Caspar Olevian

Reformator (1536-1587)

Gunther Franz (Trier)

Caspar Olevian im 30. Lebensjahr, Porträt, 1566. (Stadtarchiv Trier)

Cas­par Ole­vi­an gilt als wich­ti­ger rhei­ni­scher Re­for­ma­tor mit eu­ro­päi­scher Aus­strah­lung. Nach der Un­ter­drü­ckung des Re­for­ma­ti­ons­ver­suchs in sei­ner Hei­mat­stadt Trier 1559 wur­de Ole­vi­an ein füh­ren­der evan­ge­lisch-re­for­mier­ter (cal­vi­nis­ti­scher) Theo­lo­ge in der Kur­pfalz (Hei­del­berg) und in Nas­sau (Her­born), des­sen Wir­ken auch auf die an­de­ren Ter­ri­to­ri­en aus­strahl­te.

Cas­par von der Ole­wig, der sich als Aka­de­mi­ker Ole­via­nus nann­te, wur­de am 10.8.1536 im heu­te noch er­hal­te­nen go­ti­schen Haus „Witt­lich" in der Trie­rer Gra­ben­stra­ße ge­bo­ren. Sein Va­ter Cas­par von der Ole­wig (ge­stor­ben 1559) stamm­te aus dem gleich­na­mi­gen Trie­rer Vor­ort, war Bä­cker­zunft­meis­ter und Rent­meis­ter, sei­ne Mut­ter An­na Sin­zig (1514-1596) war Toch­ter des Metz­ger­zunft­meis­ters. Die El­tern stamm­ten aus der städ­ti­schen Füh­rungs­schicht und er­mög­lich­ten zwei Söh­nen Stu­di­um und Pro­mo­ti­on im Aus­land.

Cas­par be­such­te das Gym­na­si­um der Fra­ter­her­ren (Brü­der vom ge­mein­sa­men Le­ben), die ei­ne bib­li­sche Fröm­mig­keit im Sin­ne der de­vo­tio mo­der­na ver­tra­ten. 1550 be­gann er mit dem Stu­di­um der Phi­lo­so­phie und Ju­ris­pru­denz an der Sor­bon­ne in Pa­ris und stu­dier­te von 1553 bis 1557 die Rech­te in Or­léans und Bour­ges, des­sen Fa­kul­tät füh­rend in Eu­ro­pa war. Im Ju­ni 1557 wur­de Ole­vi­an zum Dok­tor des Zi­vil­rechts pro­mo­viert. Er fand An­schluss an die heim­li­che evan­ge­li­sche Ge­mein­de (Hu­ge­not­ten) und fass­te den Vor­satz, in sei­ner Va­ter­stadt Trier das Evan­ge­li­um nach evan­ge­li­scher Leh­re zu ver­kün­di­gen: Bei dem Ver­such, den eben­falls in Bour­ges stu­die­ren­den Prin­zen Her­mann Lud­wig von der Pfalz (1541-1556) vor dem Er­trin­ken zu be­wah­ren, war Ole­vi­an 1556 selbst in Le­bens­ge­fahr ge­ra­ten und hat­te in To­des­angst vor sei­ner Er­ret­tung ein Ge­lüb­de ab­ge­legt.

 

Im Ju­ni 1557 mach­te Ole­vi­an in Trier die Be­kannt­schaft des Bür­ger­meis­ters Jo­hann Steuß (1494-1561) und an­de­rer evan­ge­lisch ge­sinn­ter Bür­ger und be­sprach, wie die Re­for­ma­ti­on durch­ge­führt wer­den kön­ne. Er ver­zich­te­te auf ein Re­fe­ren­da­ri­at am Reichs­kam­mer­ge­richt und ei­ne ju­ris­ti­sche Kar­rie­re und ging nach Genf, Zü­rich und Lau­sanne, um bei den Re­for­ma­to­ren Jo­han­nes Cal­vin (1509-1564), Pe­trus Mar­tyr Ver­mig­li (1499-1562), Hein­rich Bul­lin­ger (1504-1574) und Theo­dor Be­za (1519-1605) Theo­lo­gie zu stu­die­ren und das Pre­di­gen zu ler­nen. Auf In­itia­ti­ve von Steuß und Emp­feh­lung von Cal­vin er­hielt Ole­vi­an von der Stadt Trier ei­ne Stel­le an der Phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät, um in der Bur­se die Dia­lek­tik nach Phil­ipp Me­lan­chthon (1497-1560) zu leh­ren.

