Zu den Kapiteln
Christian Gottlob Neefe war unter den beiden letzten Kölner Erzbischöfen und Kurfürsten, Max Friedrich von Königsegg-Rothenfels und Max Franz von Österreich, Hoforganist, Musikdirektor der Hofkapelle und Direktor des kurfürstlichen Theaters in Bonn. Er war Lehrer und Förderer des jungen Ludwig van Beethoven. Der Anhänger der Aufklärung gehörte 1787 zu den Gründern der Bonner Lesegesellschaft.
Christian Gottlob Neefe wurde am 5.2.1748 in Chemnitz geboren. Seine Eltern waren Johann Gottlieb Neefe (1723 – 1786), Bürger und Schneider zu Chemnitz und Johanna Rosina Neefe, geborene Weyrauch (geboren 1745). Christian Gottlob besuchte die Chemnitzer Stadtschule, in deren „großen Singechor“ er aufgenommen wurde. Beim Chemnitzer Stadtorganisten Johann Friedrich Wilhelmi erhielt er Klavierunterricht und machte mit zwölf Jahren erste Versuche in der Komposition.
Nur durch ein kleines Stipendium seiner Vaterstadt unterstützt, bezog er 1764 die Universität Leipzig und belegte die Fächer Philosophie und Rechtswissenschaft. Infolge von Wachstumsstörungen, unter denen er als Jugendlicher litt, verfiel er in tiefe Depressionen und war 1770/1771 schwer krank. Das Thema seiner Abschluss-Disputation im Fach Jurisprudenz lautete: „Ob ein Vater befugt sey, seinen Sohn zu enterben, weil er sich dem Theater geweihet?“[1]. In Leipzig lernte er den ersten Leiter der Gewandhauskonzerte und späteren Thomaskantor Johann Adam Hiller (1728-1804) kennen, der ihn umfassend förderte und „in die musickalische Welt einführte“. 1776 wurde er Hillers Nachfolger als Musikdirektor der Seylerschen Theatergesellschaft und ging 1777 mit ihr nach Frankfurt, wo er deren Opernaufführungen leitete und auch ihre Gastspiele in Mainz, Köln, Hanau, Mannheim und Heidelberg. 1778 heiratete er Susanna Maria Zink (1751-1821), Schauspielerin und Sängerin beim Seylerschen Theater. Aus der Ehe gingen drei Söhne und drei Töchter hervor.
Nach der Auflösung der Seylerschen Theatergesellschaft wurde Neefe Ende 1779 Musikdirektor der Großmann-Hellmutischen Bühne in Bonn. 1781 bestätigte Kurfürst Max Friedrich dem Protestanten Neefe per Dekret dessen Anwartschaft auf die Stelle des Hoforganisten. In einem dem neuen Kurfürsten Max Franz 1784 vorgelegten „Unterthänigsten Bericht und Vorschlag, waß bey der Hof Kappellen Musique zu verändern und zu verbeßeren wäre“, wird Neefe wie folgt beurteilt: […] „hat gar keine Meritten und ist erst vor drey jahren durch Protection angenommen worden, auch Calvinisch, hat vierhundert florin, so erspart werden könnten […]“ Der Kurfürst setzte daraufhin sein Gehalt auf 200 Gulden herunter, was Neefe veranlasste, für sich und seine Frau nach einem Theaterengagement außerhalb von Bonn zu suchen. Es zeugt jedoch von der großen Toleranz und Unvoreingenommenheit des Kurfürsten, dass er ihm, nachdem er seine Verdienste selbst einschätzen konnte, 1785 sein früheres Gehalt wieder zubilligte. Auch wurde ihm die „Direktion über Kirchen- und die andere Musik bei Hofe“ übertragen. Neefe selbst war stolz darauf, „einem der aufgeklärtesten teutschen Fürsten zu dienen“, wie er in seinem von ihm eigenhändig verfassten Lebenslauf schrieb.
Neefe engagierte sich früh in aufgeklärten Gesellschaften. 1781 wurde er Mitglied des Illuminatenordens. Nach dessen Verbot gehörte er 1787, zusammen mit Nikolaus Simrock und Franz Anton Ries, seinen Kollegen der Bonner Hofmusik, zu den 13 Gründungsmitgliedern der Bonner Lesegesellschaft. Er war umfassend gebildet, interessierte sich neben der Musik auch für Literatur, Dichtung und Philosophie, betätigte sich als Schriftsteller und verfasste „Beyträge in verschiedne Journale“, darunter für Cramers „Magazin der Musik“ und die 1784 in Bonn erschienenen „Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse“.
