Christian Gottlob Neefe

Musikdirektor der kurfürstlichen Hofkapelle in Bonn (1748-1798)

Barbara Mülhens-Molderings (Köln)

Christian Gottlob Neefe, Gemälde eine unbekannten Künstlers. (Beethoven-Haus Bonn, Bildstelle)

Chris­ti­an Gott­lob Nee­fe war un­ter den bei­den letz­ten Köl­ner Erz­bi­schö­fen und Kur­fürs­ten, Max Fried­rich von Kö­nigs­egg-Ro­then­fels und Max Franz von Ös­ter­reich, Hof­or­ga­nist, Mu­sik­di­rek­tor der Hof­ka­pel­le und Di­rek­tor des kur­fürst­li­chen Thea­ters in Bonn. Er war Leh­rer und För­de­rer des jun­gen Lud­wig van Beet­ho­ven. Der An­hän­ger der Auf­klä­rung ge­hör­te 1787 zu den Grün­dern der Bon­ner Le­se­ge­sell­schaft.

Chris­ti­an Gott­lob Nee­fe wur­de am 5.2.1748 in Chem­nitz ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren Jo­hann Gott­lieb Nee­fe (1723 – 1786), Bür­ger und Schnei­der zu Chem­nitz und Jo­han­na Ro­si­na Nee­fe, ge­bo­re­ne Wey­rauch (ge­bo­ren 1745). Chris­ti­an Gott­lob be­such­te die Chem­nit­zer Stadt­schu­le, in de­ren „gro­ßen Sin­ge­chor“ er auf­ge­nom­men wur­de. Beim Chem­nit­zer Stadt­or­ga­nis­ten Jo­hann Fried­rich Wil­hel­mi er­hielt er Kla­vier­un­ter­richt und mach­te mit zwölf Jah­ren ers­te Ver­su­che in der Kom­po­si­ti­on.

Nur durch ein klei­nes Sti­pen­di­um sei­ner Va­ter­stadt un­ter­stützt, be­zog er 1764 die Uni­ver­si­tät Leip­zig und be­leg­te die Fä­cher Phi­lo­so­phie und Rechts­wis­sen­schaft. In­fol­ge von Wachs­tums­stö­run­gen, un­ter de­nen er als Ju­gend­li­cher litt, ver­fiel er in tie­fe De­pres­sio­nen und war 1770/1771 schwer krank. Das The­ma sei­ner Ab­schluss-Dis­pu­ta­ti­on  im Fach Ju­ris­pru­denz lau­te­te: „Ob ein Va­ter be­fugt sey, sei­nen Sohn zu ent­er­ben, weil er sich dem Thea­ter ge­wei­het?“[1]. In Leip­zig lern­te er den ers­ten Lei­ter der Ge­wand­haus­kon­zer­te und spä­te­ren Tho­mas­kan­tor Jo­hann Adam Hil­ler (1728-1804) ken­nen, der ihn um­fas­send för­der­te und „in die mu­sicka­li­sche Welt ein­führ­te“. 1776 wur­de er Hil­lers Nach­fol­ger als Mu­sik­di­rek­tor der Sey­ler­schen Thea­ter­ge­sell­schaft und ging 1777 mit ihr nach Frank­furt, wo er de­ren Opern­auf­füh­run­gen lei­te­te und auch ih­re Gast­spie­le in Mainz, Köln, Ha­nau, Mann­heim und Hei­del­berg. 1778 hei­ra­te­te er Su­san­na Ma­ria Zink (1751-1821), Schau­spie­le­rin und Sän­ge­rin beim Sey­ler­schen Thea­ter. Aus der Ehe gin­gen drei Söh­ne und drei Töch­ter her­vor.

 