Die 1473 von der Stadt Trier er­öff­ne­te Uni­ver­si­tät lag 1559 da­nie­der. Am 10.8.1559, sei­nem 23. Ge­burts­tag, be­gann Ole­vi­an in der Bur­se nach öf­fent­li­cher An­kün­di­gung un­ter gro­ßer Be­tei­li­gung der Be­völ­ke­rung evan­ge­lisch zu pre­di­gen mit Kri­tik an der Mes­se, der Hei­li­gen­ver­eh­rung und an­de­ren „Miss­stän­den". Ein Teil des Stadt­ra­tes wies Ole­vi­an die Kir­che des Bür­ger­spi­tals St. Ja­kob als Pre­dig­traum zu, wo er ei­ne stän­dig wach­sen­de Zu­hö­rer­schaft hat­te: Es wur­de die Zahl von 600 Bür­gern mit de­ren Fa­mi­li­en, Knech­ten und Mäg­den ge­nannt, et­wa ein Drit­tel der 6.000 Ein­woh­ner zäh­len­den Stadt.

Die Evan­ge­li­schen be­zeich­ne­ten sich als An­hän­ger der Augs­bur­gi­schen Kon­fes­si­on und wur­den Kon­fes­sio­nis­ten ge­nannt. Im Augs­bur­ger Re­li­gi­ons­frie­den von 1555 war reichs­recht­lich nur das lu­the­ri­sche Be­kennt­nis an­er­kannt. Die Un­ter­schie­de in­ner­halb des Pro­tes­tan­tis­mus spiel­ten in Trier kei­ne Rol­le. Man er­bat vom Her­zog­tum Pfalz-Zwei­brü­cken den lu­the­ri­schen Pre­di­ger Cu­ne­mann Flins­bach (1527-1571) zur Un­ter­stüt­zung und der Trie­rer Erz­bi­schof und Kur­fürst Jo­hann von der Ley­en er­hielt kei­ne Be­le­ge, dass Ole­vi­an die „Hä­re­sie" sei­nes Leh­rers Cal­vin ver­tre­ten hat­te.

In Trier hät­te sich das evan­ge­li­sche Be­kennt­nis wahr­schein­lich durch­set­zen kön­nen, wenn es ei­ne freie Reichs­stadt ge­we­sen wä­re. Die seit dem 14. Jahr­hun­dert vor­han­de­nen Be­stre­bun­gen nach Un­ab­hän­gig­keit ver­stärk­ten sich im 16. Jahr­hun­dert, wur­den aber vom Kur­fürs­ten be­strit­ten, der als Lan­des­herr die Re­li­gi­on der Un­ter­tan­ten be­stim­men konn­te. Es gab Be­fürch­tun­gen, dass der gan­ze Kur­staat pro­tes­tan­tisch wür­de und auch das Her­zog­tum Lu­xem­burg „be­droht" sei. Ei­ne Mehr­heit der Zünf­te im Stadt­rat war für das Ver­blei­ben beim al­ten Glau­ben, woll­te aber ge­gen­über dem Kur­fürs­ten die Stadt­frei­heit ver­tei­di­gen. Der Kur­fürst be­la­ger­te die Stadt und zog am 26.10.1559 mit Trup­pen und gro­ßem Ge­fol­ge ein. Ei­ne 26-köp­fi­ge Ge­sandt­schaft evan­ge­li­scher Fürs­ten eil­te nach Trier und konn­te er­rei­chen, dass die pein­li­che An­kla­ge we­gen Auf­ruhr, die zu Blu­tur­tei­len hät­te füh­ren kön­nen, fal­len­ge­las­sen wur­de.