Als Komponist gilt er als bedeutender Vertreter des aufblühenden deutschen Singspiels. Er komponierte Opern und Operetten, übersetzte Operntexte aus dem Französischen und Italienischen. Daneben komponierte er Sonaten, ein Klavierkonzert, schuf eigene Lieder und vertonte Lieder von Johann Gottfried Herder (1744-1803) und Oden von Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803).
Neefe gilt als einer der wichtigsten Lehrer des jungen Beethoven („ein Knabe von 11 Jahren“), den er von 1781/1782 bis 1789 im Klavierspiel und auf der Orgel unterrichtete. Er unterwies ihn in Bachs Wohltemperiertem Klavier, im Generalbass und in der Komposition. Beethoven konnte schon bald seinen Lehrer an der Orgel vertreten. In Carl Friedrich Cramer’s „Magazin der Musik“ berichtete er im Frühjahr 1783: „Dieses junge Genie verdiente Unterstützung, daß er reisen könnte. Er würde gewiß ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wann er so fortschritte, wie er angefangen.“
Beim Anrücken der französischen Revolutionstruppen 1794 verließ der Kurfürst Bonn, das Theater wurde eingestellt. Durch den Wegfall seiner Einkünfte als Musikdirektor des Theaters war Neefe seiner Haupteinnahmequelle beraubt und versuchte dies mit dem Erteilen von Musikunterricht zu kompensieren. Auf ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten musste Neefe in Bonn bleiben, wo er „zweymal in der Woche die Orgel in der Hofkapelle“ zu spielen hatte. Als ihm bei einer Düsseldorfer Theatergesellschaft eine gut bezahlte Position angeboten wurde, bat er um Beurlaubung. Obwohl er einen Vertreter für seinen Dienst gefunden hatte, wurde sein Gesuch abgelehnt. Neefe hatte damit keine Einkünfte mehr; die Familie sah sich gezwungen, unter den drückenden Umständen der französischen Besatzung, „ein Stück nach dem andern [zu] verkaufen, nur um leben zu können!“ (so seine Witwe in der Fortsetzung von Neefes Lebensbericht). Die französische Verwaltung Bonns „nahm ihn in Requisition“ und machte ihn zum unbezahlten Municipalbeamten.
1796 nahm er das Angebot, Direktor der Hofschauspielergesellschaft in Dessau zu werden, an und reiste zu dem in Leipzig weilenden Kölner Kurfürsten Max Franz, um seine Entlassung zu erwirken und sein rückständiges Gehalt für fast zwei Jahre Dienst einzufordern: “Es wurde dem Churfürsten eine Supplik dieserhalb übergeben, mein Mann ging darauf selbst zu ihm, wurde außerordentlich gnädig aufgenommen, und wir erwarteten mit Sehnsucht die Antwort. Sie kam – mit zittern´der Freude öffneten wir und fanden nichts, als einen förmlichen Abschied!“
Glücklich darüber, den kriegerischen Umständen im französisch besetzten Rheinland entkommen zu sein, nahm Neefe Ende des Jahres 1796 seine Tätigkeit in Dessau auf. Wenige Monate später erkrankte er schwer und starb am 26.1.1798: „Sein Ende war so ruhig und sanft, als sein Leben unruhig und kummervoll gewesen war. Er brachte sein Alter auf funfzig Jahr weniger neun Tage und hinterließ am Leben drey Töchter und einen Sohn. S[usanna] M[aria] Neefe. Wittwe.“
Werke (Auswahl)
Ueber die musikalische Wiederholung, in: Deutsches Museum 1776.
Ueber die Beschaffenheit der Musik und ihrer Ausüber, Magazin von Cramer 1783.
Quellen
Engelhardt, Walther (Hg.), Christian Gottlob Neefens Lebenslauf von ihm selbst beschrieben. Nebst beigefügtem Karackter, 1789, Köln 1957.
Neefes Lebensgeschichte von seiner hinterlassenen Wittwe fortgesetzt, in: Allgemeine Musikalische Zeitung Nr. 23, den 6. März 1799, Sp. 360-364.
Literatur
Braubach, Max, Kurköln. Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, Münster 1949.
Thayer, A. W., Ludwig van Beethovens Leben, Band 1, 2. Auflage, Berlin 1901.
Online
Küster, Konrad, Neefe, Christian Gottlob, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 23-24. [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Mülhens-Molderings, Barbara, Christian Gottlob Neefe, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christian-gottlob-neefe/DE-2086/lido/57c952cd576802.12416821 (abgerufen am 12.10.2024)