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Der vielseitige Philologe, Übersetzer und Literaturkritiker August Wilhelm von Schlegel gehörte in Jena zum Kreis der Frühromantiker. An der 1818 neugegründeten Universität Bonn lehrte er als Professor für Literatur und Kunstgeschichte. Der weithin berühmte Hochschullehrer prägte die Anfangsjahre der Universität mit und war maßgeblich an deren Aufbau beteiligt.
Schlegel wurde am 8.9.1767 in Hannover geboren. Sein Vater war der Theologe und Schriftsteller Johann Adolph Schlegel (1721-1793), der unter anderem als Pfarrer an die Marktkirche Hannover berufen und zum Konsistorialrat ernannt wurde. Die Mutter Johanna Christiane Erdmuthe Hübsch (1735-1811) war die Tochter eines Mathematiklehrers aus Schulpforta. Das Paar hatte acht Söhne und zwei Töchter, von denen insbesondere Friedrich Schlegel (1772-1829) als führender Romantiker bekannt wurde.
Seit 1796 war Schlegel mit der Übersetzerin und Literaturkritikerin Caroline Michaelis (1763-1809), verwitwete Böhmer, spätere Schelling, verheiratet. Diese Ehe wurde 1803 geschieden. Die 1818 geschlossene Ehe mit der Heidelberger Professorentochter Sophie Paulus (1791-1847) wurde nicht vollzogen und später annulliert. Schlegel blieb kinderlos. Den preußischen Adelstitel erhielt er 1812.
Nach Schulbesuch und Abitur in Hannover begann Schlegel 1786 mit dem Studium der Theologie an der Universität Göttingen, wo er jedoch schon bald zum Fach Philologie wechselte. Nach dem Abschluss seines Studiums wirkte er seit 1791 als Hauslehrer in Amsterdam. Vier Jahre später hielt er sich kürzere Zeit bei seiner Mutter in Hannover und in Braunschweig auf, bis er schließlich nach Jena zog. Dort bildete er mit seinem Bruder Friedrich und seiner Frau Caroline den engeren Kreis der Frühromantiker, zu denen unter anderem auch Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772-1801) sowie der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) gehörten. Mit dem Berliner Schriftsteller Ludwig Tieck (1773-1853) verband Schlegel eine enge Freundschaft, die in gemeinsamen Arbeiten ihren Ausdruck fand. 1798 erhielt er eine außerordentliche Professur für Philosophie.
In Jena wirkte Schlegel entscheidend am neuen romantischen Programm mit. Davon zeugen insbesondere rund 300 vor allem literatur- und kunsthistorische Artikel und Rezensionen sowie die Herausgabe der Zeitschrift „Athenäum“ (1798-1800) gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich. Bis zum Bruch mit Friedrich Schiller (1759-1805) arbeitete er bis 1797 an dessen „Horen“ mit. Außerdem veröffentlichte Schlegel zahlreiche Übersetzungen klassischer und romanischer Dichter (unter anderem Calderon, Ariost). Große Anerkennung genoss die Übersetzung von Dramen William Shakespeares (zum Teil gemeinsam mit Ludwig Tieck).
1801 folgte Schlegel seinem Bruder Friedrich nach Berlin, wo er vielbeachtete öffentliche Vorlesungen über „Schöne Literatur und Kunst“ hielt. 1804 lernte er die französische Schriftstellerin Anne Louise Germaine de Staël-Holstein (Madame de Staël, 1766-1817) kennen, die von nun an sein Leben entscheidend bestimmte. 13 Jahre lang begleitete er Napoleons berühmteste Kritikerin als Berater und Erzieher ihrer Kinder, dessen Vermittlung zeitgenössischer deutscher Kultur sich in de Staëls Deutschland-Buch „De l´Allemagne“ niederschlug. Schlegel hielt sich in ihrem Landsitz Coppet am Genfer See auf, der zu einem geistigen Treffpunkt Europas wurde. Zahlreiche Reisen führten ihn im Gefolge Madame de Staëls unter anderem nach Italien, Frankreich und Deutschland. 1808 hielt er in Wien erneut öffentliche Vorlesungen über „Dramatische Kunst und Literatur“, die zur Verbreitung der romantischen Ideen beitrugen.
Der Ausweisung Schlegels aus Frankreich 1811 folgte ein Jahr später die endgültige Flucht gemeinsam mit Madame de Staël, die über Wien und Russland nach Stockholm führte. Dort wurde Schlegel 1813 zum Regierungsrat und persönlichen Sekretär des schwedischen Kronprinzen Jean-Baptiste Bernadotte (1763-1844) ernannt.
Nach Napoleons Niederlage reiste Schlegel 1814 mit Madame de Staël nach Paris, wo er sich neben Coppet bis zu ihrem Tod überwiegend aufhielt. Mit ihrer Tochter Albertine (1797-1838) sowie deren Mann, Herzog Victor de Broglie (1785-1870), und deren vier Kindern verband Schlegel lebenslang eine familiär-freundschaftliche Beziehung. 1834 besuchte ihn das Paar in Bonn. 1818 hatte er einen Ruf an die Universität Berlin erhalten, diesen aber gegen einen Lehrstuhl der neugegründeten Universität in Bonn getauscht. Dort lehrte er bis an sein Lebensende als Professor für Literatur und Kunstgeschichte. Seine Themen waren breitgefächert und umfassten unter anderem klassische und romanische Literaturen sowie englische und deutsche Literatur. Außerdem beschäftigte er sich mit Kunstgeschichte und alter Geschichte. Insbesondere gilt Schlegel als Begründer der Indologie, die er unter anderem mit Sanskrit-Seminaren und der „Indischen Bibliothek“ (1820-30) mit Hauptwerken der indischen Literatur sowie mit Übersetzungen etablierte. Der Norweger Christian Lassen (1800-1876) setzte als sein Schüler und Nachfolger diese Arbeit fort. Darüber hinaus hat Schlegel entscheidend zur Entstehung der Romanistik beigetragen und gilt als Vorreiter der vergleichenden Literaturwissenschaft.
