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Carl Troll war ein international renommierter deutscher Geograph, der von 1938 bis 1966 als Professor an der Universität Bonn lehrte und 1960/1961 als deren Rektor amtierte. Zu seinen wissenschaftlichen Meriten gehört die Prägung des Begriffs Geoökologie.
Karl (Carl) Theodor Joseph Maria Troll wurde am 24.12.1899 als zweiter Sohn des Arztes Dr. med. Theodor Troll (1858-1916) und seiner Frau Elise (1871-1959), geborene Hufnagel, in Gabersee (heute Stadt Wasserburg am Inn) geboren. Die Familie war katholisch. Von 1915 bis 1917 besuchte Troll das Wilhelmsgymnasium in München, das er - nach dem Kriegseinsatz - 1918 mit dem Abitur verließ.
Das bereits in früher Jugend erwachte Interesse für die Beobachtung der Natur führte ab 1919 zu einem breit gefächerten Studium der Naturwissenschaften, insbesondere der Botanik, Geologie und Geographie, an der Universität München. Dort promovierte er 1921 mit einem botanischen Thema und legte 1922 das Staatsexamen für das höhere Lehramt in den Fächern Chemie, Biologie und Geographie ab. 1925 habilitierte er sich im Fach Geographie. Nach Abschluss seiner akademischen Ausbildung konnte er nun seinen Wunsch, „die Natur fremder Länder zu erforschen“, in die Tat umsetzen.
Von 1922 bis 1927 war Carl Troll als Vollassistent beziehungsweise von 1925 bis 1930 als Privatdozent am Geographischen Institut der Universität München tätig. Für die Jahre 1926 bis 1929 war er für eine erste große Forschungsreise beurlaubt. Ermöglicht durch staatliche und private Finanzierung sowie eigene Berufstätigkeit stellte er geographische und botanische Forschungen in Bolivien, Südperu, Nordchile, den Anden, Ecuador, Kolumbien und Panama an. Dabei war er rund zweieinhalb Jahre mit dem Maultier unterwegs und sammelte unter anderem nach eigener Aussage 16.000 Bogen Herbar und nahm 10.000 km Routenskizzen auf […][1]. In der Rückschau schrieb er[2]: Das Erlebnis der tropischen Gebirgsnatur und der Anpassung der Menschen an diese wurde zur Grundlage für die meisten meiner späteren Arbeiten über Pflanzenkleid, Klimaklassifikation, Bodenkunde, Schneedecke und Gletscher, Geomorphologie und Kulturgeographie.
Im April 1930 folgte Troll einem Ruf auf die außerordentliche Professur, verbunden mit der Leitung der Abteilung für Kolonial- und Überseegeographie, an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (heute Humboldt-Universität). Hier lernte er die Geographin Elisabeth Kürschner (1908-1994) kennen, die er im September 1930 heiratete. 1932 wurde dem Ehepaar das erste von neun Kindern geboren.
Die von September 1933 bis August 1934 unternommene Forschungsreise durch die tropischen Länder Ostafrikas ermöglichte Troll den Vergleich mit den tropischen Gebirgen Amerikas. 1936 erhielt er am Institut für Meereskunde der Universität Berlin die ordentliche Professur für Wirtschaftsgeographie. Im darauffolgenden Jahr nahm er als wissenschaftlicher Leiter an der deutschen Nanga-Parbat-Expedition teil, bei der die meisten Teilnehmer durch ein Lawinenunglück zu Tode kamen. Seine anschließenden Forschungen führten ihn in das Osthimalaya-Gebiet. Die letzte große Forschungsreise vor dem Zweiten Weltkrieg unternahm er im September und Oktober 1939 erneut nach Eritrea.
In der Reichshauptstadt nahm der politische Druck auf Carl Troll allerdings stetig zu. Daher nahm er die Gelegenheit wahr, auf Anregung der Professoren Leo Waibel (1888-1951, Geograph) und Hans Cloos (1885-1951, Geologe), zum April 1938 an die Universität Bonn auf die ordentliche Professur für Geographie zu wechseln. Diese war verbunden mit der Leitung des Geographischen Instituts. Nach eigener Aussage konnte er so zur Ausarbeitung seiner Reiseergebnisse in die ruhigere Atmosphäre von Bonn ausweichen[3]. Er widmete sich hauptsächlich der Klimatologie, Gletscherkunde, Frostbodenkunde, Vegetationsforschung und wissenschaftlicher Luftbildforschung. In dieser Zeit prägte Troll den Begriff der Landschaftsökologie (1938), den er später durch den Begriff Geoökologie ersetzte. 1941 erschien seine vergleichende Geographie der Hochgebirge, die er zu einer neuen Klassifikation der Klimate, aufbauend auf dem Verhältnis zwischen Tagesgang und Jahresgang der Temperatur (1943), entwickelte.
