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Carlo Mense war bildender Künstler, Hochschullehrer und Vertreter der rheinischen Avantgarde, der sich als Kriegsteilnehmer ab 1916 der pazifistisch-revolutionären Künstlerbewegung anschloss und in den 1920er Jahren zu einer führenden Persönlichkeit der Malerei der Neuen Sachlichkeit entwickelte. Von 1925 bis 1932/33 war er als außerordentlicher Professor an der Kunstakademie Breslau tätig.
Carl, genannt Carlo, Mense, wurde am 13.5.1886 als sechstes von acht Kindern des Kaufmanns Everhard Mense (1852-1921) und dessen Frau Karoline, geb. Kux (1857-1936), im westfälischen Rheine geboren. Der erzkatholische Großvater mütterlicherseits entstammte einer Düsseldorfer Brauereifamilie. Die Familie seiner Frau führte in Angermund (heute Stadt Düsseldorf) einen Bauernhof. Georg Mense (1808-1881), der Großvater väterlicherseits, betrieb in Rheine ein Kaufhaus mit einer Saatgutabteilung, das später von seinem Sohn Everhard übernommen wurde und von diesem bis zum Verkauf 1889 weitergeführt wurde.
Nachdem Menses Vater 1889 die Kölner Saatgutfirma P. J. Commans am Waidmarkt übernommen hatte, zog die Familie bis zur Fertigstellung ihres Kölner Wohnhauses im Jahr 1891 vorübergehend in das Elternhaus der Mutter in Düsseldorf. Menses streng katholische Eltern, vor allem seine Mutter, legten auf eine musische Erziehung ihrer Kinder großen Wert, so dass der junge Carl früh Klavier spielen lernte und bereits im Kindesalter Interesse an der Malerei zeigte. 1904 schloss Mense das Gymnasium mit der Mittleren Reife ab und begann, da er später den elterlichen Betrieb übernehmen sollte, anschließend eine kaufmännische Lehre in einer Erfurter Saatgutfirma, die er jedoch abbrach, um Künstler zu werden. Im Folgejahr leistete er einen einjährigen Wehrdienst in einem Feldartillerieregiment in Köln-Riehl.
Menses Wunsch eines künstlerischen Werdegangs fand bei seiner kunstsinnigen Mutter Unterstützung. So begann er 1906 ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Peter Janssen (1844-1908) und richtete in der Schadowstraße in Düsseldorf ein Atelier ein. 1908 unternahm er mit seinem älteren Bruder Rudolf eine Reise nach Ascona, wo Kontakt zu der lebensreformatorischen Künstlerkolonie „Monte Verità“ entstand. Die natürliche und einfache Lebensweise wurde für beide zum prägenden Erlebnis, so dass sie auch in den folgenden Jahren die Siedlung mehrfach für längere Zeit besuchten.
Auf Empfehlung August Mackes, der die Düsseldorfer Akademie bereits 1906 aufgrund des seiner Ansicht nach rückständigen Lehrplans verlassen hatte, folgte Mense dem Kollegen im Herbst 1908 auf Lovis Corinths (1858-1925) Berliner Privatschule. Jedoch wechselte er bereits im April 1909 an die Weimarer Kunstschule zu Hans Olde (1855-1917), welche er ebenfalls kurze Zeit später wieder verließ, um mit seinem Bruder Rudolf nach München zu ziehen. Da Mense dort keine Möglichkeiten für seine künstlerische Weiterbildung fand, kehrte er nach Köln zurück, wo er 1911 im Rahmen der Ausstellung „Kölner Künstler des Kölnischen Kunstvereins“ erstmals seine Werke präsentieren konnte. Hierdurch wurde ihm der Kontakt zur aktuellen lokalen Kunstszene geöffnet. Noch im selben Jahr wurde er Mitglied in dem von Franz M. Jansen (1885-1958), Emmy Worringer (1878-1961) und Olga Oppenheimer (1886-1941) gegründeten Diskussions- und Ausstellungsforum „Gereonsklub“, der sich schnell zu einer der wichtigsten Institutionen für avantgardistische Kunst im Rheinland entwickelte. Ebenfalls 1911 trat er der Künstlergruppe „Kölner Secession“ bei. Die Mitgliedschaften in den beiden Vereinigungen festigten Menses Platz in der rheinischen Kunstszene, schufen ein Kontaktnetzwerk zu anderen Künstlern und ermöglichten die Beteiligung an der bedeutenden Kölner internationalen Sonderbundausstellung 1912 und der Ausstellung rheinischer Expressionisten im Bonner Kunstsalon Cohen 1913. Nachdem Mense in Düsseldorf wieder ein Atelier bezogen hatte, übertrug Macke ihm 1914 die Organisation der Wanderausstellung rheinischer Expressionisten in der Düsseldorfer Galerie Flechtheim. Einige von Mense hergestellte kunsthandwerkliche Objekte wurden im gleichen Jahr auf der Kölner Werkbund-Ausstellung gezeigt. Zudem erschienen 1914 erste Graphiken des Künstlers als Titelseiten der expressionistischen Zeitschriften „Der Sturm“ und „Die Aktion“. Bereits 1913 hatte er an dem unter dem Pseudonym O. Marto veröffentlichten Radier-Zyklus Großstadt gearbeitet.