Nach der Auf­lö­sung der Sey­ler­schen Thea­ter­ge­sell­schaft wur­de Nee­fe En­de 1779 Mu­sik­di­rek­tor der Gro­ß­mann-Hell­mu­ti­schen Büh­ne in Bonn. 1781 be­stä­tig­te Kur­fürst  Max Fried­rich dem Pro­tes­tan­ten Nee­fe per De­kret des­sen An­wart­schaft auf die Stel­le des Hof­or­ga­nis­ten. In ei­nem dem neu­en Kur­fürs­ten Max Franz 1784 vor­ge­leg­ten „Un­tert­hä­nigs­ten Be­richt und Vor­schlag, waß bey der Hof Kap­pel­len Mu­si­que zu ver­än­dern und zu ver­be­ße­ren wä­re“, wird Nee­fe wie folgt be­ur­teilt: […] „hat gar kei­ne Me­rit­ten und ist erst vor drey jah­ren durch Pro­tec­tion an­ge­nom­men wor­den, auch Cal­vi­nisch, hat vier­hun­dert flo­rin, so er­spart wer­den könn­ten […]“ Der Kur­fürst setz­te dar­auf­hin sein Ge­halt auf 200 Gul­den her­un­ter, was Nee­fe ver­an­lass­te, für sich und sei­ne Frau nach ei­nem Thea­ter­en­ga­ge­ment au­ßer­halb von Bonn zu su­chen. Es zeugt je­doch von der gro­ßen To­le­ranz und Un­vor­ein­ge­nom­men­heit des Kur­fürs­ten, dass er ihm, nach­dem er sei­ne Ver­diens­te selbst ein­schät­zen konn­te, 1785 sein frü­he­res Ge­halt wie­der zu­bil­lig­te. Auch wur­de ihm die „Di­rek­ti­on über Kir­chen- und die an­de­re Mu­sik bei Ho­fe“ über­tra­gen. Nee­fe selbst war stolz dar­auf, „ei­nem der auf­ge­klär­tes­ten teut­schen Fürs­ten zu die­nen“, wie er in sei­nem von ihm ei­gen­hän­dig ver­fass­ten Le­bens­lauf schrieb.

Nee­fe en­ga­gier­te sich früh in auf­ge­klär­ten Ge­sell­schaf­ten. 1781 wur­de er Mit­glied des Il­lu­mi­na­ten­or­dens. Nach des­sen Ver­bot ge­hör­te er 1787, zu­sam­men mit Ni­ko­laus Sim­rock und Franz An­ton Ries, sei­nen Kol­le­gen der Bon­ner Hof­mu­sik, zu den 13 Grün­dungs­mit­glie­dern der Bon­ner Le­se­ge­sell­schaft. Er war um­fas­send ge­bil­det, in­ter­es­sier­te sich ne­ben der Mu­sik auch für Li­te­ra­tur, Dich­tung und Phi­lo­so­phie, be­tä­tig­te sich als Schrift­stel­ler und ver­fass­te „Bey­trä­ge in ver­schied­ne Jour­na­le“, dar­un­ter für Cra­mers „Ma­ga­zin der Mu­si­k“ und die 1784 in Bonn er­schie­ne­nen „Bei­trä­ge zur Aus­brei­tung nütz­li­cher Kennt­nis­se“.

Susanna Maria Neefe, geb. Zink, Schattenriss eines unbekannten Künstlers. (Beethoven-Haus Bonn, Bildstelle)

 

Als Kom­po­nist gilt er als be­deu­ten­der Ver­tre­ter des auf­blü­hen­den deut­schen Sing­spiels. Er kom­po­nier­te Opern und Ope­ret­ten, über­setz­te Opern­tex­te aus dem Fran­zö­si­schen und Ita­lie­ni­schen. Da­ne­ben kom­po­nier­te er So­na­ten, ein Kla­vier­kon­zert, schuf ei­ge­ne Lie­der und ver­ton­te Lie­der von Jo­hann Gott­fried Her­der (1744-1803) und Oden von Fried­rich Gott­lieb Klopstock (1724-1803).

Nee­fe gilt als ei­ner der wich­tigs­ten Leh­rer des jun­gen Beet­ho­ven („ein Kna­be von 11 Jah­ren“), den er von 1781/1782 bis 1789 im Kla­vier­spiel und auf der Or­gel un­ter­rich­te­te. Er un­ter­wies ihn in Bachs Wohl­tem­pe­rier­tem Kla­vier, im Ge­ne­ral­bass und in der Kom­po­si­ti­on. Beet­ho­ven konn­te schon bald sei­nen Leh­rer an der Or­gel ver­tre­ten. In Carl Fried­rich Cra­mer’s „Ma­ga­zin der Mu­si­k“ be­rich­te­te er im Früh­jahr 1783: „Die­ses jun­ge Ge­nie ver­dien­te Un­ter­stüt­zung, daß er rei­sen könn­te. Er wür­de ge­wiß ein zwey­ter Wolf­gang Ama­de­us Mo­zart wer­den, wann er so fort­schrit­te, wie er an­ge­fan­gen.“

