Bernd Alois Zimmermann

Komponist (1918–1970)

Karsten Lehl (Düsseldorf)

Bernd Alois Zimmermann beim Komponieren, 1951; Fotographie von Sabine von Schablowsky. (Bernd-Alois-Zimmermann-Archiv der Akademie der Künste)

Bernd Alois Zim­mer­mann war ein deut­scher Kom­po­nist, der zu den wich­tigs­ten Per­sön­lich­kei­ten der deut­schen Kunst­mu­sik im 20. Jahr­hun­dert zählt. Sei­ne Oper „Die Sol­da­ten“ ist trotz ih­rer ex­tre­men An­for­de­run­gen an Aus­füh­ren­de und Zu­hö­rer Teil des in­ter­na­tio­na­len Stan­dard­re­per­toires ge­wor­den. In sei­nem dif­fe­ren­zier­ten mu­sik­äs­the­ti­schen Den­ken, das Zim­mer­mann in zahl­rei­chen Tex­ten aus­ge­brei­tet hat, wur­de er zum Im­puls­ge­ber und Vor­bild der nach­fol­gen­den Kom­po­nis­ten­ge­ne­ra­ti­on.

 

Bernd Alois Zim­mer­mann kam am 20.3.1918 in Blies­heim (heu­te Stadt Erft­stadt) als Sohn von Ja­kob Zim­mer­mann (1881–1968) und sei­ner Frau Ka­tha­ri­na, geb. Broich­heu­ser (1884–1972) zur Welt. Mit sei­nem Bru­der Jo­sef (1916–2000) und spä­ter der Schwes­ter Chris­ti­ne (1924–2000) – zwei wei­te­re Brü­der ver­star­ben früh – wuchs er in eher ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen auf: Seit Va­ter war Be­am­ter bei der Reichs­bahn und da­ne­ben als Land­wirt tä­tig. Um­fang­rei­che mu­si­ka­li­sche wie li­te­ra­ri­sche Bil­dung er­warb Zim­mer­mann erst in der ka­tho­li­schen Pri­vat­schu­le im Klos­ter Stein­feld, die er ab 1929 be­such­te. Die kirch­li­che Prä­gung be­glei­te­te den Kom­po­nis­ten sein gan­zes Le­ben. Er pfleg­te sei­ne Par­ti­tu­ren mit dem Kür­zel „O.A.M.D“ (Om­nia Ad Ma­jo­rem Dei Glo­ria = Al­les zur grö­ße­ren Eh­re Got­tes) ab­zu­schlie­ßen; den Plan, Theo­lo­gie zu stu­die­ren, gab Zim­mer­mann al­ler­dings letzt­lich auf. 1936 wur­de die Klos­ter­schu­le durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­schlos­sen. Zim­mer­mann be­such­te an­schlie­ßend ein Köl­ner Gym­na­si­um, wo er 1937 die Ab­itur­prü­fung ab­leg­te. Nach­dem er die ob­li­ga­te Zeit beim „Reichs­ar­beits­diens­t“ ab­ge­leis­tet hat­te, be­gann er im Win­ter­se­mes­ter 1937/1938 in Bonn ein Stu­di­um an der da­ma­li­gen Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le. Da die Mu­sik aber im­mer grö­ße­res Ge­wicht in sei­nem Le­ben be­kam, wech­sel­te er ein Jahr spä­ter nach Köln, wo er nun an der Mu­sik­hoch­schu­le Schul­mu­sik, Mu­sik­wis­sen­schaft und Kom­po­si­ti­on stu­dier­te.

Be­reits kurz nach Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs wur­de der an­ge­hen­de Kom­po­nist zum Wehr­dienst ein­be­ru­fen. Als Pfer­de­pfle­ger konn­te er sich dem di­rek­ten Tö­ten als Front­sol­dat ent­zie­hen. Ei­ne schwe­re Haut­krank­heit und ein Au­gen­lei­den, bei­des wahr­schein­lich Re­sul­tat ei­ner Kampf­mit­tel-Ver­gif­tung, führ­ten schlie­ß­lich zu lan­gen Hos­pi­tal­auf­ent­hal­ten und zur Dienst­ent­las­sung 1942.