In den ersten Jahren der jungen Universität genoss Schlegel unter den Professoren eine Starrolle. Seine Seminare waren am besten besucht, wovon Teilnehmer wie Heinrich Heine beredt Zeugnis geben. Seine Berühmtheit wusste Schlegel mit seinem residenzartigen Haus in der Sandkaule 529 in Bonn zu unterstreichen. Sein Auftreten mit Kalesche, Diener und in modischem Pariser Anzug machte seine Eitelkeit in Bonn sprichwörtlich. Schlegel nahm auf vielfältige Weise am Aufbau und akademischen Leben der Universität teil, so 1824/1825 als Rektor und 1839 als Dekan Lateinisch, (1) Vorsteher einer Fakultät an einer Universität, (2) höherer katholischer oder evangelischer Geistlicher, Vorsteher eines Dekanats oder Kirchenkreises. der Philosophischen Fakultät.
Außerdem war er an der Gründung zweier herausragender Museen beteiligt: Der Antikensammlung der Universität, als Akademisches Kunstmuseum Bonns ältestes Museum, verschaffte er unter deren Leiter Friedrich Gottlieb Welcker (1784-1868) 1820 Gipsabgüsse aus Paris. Im selben Jahr war Schlegel an der Gründung des „Museums Rheinisch-Westfälischer Altertümer“ beteiligt und übernahm zeitweilig dessen Leitung (das spätere Provinzialmuseum und heutige LVR-LandesMuseum Bonn).
Außerdem führte Schlegel vorübergehend den Vorsitz des 1835 gegründeten Beethovenvereins zur Errichtung eines Denkmals für den Komponisten. Dessen Standort auf dem Münsterplatz vor dem Palais Fürstenberg (die heutige Hauptpost) soll von Schlegel vorgeschlagen worden sein.
Schlegels Bonner Jahre wurden von zahlreichen Reisen unterbrochen, so nach London und Paris, nach Kassel, wo er Jacob Grimm (1785-1863) besuchte, und nach Weimar zu Goethe (1749-1832). 1827 hielt er in Berlin Vorlesungen über die bildenden Künste; 1841 nahm er einen Ruf an die dortige Universität an, kehrte aber nach einem Semester nach Bonn zurück. Ehrungen unterstreichen seine internationale Wertschätzung, so die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion in Paris und die Verleihung des Ordens Pour le Mérite in Berlin.
Schlegels bleibendes, lange Zeit verkanntes Verdienst besteht nicht in seinem schmalen dichterischen Werk (Gedichte 1800, das Drama „Ion“ 1803), sondern in seinen literaturkritischen und -historischen Arbeiten, etwa der Wiederentdeckung Dantes, in seinen Übersetzungen insbesondere Shakespeares sowie in seinen Vorlesungen. Auf diese Weise trug er erheblich zur Öffnung des literarischen Horizonts in Deutschland bei und propagierte die romantische Bewegung im Gegensatz zur Klassik.
Am 12.5.1845 verstarb Schlegel in seinem Bonner Haus und wurde auf dem Alten Friedhof beigesetzt. Grabstele und Bronzerelief schuf ein Jahr später der Bildhauer Ernst von Bandel (1800-1876).
Werke
William Shakespeare. Dramatische Werke (Übersetzung), 9 Bände, 1797-1810.
Athenäum (Hg.), 3 Bände, 1798-1800.
Gedichte, 1800.
Ion. Ein Schauspiel, 1803.
Über dramatische Kunst und Literatur, Vorlesungen, 3 Bände, 1809-1811.
Geschichte der deutschen Sprache und Poesie, Vorlesungen, gehalten an der Universität Bonn seit dem Wintersemester 1818/19, 1913.
Indische Bibliothek (Hg.), 3 Bände, 1820-1830.
Literatur
Brentano, Bernhard von, August Wilhelm Schlegel. Geschichte eines romantischen Geistes, Stuttgart 1943.
John, Johannes, Schlegel, August Wilhelm von, in: Neue Deutsche Biographie 23, 2007, S. 38-40.
Mix, York-Gothart (Hg.), Der Europäer August Wilhelm Schlegel. Romantischer Kulturtransfer – romantische Wissenswelten, Berlin 2010.
Schirmer, Ruth, August Wilhelm Schlegel und seine Zeit. Ein Bonner Leben, Bonn 1986.
Online
Goethezeitportal (Multimediale Informationen zur Geistesgeschichte, Kunst und Literatur der Zeit Goethes). [Online]
Korrespondenzen von August Wilhelm Schlegel in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. [Online]
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Krause, Arnulf, August Wilhelm von Schlegel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/august-wilhelm-von-schlegel/DE-2086/lido/57c9475ee94526.79385515 (abgerufen am 06.12.2024)