Waren Menses frühe Werke um 1909 noch von der impressionistischen Sichtweise der von ihm besuchten Weimarer Schule, wenig später auch durch die Auseinandersetzung mit der neoimpressionistischen Malweise van Goghs (1853-1890) geprägt, entwickelte der Künstler ab 1911 einen vom französischen Fauvismus beeinflussten Ductus. Die stilistischen Übergänge zwischen den Phasen waren dabei fließend. So zeigten sich auch im Zuge seiner Hinwendung zu kubistischen Bildkompositionen seit 1912 noch fauvistische Stilelemente im Werk. Von weitreichender Bedeutung für Menses Schaffen in dieser Zeit war zudem die Auseinandersetzung mit der rhythmischen, orphistischen Kunst Robert Delaunays (1885-1941), mit der er auf der Sonderbundausstellung in Berührung gekommen war. Seine Werke um 1913/14 bilden eine Verknüpfung orphistischer Elemente mit futuristischen Formen. Thematisch befasste sich Mense in dieser frühen Phase neben der Porträtmalerei meist mit Landschafts- beziehungsweise Stadtansichten, die vordergründig oft von Personengruppen bevölkert sind.
Auf einer Englandreise lernte Mense 1912 seine Freundin, die russische Bankierstochter Boba Knoop, kennen. Der Kontakt zu ihr brach jedoch bereits im folgenden Jahr ab. Im Sommer 1914 reiste er ein letztes Mal gemeinsam mit seinem Aachener Malerfreund Heinrich Maria Davringhausen (1894-1970) nach Ascona. Als Anfang August der Erste Weltkrieg ausbrach, mussten beide nach Deutschland zurückkehren, wo Mense wenig später zum Kriegsdienst in der Etappe eingezogen wurde. Bis 1916 gehörte er einem Kraftfahrercorps in Flandern an und wurde anschließend an die Ostfront nach Warschau und Russland versetzt. 1918 war er erneut in Flandern stationiert. Als Reaktion auf die Kriegserlebnisse wandte sich Mense noch während des Kriegs der aufkommenden pazifistisch-kommunistischen Künstlerbewegung zu. Bereits 1916 war er Mitarbeiter der Zeitschrift „Die Neue Jugend“. 1918/19 folgten Veröffentlichungen in linksgerichteten Zeitschriften wie „Die Rote Erde“. Während eines Fronturlaubs in Berlin erhielt er 1917 durch Davringhausen Zugang zur linken Literatengruppe des „Café des Westens“. Nach Kriegsende wurde er zudem Mitglied in sozialrevolutionären Künstlergruppen wie der „Gesellschaft der Künste“ und der Berliner „Novembergruppe“. 1919 trat er der rheinisch-avantgardistischen Gruppe „Das Junge Rheinland“ bei. Die Vereinigungen versprachen Mense nach Ende des Kriegs eine Konsolidierung seiner Kunst und eröffneten ihm erneut die Teilnahme an wichtigen Ausstellungen.