Familie Zimmermann, ca. 1927/28; von links nach rechts: Josef, Jakob, Christine, Katharina, Bernd. (Bernd-Alois-Zimmermann-Archiv der Akademie der Künste)

 

Als sei­ne Ge­sund­heit es wie­der zu­ließ, kehr­te Zim­mer­mann zu­nächst nach Köln zu­rück, um sei­ne Stu­di­en fort­zu­set­zen. Nach der kriegs­be­ding­ten Schlie­ßung der Köl­ner Hoch­schu­le ging Zim­mer­mann kurz­fris­tig nach Ber­lin in der Hoff­nung, sein Schul­mu­sik-Stu­di­um dort be­en­den zu kön­nen. Aus Sor­ge um die ei­ge­ne Si­cher­heit ver­ließ er je­doch bei Kriegs­en­de die Stadt vor dem Ex­amen. Er kehr­te nach Köln zu­rück, wo er zu­min­dest sei­ne mu­sik­be­zo­ge­nen Prü­fun­gen als ei­ner der Jahr­gangs­bes­ten ab­leg­te. Ob er al­ler­dings sein Ne­ben­fach Deutsch je­mals ab­ge­schlos­sen hat, ist nach der­zei­ti­ger Quel­len­la­ge zu be­zwei­feln.

Vor al­lem vier Per­sön­lich­kei­ten wa­ren in je­nen un­ru­hi­gen Jah­ren prä­gend für Zim­mer­mann: Der Kom­po­si­ti­ons­theo­re­ti­ker Wil­helm Ma­ler (1902–1976), der Pia­nist Hans Haass (1897–1955), bei dem er von 1938 bis 1947 Kla­vier­un­ter­richt er­hielt, sein Leh­rer für Kom­po­si­ti­on und mu­sik­theo­re­ti­sche Fä­cher Hein­rich Le­ma­cher (1891–1966) und nicht zu­letzt der Lei­ter der Schul­mu­sik­ab­tei­lung Diet­rich Sto­ve­rock (1900–1976). Des­sen Se­mi­nar für Mu­sik­erzie­hung ver­an­stal­te­te wö­chent­li­che Haus­mu­sik­aben­de, bei de­nen auch mehr­mals frü­he Wer­ke Zim­mer­manns zu hö­ren wa­ren; noch in Feld­post­brie­fen an Stu­di­en­freun­de be­schäf­tig­te sich Zim­mer­mann mit den De­tails sol­cher Auf­füh­run­gen.

Ge­ne­rell muss be­tont wer­den, dass Bernd Alois Zim­mer­mann in den Jah­ren, die sein Den­ken und Ler­nen we­sent­lich präg­ten, der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Welt­an­schau­ung und Pro­pa­gan­da aus­ge­setzt war. Er spür­te je­doch of­fen­bar be­reits früh die men­schen­ver­ach­ten­den und un­mo­ra­li­schen Kom­po­nen­ten des Sys­tems, das an­de­rer­seits Kul­tur för­der­te wie kein an­de­res zu­vor. Dies mag Aus­lö­ser der tie­fen exis­ten­ti­el­len Ver­ein­sa­mung ge­we­sen sein, die Zim­mer­manns Le­ben (un­be­merkt von vie­len) präg­te: Be­ste­hen­de Ge­dan­ken­mo­del­le konn­te er nicht mit­tra­gen, Al­ter­na­ti­ven fehl­ten. So be­gann ein lan­ges Rin­gen um ein schlüs­si­ges Selbst- und Welt­bild. Dies brach­te zahl­rei­che spä­ter als Irr­we­ge ein­ge­schätz­te Ver­su­che mit sich und mün­de­te in kli­ni­schen De­pres­sio­nen, die nie zur Gän­ze the­ra­piert wer­den konn­ten. Be­reits 1941 schrieb Zim­mer­mann an sei­nen Stu­di­en­freund Jan Na­ter­mann (1910–2002): „Du kannst gar nicht er­mes­sen, in wel­chem Zu­stan­de ich mich jetzt be­fin­de. In mir ist ein gro­ßes Nichts, noch nicht ein­mal Cha­os. Das Ding, was ich auf Er­den am we­nigs­ten ver­ste­he, bin ich. Fa­ta­le Er­kennt­nis!“

