fest in Straß­burg fei­ern konn­ten, folg­te am 6.1.1919. Be­son­ders für Fri­cken­haus´ Schwie­ger­va­ter war dies ei­ne bit­te­re Stun­de, denn er hat­te sei­ne Hei­mat Re­val (heu­te Tal­linn) früh ver­las­sen, war im­mer un­ter­wegs und nir­gend­wo zu Hau­se, bis er nach Straß­burg kam. Aber auch für Fri­cken­haus war das jä­he En­de sei­ner ers­ten Pro­fes­sur ei­ne Zä­sur. Der Krieg, die Ver­wun­dung, die Ver­trei­bung von sei­nem Lehr­stuhl und vor al­lem die ver­lo­re­ne Zeit für sei­ne For­schung lie­ßen ei­nen Un­voll­ende­ten, aber Un­ge­bro­che­nen zu­rück. Er hat­te die Ka­ta­stro­phe über­lebt, und das Bes­te lag an­schei­nend noch vor ihm. Es soll­te an­ders kom­men. 

Be­ruf­lich konn­te Fri­cken­haus schnell wie­der an sei­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re an­knüp­fen. 1920 folg­te er dem Ruf der Uni­ver­si­tät Kiel auf den Lehr­stuhl für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie, um die Nach­fol­ge Bru­no Sau­ers (1861-1919) an­zu­tre­ten. Wie sein Vor­gän­ger hielt Fri­cken­haus den Kurs der Ori­en­tie­rung an Hein­rich Brunns (1822-1894) Me­tho­dik. Die kunst­his­to­ri­sche Aus­rich­tung und Me­tho­de in der ar­chäo­lo­gi­schen For­schung ent­sprach be­son­ders sei­nem Ver­ständ­nis von Wis­sen­schaft, für das er Ger­hard als Vor­bild nahm. Un­ter Fri­cken­haus´ Or­di­na­ri­at wur­de 1921 die kunst­his­to­ri­sche Samm­lung der Uni­ver­si­tät ge­mein­sam mit der ar­chäo­lo­gi­schen un­ter dem Dach der Kie­ler Kunst­hal­le zu­sam­men­ge­fasst, wo sie sich heu­te noch be­fin­den. Auch in den Jah­ren sei­ner Kie­ler Pro­fes­sur reis­te er im­mer wie­der nach Grie­chen­land. Von der letz­ten Rei­se kehr­te er nicht mehr zu­rück. Er zog sich ei­ne In­fek­ti­on zu, die zu­sam­men mit den Fol­gen sei­ner Ver­wun­dung aus dem Krieg sei­ne Ge­sund­heit lang­sam zu Grun­de rich­te­te. Sei­ne Ehe­frau Ka­tha­ri­na half ihm, ei­nen letz­ten at­ti­schen Win­ter zu ge­nie­ßen - und zu er­tra­gen. Über dem Früh­ling des Jah­res 1925 lag schon der Schat­ten des To­des. Die Rück­rei­se en­de­te in der Tes­si­ner Ge­mein­de Men­d­ri­sio, wo Au­gust Fri­cken­haus am 18.5.1925 starb. Sei­ne letz­te Ru­he fand er auf dem Stadt­fried­hof von Tü­bin­gen.

Werke

Athens Mau­ern im IV. Jahr­hun­dert v. Chr., Dis­ser­ta­ti­on Bonn 1905.
Grie­chi­sche Va­en aus Em­po­ri­on, in: Anu­a­ri d´In­sti­tut d´Estu­dis Ca­ta­l­ans 1908, S. 195-240.
Das Athen­a­bild des al­ten Tem­pels in Athen, in: Mit­tei­lun­gen des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Athe­ni­sche Ab­tei­lung, Band 33 (1908), S. 17-32.
Ere­cht­eus, in: Mit­tei­lun­gen des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Athe­ni­sche Ab­tei­lung, Band 33 (1908), S. 171-176.
Hei­li­ge Stät­ten in Del­phi, in: Mit­tei­lun­gen des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Athe­ni­sche Ab­tei­lung, Band 35 (1910), S. 235-273.
Der Eros von Myn­dos, in: Jahr­buch des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Band 30 (1915), S. 127-129.
Zum Ur­sprung von Sa­tyr­spiel und Tra­gö­die, in: Jahr­buch des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Band 32 (1917), S. 1-15.
Grie­chi­sche Ban­kett­häu­ser, in: Jahr­buch des Kai­ser­lich Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Band 32 (1917), S. 114-133.
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Literatur

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Die Burg von Tiryns nach den Ausgrabungen von Heinrich Schliemann 1884, gemessen und gezeichnet von Wilhelm Dörpfeld, undatiert. (public domain)

 
Zitationshinweis

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Kirschbaum, Markus, August Frickenhaus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/august-frickenhaus/DE-2086/lido/5e1d9d39146159.86902728 (abgerufen am 06.12.2024)