Nach Ausscheiden aus dem Kriegsdienst wohnte Mense 1918 zeitweise im Haus der Eltern in Bad Honnef, die nach Liquidierung ihrer Kölner Firma dorthin übergesiedelt waren. Im folgenden Jahr zog der Künstler zu seiner Schwester Klara und deren Ehemann Max Nienhaus (1892-1957) nach Bonn, wo er ein Atelier einrichtete. Durch die Vermittlung von Nienhaus, einem Jugendfreund Menses, konnte der Künstler Anfang 1918 in der Münchener „Galerie Hans Goltz“ eine Ausstellung mit seinen Werken zeigen. Da die Kunsthandlung die Vertretung seines Werks übernahm, hielt der Maler sich zu dieser Zeit häufig in München auf, wo seit Herbst 1918 auch Davringhausen lebte, durch den Mense damals die Russin Vera Baske (1894-1980) kennengelernt hatte. Bereits im Mai 1919 heiratete das Paar am Königssee in Berchtesgaden, zog aufgrund finanzieller Schwierigkeiten jedoch erst zu Beginn der zwanziger Jahre in ein gemeinsames Haus in der Nähe Münchens. 1923 trat Mense der „Neuen Secession“ bei, die als eine der wenigen Institutionen avantgardistische Kunst in München förderte. Mense, der seit 1918/19 zunehmend einen zunächst noch orphistisch beeinflussten neusachlichen Malstil entwickelte, in dem das Porträt vorherrschendes Motiv war, lernte in der Münchener Zeit zu Beginn der zwanziger Jahre die beiden Maler Alexander Kanoldt (1881-1939) und Richard Seewald (1989-1976) kennen, die sich mit Davringhausen und ihm zu einer wichtigen Gruppe der aufkommenden Neuen Sachlichkeit formierten. Die Absatzschwierigkeit bei der zu traditionellen Kunstformen neigenden Münchener Kundschaft bereitete dem Künstler indessen finanzielle Schwierigkeiten, weshalb sich das Ehepaar bis 1925 wiederholt für längere Zeit in Italien, vor allem in Positano, aufhielt. Dies änderte sich erst, als Mense 1925 zum außerordentlichen Professor an die Breslauer Kunstakademie berufen wurde, wo er in den folgenden Jahren verschiedene Fachklassen unter anderem zur Malerei, angewandten und dekorativen Kunst, Glasmalerei oder Aktzeichnung leitete. Die Tätigkeit an der Kunstschule, welche sich seit der Ernennung Oskar Molls (1875-1947) zum Leiter 1925 in sämtlichen Bereichen zu einer avantgardistischen Ausbildungsstätte entwickelt hatte, eröffnete Mense darüber hinaus Verdienstmöglichkeiten durch öffentliche Aufträge und Museumsankäufe. Noch im Jahr seiner Anstellung nahm Mense an der für die Neue Sachlichkeitsmalerei prägenden Ausstellung nachexpressionistischer Kunst in Mannheim teil, die, ebenso wie das vom Kunstkritiker Franz Roh (1890-1965) herausgegebene Buch „Nach-Expressionismus - Magischer Realismus“, für die öffentliche Wirkung von Menses Werk bedeutend war.
Als die Breslauer Akademie 1932 im Zuge der Weltwirtschaftskrise geschlossen wurde, kehrte das Ehepaar Mense, nachdem der Maler 1933 auch sein Meisteratelier aufgeben musste, zu dessen Mutter nach Bad Honnef zurück. Im Herbst des Jahres wurde Mense mit dem kunstpolitischen „Rompreis“ ausgezeichnet und zog daraufhin mit seiner Frau bis zum Sommer 1934 in die italienische Hauptstadt, wo der Künstler als Stipendiat in der Villa Massimo der Deutschen Akademie ein Atelier erhielt. Von dort unternahm er in den folgenden Monaten zahlreiche Studienreisen in weitere italienische Städte sowie nach Griechenland. Nach der Rückkehr ins Rheinland konnte Mense keine Anstellung als Kunsterzieher finden, so dass er als freischaffender Künstler tätig wurde. 1936 siedelte das Ehepaar nach dem Tod der Mutter nach Köln über, wo sich Mense im Gereonshaus ein Atelier einrichtete, das mit einem Teil seines Werks im Bombenkrieg zerstört wurde. In der Domstadt wurde 1937 in der Galerie Andreas Becker eine letzte Einzelausstellung mit Menses Werken vor Kriegsbeginn veranstaltet. Im gleichen Jahr ließ das NS-Regime im Rahmen der Säuberungsaktion „Entartete Kunst“ 34 Werke des Künstlers beschlagnahmen.
Während der NS-Zeit entwickelte Mense einen romantischen, teils naiv wirkenden neusachlichen Stil in dem heimatliche Landschaften, wie das Rhein-, Mosel- und Ahrgebiet dominieren. Thematisch näherte er sich mit derartigen, dem Regime genehmen Motiven der nationalsozialistischen Blut- und Bodenkunst an. Im Zweiten Weltkrieg war er zunächst Frontoffizier im Frankreichfeldzug, wurde 1941 als Etappen-Offizier der Heeresgruppe Süd am Dnepr zugewiesen, mit der er 1942 in den Kaukasus vordrang. Aufgrund einer Rheumaerkrankung ließ er sich Ende 1942 jedoch nach Jägerndorf (heute Krnov in Tschechien) versetzen. Zeitweise war er in dieser Phase auch in Krakau stationiert. Um die Jahreswende 1943/44 wurde Mense aus dem Kriegsdienst entlassen und kehrte ins Rheinland zurück, wo er bald in erneute finanzielle Schwierigkeiten geriet. Dass er sich noch 1944 der von Werner Peiner (1897-1984) geführten Hermann-Göring-Malerschule in Kronenburg (heute Gemeinde Dahlem) angeschlossen haben soll, lässt sich durch die Akten der Anstalt nicht belegen.