Zu all die­sen Schwie­rig­kei­ten kam nach Kriegs­en­de das stän­di­ge Rin­gen um den Ein­satz sei­ner Ar­beits­kraft: Zim­mer­mann fühl­te sich durch die Not­wen­dig­keit des Brot­er­werbs und Zwän­ge von au­ßen am Kom­po­nie­ren ge­hin­dert, das für ihn eben­so lang­wie­ri­ger, kräf­te­zeh­ren­der Kampf um die Form wie un­be­ding­te Not­wen­dig­keit war. Nach­dem je­doch bei ihm im Som­mer 1946 ei­ne Herz­in­suf­fi­zi­enz auf­grund von Un­ter­ernäh­rung fest­ge­stellt wor­den war, muss­te der Kom­po­nist wohl oder übel Tei­le sei­ner Zeit für Wer­ke auf­brin­gen, die ihn an sich we­nig in­ter­es­sier­ten. Seit die­sem Jahr ent­stan­den so vie­ler­lei Ar­bei­ten für den Nord­west­deut­schen Rund­funk und spä­ter auch den Süd­west­funk: Ar­ran­ge­ments von Un­ter­hal­tungs­mu­sik und Ope­ret­ten, da­zwi­schen ge­le­gent­li­che Hör­spiel­mu­si­ken und selbst­stän­di­ge Wer­ke. Letz­te­re, die im Stil leich­ter ge­hal­ten wa­ren und vor al­lem auf der Grund­la­ge von Volks­lie­dern ent­stan­den, blie­ben nach An­sicht Zim­mer­manns hin­ter dem ak­tu­el­len Stand sei­ner kom­po­si­to­ri­schen Ent­wick­lung zu­rück. Als Aus­weg blieb ihm die „iro­ni­sche Un­ge­niert­heit“ ei­ner be­wusst ka­ri­kie­ren­den oder an­ti­sen­ti­men­ta­len kom­po­si­to­ri­schen Be­hand­lung. Hier fühl­te er ei­ne Nä­he zu Bé­la Bar­tók (1881–1945), der ne­ben Igor Stra­wins­ky (1882–1971) und Paul Hin­de­mith (1895–1963) die Brü­cke zur ak­tu­el­len in­ter­na­tio­na­len Sze­ne für den Kom­po­nis­ten in den ers­ten Nach­kriegs­jah­ren bil­de­te. Ein zu­sätz­li­cher Licht­blick in die­ser schwie­ri­gen Pha­se war zu­dem die Be­kannt­schaft und zeit­wei­li­ge Freund­schaft mit dem Di­ri­gen­ten Gün­ter Wand (1912–2002). In ihm fand Zim­mer­mann En­de 1945 ei­nen Di­ri­gen­ten, der sich in den fol­gen­den Jah­ren viel­fach für sei­ne Wer­ke ein­setz­te. Die oh­ne­hin nicht im­mer un­pro­ble­ma­ti­sche Ar­beits­be­zie­hung wur­de al­ler­dings durch die kom­po­si­to­ri­sche Ent­wick­lung Zim­mer­manns ab Mit­te der 1950er Jah­re nach­hal­tig ge­stört, da Wand sich durch die Struk­tur der neu­en Wer­ke zu­neh­mend in sei­ner di­ri­gen­tisch-künst­le­ri­schen Ver­ant­wor­tung und Frei­heit ein­ge­schränkt fühl­te.