Zwölf evan­ge­li­sche Füh­rer konn­ten nach Zah­lung ei­nes re­du­zier­ten Geld­be­tra­ges und Schwö­ren der Ur­feh­de, mit der Er­klä­rung, dass ihr Vor­ge­hen aus man­geln­der Kennt­nis der Be­stim­mun­gen des Re­li­gi­ons­frie­dens er­folgt sei, am 19. De­zem­ber die Stadt ver­las­sen. An­fang des Jah­res 1560 wur­den die Kon­fes­sio­nis­ten, die nicht ab­schwö­ren woll­ten, aus­ge­wie­sen. Zu den Ver­trie­be­nen ge­hör­ten Ver­tre­ter der geis­ti­gen und wirt­schaft­li­chen Füh­rungs­schicht der Stadt – ein Ader­lass, den kei­ne Stadt un­be­scha­det ver­kraf­ten konn­te. Ei­ne klei­ne Grup­pe von Pro­tes­tan­ten konn­te sich noch 25 Jah­re lang in Trier hal­ten. Der noch jun­ge Ju­rist Cas­par Ole­vi­an wur­de ein füh­ren­der evan­ge­lisch-re­for­mier­ter (cal­vi­nis­ti­scher) Theo­lo­ge. Kur­fürst Fried­rich III. von der Pfalz (1515-1576) be­rief ihn in die Haupt­stadt Hei­del­berg. Im Ja­nu­ar 1560 wur­de Ole­vi­an als Leh­rer und Vor­stand des Sa­pi­enz­kol­legs, ei­ner Art Pre­di­ger­se­mi­nar, er­nannt und im fol­gen­den Jahr Dok­tor der Theo­lo­gie und Pro­fes­sor der Dog­ma­tik. 1561 hei­ra­te­te Ole­vi­an sei­ne aus Metz stam­men­de Frau Phil­ip­pi­ne (ge­stor­ben 1611). Er wirk­te als Stadt­pfar­rer und Hof­pre­di­ger. Nach­dem Fried­rich III. den Über­gang zur re­for­mier­ten Leh­re voll­zo­gen hat­te, wur­de Ole­vi­an 1562 ein­fluss­rei­cher Ers­ter Theo­lo­gi­scher Rat im kur­pfäl­zi­schen Kir­chen­rat, der lei­ten­den Kir­chen­be­hör­de. 1563 wur­de die kur­pfäl­zi­sche Kir­chen­ord­nung, an der ne­ben Za­cha­ri­as Ursi­nus (1534-1583) Cas­par Ole­vi­an (be­son­ders an den Vor­schrif­ten zur Kir­chen­zucht) ma­ß­geb­lich be­tei­ligt war, ver­öf­fent­licht. Da­zu ge­hör­te der Hei­del­ber­ger Ka­te­chis­mus, der die ge­sam­te Lehr­grund­la­ge der Pfalz präg­te. Der An­teil Ole­vi­ans lässt sich nicht er­mit­teln.

Der Hei­del­ber­ger Ka­te­chis­mus wur­de 1618/ 1619 als re­for­mier­te Be­kennt­nis­schrift an­er­kannt und prägt bis heu­te die re­for­mier­ten Kir­chen in der Welt. Ole­vi­an hat meh­re­re Schrif­ten zum Abend­mahl ver­fasst, in de­nen er die Leh­re der Kur­pfalz ver­tei­dig­te. Nach dem To­de Fried­richs III. wur­de Ole­vi­an 1576 durch den lu­the­ri­schen Nach­fol­ger Lud­wig VI. (Re­gie­rungs­zeit 1576-1583) ent­las­sen und von Graf Lud­wig von Sayn-Witt­gen­stein (1532-1605) als Er­zie­her sei­ner Söh­ne und Pre­di­ger nach Ber­le­burg ge­holt. Graf Jo­hann VI. der Äl­te­re von Nas­sau-Dil­len­burg (1535-1606) be­rief Ole­vi­an 1584 nach Her­born. Dort er­hielt er die ers­te Pfarr­stel­le und wur­de Pro­fes­sor und Grün­dungs­rek­tor der Ho­hen Schu­le, die als cal­vi­nis­ti­sche Uni­ver­si­tät gro­ße Be­deu­tung er­lang­te. Ole­vi­an hat­te auch auf die Kir­chen­ord­nung an­de­rer re­for­mier­ter Ter­ri­to­ri­en Ein­fluss.

Sei­ne Haupt­wer­ke zei­gen ihn als Ver­tre­ter der Bun­des- oder Fö­de­ral­theo­lo­gie. Die re­for­ma­to­ri­sche Zen­tral­fra­ge nach der Er­lan­gung des Heils wird mit Hil­fe des Bun­des­schlus­ses zwi­schen Gott und dem er­wähl­ten Men­schen er­klärt. Die Schrift „Ves­ter Grund" er­schien zu­erst 1573, „De sub­stan­tia Fo­ederis gra­tui­ti" 1585. Ole­vi­an schrieb Kom­men­ta­re zu den Pau­lus­brie­fen und ver­öf­fent­lich­te Vor­le­sun­gen zur Dia­lek­tik, wo­bei die von Pe­trus Ra­mus (1515-1572) be­grün­de­te Me­tho­de des Ra­mis­mus be­nutzt wur­de. Cal­vins Haupt­werk, die „In­sti­tu­tio Chris­ti­a­nae Re­li­gio­nis" wur­de als Leit­fa­den für den dog­ma­ti­schen Un­ter­richt aus­ge­legt.