Da die Müngersdorfer Wohnung der Menses ebenso wie das Atelier im Krieg den Bomben zum Opfer gefallen war, zog das Paar nach Bad Honnef zurück. Die finanzielle Misere wuchs in der Nachkriegszeit derart, dass der Maler zum Lebenserhalt Bilder gegen Lebensmittel tauschen musste. Mitgliedschaften in dem von Franz M. Jansen 1946 gegründeten „Rheinisch-Bergischen Künstlerkreis“ sowie im „Landesberufsverband der bildenden Künstler 1948“ sollten ebenso wie die Beteiligung an regionalen Ausstellungen die berufliche Zukunft sichern. Ausstellungen fanden in den folgenden Jahren jedoch meist nur noch auf regionaler Ebene statt. 1961 wurde Mense mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 1964 ließ er sich als Kandidat der FDP für die Stadtratswahl in Bad Honnef nominieren. Seit Beginn der 1950er Jahre näherte sich Mense in seinen Arbeiten stilistisch und motivisch wieder seiner Kunst aus den 1910er und 20er Jahren, was wohl vor allem darin begründet war, dass er mit der Wiederentdeckung des Expressionismus durch die deutsche Öffentlichkeit in der künstlerischen Rückwendung eine rentablere berufliche Basis erkannte. Jedoch erreichten diese Bilder nicht mehr die Qualität der Frühzeit. Gleichzeitig weisen einige Arbeiten des Spätwerks in Weiterentwicklung seiner Kunst der dreißiger Jahre einen zunehmend kindlich naiven Malstil auf. Der Künstler starb am 11.8.1965 in Königswinter.
Im Bonner Stadtteil Buschdorf ist eine Straße nach dem Künstler benannt.
Autobiographie
Autobiographie, in: Der Ararat 9 (1920), S. 105.
Werke (Auswahl)
1910/1911 - Waidmarkt, Gemälde, Privatbesitz
um 1912 - Bahnhof an der Themse, Aquarell, Privatbesitz
1913 - Stromlandschaft, Gemälde, Kunstmuseum Bonn
1913 - Badende, Gemälde, LWL Museum für Kunst und Kultur, Münster
1913 - Pferdeschwemme, Hinterglasmalerei, Privatbesitz
1914 - Madonna mit Kind, Gemälde, Privatbesitz
um 1918 - 6 Lithographien von Carl Mense, Axel Juncker Verlag Berlin, Lindenau-Museum Altenburg
1918/1919 - Mathilde Buhr mit Katze, Gemälde, Museum Schloss Homburg, Nümbrecht
um 1919 - Adam und Eva im Paradies, Gemälde, Kunstmuseum Bonn
vor 1920 - Türbeschlag, Privatbesitz
1922 - Bildnis Heinrich Maria Davringhausen, Gemälde, Museum Ludwig, Köln
1924 - Bildnis Don Domenico, Gemälde, Privatbesitz
um 1933 - Landschaft im Bergischen Land, Gemälde, Privatbesitz
um 1935 - Blick über Rheinbreitbach auf das Siebengebirge, Gemälde, Privatbesitz
vor 1952 - Männer im Boot (Südländische Fischer), Privatbesitz
1953 - Selbstbildnis, Gemälde, Privatbesitz
Werkverzeichnis
Drenker-Nagels, Klara, Carlo Mense. Sein Leben und sein Werk von 1909 bis 1939, Köln 1993.
Literatur
Carlo Mense. Der Fluss des Lebens, in: Schriftenreihe des Vereins August Macke Haus e. V. 33, Bonn 2000.
Ertel, K. F., Carlo Mense, Ringenberg (1960).
Graf, Oskar Maria, Der Maler Carl Mense, in: Der Cicerone 15 (1923), S. 380-386.
Lüthgen, Eugen, Carl Mense, in: Deutsche Kunst und Dekoration 50 (1922), S. 58-66.
Meyer, Alfred, Carl Mense, in: Deutsche Kunst und Dekoration 56 (1925), S. 139-140.
Roh, Franz, Carl Mense, in: Die Horen 2 (1925/26), S. 145-150.
Schürmeyer, W., Carl Mense, in: Das Kunstblatt 3 (1919), S. 33-40.
Witthaus, Werner, Carl Mense. In: Die Kunst für alle 71 (1935), S. 1-8.
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Pesch, Martin, Carlo Mense, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carlo-mense-/DE-2086/lido/60daf80bdda366.23811906 (abgerufen am 05.12.2024)