Im Jahr 1949 führ­ten wei­te­re mu­si­ka­li­sche Er­fah­run­gen Zim­mer­manns zum er­neu­ten Durch­den­ken mu­si­ka­li­scher Grund­satz­fra­gen, die schlie­ß­lich ei­ne neue Sti­lis­tik be­grün­de­ten. Bei den Fe­ri­en­kur­sen für Neue Mu­sik in Darm­stadt be­schäf­tig­te Zim­mer­mann sich erst­mals in­ten­siv mit dem Werk Ar­nold Schön­bergs (1874–1951). Hier wur­de beim Ab­schluss­kon­zert am 10.7.1949 auch Zim­mer­manns „Kon­zert für Or­ches­ter“ ge­spielt. Er war ei­gent­lich nach den Sta­tu­ten be­reits zu alt, um in die­sem Kon­zert für „Mu­sik der jun­gen Ge­ne­ra­ti­on“ ei­nen Platz zu er­hal­ten. Doch ar­gu­men­tier­te Zim­mer­mann er­folg­reich da­mit, dass er im Krieg meh­re­re Jah­re kom­po­si­to­ri­scher Ent­wick­lung durch den Mi­li­tär­dienst ver­lo­ren ha­be, und konn­te so ei­ne Platt­form fin­den, die sei­nen Na­men in wei­te­ren Krei­sen be­kannt mach­te.

Bernd Alois Zimmermann, ca. 1933. (Privatbesitz)

 

Un­ter dem Ein­druck der Darm­städ­ter Kur­se be­gann Zim­mer­mann ver­stärkt, Strö­mun­gen in der Neu­en Mu­sik und de­ren Ver­mitt­lung kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Er sah klar die Ten­den­zen zu ei­ner päd­ago­gi­schen Ver­ein­fa­chung, die sich auf rein tech­ni­sche As­pek­te des Kom­po­nie­rens be­schränk­te. Die­se kam zwar dem Nach­hol­be­darf der jun­gen Ge­ne­ra­ti­on ent­ge­gen, war aber nach Zim­mer­manns Mei­nung ei­nem wah­ren Ver­ständ­nis mu­si­ka­li­scher Er­schei­nungs­for­men eher hin­der­lich. So for­mu­lier­te er kurz nach Ab­schluss der Kur­se 1949: „Es scheint mir völ­lig se­kun­där zu sein, ob Schön­berg, Berg, We­bern u.a. we­gen oder trotz der Do­de­ka­pho­nie gu­te Mu­sik ge­macht ha­ben, son­dern es ist viel­mehr von Be­deu­tung, daß sie gu­te Mu­sik ge­macht ha­ben.“ Zim­mer­mann sah im­mer mehr die Chan­cen ei­ner „Ge­ne­ra­ti­on, die in ei­ner nur in un­se­rem Zeit­al­ter mög­li­chen Gleich­zei­tig­keit die ver­schie­dens­ten Ent­wick­lungs­sta­di­en im er­bar­mungs­los schar­fen Schnitt­punkt kri­tisch er­leb­t“ und fand hier­über selbst schlie­ß­lich zu ei­ner mu­si­ka­li­schen Äs­the­tik, die er­staun­lich ak­tu­ell ge­blie­ben ist. Für die nach­wach­sen­de Ge­ne­ra­ti­on jun­ger Kom­po­nis­ten war er spä­tes­tens ab Mit­te der 1960er Jah­re Re­fe­renz ei­ner ak­tu­el­len Mo­der­ni­tät. Rück­bli­ckend je­doch lässt sich sein An­satz auch als Keim­zel­le der spä­te­ren Post­mo­der­ne be­grei­fen.