Ole­vi­an ist der wich­tigs­te Cal­vin­schü­ler im deutsch­spra­chi­gen Raum. Im 50. Le­bens­jahr stürz­te er bei ei­nem Kran­ken­be­such schwer. Er starb am 15.3.1587 in Her­born. Die Grab­plat­ten von ihm, sei­ner Mut­ter und sei­nem Ver­wand­ten Pro­fes­sor Jo­hann Pis­ca­tor (1546-1625) sind in der Stadt­kir­che er­hal­ten. 1992 wur­de in Trier die Cas­par-Ole­vi­an-Ge­sell­schaft ge­grün­det.

Schriften (Auswahl)

In­sti­tu­tio Chris­ti­a­nae Re­li­gio­nis Epi­to­me : Ex In­stit­v­tio­ne Io­han­nis Ca­lui­ni ex­cer­pta, aut­ho­ris me­tho­do et ver­bis re­ten­tis, Her­born 1586.
De sub­stan­tia Fo­ederis gra­tui­ti , Her­born 1585.
Ves­ter Grund, Hei­del­berg 1573.
Der Gna­den­bund Got­tes 1590. Fak­si­mi­le-Edi­ti­on mit ei­nem Kom­men­tar, her­aus­ge­ge­ben von Gun­ther Franz, J. F. Ger­hard Goe­ters und Wil­helm Holt­mann, Köln 1994.

Literatur

Ney, Ju­li­us, Die Re­for­ma­ti­on in Trier 1559 und ih­re Un­ter­drü­ckung, 2 Hef­te, Leip­zig 1906-1907.
Franz, Gun­ther u. a., Cas­par Ole­vi­an (1536-1587). Evan­ge­lisch-re­for­mier­ter Theo­lo­ge aus Trier, Trier 1987 (Aus­stel­lungs­ka­ta­lo­ge Trie­rer Bi­blio­the­ken 14).
Cas­par Ole­vi­an (1536 bis 1587), ein evan­ge­lisch-re­for­mier­ter Theo­lo­ge aus Trier. Stu­di­en und Vor­trä­ge an­läss­lich des 400. To­des­jah­res, Köln 1989 (Son­der­druck aus Mo­nats­hef­te für Evan­ge­li­sche Kir­chen­ge­schich­te des Rhein­lan­des 38/39, 1988/89, mit Schrif­ten­ver­zeich­nis).
Heinz, An­dre­as, Die Fö­de­ral­theo­lo­gie des Cas­par Ole­vi­an, Wup­per­tal 2006.
Müh­ling, An­dre­as, Cas­par Ole­vi­an 1536-1587. Christ, Kir­chen­po­li­ti­ker und Theo­lo­ge, Zug 2008.
Franz, Gun­ther u. a., Cas­par Ole­vi­an und der Re­for­ma­ti­ons­ver­such in Trier vor 450 Jah­ren, hg. vom Evan­ge­li­schen Kir­chen­kreis Trier in Ver­bin­dung mit der Cas­par-Ole­vi­an-Ge­sell­schaft und Gun­ther Franz, Trier 2009.
Sud­hoff, Karl, C. Ole­via­nus und Z. Ursi­nus. Le­ben und aus­ge­wähl­te Schrif­ten, El­ber­feld 1857.
Witt­mütz, Volk­mar, "Ole­vi­an, Cas­par", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 6 (1993), Sp. 1197-1200.

Online

Web­site der Cas­par-Ole­vi­an-Ge­sell­schaft e.V. (ent­hält un­ter an­de­rem An­ga­ben zur Bio­gra­phie und den Schrif­ten Cas­par Ole­vi­ans und den Text von „Der Gna­den­bund Got­tes"). [On­line]
Holt­mann, Wil­helm, "Ole­vi­an(us), Cas­par", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 19 (1999), S. 519-520. [On­line]

Caspar Olevian, Porträt, Kupferstich von Heinrich Hondius (1587-1644), 1602. (Stadtbibliothek Trier)

 
Zitationshinweis

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Franz, Gunther, Caspar Olevian, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/caspar-olevian/DE-2086/lido/57c95623751917.98192027 (abgerufen am 06.12.2024)