Dass jedoch unter dem nationalsozialistischen Regime und durch die hochschulpolitische Situation auch in Bonn während der Kriegszeit wissenschaftliches Arbeiten für ihn nicht einfach war, geht aus einem Brief Trolls vom 27.12.1946 an Leo Waibel hervor[4]: Tatsächlich konnte man in diesem Jahren als Nicht-Pg, der der unmittelbaren Parteiknute nicht unterstand, oft mehr durchsetzen als wenn etwa ein formales Parteimitglied, Unheil verhüten wollte. Denn inzwischen hatte ja die Partei ihre Parolen so stark gewechselt, dass man bei geschicktem Operieren immer eine entsprechende Begründung im gewünschten Sinne finden konnte. Es war wirklich ein reines Seiltanzen über dem Abgrund.
Neben der Lehre und der Ausarbeitung der Ergebnisse seiner Forschungsreisen nahm er von 1938 bis 1964 den ersten Vorsitz der Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde, der heutigen Bonner Geographischen Gesellschaft, wahr. Weitere Ehrenämter fielen ihm zu, beispielsweise zwischen 1943 und 1950 der stellvertretende Vorsitz der Geologischen Vereinigung. Als Direktor des Bonner Geographischen Instituts gründete er mehrere Schriftenreihen und war lange Zeit deren Herausgeber, so zum Beispiel der dritten Serie der „Beiträge zur Landeskunde der Rheinlande“ (Heft 1-5, 1939–1941), die ab 1947 als „Bonner geographische Abhandlungen“ fortgeführt wurden.
Nach Kriegsende wurde der Lehrbetrieb des Geographischen Instituts zum Wintersemester 1945/1946 wieder aufgenommen. Für das akademische Jahr 1946/1947 wählte die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Troll zum Dekan. Nach der Wiederaufnahme des geographischen Lehrbetriebs an den Universitäten fehlte ein Organ für die wissenschaftliche Kommunikation der Geographen. Eine Fortsetzung der bisherigen deutschen geographischen Zeitschriften gestaltete sich schwierig, so dass es einfacher war, eine neue Zeitschrift ins Leben zu rufen. 1947 gründete Troll die Zeitschrift „Erdkunde – Archiv für wissenschaftliche Geographie“. Über den Schriftentausch erreichte Troll sowohl die nationale und als auch die internationale geographische Forschergemeinde.
Troll übernahm weitere Führungsaufgaben in Fachorganisationen, so zum Beispiel im Naturhistorischen Verein der Rheinlande und Westfalens (Vorsitz 1947-1952), im Zentralausschuss für deutsche Landeskunde (stellvertretender Vorstand 1948-1953), im Geographischen Fachausschuss der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und ihrer Nachfolgerin, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, (Vorsitz 1949-1955) oder in der Kommission für Erdwissenschaftliche Forschung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (Leitung 1950-1975).
Die wissenschaftliche Anerkennung, die Troll weltweit genoss, zeigte sich unter anderem daran, dass er 1960-1964 Präsident der Internationalen Geographischen Union war, deren Vizepräsident er bereits 1956-1960 gewesen war und 1964-1968 nochmals wurde.
Troll wurde auch im politischen Leben aktiv. Kurzzeitig – 1957-1958 – saß er für die CDU im Bonner Stadtrat und war dabei insbesondere in den Ausschüssen Stadtplanung, Schule und Bildung sowie Kultur tätig.
Für das akademische Jahr 1960/1961 wurde Carl Troll zum Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gewählt.
Mit seiner Emeritierung im März 1966 zog er sich keineswegs aus der akademischen Welt zurück, sondern nutzte diese Zeit zur Organisation und Durchführung internationaler Symposien sowie für die Niederschrift von rund 100 wissenschaftlichen Arbeiten. Seine Veröffentlichungsliste weist insgesamt über 360 Titel aus.
Trolls Wirken und Fachbedeutung – national und international – drückte sich durch Mitgliedschaften in einer Reihe von Akademien aus: Er war Mitglied der Leopoldina (1937), der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1942), der Preußischen Akademie der Wissenschaften (1943), der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (1950), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1955) und der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften (1965). Er erhielt 16 Verdienstmedaillen, unter anderem die Carus-Medaille der Leopoldina (1938), die Vega-Medaille der Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie (1953), die Goldene Carl-Ritter-Medaille der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (1959), die Victoria Medal der Royal Geographical Society (1962) und die Albrecht-Penck-Medaille (1964). Die Ehrendoktorwürde verliehen ihm die Katholische Universität Löwen (1963) und die Universität Wien (1965).