Zim­mer­mann fass­te Kom­po­nie­ren nun im­mer mehr als Pro­zess auf, in dem sich „lan­ge Ge­dach­tes, früh Emp­fun­de­nes und spät Ge­fühl­tes“ zu „end­gül­ti­gem Zu­sam­men­s­ein“ ver­bin­den: ei­ne mul­ti­per­spek­ti­vi­sche Wirk­lich­keits­be­zie­hung, die sich schlie­ß­lich in ei­nem viel zi­tier­ten kom­po­si­to­ri­schen Theo­rem von der „Ku­gel­ge­stalt der Zeit“ aus­kris­tal­li­sier­te: „Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft sind, wie wir wis­sen, le­dig­lich in ih­rer Er­schei­nung als kos­mi­sche Zeit an den Vor­gang der Suk­zes­si­on ge­bun­den. In un­se­rer geis­ti­gen Wirk­lich­keit exis­tiert die­se Suk­zes­si­on je­doch nicht, was ei­ne re­a­le­re Wirk­lich­keit be­sitzt als die uns wohl­ver­trau­te Uhr, die ja im Grun­de nichts an­de­res an­zeigt, als dass es kei­ne Ge­gen­wart im stren­ge­ren Sin­ne gibt. Die Zeit biegt sich zu ei­ner Ku­gel­ge­stalt zu­sam­men.“ Zim­mer­mann muss­te sich auf die­se Wei­se nicht mehr als Teil ei­ner in chro­no­lo­gi­scher Ent­wick­lung nach Fort­schritt stre­ben­den Avant­gar­de be­grei­fen. Statt­des­sen ging er da­zu über, ver­schie­dens­te Sti­le in sei­nen Wer­ken oft auch gleich­zei­tig zu ver­wen­den und in kom­ple­xen, rei­hen­ba­sier­ten Form­ge­bil­den mit­ein­an­der zu ver­knüp­fen. Auch Text­vor­la­gen und an­de­re au­ßer­mu­si­ka­li­sche Ele­men­te wur­den zu­neh­mend sei­nen kom­po­si­to­ri­schen Prin­zi­pi­en un­ter­wor­fen, was oft ge­nug zur ent­schie­de­nen Ab­leh­nung durch Mu­si­ker und Tei­le des Pu­bli­kums führ­te, die mit sei­ner Äs­the­tik nicht ver­traut wa­ren. Durch die­sen Stil­wan­del wur­de es für Zim­mer­mann ab Mit­te der 1950er Jah­re im­mer schwie­ri­ger, Auf­füh­run­gen neu­er, spä­ter als epo­chal ge­wür­dig­ter Wer­ke durch­zu­set­zen. 

Die Soldaten: Kaffeehaus-Szene während der Uraufführung am 15.2.1965. (Stefan Odry/Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln Schloss Wahn)

 