Beim An­rü­cken der fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­ons­trup­pen 1794 ver­ließ der Kur­fürst Bonn, das Thea­ter wur­de ein­ge­stellt. Durch den Weg­fall sei­ner Ein­künf­te als Mu­sik­di­rek­tor des Thea­ters war Nee­fe sei­ner Haupt­ein­nah­me­quel­le be­raubt und ver­such­te dies mit dem Er­tei­len von Mu­sik­un­ter­richt zu kom­pen­sie­ren. Auf aus­drück­li­chen Be­fehl des Kur­fürs­ten muss­te Nee­fe in Bonn blei­ben, wo er „zwey­mal in der Wo­che die Or­gel in der Hof­ka­pel­le“ zu spie­len hat­te. Als ihm bei ei­ner Düs­sel­dor­fer Thea­ter­ge­sell­schaft ei­ne gut be­zahl­te Po­si­ti­on an­ge­bo­ten wur­de, bat er um Be­ur­lau­bung. Ob­wohl er ei­nen Ver­tre­ter für sei­nen Dienst ge­fun­den hat­te, wur­de sein Ge­such ab­ge­lehnt. Nee­fe hat­te da­mit kei­ne Ein­künf­te mehr; die Fa­mi­lie sah sich ge­zwun­gen, un­ter den drü­cken­den Um­stän­den der fran­zö­si­schen Be­sat­zung, „ein Stück nach dem an­dern [zu] ver­kau­fen, nur um le­ben zu kön­nen!“ (so sei­ne Wit­we in der Fort­set­zung von Nee­fes Le­bens­be­richt). Die fran­zö­si­sche Ver­wal­tung Bonns „nahm ihn in Re­qui­si­ti­on“ und mach­te ihn zum un­be­zahl­ten Mu­ni­ci­pal­be­am­ten.

1796 nahm er das An­ge­bot, Di­rek­tor der Hof­schau­spiel­er­ge­sell­schaft in Des­sau zu wer­den, an und reis­te zu dem in Leip­zig wei­len­den Köl­ner Kur­fürs­ten Max Franz, um sei­ne Ent­las­sung zu er­wir­ken und sein rück­stän­di­ges Ge­halt für fast zwei Jah­re Dienst ein­zu­for­dern: “Es wur­de dem Chur­fürs­ten ei­ne Sup­plik die­s­er­halb über­ge­ben, mein Mann ging dar­auf selbst zu ihm, wur­de au­ßer­or­dent­lich gnä­dig auf­ge­nom­men, und wir er­war­te­ten mit Sehn­sucht die Ant­wort. Sie kam – mit zit­tern´der Freu­de öff­ne­ten wir und fan­den nichts, als ei­nen förm­li­chen Ab­schied!“

Glück­lich dar­über, den krie­ge­ri­schen Um­stän­den im fran­zö­sisch be­setz­ten Rhein­land ent­kom­men zu sein, nahm Nee­fe En­de des Jah­res 1796 sei­ne Tä­tig­keit in Des­sau auf. We­ni­ge Mo­na­te spä­ter er­krank­te er schwer und starb am 26.1.1798: „Sein En­de war so ru­hig und sanft, als sein Le­ben un­ru­hig und kum­mer­voll ge­we­sen war. Er brach­te sein Al­ter auf funf­zig Jahr we­ni­ger neun Ta­ge und hin­ter­ließ am Le­ben drey Töch­ter und ei­nen Sohn. S[usan­na] M[aria] Nee­fe. Witt­we.“

Werke (Auswahl)

Ue­ber die mu­si­ka­li­sche Wie­der­ho­lung, in: Deut­sches Mu­se­um 1776.
Ue­ber die Be­schaf­fen­heit der Mu­sik und ih­rer Aus­über, Ma­ga­zin von Cra­mer 1783.

Quellen

En­gel­hardt, Walt­her (Hg.), Chris­ti­an Gott­lob Nee­fens Le­bens­lauf von ihm selbst be­schrie­ben. Nebst bei­ge­füg­tem Ka­rack­ter, 1789, Köln 1957. 
Nee­fes Le­bens­ge­schich­te von sei­ner hin­ter­las­se­nen Witt­we fort­ge­setzt, in: All­ge­mei­ne Mu­si­ka­li­sche Zei­tung Nr. 23, den 6. März 1799, Sp. 360-364. 

Literatur

Brau­bach, Max, Kur­k­öln. Ge­stal­ten und Er­eig­nis­se aus zwei Jahr­hun­der­ten rhei­ni­scher Ge­schich­te, Müns­ter 1949.
Thay­er, A. W., Lud­wig van Beet­ho­vens Le­ben, Band 1, 2. Auf­la­ge, Ber­lin 1901.

Online

Küs­ter, Kon­rad, Nee­fe, Chris­ti­an Gott­lob, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 19 (1998), S. 23-24. [On­line]

Erwähnung der Organisten Christian Gottlob Neefe und Ludwig van Beethoven als Mitglieder der Hofmusik im Kurkölnischen Hofkalender von 1790. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

 
Zitationshinweis

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Mülhens-Molderings, Barbara, Christian Gottlob Neefe, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christian-gottlob-neefe/DE-2086/lido/57c952cd576802.12416821 (abgerufen am 10.11.2024)