Carl Troll starb am 21.7.1975 an Herzversagen und wurde auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn beigesetzt. Die Stadt Bonn ehrte ihn, indem sie 1978 eine Straße im Stadtteil Poppelsdorf, wo zahlreiche Einrichtungen der Universität, darunter die Geographischen Institute, liegen, nach ihm benannte.
Quellen/Nachlass
Der Hauptteil des Nachlasses von Carl Troll befindet sich im Archiv des Geographischen Instituts der Universität Bonn (AGIUB). Seine südamerikanischen Fotos werden im Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig aufbewahrt, während die entsprechenden Negative in der Deutschen Fotothek in Dresden hinterlegt sind. Trolls Medaillen wurden dem Münzkabinett des LVR-LandesMuseums Bonn übergeben.
Werke (Auswahl)
Die Entfaltungsbewegungen der Blütenstiele und ihre biologische Bedeutung (Dissertation München 1921), Jena 1922.
Der Einfluss der Ozeanität auf die Pflanzenwelt Mitteleuropas (Habilitation, München 1925), München/Berlin 1925.
Thermische Klimatypen der Erde, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 89, 3/4 (1943), S. 81-89.
Ausgewählte Beiträge, zusammengestellt und gewidmet Carl Troll zum 65. Geburtstag von seinen Kollegen und Mitarbeitern, 3 Bände, Wiesbaden 1966.
Tagebücher der Reisen in Bolivien 1926/1927, bearb. v. Felix Monheim, hg. v. Ingeborg Monheim,Stuttgart 1985.
Festschriften (Auswahl)
Lauer, Wilhelm (Hg.), Argumenta geographica [Festschrift Carl Troll zum 70. Geburtstag (24. Dezember 1969)], Bonn 1970 [S. 18-27 Bibliographie Carl Troll II: 1960-1970].
Winiger, Matthias (Hg.), Carl Troll. Zeitumstände und Forschungsperspektiven. Kolloquium zum Gedenken an den 100. Geburtstag von Carl Troll, Sankt Augustin 2003.
Nachrufe (Auswahl)
Louis, Herbert, Carl Troll † 24.12.1899–21.7.1975, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München 61 (1976), S. 5-15.
Monheim, Felix/Lauer, Wilhelm/Harris, Chauncy D., In Memoriam Carl Troll. Reden; gehalten am 22. Oktober 1976 bei der Gedenkfeier der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1970.
Literatur
Böhm, Hans, Carl Troll (24.12.1899-21.7.1975), in: Böhm, Hans (Hg.), Beiträge zur Geschichte der Geographie an der Universität Bonn, Bonn 1991, S. 241-249.
Böhm, Hans, Annäherungen: Carl Troll (1899-1975) – Wissenschaftler in der NS-Zeit, in: Winiger, Matthias (Hg.), Carl Troll: Zeitumstände und Forschungsperspektiven, Sankt Augustin 2003, S. 1-99.
Lauer, Wilhelm, Carl Troll zum 70. Geburtstag, in: Lauer, Wilhelm (Hg.), Argumenta geographica, Bonn 1970, S. 11-42.
Richter, Sabine, Wissenschaftliche Nachlässe im Archiv des Geographischen Instituts der Universität Bonn: Findbücher zu den Nachlässen von Carl Troll und Alfred Philippson, Sankt Augustin 2004.
Schenk, Winfried, Kontinuitäten und Diskontinuitäten der geographischen Forschung und Lehre in Bonn im Spiegel der Entwicklung der Professuren, in: Becker, Thomas/Rosin, Philip (Hg.), Die Natur- und Lebenswissenschaften. Geschichte der Universität Bonn, Band 4, Göttingen 2018, S. 392-436.
Online
Böhm, Hans/Ehlers, Eckart, Erdkunde – 50 Jahrgänge ‘Archiv für wissenschaftliche Geographie‘, in: Erdkunde 50 (1996), S. 360-379, DOI: 10.3112/erdkunde.1996.04.06. [Online]
Butzer, Karl W., Practicing Geography in a Totalitarian State: (Re)Casting Carl Troll as a Nazi Collaborator?, in: Die Erde 135 (2004), S. 223-231. [Online]
Lauer, Wilhelm, Carl Troll – Naturforscher und Geograph, in: Erdkunde 30 (1976), S. 1-9, DOI: 10.3112/erdkunde.1976.01.01, [S. 7-9 Bibliographie III: 1970-1975]. [Online]
Lautensach, Hermann, Carl Troll – ein Forscherleben, in: Erdkunde 13 (1959), S. 244-258, DOI: 10.3112/erdkunde.1959.04.01, [S. 252-258 Bibliographie I: 1922-1959]. [Online]
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Kroll, Sabine, Carl Troll, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-troll/DE-2086/lido/5f912d8346c0c9.75919975 (abgerufen am 06.12.2024)