Iro­nie des Schick­sals ist es, dass in dem Ma­ße, in dem die­se Schwie­rig­kei­ten zu­nah­men, die öf­fent­li­che An­er­ken­nung stieg. 1950 hat­te Zim­mer­mann ei­ne Po­si­ti­on als Lek­tor der Mu­sik­theo­rie an der Köl­ner Uni­ver­si­tät an­ge­nom­men, um sei­ne Frau Sa­bi­ne von Scha­blow­sky (1924–2013) und die schlie­ß­lich drei Kin­der Ge­re­on (1951–2017), Bet­ti­na (*1952) und Wi­mar (*1966) ver­sor­gen zu kön­nen (ei­ne zwei­te Toch­ter, Bar­ba­ra, starb 1955 noch am Tag ih­rer Ge­burt). Doch fühl­te er sich in sei­nem Schaf­fen da­durch so be­schränkt, dass er die Po­si­ti­on nach zwei Jah­ren wie­der auf­gab. Nach­dem er 1957 als ers­ter Kom­po­nist ein halb­jäh­ri­ges Sti­pen­di­um für ei­nen Stu­di­en­auf­ent­halt in der Vil­la Mas­si­mo in Rom er­hal­ten hat­te, wur­de ihm nach sei­ner Rück­kehr ein Lehr­stuhl an der Köl­ner Mu­sik­hoch­schu­le an­ge­bo­ten, wo er in Fol­ge auch das Se­mi­nar für Hör­spiel-, Büh­nen- und Film­mu­sik lei­te­te. We­nig spä­ter wur­de die Ur­auf­füh­rung sei­nes „Can­to di spe­ran­za“ für Vio­lon­cel­lo und Or­ches­ter in Darm­stadt zu ei­nem ekla­tan­ten Miss­er­folg. Eben­falls 1957 be­gann Zim­mer­mann mit der Ar­beit an sei­ner Oper „Die Sol­da­ten“. Trotz gro­ßer ge­sund­heit­li­cher Pro­ble­me hat­te der Kom­po­nist zwei Ak­te voll­endet, als das Köl­ner Opern­haus das Werk 1959 für un­auf­führ­bar er­klär­te und ei­ne be­reits für Ju­ni 1960 fest­ge­setz­te Ur­auf­füh­rung ab­sag­te. Dar­auf­hin wei­ger­te sich Zim­mer­manns Ver­lag, wei­te­re Kos­ten für die Her­stel­lung des Auf­füh­rungs­ma­te­ri­als zu über­neh­men. Statt ei­ner Opern­pre­mie­re er­hielt Zim­mer­mann 1960 den Gro­ßen Kunst­preis des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len. Erst durch die Um­ar­bei­tung von Tei­len der Oper zu ei­ner „Vo­kal-Sin­fo­nie“ für So­lis­ten und Or­ches­ter ge­lang es dem Kom­po­nis­ten, durch de­ren Ur­auf­füh­rung im WDR die mu­si­ka­li­sche Rea­li­sier­bar­keit sei­ner Oper prak­tisch zu be­wei­sen. Am 15.2.1965 schlie­ß­lich kam es doch in Köln zur Ur­auf­füh­rung des Büh­nen­werks, de­ren über­ra­gen­der Er­folg nun aber für den Kom­po­nis­ten ei­gent­lich zu spät kam.

Sabine von Schablowsky und Bernd Alois Zimmermann, ca. 1950. (Privatbesitz)

 

Das rest­li­che Jahr war ge­ra­de­zu ei­ne La­wi­ne von Er­fol­gen: Zim­mer­mann stell­te die Par­ti­tur der sar­kas­ti­schen „Mu­si­que pour les sou­pers du Roi Ubu“ fer­tig, er wur­de zum Mit­glied der Aka­de­mie der Küns­te in Ber­lin be­ru­fen; in Ber­lin wur­den nun auch die „An­ti­pho­nen“ für Vio­la und klei­nes Or­ches­ter ur­auf­ge­führt, die der SWF noch 1961 als un­spiel­bar zu­rück­ge­wie­sen hat­te. 1966 er­hielt Zim­mer­mann den Kul­tur­preis der Stadt Köln und ar­bei­te­te an neu­en Opern­plä­nen, wo­bei dies­mal „Me­de­a“ von Hanns Hen­ny Jahn (1894–1959) Grund­la­ge ei­ner Ar­beit wer­den soll­te, wel­che „Die Sol­da­ten“ noch an Kom­ple­xi­tät über­trof­fen hät­te, wä­re sie je­mals fer­tig­ge­stellt wor­den. Doch Zim­mer­mann war kör­per­lich im­mer we­ni­ger in der La­ge, sein Ar­beits­pen­sum durch­zu­hal­ten, wo­bei es ihm an­de­rer­seits die fi­nan­zi­el­le Be­las­tung durch ein neu­es Haus für die Fa­mi­lie schwer mach­te, An­fra­gen ab­zu­leh­nen. Nach­dem sich 1967 die Glau­ko­me des Kom­po­nis­ten so weit ver­schlim­mert hat­ten, dass er fast völ­lig das Au­gen­licht ein­bü­ß­te, ent­schloss sich Zim­mer­mann 1968, ei­nen Ruf an die Ber­li­ner Mu­sik­hoch­schu­le doch aus­zu­schla­gen. Ur­sprüng­lich hat­te er die­se Stel­le par­al­lel zu sei­nen Köl­ner Ver­pflich­tun­gen wahr­neh­men wol­len, um mit­tel­fris­tig end­lich fi­nan­zi­el­le Si­cher­heit zu er­lan­gen. Plä­ne wie die­ser tru­gen we­sent­lich zum Bild von Zim­mer­mann als un­ver­wüst­lich star­kem „Ma­cher“ in der Öf­fent­lich­keit bei. Doch 1969 kam es schlie­ß­lich zum völ­li­gen Zu­sam­men­bruch, der ei­nen mehr­mo­na­ti­gen Auf­ent­halt in ei­ner Ner­ven­kli­nik zur Fol­ge hat­te. Erst rück­bli­ckend ließ sich fest­stel­len, dass die dort er­reich­te Bes­se­rung nur ei­ne schein­ba­re war. Be­reits 1945 hat­te Zim­mer­mann in sei­nem Ta­ge­buch no­tiert: „Auf’s Gan­ze ge­se­hen ist der Ge­dan­ke an den Selbst­mord ei­ne gu­te Be­ru­hi­gung, der in den ver­zwei­fel­ten Si­tua­tio­nen hilft.“ Nun nutz­te Zim­mer­mann sei­ne Zeit, um be­reits zu­ge­sag­te Auf­trä­ge wie das Or­ches­ter­werk „Stil­le und Um­kehr“ noch fer­tig zu stel­len. Fünf Ta­ge nach Ab­schluss der letz­ten Par­ti­tur „Ich wand­te mich und sah an al­les Un­recht, das ge­schah un­ter der Son­ne“ schied Bernd Alois Zim­mer­mann in sei­nem Haus in Groß-Kö­nigs­dorf am 10.8.1970 frei­wil­lig aus dem Le­ben.

Werke

Werk­ver­zeich­nis: http://bernd-alois-zim­mer­mann-ge­sell­schaft.org/werk­ver­zeich­nis.htm

Literatur

Ko­nold, Wulf (Hg.), Bernd Alois Zim­mer­mann: Do­ku­men­te und In­ter­pre­ta­tio­nen. Köln o.J. [1986].
Korthe, Oli­ver (Hg.), Welt – Zeit – Thea­ter. Neun Un­ter­su­chun­gen zum Werk von Bernd Alois Zim­mer­mann, Hil­des­heim u.a. 2018.
Lich­ten­feld, Mo­ni­ka, Bernd Alois Zim­mer­mann, in: Die Mu­sik in Ge­schich­te und Ge­gen­wart. All­ge­mei­ne En­zy­klo­pä­die der Mu­sik, Ber­lin 2004 [elek­tro­ni­sche Aus­ga­be der ers­ten Auf­la­ge 1949–1986].
Zim­mer­mann, Bernd Alois, Du und Ich und Ich und die Welt. Do­ku­men­te aus den Jah­ren 1940 bis 1950, Ber­lin 1998.
Zim­mer­mann, Bet­ti­na, con tut­ta for­za. Bernd Alois Zim­mer­mann. Ein per­sön­li­ches Por­trait. Hof­heim 2018. 

Bernd Alois Zimmermann mit Bettina, Wimar und Gereon auf der Terrasse des neuen Hauses in Großkönigsdorf, etwa Herbst 1968; Fotographie von Sabine von Schablowsky. (Bernd-Alois-Zimmermann-Archiv der Akademie der Künste)

 
Zitationshinweis

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Lehl, Karsten, Bernd Alois Zimmermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/bernd-alois-zimmermann/DE-2086/lido/5f97fa0f08d701.25797558 (abgerufen am 25.04.2024)